Lieder der Hoffnung

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Ya'ranel
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Lieder der Hoffnung

Beitrag von Ya'ranel »

Der Waldelf stand vor dem großen Yew-Baum inmitten der kleinen Sala und beobachtete das sanfte Wiegen der Baumkrone im Wind. Die sonst so unbeschwerten Gesichter seiner Geschwister waren von einem Schatten durchzogen. Der Sternenfall hatte das La erschüttert und jeder Elf hatte die Zerrüttung des arkanen Gewebes klar und deutlich gespürt.
Ya’ranêl hatte einen Entschluss gefasst: Er wollte Hoffnung zurück in die Gesichter der Seinen bringen. Auch wenn es nur für einen flüchtigen Moment war, so wollte er ihnen das Gefühl von Gemeinschaft und Frieden schenken, auf die Weise, die ihm am nächsten lag: mit Musik.
„Sanya Ira“, begrüßte er seine Freundin, die wie versprochen am Fluss auf einem Baumstumpf saß und ihre Laute übte. Ya’ranêl war kaum überrascht, wie sehr sie sich verbessert hatte, seit sie das letzte Mal gemeinsam geprobt hatten. Es war typisch für sie: In ihrer Unbeschwertheit lag die Gabe, aus allem ein freudvolles Spiel zu machen.
Er setzte sich zu ihr, zog seine fein verzierte hölzerne Querflöte hervor und begann, ihr die Melodie näherzubringen, die er für sein Lied ersonnen hatte. Stundenlang saßen sie gemeinsam am Ufer, vertieft in den Klang ihrer Instrumente. Immer wieder wurden sie von den Bewohnern des Waldes besucht, die innehielten, um ihren Klängen zu lauschen.
Eine kleine Waschbärfamilie ließ sich gar neben ihnen nieder, während die Jungtiere verspielt zu ihren Füßen tanzten.
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Ya'ranel
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Einladung

Beitrag von Ya'ranel »

Lange hatten die beiden geprobt, sich aufeinander abgestimmt und gemeinsam etwas erschaffen, das sie beide mit Stolz erfüllte. Ya’ranêl war dankbar, Ira in dieser Zeit an seiner Seite zu wissen. Sie schenkte ihm Grund zur Freude, brachte ihn oft zum Lachen und inspirierte ihn zu immer schöneren Melodien, zu noch vollkommeneren Kompositionen.
Nun war der Moment gekommen, ihr Werk mit anderen zu teilen.
Gemeinsam machten sich Ya’ranêl und Ira auf den Weg nach Yew. Sie erzählten von ihrem Vorhaben, hängten Pergamente auf, mit denen sie auf ihren bevorstehenden Auftritt aufmerksam machten.

Kuon aya nurdra
- Lieder der Lebenskraft -


war in feiner, schwungvoller Schrift darauf zu lesen. Umrahmt wurden die Worte von kleinen Zeichnungen. Tiere, Blumen und verspielte Ornamente, die Ira unbedingt hatte hinzufügen wollen. Jedes Pergament wirkte dadurch wie das kleine Kunstwerk eines Kindes, das Freude versprach.
Befreundete Händler, Reisende und Wanderer, die durch Yew kamen, nahmen die Nachricht mit sich. So verbreitete sich die Kunde vom kommenden Ereignis und ein Gefühl freudiger Erwartung, vielleicht auch einfach die schöne Gewissheit, dass es bald wieder etwas geben würde, worauf man sich freuen konnte, machte sich in der Sala von Yew breit.
Rianon
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Re: Lieder der Hoffnung

Beitrag von Rianon »

Ein warmer Wind strich durch das Blätterdach des Yewwaldes, trug den Duft feuchten Mooses und erster Sommerblüten mit sich. Rianon bewegte sich lautlos zwischen Farn und Wurzelwerk, wie er es seit Kindesbeinen gewohnt war. Seine Gedanken kreisten noch um das, was kommen mochte – der Wald hatte sich verändert. Unmerklich vielleicht, für jene, die nicht lauschten. Doch Rianon hörte es: das leise Zittern in den Ästen, das verstohlene Schweigen der Vögel in bestimmten Stunden. Er war auf dem Rückweg von einer langen Runde durch die östlichen Schattenpfade, als ihn ein Hauch von Farbe zwischen dem Holz der alten Nachrichtentafel auf dem Dorfplatz innehalten ließ. Fast wäre er daran vorbeigeglitten, wie so oft – seine Augen suchten selten nach Bekanntmachungen, die mit Tusche geschrieben waren. Doch diesmal blieb sein Blick hängen.
Ein Pergament, sorgsam angebracht, tanzte sanft im Wind wie ein Blatt, das vergessen hatte zu fallen. Neugierig trat Rianon näher. Die feine Handschrift sprang ihm zuerst ins Auge – schwungvoll, fast singend. Kuon aya nurdra stand dort, und etwas in den Worten vibrierte in seinem Innersten, wie ein gezupfter Saitenton, der in einer stillen Höhle nachhallte. Darunter: Lieder der Lebenskraft.
Er beugte sich tiefer. Um die Worte schlängelten sich zarte Zeichnungen: verspielte Tiere, tanzende Blumenranken, wirbelnde Ornamente. Sie wirkten wie aus einem Kindertraum geboren, mit einer so ehrlichen Freude gezeichnet, dass Rianon unwillkürlich lächelte. Er erkannte Ya’ranêls Handschrift sofort, und er spürte Ira in jedem Strich. Ihre Unbekümmertheit, ihre Farben – sie war wie das Licht auf dem Wasser, das selbst den trübsten Tag aufbrechen konnte. Rianon strich mit den Fingerspitzen über die untere Kante des Pergaments, fast ehrfürchtig, als lauschte er, ob die Musik sich schon zwischen den Zeilen verborgen hielt. „Ein Lied für das Leben…“ murmelte er. „Ja. Das brauchen wir.“
Er trat einen Schritt zurück, ließ den Blick über das Pergament gleiten, als wolle er es sich einprägen. In diesem Moment wehte ein Schwarm Staubkörner durch den Lichtschein, golden tanzend. Rianon blieb noch lange stehen, das Herz still und doch weit, als hätte der Wald selbst gerade einen leisen Akkord angeschlagen. Dann wandte er sich um, die Schultern ein wenig aufrechter als zuvor.
Vielleicht… ja, vielleicht war dies genau der richtige Moment für ein Lied.

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Ira
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Klänge über Yew

Beitrag von Ira »

Hoch oben, auf einem der Äste sitzend, schmiegte sich Irâ mit einem erleichterten Seufzen gegen moosbewachsenen Stamm des gigantischen Baumes, der hoch über die Wipfel des Yew Waldes ragte.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch der volle Mond warf seinen silbernen Schein durch die Blätter der Baumkrone und ließ fahle Lichter über das Gesicht der Waldelfe tanzen.
Die Aussicht war atemberaubend. Hier, nahe der Grenze News konnte sie ihren Blick über das gesamte Reich ihres Volkes schweifen lassen. Doch etwas fühlte sich anders an, als die unzähligen Nächte zuvor, die sie in der vertrauten Krone ihres Baumes verbracht hatte.
Eine erdrückende Ungewissheit hing in der Luft, nicht nur sie konnte es spüren.

Ihre Brüder und Schwestern, die Bewohner des Waldes, Alles, was vom Lea durchzogen wurde, spürte die Veränderung und Unruhe im Fluss der uralten Kraft. Nichts davon war natürlichen Ursprungs: Die Aufschläge der fallenden Sterne zerrütteten das Gefüge und hinterließen darin tiefe, klaffende Wunden.

Irâ strich mit ihren Tusche-befleckten Fingern sanft über ihre Laute. Schnell hatte sie Ya’ranêl’s Vorschlag eines gemeinsamen Konzertes mit ihm zugestimmt, denn auch sie bemerkte, wie sich Ungewissheit und Sorge auf den Gesichtern ihrer Gemeinschaft abzeichnete. Auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, wusste Irâ, dass es auch ihm nicht anders erging, und so versuchte auch sie seinem Beispiel zu folgen.

Eine Veranstaltung, die die Gemeinschaft zusammen führte und auch nur für kurze Zeit auf andere Gedanken brächte, war genau das, was sie brauchten.


Die vergangenen Tage waren kurzweilig und verstrichen schnell. Ya’ranêl gesellte sich jeden Abend zu ihr, um ihr gemeinsames Spiel zu proben und Aushänge für die Gemeinschaft zu fertigen.
Die Waldelfe ließ es sich nicht nehmen, seine Tinte und Feder zu stibitzen und die von ihm geschriebenen Einladungen mit diversen Schnörkeln, Blätter-ranken und Tierzeichnungen auszuschmücken. Ya’ranêl war ein guter Lehrer, und zeigte ihr geduldig die richtige Haltung und Position ihrer Finger, und schien selbst überrascht, wie schnell seine Schülerin Fortschritte machte.
Bald schon wandelte sich das Üben zu einem abendlichen Duett.

Irâ schmunzelte. Deswegen hatte er ihr das neue Instrument geschenkt und abendlich Unterricht gegeben. Sie hätte auf ihrer Harfe spielen können, aber Ya’ranêl wollte Lautenspiel als Begleitung. Vermutlich wusste er genau wie verbissen sie bis zum Festtag mit dem neuen Instrument üben, und jeden weiteren Gedanken vertreiben würde. Der alte Fuchs.


Ein gelbes Blatt, das aus der Baumkrone auf ihrer Laute landete, riss die Waldelfe aus ihren Gedanken. Yew-Bäume lassen normalerweise keine Blätter fallen.
Irâ legte ihre Tusche-befleckten Finger auf die grobe Borke des riesigen Mammutbaumes. Ein Gefühl der Melancholie, des Abschieds aber auch der Hoffnung strömte in sie über.
Irâ schmiegte sich enger an den rauen Stamm und griff ihre Laute.
Bald schon trug die leichte Morgenbrise eine melancholische Melodie über die Wipfel des Waldes.
Keine Probe für das Konzert, ein Lied für einen alten Freund.
Rianon
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Re: Lieder der Hoffnung

Beitrag von Rianon »

Wie ein Schleier legte sich der frühe Morgennebel über den erwachenden Wald von Yew, silbern schimmernd im Licht des verblassenden Mondes. Zwischen den dichten Farnen und moosbedeckten Wurzeln bewegte sich Rianon lautlos, ein Schatten zwischen Schatten. Seine Sinne waren wach, doch es war nicht Gefahr, die ihn alarmiert hatte – sondern etwas anderes. Zart, fast wie das Flüstern eines Traums, drang eine Melodie durch das Geäst. Leise Laute, getragen vom Hauch der Brise, schwebten durch die alten Bäume. Rianon hielt inne. Die Musik war einfach, doch voller Tiefe – ein sanftes Tasten, wie ein Gespräch mit der Stille selbst. Seine Augen verengten sich, seine Ohren folgten dem Klang. Schritt für Schritt, Fuß vor Fuß, bewegte er sich vorsichtig durch das dichte Unterholz, kaum mehr als ein Hauch auf dem Waldboden. Wie eine Mondsichel zwischen den Ästen erkannte er schließlich die Silhouette einer Gestalt, hoch oben in der Krone eines gewaltigen Yewbaumes. Irâ. Er wagte es nicht, sie anzusprechen, aus Angst, die Magie des Augenblicks zu brechen. Stattdessen verharrte er zwischen Farn und Stamm, den Blick emporgerichtet. Die Töne erzählten ihm mehr als Worte es je könnten – von Wehmut, von Abschied, und von einem sanften Mut, der zwischen den Saiten mitschwang.
Ein leises Rascheln ließ ihn den Blick senken. Vor seinen Füßen schwebte ein einzelnes Blatt zu Boden – goldgelb, herzförmig, seltsam fehl am Platz in diesem ewigen Grün. Vorsichtig bückte er sich, hob es auf und betrachtete es nachdenklich. Der Yew wirft keine Blätter. Er hielt es eine Weile in der Hand, drehte es in den Fingern, als könnte er darin eine Antwort lesen. Dann, mit einem kaum hörbaren Seufzen, steckte er es behutsam in eine der Taschen seiner Weste – ein stilles Versprechen, ein Zeichen, das er nicht vergessen würde. Ohne ein Wort, ohne ein Geräusch, verschwand er wieder im Nebel des Morgens, das Lied in seinem Herzen tragend.

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Ya'ranel
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Der Auftritt

Beitrag von Ya'ranel »

Die Sonne steht bereits tief, als die letzten Vorbereitungen abgeschlossen und die Bühne hergerichtet ist. Vor dem großen Yew-Baum im Herzen Yews haben sie sich versammelt. Mit Hilfe einiger Mitglieder der Sala wurden Lichter aufgestellt und ein Feuer auf dem Platz entfacht. Den Yew-Baum selbst haben sie mit bunten Bändern geschmückt. Vollendet wurde das Bühnenbild durch die große, kunstvoll verzierte Standharfe, die eindrucksvoll im Hintergrund thronte.

Ya’ranêl wendet sich Ira zu und wartet, bis sie Platz nimmt. Als sie sich auf den Schemel rechts von ihm setzt und ein letztes Mal prüft, ob ihre Laute richtig gestimmt ist, nickt er ihr mit einem warmen Lächeln zu und tritt vor das Publikum.

„Sanya’sala a dhao’o, dass ihr so zahlreich erschienen seid.“
Sein Blick schweift lächelnd durch die Menge, als wolle er jedem Einzelnen für einen Moment in die Augen blicken.
„Es ist eine Zeit der Sorgen, eine Zeit der Ungewissheit. Doch dieser Abend soll nicht unseren Ängsten gehören. Ich möchte ihn nutzen, um uns alle daran zu erinnern, dass wir gemeinsam stark sind. Dass wir, nach allem was hinter uns liegt, nicht zu fürchten haben was vor uns liegt. Das La überdauert. Und auch wir werden mit ihm wachsen, mit seinen Prüfungen, mit seiner Kraft.“
Feierlich breitet er die Arme aus.
„So bitte ich euch: Lasst für diesen Abend euren Schmerz zurück und schenkt mir und Ira euer Gehör.“

Fast ehrfürchtig verstummt das leise Zwitschern der Vögel. Als hätte selbst die Natur den Atem angehalten, sitzen sie nun still im Geäst des großen Yew-Baumes, die Augen auf die beiden Waldelfen gerichtet.
Ya’ranêl blickt erneut zu Ira und nickt ihr zu. Die Elfe hatte nur auf dieses Zeichen gewartet und beginnt zu spielen.

Die ersten Töne ihrer Laute klingen sanft und melancholisch, doch tragen sie zugleich einen Hauch von Hoffnung in sich, wie ein zarter Lichtstrahl im Nebel. Kurz darauf hebt Ya’ranêl seine Querflöte an, die er bis eben noch an seinem Gürtel trug, und setzt mit einfühlsamen Klängen ein.
Die Melodie, die sie gemeinsam erschaffen, malt Bilder in die Herzen der Zuhörenden. Von endlosen Weiten, klaren Flüssen und sternenklaren Nächten. Ein Gefühl von Beständigkeit, von Wachstum und von stiller Schönheit erfüllt die Luft.
Dann verstummt das Flötenspiel und Ya’ranêl beginnt im Bariton zu singen:

Sha a ama, sha a la.
Nurdra a la, nurdra a la.
Sanya sala, sanya la.
Sanya sala, sanya la.


Seine Stimme scheint von allen Seiten zu hallen, getragen vom Wind schmiegt sie sich sanft an die Melodie von Irâ's Lautenspiel an. Die Sonne ist nun im Begriff unterzugehen, und der Himmel färbt sich in warmem Orange und tiefem Rot. Dieses Licht taucht die Umgebung und das Bühnenbild in einen magischen, goldenen Glanz.
Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, wird von warmen Erinnerungen berührt. Erinnerungen, die tief im eigenen Herzen wohnen. Erinnerungen an unbeschwerte Tage, an Zeiten voller Leichtigkeit, Freude und Geborgenheit.
Nach dem Ende der ersten Strophe verstummt Ya’ranêls Gesang und nur das sanfte Spiel der Laute erfüllt die Luft. Dann hebt er erneut seine Querflöte an. Mit seinem Einsatz steigt auch Ira in eine höhere Tonlage ein. Eine harmonische Steigerung, die die Melodie erblühen lässt. Es ist, als wolle der Klang selbst ein Gefühl von Freiheit, Sorglosigkeit und Liebe zu allem Lebendigen vermitteln.
Als die Flöte zum zweiten Mal verstummt, erhebt sich Ya’ranêls Stimme erneut. Diesmal jedoch begleitet von Ira, deren klare Sopranstimme sich wie ein Lichtstrahl durch sein Lied webt. Sie übernimmt die Harmoniestimme:

Ama aya la, sha aya sala.
Nurdra sha ama, nurdra sha la.
Sanya sala bha, sanya la bha.
Sha a ama, la nurdra sa.


Die Vögel, die zuvor still in den Ästen verweilt hatten, beginnen nun, in lebhaften Bahnen über die Köpfe der Versammelten zu fliegen, als würden sie miteinander tanzen. Der ganze Wald scheint in diesem Moment mit dem Spiel der beiden Waldelfen zu harmonieren: das sanfte Wiegen der Äste im Wind, das leise Schwirren der Insekten im goldenen Abendlicht, selbst das Flackern der Flammen in der Feuerstelle, alles scheint sich auf die Melodie einzustimmen.
In der letzten Zeile der Strophe steigern beide die Tonlage noch einmal, lassen das letzte Wort lange und ausdrucksstark verklingen. Dann beruhigt sich das Lautenspiel, wird langsamer, fast wie ein Ausatmen.
Ein letztes Mal hebt Ya’ranêl die Flöte an. Gemeinsam mit Ira lässt er die Melodie in einem ruhigen, andächtigen Ausklang verklingen. Getragen von Stille, Licht und der leisen Magie dieser Aufführung.

Eine ganze Weile stand Ya’ranêl noch reglos da und ließ den Moment auf sich wirken. Ob es Applaus gab, nahm er im ersten Moment kaum wahr. Die Augen geschlossen, spürte er die Melodie noch in sich nachklingen.
Vollkommen ergriffen kämpfte er für einen Herzschlag mit den Tränen.
Was ihm wie eine halbe Ewigkeit erschien, waren vermutlich nur wenige Wimpernschläge. Dann öffnete er mit einem breiten, strahlenden Lächeln die Augen und wandte sich dem Publikum zu.
Er verneigte sich tief und machte anschließend eine schwungvolle Handbewegung in Richtung Irâ.
Diese starrte ihn für einen Moment entgeistert an, ganz so, als hätte sie sich im Klang selbst verloren und sei nun unsanft zurück in die Wirklichkeit gestoßen worden. Dann richtete auch sie sich auf, sammelte sich und verneigte sich mit einem leichten, verlegenen Lächeln.
Ohne ein Wort drehte sie sich schließlich um, lehnte ihre Laute behutsam an den Stamm des Yew-Baumes und schritt hinüber zur großen Standharfe, die noch immer in der Mitte der Bühne stand.
Ya’ranêl hatte ihren Schemel bereits davor positioniert. Irâ nahm Platz, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hob die Hände.
Inzwischen war die Sonne vollständig untergegangen. Über Yew spannte sich ein wolkenloser Himmel, in dem die ersten Sterne wie leuchtende Funken der Erinnerung zu tanzen begannen...
Rianon
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Re: Lieder der Hoffnung

Beitrag von Rianon »

Rianon stand ein wenig abseits, im Schatten einer knorrigen Ulme, das Gesicht halb verborgen unter der Kapuze, der Stoff des Tuchs kühl über seinem Mund. Der Glanz des frühen Abends streifte seine Wangen, warm wie die sanfte Berührung eines Freundes, der lange fort war. Er war gekommen, ohne genau zu wissen warum. Vielleicht hatte ihn der Wind gerufen, vielleicht das Wispern der Bäume, das von Musik sprach, die mehr war als Klang. Vielleicht war es auch nur das stille Bedürfnis nach Trost gewesen, nach einem Ort, an dem Schmerz nicht verleugnet werden musste, sondern sich wandeln konnte. Als Ya’ranêl zu sprechen begann, spürte Rianon, wie sich die Anspannung in seiner Brust langsam löste. Die Worte des Elfen, getragen von Würde und Tiefe, klangen wie das Knacken eines Zweiges, der sich unter der Last des Winters beugt, aber nicht bricht. Er sprach von Stärke, von Beständigkeit – nicht mit lautem Pathos, sondern mit jener ruhigen Zuversicht, die nur die kennt, die oft genug durch Dunkel gegangen sind und das Licht trotzdem wiedergefunden haben. Und dann begann die Musik.
Zunächst war es nur eine Laute, sanft wie das Tropfen von Tau auf junges Blattwerk. Doch schon mit den ersten Tönen öffnete sich etwas in Rianon – etwas, das lange verschlossen gewesen war. Als Ya’ranêls Flöte sich hinzugesellte, fühlte es sich an, als würde der Wald selbst zuhören. Kein Blatt regte sich, kein Tier lautete. Alles stand still, um den Klang aufzunehmen. Die Melodie war nicht bloß ein Lied – sie war Erinnerung, Gebet und Versprechen zugleich. In ihrem Wechsel von Melancholie und Hoffnung spiegelte sich das Aufblühen einer Knospe nach einem langen, frostigen Schlaf. Rianon hörte den Wind darin, der durch hohe Tannen fuhr. Das Plätschern von Bächen, das Wiegen der Gräser in stiller Dämmerung. Und unter all dem – ein leiser Herzschlag. Der Herzschlag der Natur. Des Lebens.
Als Ya’ranêl zu singen begann, wurde der Wald zum Tempel. Rianons Augen glänzten im Feuerschein. Die Sprache war ihm zwar nicht fremd, aber er verstand sie anders als gesprochene Worte – nicht mit dem Verstand, sondern mit dem, was tief in ihm verwurzelt war. Sein Atem wurde ruhig, gleichmäßig. Zum ersten Mal seit Wochen fühlte er sich nicht mehr getrieben. Nicht mehr zerrissen. Er sah die Vögel aufsteigen, sah, wie Ira sich in den Klang verströmte, wie sich ihre Stimmen ineinander verflochten wie Efeu an altem Stein. Und für einen Herzschlag lang glaubte er zu spüren, wie alles eins wurde: Klang und Blatt, Licht und Atem, Schmerz und Hoffnung.
Als die letzten Töne verklangen, blieb er reglos stehen. Es war, als hätte auch sein Herz für einen Moment stillgestanden. Der Applaus ringsum kam ihm leise vor, gedämpft wie durch Nebel. Er hörte ihn, aber er war nicht wichtig. Nicht jetzt. Wichtig war das Gefühl, das noch in ihm nachhallte wie das ferne Grollen eines Sommergewitters. Langsam trat er aus dem Schatten und ging über das weiche Gras zur Bühne. Die Sterne spiegelten sich in seinen Augen, wie Silberlicht auf ruhigem Wasser. Er wartete, bis Ira sich von der Harfe zurückgezogen hatte und Ya’ranêl seinen Blick hob. Dann senkte Rianon leicht das Haupt, eine Geste voller Respekt. Seine Stimme war leise, rau von Gefühl – aber klar. „Ihr habt heute Abend nicht nur Musik gemacht. Ihr habt die Seelen der Zuhörenden berührt, wie Wind eine Saite streichelt, ohne sie zu zerreißen. Ihr habt etwas erinnert, das älter ist als Worte – und wertvoller als Gold.“ Er sah erst Ya’ranêl an, dann Ira. „Ich danke euch. Für den Mut, in Schönheit zu sprechen, wo andere schweigen. Für das Licht, das ihr habt aufblühen lassen im Schatten des Waldes. Und für die Stille danach, die nun in mir lebt.“ Dann wandte er sich ab, schritt zurück in die Schatten, in das Zwielicht zwischen den Bäumen – und ließ die Stille in sich weiterklingen wie eine sanfte Melodie, die nie ganz vergeht.
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Ya'ranel
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Abschiedslied

Beitrag von Ya'ranel »

Als Irâs Finger sanft über die Saiten der großen Standharfe glitten, erhob sich eine Melodie, von melancholischer Schönheit. Sie war nicht traurig, vielmehr wirkte sie wie eine Umarmung: warm, voller Tiefe und getragen von zarter Hoffnung. Ihr Spiel legte sich wie ein weicher Schleier über die Lichtung und ergriff jeden der Anwesenden , wie der erste warme Windhauch im Frühling, der die Seele berührt.
Ya’ranêl, der sich zuvor ein Stück zurückgezogen hatte, schloss mit einem Lächeln die Augen. Im Takt der Harfenklänge wiegte er sacht den Kopf, als würde er mit jedem Ton in eine Erinnerung eintauchen. Dann war es nur Irâ allein, die ihre Stimme erhob - klar, weich und voller Gefühl.

Sanyasala Yew, widir tan ao,
dhao a'dao zerza, nurd'dhao’o.
Sha valva ray tiya’ya,
nurti nai, nurdra zerza.
Lu, tan Yew, lu.


Die Worte hallten nach, getragen vom Klang der Saiten, und ließen keinen Zweifel zu: Dies war ein Abschiedslied. Doch es war nicht von Trauer geprägt, sondern von tiefer Dankbarkeit. Jeder Bewohner Yews spürte sofort, worum es ging. Die Melodie sprach von Liebe zur Heimat, von Erinnerungen an lichte Tage unter uralten Bäumen, an leises Lachen im Morgentau, an gemeinsames Hoffen, Wachsen und Leben. Und sie sprach davon, dass all dies nicht verloren ist, solange man es im Herzen trägt.
Wie Ya’ranêl zu Beginn gesagt hatte: Das La wird überdauern. Es ist der Klang der Welt, der nie verstummt.
Als Irâs Stimme für einen Moment verklang, setzte Ya’ranêl ein. Mit geschlossenen Augen hob er die Querflöte an die Lippen und ließ eine Folge schneller, gleitender Töne erklingen. Der Rhythmus zog an, die Melodie wurde lebhafter und in den Köpfen der Zuhörer formten sich Bilder. Bilder weiter, unberührter Landschaften: von moosweichen Waldböden, klaren, funkelnden Flüssen, von Schatten, Licht und dem Rauschen der uralten Yew-Bäume, die sich im Wind neigten wie im stillen Gruß.
Dann, wie durch ein stilles Wunder, begann sich die Natur selbst dem Spiel anzuschließen. Glühwürmchen schwirrten lautlos über die Bühne, umkreisten die beiden Elfen und tanzten in weiten Kreisen durch das goldene Dämmerlicht. Immer mehr wurden es, bis sie wie winzige, lebendige Sterne um Publikum und Bühne kreisten. Ihr Leuchten tauchte die Szenerie in ein magisches, beinahe überirdisches Licht.
Nach dem Solo verebbte das Flötenspiel. Nur die Harfe sprach noch, sanft und tief. Dann stimmten beide erneut gemeinsam an, Ya’ranêl nun in der Harmoniestimme, die dem Lied eine bittersüße Tiefe verlieh. Die zweite Strophe erklang:

a’bâo ya, feydha var.
Aiâ bha, aie tan bha’i.
salar iama’han mor.
Tweldan’La ray valva iama,
nurdraya sha, zerza nai.
La’dhao, widharcal Yew.


Ein leiser Windzug strich über die Bühne. Die Glühwürmchen kreisten weiter, zuerst zufällig, dann wie gelenkt, als würden sie den Takt der Musik verstehen. Sie formierten sich, schwebten in rhythmischen Mustern, bis Ya’ranêl und Irâ in ein sanft pulsierendes Licht gehüllt waren. Ein Anblick, der den Atem stocken ließ.
Und dann... Stille.
Mit dem letzten Klang der Harfe brach das Lichtspiel auseinander. Die Glühwürmchen verstreuten sich wieder in alle Richtungen, und alles war, als wäre nie etwas geschehen, wären da nicht die Herzen derer, die es erlebt hatten.
Ya’ranêl und Irâ standen nun gemeinsam, richteten sich auf und hoben ihre Stimmen zum letzten Mal, vereint und voller Herzblut:

Sanya ama, nurd’dhao...

Ein Moment der Stille folgte, keine bedrückende, sondern eine ehrfürchtige. Dann, langsam, fast zögerlich, begann der Applaus und aus der Stille wurde Freude.
Der Abend ging in ein ausgelassenes Fest über. Lachen mischte sich mit alten Liedern, Feuer flackerten und Geschichten wurden erzählt. Doch bei all dem Frohsinn lag ein stilles Wissen über allem: dass dieser Abend ein Abschied war. Und dass bald eine Zeit der Prüfung kommen würde. Die Sala Yews würde auf die Probe gestellt werden, doch für diesen Moment war da nur Einigkeit, Hoffnung und ein Lied, das nachklingt wie das sanfte Leuchten der Glühwürmchen in einer Sommernacht.

OOC Übersetzung des Textes:
Leb wohl, Eibenwald, du schöner Wald, auch wenn du vergehst, danke, sei gesegnet. Das Licht sieht deinen Traum, doch kein neues Leben, das Wachsen erlischt.
Schlaf, Eibenhain, schlaf, wir erinnern dein Leben, wir hüten deinen Namen. Dein Wohnbaum ruft, der Wald warnt, verstecke dich im Schoß der Erde. Der Alte vom Wald sieht dein stilles Sterben, doch im Licht wächst du weiter, kein wahres Ende. Der Wald mit dir, Eibenhain. Leb wohl, Freund, in Dankbarkeit.
Quellen: mystic-age.de , tiefenwald.de , studylibde.com/aventurisches-wörterbuch
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