von Pyrian » 24 Sep 2025, 21:13
Die Luft über der Schädelwüste stand wie Glas, als der Himmel aufriss.
Ich stand auf einem Absatz vor meiner Unterkunft an einer Klippe die die Wüste einschlossen – weit genug entfernt, um nicht in Flammen aufzugehen, nah genug, um den Atem des Asteroiden zu spüren. Erst war da nur ein zusätzlicher Stern, ein unbeweglicher Funke am Taghimmel. Dann zog er einen Strich, der keiner war: Kein Licht, sondern eine feine Narbe, als hätte jemand die Welt mit einem Messer angeritzt. Die Hitze erreichte mich als Geruch, als trockener, metallischer Hauch auf der Zunge. Sand begann zu singen.
Als der Körper durch die Luft schnitt, machte die Zeit ihren ersten Fehler. Das heisere Kreischen eines Geiers blieb mitten in der Luft stehen. Eine Windhose erstarrte. Und meine Hand – noch eben am Stirnband – blieb dort hängen, als hätte sie vergessen, wie Bewegung funktioniert. Ich blinzelte, aber das Blinzeln dauerte ewig; zwischen zwei Lidern passte ein ganzes Leben. Dann stolperte die Welt wieder los.
Die Front des Asteroiden glühte heller als jede Sonne, und um ihn herum bildeten sich Ringe aus aufgefaltetem Himmel, Schockwellen, die aussahen, als hätte jemand Wasser ins Firmament gegossen. Das Donnern kam verspätet und zu früh: Zuerst ein dumpfes Herzschlagen unter meinen Füßen, dann ein seitlich hereingleitender Knall, als würde Lärm schräg fallen. Ich sah Karawanenspuren in den Dünen, und in denselben Spuren dieselben Fußabdrücke noch einmal – frisch, darübergelegt, versetzt um Minuten oder Jahre, wer will das sagen.
Steine, die eben noch unter meinen Stiefeln lagen, schwebten wie schläfrige Fische hoch, pendelten, unentschlossen, und schnipsten wieder in den Sand. Mein eigener Schatten löste sich eine Handbreit von mir, als wäre er unwillig geworden, mich zu begleiten, und tat zwei Schritte vor, ehe er sich wieder einhakte.
Der Einschlag selbst war kein Aufprall, sondern ein Verschlucken. Der Asteroid verschwand nicht; die Wüste tat es. Ein Krater öffnete sich wie ein Auge, und für einen Atemzug sah ich im offenen Lid nicht Fels und Sand, sondern eine zweite Wüste – dieselbe, nur leerer, als wäre alles, was darin je gelebt hatte, nie auf die Idee gekommen, zu leben. Ein schwarzer Rauchring legte sich um den Rand, stand still, klappte dann in sich zusammen und wieder heraus, drei Mal, jedes Mal mit einem dumpfen „Ja“, das kein Geräusch war, sondern eine Einigung zwischen Himmel und Boden.
Menschen in der Ferne liefen. Ich sah die gleiche Gruppe dreimal: einmal in Panik, einmal in konzentrierter Stille, einmal lässig gehend, als wären sie auf einem Spaziergang. Der Sand unter ihren Füßen flickerte zwischen nass und staubtrocken. Eine Frau stolperte, fiel, stand nicht auf – und stand gleichzeitig auf, als hätte es das Fallen nie gegeben. In einem Felsfenster meiner eigenen Unterkunft, rechts von mir erschien mein eigenes Profil, schweißglänzend, die Lippen offen. Ich drehte mich, aber dort stand ich schon, einen Herzschlag voraus. Er – ich – hob eine Hand, um zu warnen, vor genau dem, was ich schon zu wissen glaubte. Als ich sie hob, war seine bereits gesunken.
Die Zeit verteilte sich in Schlaufen. Ein Schrei – vielleicht ein Name – wiederholte sich in gleich langen Stücken, jedes Ende das nächste Beginnen. Ein Hufschlag irgendwo unter mir am Fuße des Berges mir bestand nur noch aus ersten Silben, klopfte „Hu– Hu– Hu–“, bis das „–f“ endlich mit einem Schmatzen die Gegenwart erreichte und der Reiter zwei Pferdelängen weiter war, als er sein sollte. Zwei Geier kreisten gegen den Wind und dann mit ihm, in derselben Minute. Eine Staubfahne lief rückwärts in ihre Kutsche zurück.
Die Hitze traf an, verspätet und vollständig. Ein trockener Sturm rollte vom Einschlag her, bog Sträucher zu Boden, die ich in der Minute davor nicht gesehen hatte, und trug Flüstern. Nicht Worte, sondern Absichten. Im Schweigen nach der Welle hörte ich mein eigenes Herz wie einen verlegenen Gast hustend zur Ordnung rufen. Ich wusste, was ich sehen würde, bevor ich es sah: Aus dem Rand des Kraters stiegen Figuren, aus Sand geschnitten, aus Staub in Menschenform, und gingen wieder in sich zusammen. Später würde ich sagen, es seien nur Schattenspiele aus Hitze gewesen. Aber in einem der Schatten sah ich mich selbst – staubbeschmiert, die Augen fest zu – die Hand nach etwas ausstrecken, das noch nicht da war.
Und über allem lag diese einfache, brutale Tatsache: Ein Stück Himmel war heruntergekommen, um zu bleiben, und die Zeit war darüber gestolpert.
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Die Luft über der Schädelwüste stand wie Glas, als der Himmel aufriss.
Ich stand auf einem Absatz vor meiner Unterkunft an einer Klippe die die Wüste einschlossen – weit genug entfernt, um nicht in Flammen aufzugehen, nah genug, um den Atem des Asteroiden zu spüren. Erst war da nur ein zusätzlicher Stern, ein unbeweglicher Funke am Taghimmel. Dann zog er einen Strich, der keiner war: Kein Licht, sondern eine feine Narbe, als hätte jemand die Welt mit einem Messer angeritzt. Die Hitze erreichte mich als Geruch, als trockener, metallischer Hauch auf der Zunge. Sand begann zu singen.
Als der Körper durch die Luft schnitt, machte die Zeit ihren ersten Fehler. Das heisere Kreischen eines Geiers blieb mitten in der Luft stehen. Eine Windhose erstarrte. Und meine Hand – noch eben am Stirnband – blieb dort hängen, als hätte sie vergessen, wie Bewegung funktioniert. Ich blinzelte, aber das Blinzeln dauerte ewig; zwischen zwei Lidern passte ein ganzes Leben. Dann stolperte die Welt wieder los.
Die Front des Asteroiden glühte heller als jede Sonne, und um ihn herum bildeten sich Ringe aus aufgefaltetem Himmel, Schockwellen, die aussahen, als hätte jemand Wasser ins Firmament gegossen. Das Donnern kam verspätet und zu früh: Zuerst ein dumpfes Herzschlagen unter meinen Füßen, dann ein seitlich hereingleitender Knall, als würde Lärm schräg fallen. Ich sah Karawanenspuren in den Dünen, und in denselben Spuren dieselben Fußabdrücke noch einmal – frisch, darübergelegt, versetzt um Minuten oder Jahre, wer will das sagen.
Steine, die eben noch unter meinen Stiefeln lagen, schwebten wie schläfrige Fische hoch, pendelten, unentschlossen, und schnipsten wieder in den Sand. Mein eigener Schatten löste sich eine Handbreit von mir, als wäre er unwillig geworden, mich zu begleiten, und tat zwei Schritte vor, ehe er sich wieder einhakte.
Der Einschlag selbst war kein Aufprall, sondern ein Verschlucken. Der Asteroid verschwand nicht; die Wüste tat es. Ein Krater öffnete sich wie ein Auge, und für einen Atemzug sah ich im offenen Lid nicht Fels und Sand, sondern eine zweite Wüste – dieselbe, nur leerer, als wäre alles, was darin je gelebt hatte, nie auf die Idee gekommen, zu leben. Ein schwarzer Rauchring legte sich um den Rand, stand still, klappte dann in sich zusammen und wieder heraus, drei Mal, jedes Mal mit einem dumpfen „Ja“, das kein Geräusch war, sondern eine Einigung zwischen Himmel und Boden.
Menschen in der Ferne liefen. Ich sah die gleiche Gruppe dreimal: einmal in Panik, einmal in konzentrierter Stille, einmal lässig gehend, als wären sie auf einem Spaziergang. Der Sand unter ihren Füßen flickerte zwischen nass und staubtrocken. Eine Frau stolperte, fiel, stand nicht auf – und stand gleichzeitig auf, als hätte es das Fallen nie gegeben. In einem Felsfenster meiner eigenen Unterkunft, rechts von mir erschien mein eigenes Profil, schweißglänzend, die Lippen offen. Ich drehte mich, aber dort stand ich schon, einen Herzschlag voraus. Er – ich – hob eine Hand, um zu warnen, vor genau dem, was ich schon zu wissen glaubte. Als ich sie hob, war seine bereits gesunken.
Die Zeit verteilte sich in Schlaufen. Ein Schrei – vielleicht ein Name – wiederholte sich in gleich langen Stücken, jedes Ende das nächste Beginnen. Ein Hufschlag irgendwo unter mir am Fuße des Berges mir bestand nur noch aus ersten Silben, klopfte „Hu– Hu– Hu–“, bis das „–f“ endlich mit einem Schmatzen die Gegenwart erreichte und der Reiter zwei Pferdelängen weiter war, als er sein sollte. Zwei Geier kreisten gegen den Wind und dann mit ihm, in derselben Minute. Eine Staubfahne lief rückwärts in ihre Kutsche zurück.
Die Hitze traf an, verspätet und vollständig. Ein trockener Sturm rollte vom Einschlag her, bog Sträucher zu Boden, die ich in der Minute davor nicht gesehen hatte, und trug Flüstern. Nicht Worte, sondern Absichten. Im Schweigen nach der Welle hörte ich mein eigenes Herz wie einen verlegenen Gast hustend zur Ordnung rufen. Ich wusste, was ich sehen würde, bevor ich es sah: Aus dem Rand des Kraters stiegen Figuren, aus Sand geschnitten, aus Staub in Menschenform, und gingen wieder in sich zusammen. Später würde ich sagen, es seien nur Schattenspiele aus Hitze gewesen. Aber in einem der Schatten sah ich mich selbst – staubbeschmiert, die Augen fest zu – die Hand nach etwas ausstrecken, das noch nicht da war.
Und über allem lag diese einfache, brutale Tatsache: Ein Stück Himmel war heruntergekommen, um zu bleiben, und die Zeit war darüber gestolpert.
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