So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

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Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

von Shi'nayne Ky'Alur » 07 Dez 2025, 21:15

Unter dem Gewicht von Werwolfkrallen, Schnodder und den Blicken zweier Oberflächenbewohner, deren Gelassenheit fast unverschämt wirkte, saß Shi’nayne wie ein Tropfen mondlosen Tiefenwassers mitten in einer warmen, zu engen Welt, die nach Suppe, Eisen und Tier roch. Ihr Rücken blieb gerade, obwohl die Stuhllehne klatschnass von Wolfsspeichel glänzte; ihre Hände ruhten auf den Oberschenkeln, sauber, kontrolliert, die Finger leicht gespreizt, als warteten sie nur darauf, wieder Befehle auszuführen, die nicht von diesen beiden kamen. Sie ließ Talos’ großspuriges Gerede über Einwickeln und Durchblutung über sich hinwegfließen, so wie man die Geräusche eines überforderten Marktschreiers hinnimmt: am Rand amüsant, aber irrelevant. Der Wolf in der Ecke, ohrenanlegend und doch neugierig, war gefährlicher als beide zusammen, aber er war Augenblick, nicht Auftrag. Alniira jedoch war eine Konstante. Eine, die redete wie jemand, der sich sicher war, eine Wahrheit gefunden zu haben, die größer war als jedes Haus im Unterreich.

Sie sprach von Ky’Alur, von der Ilharess, von Netzen und Götterbildern, die sie längst zerschlagen glaubte. Shi’nayne hörte aufmerksam zu, nicht weil sie überzeugt werden konnte, sondern weil jedes Wort ein Werkzeug war, ein Winkelmaß, um Alniiras Stand, ihre Absichten und ihre Schwächen zu messen. Und obwohl Schleim an ihrer Wange trocknete, antwortete sie erst, nachdem der Schmied mit einem Beil neben ihr geatmet hatte wie ein Schmiedebalg und Alniira ihren Tee so langsam gehoben hatte, als wolle sie damit den Grund ihres Herzens offenlegen.

In einer Stimme, so glatt und kühl wie die Klinge einer Ritualpeitsche, sprach Shi’nayne schließlich:
„Ich sehe, dass Ihr viel über jene sprecht, die Ihr hinter Euch gelassen habt, und viel weniger über jene, zu denen Ihr Euch gewandt habt.“
Sie drehte den Kopf ein wenig, kaum mehr als ein Grad, doch genug, dass ihr Blick sich wie ein verkapselter Dolch in Alniiras Augen legte.
„Ihr sprecht von Freiheit, von Musik, von Feuer ohne Gift, doch Ihr verwechselt vielleicht eines: Nicht jeder Schatten ist eine Kette. Nicht jede Halle des Unterreichs ist ein Kerker. Und nicht jede Entscheidung, dort zu bleiben, ist Angst.“
Ein Tropfen Werwolfschleim glitt von ihrer Schläfe auf die Tischplatte; sie ignorierte ihn vollkommen. Dann sah sie zu Talos, der das Beil wie ein beruhigendes Haustier hielt, und fuhr mit einer Ruhe fort, die keinerlei Aufgeregtheit verriet, aber eine deutliche Schärfe trug:
„Und keine Sorge, Schmied. Ich werde nicht verderben. Ich bin daran gewöhnt, in Gesellschaft zu speisen, die lauter ist als diese Küche.“
Als sie wieder zu Alniira sah, verschob sich ihr Ton kaum merklich. Nicht wärmer, aber tiefer.
„Ihr nennt Lloth eine Lügnerin. Ihr nennt die Ilharess einsam. Ihr nennt Ky’Alur ein Netz aus Spinnenweben.“
Sie senkte den Blick auf die Schüssel, die ihr zugeschoben worden war, rührte einmal mit dem Löffel darin, ohne zu essen, und hob dann wieder das Kinn, diesmal in einer Geste stiller Überlegenheit, die durch kein Wölfeknäuel und keinen Wolfsschleim der Welt beeinträchtigt werden konnte.
„Doch Ihr stellt viele Fragen, Alniira Vrammyr, und beantwortet keine der meinen. Wenn Ihr wissen wollt, warum ich hier bin, dann müsst Ihr zuerst sagen, warum Ihr glaubt, dass ich von jemandem geschickt wurde.“
Ein leises, fast unsichtbares Lächeln zuckte über ihre Lippen, ein Hauch von Spott, ein Hauch von Prüfung.
„Vielleicht bin ich hier, weil ich etwas suche. Vielleicht bin ich hier, weil ich beobachten soll. Vielleicht bin ich hier, weil Ihr und Euer Partner“ – ein kurzer, abschätzender Blick zum Wolf – „eine Unruhe erzeugt habt, die bis weit unter den Stein reicht.“
Sie hob langsam die Tasse Tee, roch daran, nippte kaum merklich, stellte sie wieder ab, ohne die Augen von Alniira zu lösen.
„Oder vielleicht bin ich einfach nur eine Reisende, die zur falschen Zeit am richtigen Ort stand.“
Talos schnaubte laut, und sie sprach ohne ihn anzusehen:
„Oder zum richtigen Zeitpunkt am falschen Ort.“
Dann lehnte sie sich ein wenig zurück, ließ die Schultern sinken, nicht in Entspannung, sondern in den kontrollierten Zustand einer Klinge, die man wegsteckt, aber nicht vergisst.
„Ihr wollt wissen, ob ich aus den Hallen Ky’Alur komme. Gewiss. Ihr wollt wissen, wie es der Ilharess geht. Sie herrscht, wie sie immer herrschte.“
Eine Pause, lang genug, um Gewicht zu erzeugen.
„Mit mehr Augen, als Ihr glaubt.“
Kein Drohen in der Stimme. Nur Wahrheit.

Und dann, leise, aber unüberhörbar, ein letzter Satz:
„Wenn Ihr wirklich wissen wollt, was mich hierher geführt hat, dann stellt die richtige Frage, Alniira. Nicht, ob ich geschickt wurde, sondern ob ich schon fertig bin.“
Das Feuer knackte. Der Wolf hob den Kopf. Talos’ Messer hielt inne.

Shi’nayne saß da, ein schwarzer Splitter des Unterreichs, der nicht gebrochen, nur gehalten wurde.

Und wartete.

Schreiben von Jolanda Pappmacher an Gräfin Cornelia von Schwarztann

von Jolanda Pappmacher » 07 Dez 2025, 06:16

Schreiben von Jolanda Pappmacher an Gräfin Cornelia von Schwarztann

Die Schrift ist hastig, in einigen Zeilen extrem schief und zeigt deutliche Tintenkleckse und Korrekturen. Worte sind doppelt oder oft unleserlich.

An Seine Exzellenz, die Gräfin Cornelia von Schwarztann,

Bitte beeilt euch.

Exzellenz,wir-Ich ... ich bitte um Verzeihung. Es ist alles durcheinander geraten. Nicht meine Schuld. Der Weg war... es waren diese Leute. Die Unordnung. Grauenhaft. Sie waren wütend, verstehen Sie? Auf dem Pfad. Musste mich beeilen.

Die Schrift ist hier besonders dünn und zittrig.

Zum Pech Glück gab es... diese Fremden, Dunklen Dunkelelfen? Sie kamen aus dem Gebüsch. Mmm-Mit messerscharfen Bewegungen. Sie sind... sehr präzise. Sie haben mich gerettet, als diese wildgewordenen wilden Anfingen zu schreien und mich anzufassen. Sie sind... äh... ungewöhnlich. Ihre Haut... wie Schatten. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Sehr dunkel. Und die Augen, rot im Halbschatten. Eine Violett. Sie sind jetzt meine... meine Gastgeber.

Sagen Sie... sagen Sie, ich bin vorläufig in Sicherheit. Brauche Zeit. Der Schock. Sie sind... sehr besorgt um meine Konstanten. M-M-Meine Berechenbarkeit. Sagen sie. Sie sagen, ich muss erst wieder ganz die Alte sein.

Hier ist ein großer, unscharfer Fleck, wahrscheinlich verschütteter Wein oder Tinte, der fast ein ganzes Wort unleserlich macht.

Ich muss für immer vorerst leider hier bleiben. Wegen der Sicherheit. Der Pöbel ist noch draußen, sagt man mir.

Es ist... es ist wichtig, dass ich funktioniere. Sie bitten um eine Audienz. Klarheit soll geschaffen werden. Eine Audienz mit der Gräfin Cornelia von Schwarztann.

Unleserliches

Die Unterschrift ist kaum entzifferbar, aber in der Tat erkennbar, sowie ihre Schrift, wer sie kennt, ordnet sie als die von Jolanda Pappmacher zu.

Jolanda Pappmacher

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

von Alniira Vrammyr » 05 Dez 2025, 21:05

Sie musterte ihr Gegenüber mit einem Blick, der nicht feindselig war, sondern eher dem einer Forscherin glich, die ein seltenes Exemplar betrachtete.
Alniira hat geschrieben: Ich sehe das Wappen auf deiner Kleidung. Ich kenne die Webart. Ich kenne den Stich.
(Sie macht eine kleine Pause, lässt die Worte wirken.)
Ich habe dieselbe Kleidung getragen. Vor langer Zeit, bevor ich den Himmel sah.
Sie lehnte sich ein Stück zurück, gab der Drow Raum, wirkte dabei aber vollkommen entspannt, als säße sie nicht einer potenziellen Mörderin gegenüber.
Alniira hat geschrieben: Ja. Ich war eine Ky'Alur. Ich kenne die Hallen, durch die du schleichst. Ich kenne die Kälte, die nicht vom Stein kommt, sondern von den Herzen derer, die dort herrschen. Ich kenne die Lektionen der Priesterinnen: Vertraue niemandem. Liebe niemanden. Aufstieg durch Mord.
Talos, der im Hintergrund gerade ein riesiges Stück Fleisch mit einem Beil zerteilte (HACK), schnaubte laut, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.
"Klingt nach einer netten Familie. Erinnert mich an meine Tante Helga. Die hat auch jeden gebissen, der ihr zu nahe kam."

Alniira ließ sich nicht beirren. Ihre Stimme blieb ruhig, aber sie gewann an Intensität, getragen von einer tiefen Überzeugung.
Alniira hat geschrieben: Lloth... die Weberin des Chaos. Sie nennen sie die Beschützerin der Drow. Aber das ist die größte Lüge von allen, nicht wahr? Sie beschützt uns nicht. Wir sind ihr Spielzeug. Sie nährt sich an unserem Ehrgeiz. Sie hetzt Haus gegen Haus, Schwester gegen Bruder. Nicht, um uns stark zu machen. Sondern weil sie sich an dem Blutbad ergötzt. Für Lloth sind wir keine Kinder. Wir sind Brennholz.
Sie deutete vage in Richtung der offenen, zertrümmerten Tür, wo der Nachthimmel zu sehen war.
Alniira hat geschrieben: Ich habe das Netz gesehen. Ich habe gesehen, wie es uns erstickt. Und dann... dann habe ich Musik gehört. Die Herrin des Tanzes. Eilistraee. Sie verlangt kein Blutopfer. Sie verlangt keinen Verrat. Sie gibt uns das zurück, was Lloth uns gestohlen hat: Die Freiheit. Die Freude. Die Möglichkeit, jemandem den Rücken zuzukehren, ohne einen Dolch zu erwarten.
Talos trat an den Tisch, das Beil locker in der Hand, und stellte einen Krug Wasser ab. Der Stahl der Klinge fing das Licht des Feuers ein.
Talos hat geschrieben: (Trocken.)
Und sie sorgt für gutes Essen. Meistens. Wenn man davon absieht, dass wir ständig Leute zum Essen einladen, die eigentlich uns umbringen wollten. Aber hier... in diesem Haus... ist waffenfreie Zone. Zumindest für Spinnen.
Alniira nickte und breitete die Arme aus, als wollte sie den kleinen, warmen Raum umfassen und anbieten.
Alniira hat geschrieben: Sieh dich um. Das hier ist kein Palast. Es ist eine Schmiede. Aber es ist eine Festung. Hier, an diesem Ort, reicht Lloths Einfluss nicht her. Ihre Netze verbrennen im Licht dieses Feuers. Dies ist eine Enklave. Ein Ort, an dem eine Drow atmen kann, ohne Gift zu schmecken. Ein Ort, an dem wir nicht Sklaven einer wahnsinnigen Göttin sind, sondern... eine Familie.
Ihr Blick glitt kurz zu dem riesigen Wolf an der Tür, der satt und zufrieden gähnte und dabei sein Gebiss präsentierte. Dann sah sie Shi'nayne wieder direkt an.
Alniira hat geschrieben: Lloth bietet dir Macht durch Angst. Ich biete dir etwas anderes. Einen Platz am Feuer. Eine Schüssel Suppe, die nicht vergiftet ist. Und die Freiheit, selbst zu wählen, wer du sein willst. Späherin? Mörderin? Oder einfach... Du selbst?
Talos lehnte sich über den Tisch, sein Schatten fiel über die Teller. Er flüsterte laut, als würde er ein Geheimnis verraten:
Talos hat geschrieben: Wähl die Suppe. Ehrlich. Der Wolf starrt schon wieder auf deine Ohren. Ich glaube, er mag Knorpel.
Alniira lächelte milde, eine Geste des Friedens.
"Er meint es nur gut. Also, Schwester... iss. Der Weg aus der Dunkelheit beginnt mit einem vollen Magen."

Die Spinne greift zu... [Statthalter Moonglow]

von Jhea'kryna Ky'Alur » 05 Dez 2025, 16:45

Die Dämmerung lag schwer über dem Pfad, der von der östlichen Straße Moonglows in Richtung des Adelsanwesens führte, und selbst das schwache Licht der sinkenden Sonne schien sich davor zu scheuen, die Schatten zu berühren, in denen sich Jhea’kryna und ihr Qu’ellar verborgen hielten. Die Ilharess stand reglos zwischen zwei alten Wacholdersträuchern, die Nadeln dufteten intensiv. Ihre Haltung war ruhig, kontrolliert, wachsam, und ihre Augen ruhten auf dem Weg, als könne sie allein mit ihrem Blick bestimmen, wann das Spiel beginnen sollte. Zu beiden Seiten hatten sich Tath’raen und Sarkul postiert, die Sargtline, schweigsam, doch mit jener erwartungsvollen Anspannung, die Krieger nur in jenen Momenten zeigten, in denen sie endlich tun durften, was sie am besten konnten. Ein Stück weiter, halb hinter den knorrigen Ästen einer Weide verborgen, kniete Shi'nayne, deren Bogen bereits gespannt war, obwohl sie ihn vermutlich nie würde abfeuern müssen. Zynrae stand dicht neben der Ilharess und presste eine Hand auf die Brust, als müsse sie sich daran erinnern, ruhig zu atmen. Xael’vyra und Ruchi hingegen wirkten fast gelassen, als wüssten sie genau, dass Lloth ihnen gewogen war und dass dies ein Abend werden würde, der der Göttin ganz sicher gefiel.

Weiter unten am Weg, dort wo der Pfad eine leichte Senke bildete, hatten die Drow jene Menschen postiert, die sie für diesen Zweck vorbereitet hatten: traumatisierte Flüchtlinge, deren Geist bereits zuvor gebrochen war und deren Wahrnehmung – dank Baretis Gabe, des Apfelmosts #6 namens Thalnyssa, sowie der Magie Jhea'krynas – wie ein zersplitterter Spiegel wirkte. Sie standen nicht geordnet, sondern verstreut, mit leeren Blicken und fahrigen Bewegungen, als wären sie aus einem Albtraum gefallen und hätten den Weg zurück nicht gefunden. Manche schwankten, andere kniffen die Augen zusammen, als würden sie etwas Unsichtbares sehen, und wieder andere hielten bereits nach improvisierten Waffen Ausschau, als ahnten sie instinktiv, dass gleich etwas von ihnen verlangt werden würde.

Es dauerte lange genug, dass die Spannung in der Luft zu einem eigenen Wesen wurde, aber schließlich, als der Abend sich vollständig auf den Weg legte, tauchte Jolanda Pappmacher auf. Die adrette Schreiberin, perfekt frisiert, mit ihrer stets leicht zu steifen Art zu gehen, trat mit einer Entschlossenheit auf den Pfad, die allein aus ihrer Überzeugung erwuchs, dass dieser Weg ihr zustand, dass sie wichtig genug war, um sicher zu sein. Sie blickte geradeaus, die Schritte kurz, aber entschieden, und genau in diesem Augenblick begannen die ersten der Flüchtlinge zu reagieren. Ein Mann erkannte sie zuerst. Sein Blick weiteten sich, dann verzog sich sein Gesicht zu einer Maske reiner Angst, die jedoch sofort in Aggression umschlug. Er hob einen gebrochenen Ast, als sei es ein Schwert, und rief etwas Unverständliches, doch der Ton war voll von Schmerz und Wut. Andere folgten. Eine Frau begann zu schreien, als sähe sie ein Gespenst, und zwei junge Männer bückten sich gleichzeitig, um Steine aufzuheben. Messer blitzten auf, ein Flaschenhals zersprang an einem Stein und wurde zur improvisierten Klinge.

Jolanda blieb abrupt stehen. Die Farbe wich aus ihrem Gesicht.
„Geht weg, ihr… ihr ungewaschenes Gesindel! Wache! Wache!“
Und genau das war das Signal.

Aus dem Dickicht brachen die Drow hervor wie Schatten, die plötzlich Form annahmen. Tath’raen und Sarkul stürzten sich auf die ersten Angreifer; ihre Klingen bewegten sich rasch, sauber, präzise, ohne Gnade und ganz ohne jede Eile. Shi'nayne schnitt einem Mann den Weg ab, bevor er Jolanda erreichte, und ihre Bewegungen waren so lautlos, dass er erst begriff, dass er getroffen war, als seine Knie nachgaben. Zynrae murmelte eine Formel, die die Luft scheinbar verdunkelte, und ein junger Mensch brach schreiend zusammen, ohne dass ein Messer ihn berührt hätte. Xael’vyra und Ruchi standen mit erhobenen Händen da, murmelten leise überlieferte Gebete, und die Schwächsten unter den Flüchtlingen verloren sofort das Bewusstsein, als hätten die Worte der Priesterinnen das letzte Stück ihrer Willenskraft einfach ausgelöscht.
Jolanda stolperte rückwärts, ihre Schuhe rutschten im Schotter, und sie wirkte so klein, so unerwartet verletzlich, dass es beinahe lächerlich gewesen wäre, hätte die Szene nicht genau so sein sollen. Zwei Schritte schaffte sie, vielleicht drei, dann stellten sich Tath’raen und Sarkul ihr in den Weg. Sie hoben keine Waffe gegen sie, sie taten nichts Unschickliches – sie standen einfach da, und das genügte, damit Jolanda wie unter Zwang verharrte.

Jhea'kryna trat aus dem Schatten, langsam, würdevoll, jedes Detail ihrer Bewegung sorgfältig komponiert.
„Beruhigt Euch, Jolanda,“ sagte sie mit einer Stimme, die gleichzeitig tröstend und eiskalt war. „Ihr seid gerettet worden, und Ihr solltet Euch glücklich schätzen, dass wir in der Nähe waren.“

Jolanda zitterte sichtbar, fasste sich aber schnell. „Bringt… bringt mich sofort zum Anwesen der Gräfin. Ich muss dorthin. Ich muss… Bericht erstatten.“

Weiter hinten erklang das Stöhnen weiterer Flüchtlinge, die vom Lärm angelockt worden waren, und als Jhea'kryna den Kopf hob, sah sie zwei, drei Gestalten auftauchen, verwirrt, verletzt, lethargisch. „Wie bedauerlich,“ murmelte sie, „es scheint, Ihr Zustand verschlechtert sich.“

Dann wandte sie sich wieder Jolanda zu.
„Natürlich kann dies arrangiert werden. Aber nicht jetzt. Nicht hier. Ihr seid bis auf Weiteres unser Gast, damit Ihr in Sicherheit bleibt.“

Es war nicht als Angebot formuliert worden.
Die Drow führten die Schreiberin zur Schmiede zurück, und Jolanda stolperte mehrmals, doch niemand griff ein, um sie aufzufangen. Am hinteren Ende des Ganges sperrten sie sie in ein karges Zimmer, ausgestattet mit nur einem Bett, Stuhl, einem Schreibpult sowie einem schmalen Fenster, zusammen mit Wein, Tinte und Papier.

„Ihr werdet einen Brief an die Gräfin schreiben,“ erklärte Tath’raen ruhig, bevor er die Tür hinter sich schloss und Wache stand.
Und Jolanda tat, was jeder tun würde, der gerade gerettet und gleichzeitig gefangen genommen wurde:
Sie begann zu schreiben.

Goldbraunes Röstbrot und ein makelloses, weichgekochtes Ei

von Jolanda Pappmacher » 04 Dez 2025, 20:29

Jolanda saß an ihrem Schreibtisch und tippte ungeduldig mit den Fingern auf die Holzoberfläche. Dreimal schon musste der Diener kommen, und dreimal musste sie äußerst verärgert ihr Abendbrot zurückweisen.

Verlangte sie wirklich zu viel, um ein perfekt goldbraunes Röstbrot und makelloses, weichgekochtes Ei zu bekommen? Sie, die so hartnäckig und zielstrebig arbeitete.

Eine daumendicke Scheibe, mit einer Kruste, die knackte. Nicht zu laut, nicht zu leise.

Ein weichgekochtes Ei mit sanftem, sonnengelben Inneren. Bloß nicht zu orange.

Warum, zur Hölle, war nichts mehr befriedigend in dieser Welt? Sie verlangte nicht nach viel, fand sie. Es muss an diesem Diener liegen, sie würde ihn am Morgen freistellen. Für immer.

Der Diener brachte mit unruhiger Hand erneut Röstbrot und ein Ei, stellte es auf den Tisch und begann mit zittriger Hand die Schale des Ei's zu pellen.

Dann inzipierte Jolanda für einige lange Atemschläge und seufzte lautstark. "Wie erwartet nicht perfekt, aber ich muss gleich zur gewöhnlichen Zeit los. Berechenbarkeit, darum geht es mir. Konstanten beherrschen. Du kannst gehen."

Böser Wolf....

von Alniira Vrammyr » 04 Dez 2025, 09:59

Es gab Klopfen. Es gab Hämmern. Und dann gab es das, was Rianon tat.

Die massive Eichentür, auf die Talos so stolz gewesen war, flog nicht einfach auf; sie wurde aus dem Rahmen geschält wie eine Banane und landete scheppernd mitten im Raum,
begleitet von einer Wolke aus Staub, Holzsplittern und dem Geruch von nassem Hund und Nachtluft.

Talos stand am Herd, den Schöpflöffel noch in der Hand, und starrte auf das neue Loch in seiner Architektur. "Ich glaube, er hat 'Tritt ein' etwas zu wörtlich genommen", murmelte er trocken.
Alniira hingegen legte ihre Serviette mit einer fast schon beleidigenden Ruhe beiseite.
Ihr Blick galt nicht dem riesigen Werwolf, der nun den Rahmen füllte, sondern den Holzsplittern auf ihrem Teppich.

Das Monstrum schob sich in den Raum. Ein Berg aus Muskeln und Fell, so breit, dass das Holz der Zargen knirschte.
In seiner riesigen Pranke hielt er Shi'nayne. Die Späherin war bedeckt mit einer zähen Schicht aus Werwolf-Schnodder.

Die Stille im Raum wurde nur unterbrochen vom Tropf... Tropf... des Schleims, der auf die Dielen klatschte.

Alniira atmete tief ein, faltete die Hände im Schoß und schenkte dem Besuch ein Lächeln, das so warm und strahlend war, dass es in dieser Situation absolut fehl am Platz wirkte.
Alniira hat geschrieben: (Sanft, als würde sie mit einem verirrten Kind sprechen.) Oh, seht nur. Der Große ist zurück. Und er hat uns... ein Findelkind gebracht. Wie rührend. Er muss gespürt haben, dass wir noch einen Platz am Tisch frei haben.
Talos reagierte nicht mit Panik, sondern mit der pragmatischen Ruhe eines Mannes, der an seltsame Essensgäste gewöhnt war.
Er warf einen kurzen, abschätzenden Blick auf die massiven Muskelberge des Wolfes und griff dann routiniert nach einer extra großen Schüssel – groß genug, um darin einen ganzen Kohlkopf zu waschen.
Talos zu Rianon hat geschrieben: Bleibst du zum Essen? Oder war das hier nur eine Lieferung aus dem Wald? (Er wirft einen Blick in den Topf.) Ich hoffe, du hast Hunger mitgebracht. Ich habe reichlich gemacht. Mach es dir gemütlich... wo auch immer du hinpasst.
Rianon ließ ein tiefes Grollen hören, das die Gläser im Schrank vibrieren ließ, und öffnete dann die Pranke, um Shi'nayne auf einen freien Stuhl fallen zu lassen – oder zumindest in dessen grobe Richtung.

Alniira zuckte kurz zusammen, als der bespeichelte Gast auf dem Polster landete.
Mit einer fließenden Bewegung schob sie einen Untersetzer in die Nähe von Shi'naynes triefendem Ellbogen.
Alniira hat geschrieben: Talos, bitte. Man beurteilt Gäste nicht nach ihrem... Geschmack. (Sie wirft ihm einen vielsagenden Blick zu.) Es kommt doch auf die inneren Werte an.
(Sie wendet sich an den Wolf.) Und du... böser Wolf. Ganz böser Wolf. Wir bringen Gäste durch die Tür, ja. Aber doch nicht so !
Talos war derweil zum Herd zurückgekehrt. Er griff nach einem Bund frischen Rosmarins und zerrieb ihn langsam zwischen den Fingern, während er Shi'nayne mit einem fachmännischen, fast klinischen Blick musterte.
Talos hat geschrieben: (Murmelnd, halb zu sich selbst, den Blick kritisch auf ihre Haltung geheftet.) Hm. Sie wirkt völlig verspannt, Alniira. Schau dir die Schultern an. Steinhart.
Wenn sich das nicht löst, wird das... ein sehr zähes Erlebnis. (Er schnuppert an dem Rosmarin.) Vielleicht ein heißes Bad mit Kräutern? Rosmarin fördert die Durchblutung. Das macht alles... weicher.
Er kramte im Hintergrund lautstark eine schwere, grobe Wolldecke aus einer Truhe. Er prüfte die Dicke des Stoffs, zog daran, als wollte er die Reißfestigkeit testen, und nickte zufrieden.
Talos hat geschrieben: Wenn sie hier übernachtet, müssen wir sie gut verpacken. Richtig fest einwickeln. Am besten luftdicht, damit sie sich länger hält...
(Er hält inne, korrigiert sich mit einem flüchtigen, schiefen Grinsen in Shi'naynes Richtung.) ...damit die Wärme sich hält!
Ich meinte winddicht, nicht luftdicht. Nicht, dass sie uns noch... verdirbt. Durch eine Erkältung.
Er stellte eine Schüssel Eintopf auf den Tisch vor die Drow. Dann lehnte er sich zurück an die Anrichte, das Tranchiermesser locker in der Hand wippend, und wartete ab.

Alniira seufzte, eine lange, leidende Geste einer Gläubigen, die scheinbar von Barbaren umgeben ist.

Sie tupfte vorsichtig mit einem Tuch in die Luft, bereit, Shi'nayne zu säubern, falls diese es zuließ.
Alniira hat geschrieben: Hör nicht auf ihn, meine Liebe. Er ist Schmied, wenig einfühlsam. Er denkt bei allem nur an Feuer, Hammer und Vorratshaltung.
(Sie schenkt ihr Tee ein.) Ich weiß, warum du hier bist, Schwester. Du suchst. Du suchst nach einem Weg aus den Schatten, nicht wahr?
Du bist sicher hungrig. Iss. Bevor es kalt wird. Oder bevor der Schmied entscheidet, dass er doch lieber dich in den Topf wirft, weil ihm der Hase nicht reicht.
(Sie lacht hell auf.) Kleiner Scherz. Er liebt Hasen. Willkommen zu Hause.

Alniira wartete nicht wirklich auf eine Antwort. Sie schob Shi'nayne die Teetasse noch etwas näher hin, eine Geste von aggressiver Fürsorge.
Während der Dampf aufstieg, lehnte sie sich etwas vor, die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt, das Kinn auf den gefalteten Händen ruhend. Ihre Augen funkelten im Kerzenlicht.
Alniira hat geschrieben: Aber sag mir, Kind... was treibt eine Seele wie dich so tief in diese Wälder? Ganz allein? (Sie macht eine ausholende Geste zum Fenster, wo nur Schwärze lauert.)
Du weißt doch, wie gefährlich es dort draußen ist. Der Wald ist voller Ungeheuer. Bären, Schattenwesen... und Wölfe. (Sie senkt die Stimme zu einem theatralischen Flüstern.)
Große, böse Wölfe, die jeden einfach so mit einem Happs verschlingen.
Talos, der sich gerade ein großes Stück Fleisch in den Mund geschoben hatte, verschluckte sich fast. Er hustete kurz, klopfte sich auf die breite Brust und grinste dann breit, während er weiterkaute.
Talos hat geschrieben: (Mampfend.) Schreckliche Viecher. Ganz furchtbar. Kein Benehmen, diese wilden Wölfe. Ein Glück, dass unser großer dich... aufgelesen hat
Rianon, der immer noch den Großteil des Bodens einnahm, legte den Kopf schief und gab ein Geräusch von sich, das wie ein amüsiertes Schnauben klang.

Alniira schob Talos seine Worte beiseite und fixierte Shi'nayne wieder. Ihr Lächeln wurde eine Spur schmaler.
Alniira hat geschrieben: Wirklich ein Segen der Göttin, dass der große dich gefunden hat. Er hat eine Nase für... verirrte Schäfchen.
(Sie nippt an ihrem eigenen Tee, den Blick über den Rand der Tasse fest auf Shi'nayne geheftet.)
Kommst du von Ky'Alur? Wie geht es der alten Ilharess? Regiert die alte, bucklige Hexe immer noch mit eiserner Faust und dieser lächerlichen Peitsche?
Sie sprach von der Ilharess des Hauses Ky'Alur nicht mit Hass, sondern mit einem mitleidigen Spott, so wie man über eine unliebsame Großtante spricht, die die Kontrolle über ihren Haushalt verloren hat.
Alniira hat geschrieben: Sie muss doch schrecklich einsam sein dort oben auf ihrem Thron aus Spinnenweben. Hat sie dich geschickt, um nach uns zu sehen? Um zu schauen, ob wir... Hilfe brauchen? (Alniira kichert leise, ein helles, melodisches Geräusch.)
Sag mir die Wahrheit, Schwester. Wir sind hier unter uns. Niemand hört uns zu... außer vielleicht dem Abendessen.
Talos kratzte mit dem Löffel demonstrativ laut über den Boden seines leeren Tellers, als wollte er diesen Punkt unterstreichen.

Lektion im Kerker... [Statthalter Moonglow]

von Jhea'kryna Ky'Alur » 03 Dez 2025, 22:44

Zynrae hatte am nächsten Tag kaum die Schwelle des Arbeitszimmers überschritten, da war Jhea’krynas Blick bereits auf sie gefallen. Wachsam wie der eines Raubtiers, das längst entschieden hat, ob es frisst oder lehrt. Die junge Magierin war blass, deutlich blasser als gewöhnlich - sofern man dies bei einem Drow erkennen konnte-, und das Zittern ihrer Hände verriet, dass der Apfelmost #6, vom Vortag seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Der Most war keine Droge im gewöhnlichen Sinne; er war ein altes, unterschwellig wirkendes Gebräu, das Erinnerungen löste, Bewusstsein schärfte und zugleich jene Schleier hob, die man selbst vor sich zu werfen pflegte, wenn man etwas nicht sehen wollte. Während Zynrae damit rang, die aufkommenden Bilder ihrer eigenen Vergangenheit zu ordnen, musterte Jhea sie mit einem Ausdruck, der einer Mischung aus Strenge, Zuneigung und einer leisen Erwartung glich.

„Du wolltest lernen,“ sagte Jhea ruhig, während sie sich erhob und einen Blick zur Tür warf. „Dann wirst du lernen.“

Es war Keine Drohung, lediglich ein geäußerter Fakt.
Sie gab ein knappes Zeichen, und Zynrae folgte ihr, zwar ein wenig schwankend, aber bemüht, ihre Haltung nicht gänzlich zu verlieren. Der Weg in den Keller führte über eine schmale Treppe, deren Stufen vom Gebrauch dunkel poliert waren. Die Luft wurde kühler, schwerer, und ein fernes metallisches Klirren kündigte an, dass Sorn bereits unten wartete.
Als sie den Kerker erreichten, veränderte sich die Stimmung schlagartig. Fackeln warfen zuckende Schatten über die Wände, und in der Mitte des Raumes stand eine Streckbank, auf der ein Mann festgeschnallt war, dessen Atem flach ging, dessen Augen halb geschlossen waren und dessen Körper bereits unter dem Einfluss des Betäubungsmittels stand. Sorn, in seiner Lederrüstung, kam einen Schritt vor, verneigte sich tief und mit jener ehrerbietigen Geste, die er ausschließlich seiner Ilharess entgegenbrachte. Sein Gesicht verriet Vorfreude, aber keine unkontrollierte Gier; er war ein Meister seiner Kunst, diszipliniert, präzise, völlig bei sich – genau deshalb respektierte Jhea ihn.

„Malla Ilharess,“ sagte er, „alles ist vorbereitet.“
Jhea nickte nur knapp, dann wandte sie sich an Zynrae, deren Nervosität die Luft beinahe flimmern ließ. „Dies ist keine Folter,“ erklärte Jhea mit leiser Stimme. „Dies ist Erkenntnis. Du wirst sehen, was ich sehe. Und du wirst lernen, wie man die Fäden eines Geistes berührt.“
Sorn flößte ihm etwas von dem Apfelmost #6 ein den Jhea Bareti gegenüber einst als Thalnyssa getauft hatte.
Sie legte ihre Finger an die Schläfen des Mannes, kaum mehr als eine Federberührung, doch der Effekt war unmittelbar: sein Körper spannte sich, seine Augen weiteten sich, und ein erstickter Laut entrang sich seiner Kehle. Zynrae presste die Lippen zusammen, als könne sie sich so gegen das Eindringen fremder Bilder schützen, doch sie wusste, dass dies vergeblich war.

Die Erinnerung brach hervor wie ein Riss in der Erde:

Ein kleines Dorf. Ein Junge von vielleicht zehn Jahren, lachend, rennend, mit wildem Haar und strahlenden Augen.
Eine Frau, die ihn jagte, lachend, warm, voller Leben. Ein Mann, der das Ganze beobachtete,
die Arme verschränkt, zufrieden, erfüllt von jener stillen Freude, die nur Familien kennen.
Zynrae sah es, Jhea spürte es, und der Gefangene durchlebte es.

Dann die Kometen.

Der Himmel brannte, das Licht wurde zu Schatten, und die Schreie des Dorfes klangen wie die Stimmen eines sterbenden Tieres.
Die Frau erstarrte, ihre Augen wurden schwarz wie Pech, und als der Junge auf sie zulief, geschah es: eine Bewegung, schnell und
unmenschlich, und die Klinge drang in seinen kleinen Körper wie ein Feuerstoß. Blut spritzte. Dann noch ein Hieb. Die Hände des Jungen,
die sie berühren wollten, sanken kraftlos herab.

Der Mann schrie, kämpfte, flehte, doch die Frau wandte sich nun gegen ihn, ihre Bewegungen grotesk verzerrt, von einem
Schatten gelenkt, den er nicht sah, aber fühlte. Sie jagte ihn durch das Haus, und Zynrae spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte.
Der Mann schaffte es, eine Tür zuzuschlagen, sie von außen zu verkeilen, und das Kratzen, jenes furchtbare Kratzen, das Jhea sah –
dieses Kratzen ging ihr in die Knochen. Er rannte so schnell ihn die Beine trugen. Stürzte einen abhag herunter, Weinte
unkontrolliert als die Erkenntnis über das Geschehene ihn übermannten. Dann... brach die Erinnerung ab.

Schließlich begann sie von vorn.
Dann noch einmal - Und noch einmal.
Und jedes Mal verdrehte Jhea die Szenen subtiler, zog einzelne Stränge enger, verschob Blickwinkel, vertauschte Gesichter, bis schließlich die Frau in der Erinnerung sich veränderte und die Züge von Jolanda Pappmacher annahm – zuerst nur in der Augenform, dann im Mund, schließlich im ganzen Gesicht. Zynrae sah sprachlos zu, wie Jhea diese neue Maske mit einer Feinheit in das Bewusstsein des Mannes webte, gleich der Beschreibung des Gesichts welches Sie kurz zuvor in ihren Berichten geschildert und gezeichnet hatte, die gleichermaßen atemberaubend und erschreckend war.

„Dies wird tief liegen,“ murmelte die Ilharess, „ganz hinten. Er wird es nicht begreifen, nicht benennen können, aber wenn er sie sieht, wird es sich regen. Und wenn der richtige Moment kommt, wird es hervorbrechen.“

Als sie die Hände vom Kopf des Mannes löste, war sie erschöpft, ihre Haut leicht blass, und für einen Moment stützte sie sich auf den Rand der Streckbank. Zynrae indes schrieb hektisch mit, die Feder kratzte in fieberhafter Geschwindigkeit, während ihre Augen zwischen Furcht, Ehrfurcht und unbändiger Neugier glitzerten.

„Sorn,“ sagte Jhea schließlich mit heiserer, aber fester Stimme, „er bleibt hier. Betäubt. Bereit, wenn ich ihn brauche. Und niemand rührt ihn an.“

„A dos Quarth!“, sagte Sorn, und seine Freude schimmerte durch die höfliche Fassade.
Jhea wandte sich Zynrae zu. „So lernen die Kinder Lloths,“ sagte sie leise.
Zynrae verneigte sich, tief, ehrfürchtig – und diesmal völlig ohne Zittern.

Das Gewicht eines Lobes... [Statthalter Moonglow]

von Lyr'sa Teb'inyon » 03 Dez 2025, 22:03

Der Gang zur oberen Etage der Schmiede schien Lyr’sa länger als üblich, vielleicht weil sie jeden einzelnen Schritt bewusst setzte, vielleicht weil ihr Magen seit Stunden so fest verknotet war, dass sie kaum wusste, ob es Furcht, Erschöpfung oder beides zugleich war. Das Arbeitszimmer der Ilharess lag still da, die Tür einen Spalt offen, und allein der Gedanke, sie gleich durchschreiten zu müssen, ließ ihre Finger zittern. Dennoch tat sie es – es war nicht ihre Entscheidung, und niemals würde sie sich erlauben, eine Anweisung zu ignorieren.

Sie trat ein, sank sofort auf die Knie, den Kopf dabei tief gebeugt und den Blick fest auf den Boden gerichtet, als könnten die Bodendielen sie vor den Möglichkeiten schützen, die in Jhea'krynas Schweigen wohnten. Der Raum roch nach Tinte, kaltem Metall und einer Spur violettem Rauch, die sie nie genau einordnen konnte. Die Ilharess saß an ihrem Tisch, Feder in der Hand, und das leise Schaben auf Pergament war das einzige Geräusch.

„Berichte.“
Die Stimme klang ruhig, warm sogar, doch Lyr’sa wusste, wie trügerisch das war; Wärme war nur ein anderer Ausdruck von Kontrolle.

„Malla Ilharess,“ begann sie mit deutlich bebender Stimme, „die Nahrung wurde verteilt. Hafer, Hirse und das Brot aus den Vorräten des Qu’ellars. Es gab viele, die sie dringend benötigten.“ Sie schluckte, wagte nicht, auch nur einen Finger zu bewegen. „Ich… äh… war dabei nicht alleine.... Bareti, schickte sich an auszuhelfen konnte. Es waren mehr Hungrige, als ich allein bedienen konnte.“

Es folgte eine Stille, so dicht und schwer, dass Lyr’sa fürchtete, ihr eigener Atem könne sie verraten. Dann hörte sie ein leises, fast… zufriedenes Ausatmen.

„Sehr gut, Lyr’sa.“

Das war ein Lob. Ein echtes. Nicht jenes kalte, distanzierte „gut“, das man einem Diener hinwarf. Nein, es war wärmer, wohlwollend, und dennoch – es schauderte sie, denn etwas im Unterton verriet, dass ihre Herrin mit weit mehr zufrieden war als nur mit dem Verteilen von Lebensmitteln. Und auf einmal fühlte sich Lyr'sa wie eine Verräterin. Bareti war ihr Freundin und Lyr'sa schollt sich selbst dafür Bareti nicht gewarnt zu haben, dass diese nun der Ilharess genau in die Hände gespielt hatte.
Sollte Sie sie warnen...? Oder Schweigen und so tun als hätte sie nichts bemerkt? Ihre Knie wurden weich und ihr Magen begann zu rebellieren bei dem Zwiespalt der sich in ihr formte.
'Nur nichts anmerken lassen, atme weiter... atme... ein... aus... ein''
Sie hob kurz den Blick und sah das zufriedene Lächeln auf den Lippen der Ilharess die erneut einige Zeilen zu Papier brachte. Schnell senkte Sie den blick, die Ilharess direkt anzublicken konnte unvorhergesehene Konsequenzen haben...

„Ihr habt ein… gutes Bild abgegeben,“ fügte Jhea’kryna hinzu, und Lyr’sa glaubte, ein Lächeln in ihrer Stimme zu hören.
Es war dieses Lächeln, das sie erschaudern ließ.

„Du darfst nun gehen.“, und Jhea machte eine entlassende Geste mit ihrer linken Hand.

Lyr’sa erhob sich nicht sofort; sie spürte den Drang, rückwärts aus dem Raum zu kriechen, doch sie zwang sich, aufzustehen, ohne zu zittern. Als sie sich halb zur Tür gedreht hatte, sah sie im Augenwinkel eine Bewegung – Zynrae trat herein, stumm wie ein Schatten. Lyr’sa wich ihr instinktiv aus, denn allein die Präsenz der Magierin erzeugte ein Kribbeln in ihrem Nacken. Sie wusste nicht, warum Zynrae gerufen worden war, wollte es aber auch nicht wissen.
Sie floh, sobald sie konnte.

Der Flur unter ihr war kühler, und Lyr’sa sog die Luft ein, als hätte sie unter Wasser gestanden. Sie wollte weitergehen, sich verstecken, arbeiten, irgendetwas tun. Doch dann erstarrte sie, denn unten an der Treppe bemerkte sie Bewegung: zwei Krieger des Hauses führten drei der Flüchtlinge, die sie selbst gefüttert hatte, hinab in den Kerker unter der Schmiede. Sie wirkten benommen, müde, als würden ihre Beine sie kaum tragen.
Ihre Kehle wurde trocken.

Sorn stand am Ende der Treppe, die Arme verschränkt, ein erwartungsvolles, beinahe kindlich freudiges Grinsen auf den Lippen. Er nickte den Wachen zu, als wären das Gäste, die zu einem Festmahl gebracht wurden. Lyr’sa machte einen Schritt zurück, dann noch einen, leise, vorsichtig, so unauffällig wie möglich. Sie wollte nicht wissen, was passieren würde. Sie wollte nur nicht, dass irgendjemand sah, dass sie gesehen hatte, was geschah. Als sie wieder in den hinteren Gang trat, in die Geräusche der Schmiede, das Klirren von Metall, das vertraute Echo der Arbeit, spürte sie, wie sich ihr Atem beruhigte – doch im Innern blieb ein Knoten, hart und dumpf.

Sie würde heute Nacht nicht gut schlafen. Aber sie lebte an einem Ort, an dem Schlaf ohnehin selten sicher war.
Und das Wissen, dass die Ilharess zufrieden gewesen war, würde ihr genügen.

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

von Zynrae Ky'Alur » 03 Dez 2025, 21:35

Die letzten Sonnenstrahlen fielen durch die Baumkronen und die Schatten wurden wieder länger, als Zynrae das Qu’ellar betrat, um ihren heutigen Bericht der Beschattung von Jolanda Pappmacher abzugeben. Kaum hatte sie den ersten Schritt über die Schwelle gesetzt, teilte man ihr mit, sie solle der Ilharess sofort persönlich Bericht erstatten.

Ein Schwall aus Aufregung und leiser Furcht fuhr durch sie. Ihre Muskeln spannten sich, bereit zu fliehen oder zu kämpfen. Den kleinen Fluch, der ihr beinahe entwischt wäre, schluckte sie gerade noch rechtzeitig hinunter. Auf dem Weg nach oben atmete sie bewusst ein und aus, befahl ihren Muskeln Entspannung. Sie richtete den Oberkörper auf und hob das Kinn. Wer den Eindruck eines verängstigten Kaninchens erweckte, wurde auch wie eines behandelt. Stärke und Unterwürfigkeit, die richtige Mischung, gaben einer Ilharess am wenigsten Anlass zur Beanstandung. Ein Balanceakt, bei dem kein Zuviel auf einer Seite geduldet wurde.

Auf die Aufforderung zum Eintreten hin betrat sie den Raum der Ilharess. Mit dem ersten Schritt senkte sie den Blick auf den Boden direkt vor sich und ging bis vor den Schreibtisch.

"Malla Ilharess“, sagte sie klar und verbeugte sich tief.

Als sie sich wieder aufrichtete, blieb ihr Blick bewusst am Rand des Schreibtisches hängen. Ihre Ausbilderinnen hatten ihr nie erlaubt, ihnen ohne ausdrückliche Erlaubnis in die Augen zu sehen, eine Lektion, die man nur einmal falsch machte. Ihre Neugier prickelte dennoch in ihrem Nacken und nur zu gerne hätte sie sich neugierig umgesehen. Doch sie spürte den abschätzenden Blick der Ilharess auf sich ruhen.

Erst als sie eine auffordernde Geste wahrnahm, begann sie mit fester Stimme zu sprechen. In den letzten beiden Tagen hatte sich die Tagesstruktur Jolandas nicht verändert. Kurz und präzise fasste sie die wesentlichen Punkte zusammen. Weder am Anwesen der Gräfin noch an Jolandas Haus war etwas Auffälliges geschehen. Sie griff in ihre Tasche und zog einen sauber gefalteten Stapel Papiere hervor. Die Schrift darauf war klar, ordentlich, ohne Schnörkel. Zynrae legte den ausführlichen Bericht auf den Schreibtisch.

Erneut spürte sie, wie der Blick der Ilharess prüfend über ihren Körper glitt. In ihrem Augenwinkel sah sie ihren eigenen Schatten vor Aufregung zucken. Verdammter Mist. Sie musste sich endlich zusammenreißen. Vielleicht hatte sie Glück und der Ilharess war nichts aufgefallen. Doch als die Ilharess näher an den zuckenden Schatten herantrat, schwand jede Hoffnung. Sie hielt inne, nur einen Atemzug lang, aber lang genug. Dann griff sie nach etwas auf ihrem Schreibtisch und hielt Zynrae eine schmale Phiole entgegen. Zynrae nahm sie eine türkisfarbene Flüssigkeit entgegen. Auf der Phiole prangte eine #6.

„Trink.“

Der Befehl war ruhig ausgesprochen und genau deshalb unmissverständlich. Zynrae zögerte nicht. Sie setzte die Phiole an und ließ die Flüssigkeit ihre Kehle hinabgleiten. Zögern hätte keinen Sinn gemacht, das wusste sie. Was immer nun geschehen würde, würde geschehen. Dieses Wissen hinderte den kalten Schub Furcht jedoch nicht daran, ihr Rückgrat hinunterzufahren. Ihre Anspannung ließ sie den Geschmack nicht einmal wahrnehmen.

Zunächst geschah nichts, außer dass sich eine Wärme in ihrem Magen ausbreitete. Dann kam ein merkwürdiges Gefühl: wie eine gläserne Glocke, die sich über ihren Geist senkte. Ihre Gedanken waren nicht länger ein seichter Bach, sondern schwollen an zu einem reißenden Strom, der das Hier und Jetzt mit sich riss. Bilder, Erinnerungen blitzen in ihrem Inneren auf, rissen an ihr, zogen sie fort. Ein Geräusch drang an ihr Ohr. Worte vielleicht, aber sie konnte sie nicht verstehen. Doch ihr Mund öffnete sich ohne ihr Zutun und die Erinnerungen in ihrem Geist formten sich zu Worten, die in fremder, entrückter Stimme über ihre Lippen glitten. Zynrae hörte die Worte nicht. Sie konnte den Strom nicht stoppen. Sie war ihm ausgeliefert. Sie wusste nicht, wie lange der Zustand anhielt. Minuten, Stunden, vielleicht Tage, sie wusste es nicht und die Zeit verlor jede Bedeutung.

Dann hörte sie die Stimme, die sie schon immer gekannt hatte. Sie klammerte sich daran, konzentrierte sich, folgte ihr. Etwas griff nach ihr, zog an ihr, floss durch sie hindurch. Nicht taub wie der Zustand zuvor, sondern kalt, schneidend, dunkel. Es drang in ihren Geist, schuf Raum, wo keiner gewesen war, und zwang den Strudel der Bilder in die Knie.
Zynrae spürte ihren Körper wieder. Sie stand aufrecht, auf wackeligen Beinen, schweißüberströmt, zitternd. Worte wurden gesprochen und gerade als sie versuchte, ihren Sinn zu erfassen, setzte sich ihr Körper schon in Bewegung. Sie verbeugte sich und verließ schwankend den Raum.

Sie schleppte sich zu ihrem Bett, zog mit ruckartigen Bewegungen die Decke über sich und ergab sich der bleiernen Müdigkeit und der verheißungsvollen Dunkelheit.


Als Zynrae am nächsten Morgen erwachte, bewegte sie langsam ihre Glieder, fühlte in sich hinein. Aber da war nichts mehr, keine Bilder, keine Schwere mehr. Erleichtert atmete sie aus. Gerade als sie sich gewaschen und frische Kleidung angelegt hatte, öffnete sich die Tür und eine junge Dienerin trat ein.

„Zynrae, die Malla Ilharess schickt nach dir.“

„Ich komme sofort.“

Mit ruhigen Schritten verließ sie ihr Zimmer und die Schatten folgten ihr, lautlos und wachsam.

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

von Rianon » 03 Dez 2025, 19:00

Der Werwolf schaute auf die Drow, die er in seiner Klaue festhielt. Sie sah nicht besonders fröhlich aus, an ihrem Arm zu hängen, aber Rianon war sich sehr sicher, dass er sie nicht auf dem Boden absetzen würde. Sicherheitshalber schnupperte er an der Drow, die ihm aus Dankbarkeit mit ihrer freien Hand kräftig auf die Nase schlug. Rianon jaulte einmal auf und hielt die Drow am langen Arm von sich weg. Seine Rache kam auch sofort, denn der Schlag sorgte dafür, dass Rianon kräftig niesen musste. Wer jemand das Heulen eines Werwolfs gehört hatte, dem könnte die Angst in die Knochen kriechen, wer einen Werwolf niesen hört...hört ein Donnern und dann spührt er auch die Gischt in Form von Schnodder; sehr viel Schnodder.
Rianon schüttelte den Kopf und rieb sich die Nase, während die Drow - nun von Schleim bedeckt - noch weniger fröhlich aussah, als zuvor. Na gut, dann bringen wir dich mal weg. Dachte sich Rianon und stapfte in Richtung des Hauses von Alniira und Talos, die Wölfe reihten sich hinter ihm ein.
In dem Haus saßen Alniira und Talos gerade über ihrem Eintopf gebeugt. Leise klapperte das Geschirr, und ihre Stimmen erfüllten den ruhigen Raum. Bis die Tür aufging oder, besser gesagt, als die Tür aus den Angeln flog und scheppernd auf dem Boden landete. Ups schoss es Rianon durch den Kopf. Den nun doch erstaunten Blick der Drow bemerkte er dabei nicht. Der Blick von Alniira war auch wesentlich einschüchternder als jede junge Drow es jemans geschafft hätte. Unweigerlich legte Rianon die Ohren an und stieß ein leises Jammern aus. Die Wölfe waren auch plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Eher als eine Art Entschuldigung denn einer Geiselübergabe hob er die Drow hoch und wackelte kurz mit ihr. In Alniiras Blick mischte sich nun Interesse, Ärger, Neugierde und Wut. Talos hingegen holte einen Besen.

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