von Jhea'kryna Ky'Alur » 28 Aug 2025, 16:51
Für einen Moment blieb alles still, als hätte die Welt selbst den Atem angehalten. Nur der bebende Nachhall der zerschmetterten Krypta vibrierte noch in Jhea’krynas Gliedern, ein dröhnendes Echo der Entfesselung, die sich gerade vor ihren Augen vollzogen hatte. Der untote Drache – dieses Ding aus Asche, Kristall und verbranntem Groll – war durch das geborstene Gewölbe gestiegen wie ein Fluch, der aus der Tiefe in den Himmel drang. Über ihr öffnete sich der Nachthimmel wie eine klaffende Wunde, aufgerissen von der Magie, die nun ungehemmt durch Yew tobte. Feuer regnete auf das Blätterdach, Blitze zuckten zwischen Magier und Liches, und irgendwo jenseits des Sichtfelds lachte Arencia – nicht wie ein Mensch, nicht wie ein Drache, sondern wie ein endgültiger Gedanke, der nie hätte gedacht werden dürfen.
Jhea stand in der Staubwolke, die Arencias Aufstieg hinterlassen hatte. Ihre wenigen verbliebenen Gefolgsleute, die nicht zu den anderen zurückgeschickt worden waren, verharrten schweigend. Niemand wagte ein Wort. Niemand stellte eine Frage. Denn jeder von ihnen wusste – spürte – dass dies kein Krieg mehr war. Es war eine Götterdämmerung, und Jhea’kryna stand an ihrer Schwelle.
Sie konnte Arencia nicht einfach ziehen lassen. Nicht jetzt. Nicht, wo sich alles verdichtete, wo alle Fäden ihres großen Werkes zusammenliefen. Nicht, wo die Essenz, dieser verdammte Kristallkern aus Seele und Macht, endlich greifbar war. Ihr Blick verfinsterte sich. Nicht aus Zorn. Nicht aus Angst. Es war der Ausdruck reiner Zielgerichtetheit, ein alter Wille, der in ihr aufstieg wie Quecksilber im Kern eines aufbrechenden Rituals. Was Arencia auch geworden war, was auch immer sie sich eingebildet hatte zu sein – sie war ein Schlüssel, und Jhea war die Hand, die ihn drehen würde.
Mit einer Bewegung, die beinahe an Zärtlichkeit erinnerte, streifte sie ihren Mantel ab. Der schwere Stoff glitt lautlos zu Boden, wie ein Schatten, der freiwillig verschwand. Ihre Hände tasteten über die alten Runen, die auf ihre Haut gebrannt waren, jede einzelne ein uralter Schwur, ein Opfer, ein Stück Geschichte. Und dann sprach sie den Namen – nicht irgendeinen, nicht einen, den man in einem Zauberbuch finden konnte. Sondern den wahren. Ihren. Die Luft um sie herum knisterte, als begänne sich das Netz selbst zu regen, seine Fäden neu zu spannen.
Ein grollendes Donnern stieg in ihr auf, kein Klang von außen, sondern etwas Inneres, das erwachte – das Knacken der Knochen, das Ziehen der Magie, das Aufbrechen der Grenzen. Ihre Haut wandelte sich, Schuppen sprossen aus ihren Gliedern, Zähne schoben sich aus den sich streckenden Kiefern, während ihr Körper sich in eine Form aus Albtraum und Mythos verwandelte. Kein Schrei begleitete die Verwandlung, nur das leise, grauenvolle Knirschen der Realität, die sich ihr unterwarf. Die Schatten an den Wänden zogen sich zurück wie Tiere vor einer Flut, und Jhea’kryna wurde mehr.
Als sie sich aufrichtete, breitete sie ihre Flügel aus – riesige, schwarze Segel aus schwarzer Haut. Wo einst eine Frau gestanden hatte, thronte nun ein Drache, geschmiedet aus Nacht, Wille und uraltem Blut. Die Augen glühten wie herabsinkende Sterne, schwer vor Bedeutung und Verheißung.
Sie schlug mit den Flügeln, und die Welt unter ihr wurde Staub.
Mit einem donnernden Schlag durchbrach sie die Ruine über sich, ließ geborstene Steine und aufwirbelnden Staub zurück und stieg in den Himmel. Der Nachthimmel über Yew empfing sie nicht – er wich zurück. Unter ihr brannte der Wald. Schutzzauber flackerten in geometrischen Mustern über den Wipfeln, während magische Barrieren sich aufbauten, zitterten und wieder zerfielen. Der Dämon, der von Arencia beschworen worden war, zog eine Schneise aus Feuer und Tod durch das Dickicht. Doch Jhea ignorierte ihn.
Denn sie roch Arencia. Die Spur war deutlich – ein Faden aus Verzweiflung, aus geborstenem Stolz und faulender Macht, die sich wie eine Verletzung durch den Nachthimmel zog. Der untote Drache stieg weiter, träge, schwankend, schwer. Ihr Körper war gewaltig, aber unstet. Ihre Flugbahn war nicht die eines Siegers, sondern die eines Wesens, das sich selbst verloren hatte. Jhea war schneller.
Ein einzelner Lichtstrahl, wohl ein fehlgeleiteter Schutzzauber aus Yew, streifte sie, glitt an ihren Flanken entlang. Sie spürte ihn kaum. Ihr Blick war fixiert, das Ziel klar. Und dann stieß sie vor. Mit der Wucht eines Schicksals.
Arencia bemerkte sie im letzten Moment. Ihr Schädel fuhr herum, aus ihrem Maul schoss ein Odem, kein Feuer, sondern ein Strom aus Asche, gebundenem Schmerz und Seelenfragmenten. Es war der Schrei eines Dings, das nie hätte leben sollen. Jhea ließ sich nicht beeindrucken. Ihr eigener Odem war ein Sturm aus tiefer Schattenenergie, durchzogen von Blitzen. Der Aufprall der beiden Kräfte ließ die Luft zwischen ihnen reißen wie Pergament im Feuer.
Dann rammte sie sie.
Zwei Körper, zwei Kräfte, zwei unvereinbare Formen von Wirklichkeit prallten aufeinander, und der Himmel erbebte. Sie wälzten sich umeinander, Biss gegen Klaue, Flamme gegen Odem, ein Tanz aus Hass, Entscheidung und uralter Geschichte. Jhea’kryna spürte die Kälte der Entropie in Arencias Körper, die Störung der natürlichen Ordnung. Doch sie spürte auch das Vibrieren des Kristalls irgendwo in der Mitte dieses Leichendrachen – und sie wusste: Das war das Ziel.
Sie stießen, schlugen, taumelten, sanken. Und dann – der Wald.
Mit einem markerschütternden Krachen zerschellten sie im Wald nahe der Krypten Yews. Der Boden bebte, als würde ein Erdbeben durch die Tiefe rauschen. Jahrhundertealte Bäume barsten wie morsches Holz, ihre Stämme splitterten unter der schieren Wucht der Landung. Eine Welle aus Staub und losen Blättern fegte durch das Unterholz und warf weitere Bäume um.
Die beiden Drachen trennten sich kurz nach dem Aufprall, rissen ihre Klauen aus dem Fleisch des jeweils anderen, standen sich gegenüber – rauchend, bebend, brennend.
Jhea’krynas Brust hob und senkte sich schwer. Schwarze Schuppen waren auf einer Flanke eingerissen, dunkles Drachensekret quoll hervor. Doch ihre Augen – diese glimmenden Rubine der Präzision – funkelten unerbittlich.
Arencia stand ihr gegenüber. Ihre Flügel zuckten. Ein ganzer Teil ihres Brustkorbs fehlte, ausgesprengt, durchbrochen. Die violetten Flammen in ihren Augen brannten greller als je zuvor. Sie war ein Kunstwerk des Verfalls – und doch war sie gefährlich.
Es gab keinen weiteren Ruf. Keine Worte. Nur den Hass – und den Angriff.
Arencia war die Erste, die sich bewegte – trotz ihrer Schwäche. Sie schoss vor wie ein zuckender Blitz, riss mit ihren Klauen nach Jheas Nacken. Die Ilharess duckte sich, konterte mit einem seitlichen Prankenhieb, der Arencias Hals traf und sie gegen einen Felsbrocken schleuderte. Der Stein wurde unter der Wucht zu staub zermalen.
Bevor die Kreatur sich aufrichten konnte, sprang Jhea über sie hinweg, landete hinter ihr und hieb mit der Schwanzspitze nach den Hinterläufen. Sie wollte sie zu Boden zwingen. Jetzt. Noch bevor sie zu viel Kraft aus ihrem Zorn ziehen konnte.
Arencia schleuderte sich zur Seite, riss mit einem Flügelschlag ein halbes Dutzend Bäume aus dem Boden. Die gewaltigen Stämme wirbelten wie Spielzeug durch die Luft, einer davon krachte gegen Jheas Flanke, warf sie zur Seite. Ein schmerzhafter Treffer.
Sie bäumte sich auf, brüllte – ein Klang, der in den Hügeln widerhallte wie ein Kriegsgong. Ein Fluch, der nur in alten Sprachen der Tiefe geschrieben stand. Ihr Odem fuhr wie ein pechschwarzer Keil aus ihrem Maul und traf Arencia direkt auf die Brust.
Ein Teil der untoten Haut verdampfte. Rauch stieg auf. Doch Arencia antwortete.
Sie schrie.
Und aus ihrem Inneren schoss etwas hervor – kein Odem im klassischen Sinne. Kein Feuer. Sondern ein Strahl aus kristallisierter Verzweiflung. Splittermagie, geboren aus gebrochenen Erinnerungen. Die Energie traf Jhea an der Schulter und ließ einen Teil ihrer linken Schuppe platzen wie Glas unter Hitze.
Jhea taumelte zurück. Dann stürzte sie sich vor.
Die beiden Drachen prallten erneut zusammen – diesmal nicht mit Strategie, sondern mit purer Gewalt. Ihre Leiber rangen, ihre Klauen gruben sich in Haut und Knochensubstanz. Sie wälzten sich über den Boden, zerstörten alles, was einst Natur gewesen war. Wo sie kämpften, wuchs nichts mehr.
Die Luft war noch vom Rauch zerrissen, der Boden bebte in flacher, fast atemloser Unruhe. Die Wälder um die Krypten lagen in Trümmern – dort, wo die beiden Drachen kollidiert waren, war kein Wald mehr, sondern eine Wunde im Fleisch der Welt, aufgerissen durch uralten Zorn, Verrat und jene Art von Macht, die nie mehr hätte erwachen dürfen. Jhea’kryna lag auf der Seite, Dreck und Blut klebten an ihren Flanken, eine Schuppe war vom Flammenodem Arencias zerborsten, tief bis ins Fleisch gebrannt, und ein Gefühl von Übelkeit drückte an den Rand ihres Bewusstseins. Doch sie lebte. Und mehr noch: sie war nicht unterlegen.
Sie hatte gezögert, ja. Für einen einzigen Moment. Als sie da stand, zwischen den zerborstenen Bäumen, den Leib gesenkt, das Herz schwer – nicht vor Angst, sondern unter der Wucht einer Wahrheit, die sie nicht hatte kommen sehen. Arencia war stärker gewesen, mehr verschmolzen mit dem Drachen, als sie es erwartet hatte. Da war keine verbliebene Dienerin mehr gewesen, keine schwache Kreatur im Teddybären, sondern ein Wesen aus Asche und Wille, aus Essenz und tödlicher Klarheit. Und Jhea hatte es gespürt – dass sie unterliegen konnte, wenn sie nur ein weiteres Mal zu zögern wagte.
Doch dann hatte sie es gesehen. Das Pulsieren. Die Schwäche. Den Kristall. Kein Artefakt, kein Schmuck – sondern ein Anker, der zu tief im Fleisch saß, zu viel trug, zu viel zu verlieren hatte. Es war der Moment, in dem aus Verteidigung Angriff wurde, aus Kontrolle Instinkt. Sie hatte ihn nicht berechnet. Sie hatte ihn gespürt.
Sie erinnerte sich kaum an den Sprung. Nur an das Knirschen, als ihre Klauen durch verkohlte Schuppen schnitten. An den Aufschrei Arencias, den letzten, gequälten Laut, der wie ein zerrissenes Echo durch die zerschlagenen Bäume hallte. Und an das Licht, als ihre Klaue tief griff und der Kristall zu beben begann. Er hatte sich gewehrt. Natürlich hatte er das. Arencias Seele, Mytraxors Wahnsinn, die Reste aller Lügen, die sie in sich getragen hatte – sie hatten sich aufgebäumt wie ein aufgeschrecktes Tier. Aber sie hatten nicht gereicht.
Jetzt stand sie aufrecht. Ihre Flanken hoben und senkten sich schwer, die Flügel waren zerschrammt, einer trug nicht mehr. Aber sie stand. Und in ihrer linken Klaue: das Herz des Ganzen. Der Kristall pulsierte noch. Nicht wild wie zuvor, sondern stetig, fast... unterwürfig. Als hätte selbst er verstanden, wer nun herrschte. Jhea'kryna betrachtete ihn einen Moment lang, hob ihn gegen das fahle Licht des Himmels, durch den noch immer Asche und Glutpartikel rieselten. Etwas in ihm flackerte, als sei Arencias Geist noch nicht ganz vergangen – ein letztes, winziges Aufbäumen. Doch Jhea’kryna lachte. Leise zuerst, dann lauter, bis das Lachen aus ihrer Drachenkehle wie ein grollendes Beben über das Schlachtfeld rollte. Es war kein Triumph der Freude, sondern der reinen Macht. Sie hatte gesiegt. Nicht nur über Arencia, sondern über alles, was diese Kreatur je hatte sein können: über Schuld, Erinnerung, Dienerschaft, Reue.
Der Körper Arencias lag zu ihren Füßen, oder dem, was davon übrig war. Keine elegante Form mehr, kein brennendes Konstrukt. Nur zersplitterter Knochen, Ruß, und ein leerer Raum, aus dem das Herz gerissen worden war. Der Wald stank nach Verwesung und Magie, nach verbranntem Fleisch und Erde. Über ihnen war der Himmel aufgerissen – weder Tag noch Nacht, sondern ein Wirbeln aus farblosen Lichtbändern, die der Kampf der Giganten über dem Wald hinterlassen hatte. Es regnete langsam, kein Wasser, sondern Ascheflocken, und das letzte Licht spiegelte sich in Jheas schuppiger Haut wie in schwarzem Glas.
Langsam senkte sie den Kristall. Ihre Glieder zitterten leicht, nicht vor Schwäche, sondern von der Nachwirkung jener Form, die nie für Dauer gedacht war. Jeder Knochen verlangte nach Ruhe, jeder Muskel pochte. Doch der Wille hielt. Sie wandte sich um, in Richtung der Ruine, die einst Krypta gewesen war. Vielleicht warteten sie dort noch – Sarkul, Tath’raen, Xael’vryna, die kleine Lyr’sa. Vielleicht auch nicht. Es war gleichgültig. Sie hatten gesehen, was geschehen war. Und sie würden wissen, was es bedeutete.
Mit langsamen, knirschenden Schritten setzte sich der schwarze Drache in Bewegung. Die Geräusche des Waldes kamen zögerlich zurück – das Knistern von Flammen, das Wimmern sterbender Kreaturen, das Flattern von Stoff irgendwo in den Bäumen. Aber es wagte sich nichts in ihre Nähe. Nicht einmal der Wind. Nur der Kristall in ihrer Klaue pulsierte weiter, als würde er flüstern, was aus ihm geboren werden konnte. Oder sollte. Oder längst beschlossen war.
Und Jhea’kryna lächelte.
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Für einen Moment blieb alles still, als hätte die Welt selbst den Atem angehalten. Nur der bebende Nachhall der zerschmetterten Krypta vibrierte noch in Jhea’krynas Gliedern, ein dröhnendes Echo der Entfesselung, die sich gerade vor ihren Augen vollzogen hatte. Der untote Drache – dieses Ding aus Asche, Kristall und verbranntem Groll – war durch das geborstene Gewölbe gestiegen wie ein Fluch, der aus der Tiefe in den Himmel drang. Über ihr öffnete sich der Nachthimmel wie eine klaffende Wunde, aufgerissen von der Magie, die nun ungehemmt durch Yew tobte. Feuer regnete auf das Blätterdach, Blitze zuckten zwischen Magier und Liches, und irgendwo jenseits des Sichtfelds lachte Arencia – nicht wie ein Mensch, nicht wie ein Drache, sondern wie ein endgültiger Gedanke, der nie hätte gedacht werden dürfen.
Jhea stand in der Staubwolke, die Arencias Aufstieg hinterlassen hatte. Ihre wenigen verbliebenen Gefolgsleute, die nicht zu den anderen zurückgeschickt worden waren, verharrten schweigend. Niemand wagte ein Wort. Niemand stellte eine Frage. Denn jeder von ihnen wusste – spürte – dass dies kein Krieg mehr war. Es war eine Götterdämmerung, und Jhea’kryna stand an ihrer Schwelle.
Sie konnte Arencia nicht einfach ziehen lassen. Nicht jetzt. Nicht, wo sich alles verdichtete, wo alle Fäden ihres großen Werkes zusammenliefen. Nicht, wo die Essenz, dieser verdammte Kristallkern aus Seele und Macht, endlich greifbar war. Ihr Blick verfinsterte sich. Nicht aus Zorn. Nicht aus Angst. Es war der Ausdruck reiner Zielgerichtetheit, ein alter Wille, der in ihr aufstieg wie Quecksilber im Kern eines aufbrechenden Rituals. Was Arencia auch geworden war, was auch immer sie sich eingebildet hatte zu sein – sie war ein Schlüssel, und Jhea war die Hand, die ihn drehen würde.
Mit einer Bewegung, die beinahe an Zärtlichkeit erinnerte, streifte sie ihren Mantel ab. Der schwere Stoff glitt lautlos zu Boden, wie ein Schatten, der freiwillig verschwand. Ihre Hände tasteten über die alten Runen, die auf ihre Haut gebrannt waren, jede einzelne ein uralter Schwur, ein Opfer, ein Stück Geschichte. Und dann sprach sie den Namen – nicht irgendeinen, nicht einen, den man in einem Zauberbuch finden konnte. Sondern den wahren. Ihren. Die Luft um sie herum knisterte, als begänne sich das Netz selbst zu regen, seine Fäden neu zu spannen.
Ein grollendes Donnern stieg in ihr auf, kein Klang von außen, sondern etwas Inneres, das erwachte – das Knacken der Knochen, das Ziehen der Magie, das Aufbrechen der Grenzen. Ihre Haut wandelte sich, Schuppen sprossen aus ihren Gliedern, Zähne schoben sich aus den sich streckenden Kiefern, während ihr Körper sich in eine Form aus Albtraum und Mythos verwandelte. Kein Schrei begleitete die Verwandlung, nur das leise, grauenvolle Knirschen der Realität, die sich ihr unterwarf. Die Schatten an den Wänden zogen sich zurück wie Tiere vor einer Flut, und Jhea’kryna wurde mehr.
Als sie sich aufrichtete, breitete sie ihre Flügel aus – riesige, schwarze Segel aus schwarzer Haut. Wo einst eine Frau gestanden hatte, thronte nun ein Drache, geschmiedet aus Nacht, Wille und uraltem Blut. Die Augen glühten wie herabsinkende Sterne, schwer vor Bedeutung und Verheißung.
Sie schlug mit den Flügeln, und die Welt unter ihr wurde Staub.
Mit einem donnernden Schlag durchbrach sie die Ruine über sich, ließ geborstene Steine und aufwirbelnden Staub zurück und stieg in den Himmel. Der Nachthimmel über Yew empfing sie nicht – er wich zurück. Unter ihr brannte der Wald. Schutzzauber flackerten in geometrischen Mustern über den Wipfeln, während magische Barrieren sich aufbauten, zitterten und wieder zerfielen. Der Dämon, der von Arencia beschworen worden war, zog eine Schneise aus Feuer und Tod durch das Dickicht. Doch Jhea ignorierte ihn.
Denn sie roch Arencia. Die Spur war deutlich – ein Faden aus Verzweiflung, aus geborstenem Stolz und faulender Macht, die sich wie eine Verletzung durch den Nachthimmel zog. Der untote Drache stieg weiter, träge, schwankend, schwer. Ihr Körper war gewaltig, aber unstet. Ihre Flugbahn war nicht die eines Siegers, sondern die eines Wesens, das sich selbst verloren hatte. Jhea war schneller.
Ein einzelner Lichtstrahl, wohl ein fehlgeleiteter Schutzzauber aus Yew, streifte sie, glitt an ihren Flanken entlang. Sie spürte ihn kaum. Ihr Blick war fixiert, das Ziel klar. Und dann stieß sie vor. Mit der Wucht eines Schicksals.
Arencia bemerkte sie im letzten Moment. Ihr Schädel fuhr herum, aus ihrem Maul schoss ein Odem, kein Feuer, sondern ein Strom aus Asche, gebundenem Schmerz und Seelenfragmenten. Es war der Schrei eines Dings, das nie hätte leben sollen. Jhea ließ sich nicht beeindrucken. Ihr eigener Odem war ein Sturm aus tiefer Schattenenergie, durchzogen von Blitzen. Der Aufprall der beiden Kräfte ließ die Luft zwischen ihnen reißen wie Pergament im Feuer.
Dann rammte sie sie.
Zwei Körper, zwei Kräfte, zwei unvereinbare Formen von Wirklichkeit prallten aufeinander, und der Himmel erbebte. Sie wälzten sich umeinander, Biss gegen Klaue, Flamme gegen Odem, ein Tanz aus Hass, Entscheidung und uralter Geschichte. Jhea’kryna spürte die Kälte der Entropie in Arencias Körper, die Störung der natürlichen Ordnung. Doch sie spürte auch das Vibrieren des Kristalls irgendwo in der Mitte dieses Leichendrachen – und sie wusste: Das war das Ziel.
Sie stießen, schlugen, taumelten, sanken. Und dann – der Wald.
Mit einem markerschütternden Krachen zerschellten sie im Wald nahe der Krypten Yews. Der Boden bebte, als würde ein Erdbeben durch die Tiefe rauschen. Jahrhundertealte Bäume barsten wie morsches Holz, ihre Stämme splitterten unter der schieren Wucht der Landung. Eine Welle aus Staub und losen Blättern fegte durch das Unterholz und warf weitere Bäume um.
Die beiden Drachen trennten sich kurz nach dem Aufprall, rissen ihre Klauen aus dem Fleisch des jeweils anderen, standen sich gegenüber – rauchend, bebend, brennend.
Jhea’krynas Brust hob und senkte sich schwer. Schwarze Schuppen waren auf einer Flanke eingerissen, dunkles Drachensekret quoll hervor. Doch ihre Augen – diese glimmenden Rubine der Präzision – funkelten unerbittlich.
Arencia stand ihr gegenüber. Ihre Flügel zuckten. Ein ganzer Teil ihres Brustkorbs fehlte, ausgesprengt, durchbrochen. Die violetten Flammen in ihren Augen brannten greller als je zuvor. Sie war ein Kunstwerk des Verfalls – und doch war sie gefährlich.
Es gab keinen weiteren Ruf. Keine Worte. Nur den Hass – und den Angriff.
Arencia war die Erste, die sich bewegte – trotz ihrer Schwäche. Sie schoss vor wie ein zuckender Blitz, riss mit ihren Klauen nach Jheas Nacken. Die Ilharess duckte sich, konterte mit einem seitlichen Prankenhieb, der Arencias Hals traf und sie gegen einen Felsbrocken schleuderte. Der Stein wurde unter der Wucht zu staub zermalen.
Bevor die Kreatur sich aufrichten konnte, sprang Jhea über sie hinweg, landete hinter ihr und hieb mit der Schwanzspitze nach den Hinterläufen. Sie wollte sie zu Boden zwingen. Jetzt. Noch bevor sie zu viel Kraft aus ihrem Zorn ziehen konnte.
Arencia schleuderte sich zur Seite, riss mit einem Flügelschlag ein halbes Dutzend Bäume aus dem Boden. Die gewaltigen Stämme wirbelten wie Spielzeug durch die Luft, einer davon krachte gegen Jheas Flanke, warf sie zur Seite. Ein schmerzhafter Treffer.
Sie bäumte sich auf, brüllte – ein Klang, der in den Hügeln widerhallte wie ein Kriegsgong. Ein Fluch, der nur in alten Sprachen der Tiefe geschrieben stand. Ihr Odem fuhr wie ein pechschwarzer Keil aus ihrem Maul und traf Arencia direkt auf die Brust.
Ein Teil der untoten Haut verdampfte. Rauch stieg auf. Doch Arencia antwortete.
Sie schrie.
Und aus ihrem Inneren schoss etwas hervor – kein Odem im klassischen Sinne. Kein Feuer. Sondern ein Strahl aus kristallisierter Verzweiflung. Splittermagie, geboren aus gebrochenen Erinnerungen. Die Energie traf Jhea an der Schulter und ließ einen Teil ihrer linken Schuppe platzen wie Glas unter Hitze.
Jhea taumelte zurück. Dann stürzte sie sich vor.
Die beiden Drachen prallten erneut zusammen – diesmal nicht mit Strategie, sondern mit purer Gewalt. Ihre Leiber rangen, ihre Klauen gruben sich in Haut und Knochensubstanz. Sie wälzten sich über den Boden, zerstörten alles, was einst Natur gewesen war. Wo sie kämpften, wuchs nichts mehr.
Die Luft war noch vom Rauch zerrissen, der Boden bebte in flacher, fast atemloser Unruhe. Die Wälder um die Krypten lagen in Trümmern – dort, wo die beiden Drachen kollidiert waren, war kein Wald mehr, sondern eine Wunde im Fleisch der Welt, aufgerissen durch uralten Zorn, Verrat und jene Art von Macht, die nie mehr hätte erwachen dürfen. Jhea’kryna lag auf der Seite, Dreck und Blut klebten an ihren Flanken, eine Schuppe war vom Flammenodem Arencias zerborsten, tief bis ins Fleisch gebrannt, und ein Gefühl von Übelkeit drückte an den Rand ihres Bewusstseins. Doch sie lebte. Und mehr noch: sie war nicht unterlegen.
Sie hatte gezögert, ja. Für einen einzigen Moment. Als sie da stand, zwischen den zerborstenen Bäumen, den Leib gesenkt, das Herz schwer – nicht vor Angst, sondern unter der Wucht einer Wahrheit, die sie nicht hatte kommen sehen. Arencia war stärker gewesen, mehr verschmolzen mit dem Drachen, als sie es erwartet hatte. Da war keine verbliebene Dienerin mehr gewesen, keine schwache Kreatur im Teddybären, sondern ein Wesen aus Asche und Wille, aus Essenz und tödlicher Klarheit. Und Jhea hatte es gespürt – dass sie unterliegen konnte, wenn sie nur ein weiteres Mal zu zögern wagte.
Doch dann hatte sie es gesehen. Das Pulsieren. Die Schwäche. Den Kristall. Kein Artefakt, kein Schmuck – sondern ein Anker, der zu tief im Fleisch saß, zu viel trug, zu viel zu verlieren hatte. Es war der Moment, in dem aus Verteidigung Angriff wurde, aus Kontrolle Instinkt. Sie hatte ihn nicht berechnet. Sie hatte ihn gespürt.
Sie erinnerte sich kaum an den Sprung. Nur an das Knirschen, als ihre Klauen durch verkohlte Schuppen schnitten. An den Aufschrei Arencias, den letzten, gequälten Laut, der wie ein zerrissenes Echo durch die zerschlagenen Bäume hallte. Und an das Licht, als ihre Klaue tief griff und der Kristall zu beben begann. Er hatte sich gewehrt. Natürlich hatte er das. Arencias Seele, Mytraxors Wahnsinn, die Reste aller Lügen, die sie in sich getragen hatte – sie hatten sich aufgebäumt wie ein aufgeschrecktes Tier. Aber sie hatten nicht gereicht.
Jetzt stand sie aufrecht. Ihre Flanken hoben und senkten sich schwer, die Flügel waren zerschrammt, einer trug nicht mehr. Aber sie stand. Und in ihrer linken Klaue: das Herz des Ganzen. Der Kristall pulsierte noch. Nicht wild wie zuvor, sondern stetig, fast... unterwürfig. Als hätte selbst er verstanden, wer nun herrschte. Jhea'kryna betrachtete ihn einen Moment lang, hob ihn gegen das fahle Licht des Himmels, durch den noch immer Asche und Glutpartikel rieselten. Etwas in ihm flackerte, als sei Arencias Geist noch nicht ganz vergangen – ein letztes, winziges Aufbäumen. Doch Jhea’kryna lachte. Leise zuerst, dann lauter, bis das Lachen aus ihrer Drachenkehle wie ein grollendes Beben über das Schlachtfeld rollte. Es war kein Triumph der Freude, sondern der reinen Macht. Sie hatte gesiegt. Nicht nur über Arencia, sondern über alles, was diese Kreatur je hatte sein können: über Schuld, Erinnerung, Dienerschaft, Reue.
Der Körper Arencias lag zu ihren Füßen, oder dem, was davon übrig war. Keine elegante Form mehr, kein brennendes Konstrukt. Nur zersplitterter Knochen, Ruß, und ein leerer Raum, aus dem das Herz gerissen worden war. Der Wald stank nach Verwesung und Magie, nach verbranntem Fleisch und Erde. Über ihnen war der Himmel aufgerissen – weder Tag noch Nacht, sondern ein Wirbeln aus farblosen Lichtbändern, die der Kampf der Giganten über dem Wald hinterlassen hatte. Es regnete langsam, kein Wasser, sondern Ascheflocken, und das letzte Licht spiegelte sich in Jheas schuppiger Haut wie in schwarzem Glas.
Langsam senkte sie den Kristall. Ihre Glieder zitterten leicht, nicht vor Schwäche, sondern von der Nachwirkung jener Form, die nie für Dauer gedacht war. Jeder Knochen verlangte nach Ruhe, jeder Muskel pochte. Doch der Wille hielt. Sie wandte sich um, in Richtung der Ruine, die einst Krypta gewesen war. Vielleicht warteten sie dort noch – Sarkul, Tath’raen, Xael’vryna, die kleine Lyr’sa. Vielleicht auch nicht. Es war gleichgültig. Sie hatten gesehen, was geschehen war. Und sie würden wissen, was es bedeutete.
Mit langsamen, knirschenden Schritten setzte sich der schwarze Drache in Bewegung. Die Geräusche des Waldes kamen zögerlich zurück – das Knistern von Flammen, das Wimmern sterbender Kreaturen, das Flattern von Stoff irgendwo in den Bäumen. Aber es wagte sich nichts in ihre Nähe. Nicht einmal der Wind. Nur der Kristall in ihrer Klaue pulsierte weiter, als würde er flüstern, was aus ihm geboren werden konnte. Oder sollte. Oder längst beschlossen war.
Und Jhea’kryna lächelte.
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