Die Welt war in Dunkelheit gehüllt, doch es war nicht die sanfte Schwärze der Nacht, sondern eine kalte, uralte Finsternis, die tief unter den verwitterten Mauern eines vergessenen Anwesens lastete. Ein Jahrzehnt war vergangen, seit die Sonne zuletzt ihre Strahlen auf diesen verfluchten Ort geworfen hatte. Staub und Spinnweben bedeckten die hohen Holzbalken und zerfallenen Fresken, die von vergessenen Zeiten kündeten.
Inmitten dieser kalten Mauern lag er — Drava Vincenzo.
Einst ein stolzer Gildenlord der Lords of War, gefürchtet wie geachtet, nun ein Schatten dessen, was er einst war. Niemand erinnerte sich an jenen Tag als die schweren Eisentore sich knarrend öffneten und Drava Vincenzo schwer verletzt das Anwesen nur mit Hilfe Landors betrat. Nebelschwaden zogen durch den nächtlichen Hof, kalt und feucht, als wollten sie jeden Eindringling warnen.
Drava taumelte.
Der schwarze Umhang der Lords of War war zerrissen, das schwarze Leder klebte an einer Wunde, die selbst sein seelenloses Fleisch kaum zu heilen vermochte.
Blut — kostbar und schwach — rann aus einem Riss in seiner Seite.
Seine Feinde hatten ihn beinahe erwischt.
Nur mit letzter Kraft hatte er den Weg durch den Bergpass gefunden, getrieben von Hoffnung... und von Verzweiflung in die Arme seiner Brüder zu fallen.
Er stand vor der dunklen Pforte des alten Anwesens der Vincenzos, die Hände gegen den kalten Stein gelehnt.
Ein Wispern in der Luft.
Ein uralter Blick, der ihn spürte, noch ehe ein Wort gesprochen war.
„...Drava...!?“
Die Stimme kam von oben, aus dem Turm einer Galerie.
Tief, rau, schwer aber voller Sorgsamkeit.
Und dann trat er hervor: Landor Vincenzo.
Sein Antlitz war wie immer furchteinflößend — Die Jahrhunderte als Vampir hatten Spuren hinterlassen, und doch: in den roten Augen loderte noch derselbe Funke, der einst seinen Blutsbruder geleitet hatte.
Er trug eine lange Robe aus dunklem Stoff, an dessen Saum Symbole alter Blutmagie eingewoben waren. In seiner Rechten hielt er ein Pech schwarzen Stab — nicht als Waffe, sondern als Zeichen der Beherrschung über sich selbst, so wie es jeder Erzmagier der Schattenwelt geschworen hatte.
„Du Narr...“, raunte Landor und war mit übernatürlicher Geschwindigkeit an Dravas Seite.
Mit nur einer Geste öffnete er die Tür.
„Komm. Diese Wunden… sie brennen im Fleisch. Du brauchst altes Wissen — und... meinen Beistand.“
Drava wollte sprechen, doch Blut sickerte zwischen seinen Lippen.
„Schweig!“, befahl Landor, seine Stimme fest, doch nicht ohne Wärme, weil er spürte, was mit seinem Blutsbruder vermutlich geschehen würde.
„Du bist mein Bruder. Und ich habe dich erwartet.“
Er trug Drava mit Leichtigkeit durch steinerne Gänge des Anwesens, in eine Halle, erfüllt vom Duft alter Kräuter und nur von Kerzenlicht erhellt.
Am Ende stand ein schwerer Tisch, bedeckt mit einem Runentuch der Familie.
Dort legte Landor ihn nieder.
Sein Blick glitt prüfend über Dravas Wunden.
„Du hast gekämpft. Und du hast überlebt. Das ist gut.“
Er beugte sich tiefer, sein kalter Atem an Dravas Ohr:
„Dein Blut fließt in mir. Mein Blut in dir. Und durch mich wirst du nicht enden, sondern beginnen.“
„Doch höre mich, Bruder: Von nun an werden die Schatten dich immer jagen. Der Fluch, der uns bindet, ist stärker geworden. Und diese Welt… ist grausamer als je zuvor.“
Sein Griff ruhte auf Dravas Schulter.
Ein Funke von Stolz — und Sorge — blitzte in seinen Augen auf.
„Denn die Nacht duldet keine Schwäche.“
Die Nacht war tief und schwer, in den Hallen der Familie Vincenzo.
Nur das leise Tropfen von Wasser aus den steinernen Wänden durchbrach die Stille.
Inmitten eines weiten Raumes lag Drava Vincenzo — bleich, reglos, zwischen Leben und Tod auf einem Steintisch, bedeckt mit einem Runentuch.
Die Wunden an seiner Seite wurden durch Landor nur notdürftig versorgt, mit dem Wissen es war nicht das Fleisch, das Landor Sorge bereitete.
Er wusste es besser als jeder andere: dies war nicht bloß ein Schlaf zur Heilung.
Dies war die Schwelle.
Die Schwelle, an der der Mensch stirbt, sein Blutsbruder — und das, was bleibt, zum Wesen der Nacht wird.
Landor saß im Schatten einer Säule, sein Blick unablässig auf Drava gerichtet.
In seiner Hand der Talisman der Familie Vincenzo: das Symbol ihrer Blutsbruderschaft.
„Drava...“, sprach er leise in die Dunkelheit.
„Ruh dich aus. Wenn du wieder zu Kräften kommst… wirst du lernen müssen. Mehr als ich dich je lehrte.“
Seine Stimme war heiser, voller Sorge.
Er erinnerte sich an jenen jungen Mann voller Ehre und Trotz, der ihm einst schwor:
"Wir bleiben Brüder, egal welcher Fluch uns auf erzwungen wird."
Doch Landor wusste, wie grausam der Fluch war.
Er selbst hatte Jahrhunderte gerungen — mit Hunger, Wahnsinn, Verlockung der Macht und das Verstoßen der eigenen Rasse.
Er wusste, wie leicht es war, die Menschlichkeit zu verlieren... und wie schwer, sie festzuhalten.
Langsam stand er auf.
Er trat an den steinernen Tisch, senkte sich auf ein Knie und legte eine kühle Hand auf Dravas Stirn.
„Du wirst dich ändern... das ist unausweichlich. Aber vielleicht — nur vielleicht — bleibt in dir, was uns verband.“
Sein Blick verfinsterte sich.
„Denn solltest du zum reinen Raubtier werden… so schwöre ich, Bruder oder nicht… ich werde es beenden.“
Die Worte hallten schwer in der Halle nach.
Landor senkte das Haupt.
Und so wachte er, Stunde um Stunde, ohne zu blinzeln, während Dravas Herz im Takt der uralten Verwandlung langsam neu zu schlagen begann — anders, dunkler.
Die Schwelle war nah.
Bald würde sich zeigen, ob Mensch oder Monster aus dem Schlaf erwachen würde.
mehr an den Tag, als er hierher verbannt worden war, gebannt in einen uralten Schlaf zwischen Leben und Tod.
Ein Fluch, einst von einem sterbenden Blutsbruder geflüstert, hatte ihn verzehrt: "Du sollst ewig wandeln zwischen Licht und Schatten — ohne Alter, ohne Frieden."
Und so schlief er.
Bis heute.
....
Prolog – Teil II – Neues Blut – Das Erwachen
Ein Wispern zog durch die Finsternis. Erst leise, kaum wahrnehmbar — dann lauter, drängender. Fremde Stimmen riefen ihn, sprachen von einer neuen Welt, von Blut, von Sehnsucht.
Seine Augen — einst schwarz wie die Nacht, ohne Seele — rissen auf, nun von tiefem Rubinrot durchzogen. Sein erster Atemzug war kein Luftschnappen, sondern ein leises Knurren, eine urtümliche Gier, die seine Kehle emporstieg. Muskeln spannten sich, altes Leder zerbarst, als Drava sich auf dem kalten Steintisch erhob.
Doch etwas war anders.
Der Durst brannte wie Feuer in seinen Adern. Seine Sinne waren geschärft, jeder Tropfen Wasser in den moosbedeckten Mauern klang in seinen Ohren, jeder faulige Hauch roch wie süßer Nektar. In seinen Adern pulsierte nicht mehr das Blut eines Menschen.
Er war verwandelt.
Ein Kind der Nacht.
Ein Vampir.
Und während sich das uralte Tor unter seinen Berührungen öffnete und der erste schwache Lichtschein der Mondsichel über seine bleiche Haut glitt, sprach er mit heiserer Stimme in die Dunkelheit:
"Meine Feinde werden meinen Namen erneut flüstern — Drava Vincenzo ist erwacht."
....
Prolog – Teil III – Schatten der Erinnerung
Das Mondlicht fiel in schmalen Streifen durch die zerborstenen Fenster der alten Halle. Staub tanzte in der kühlen Luft, als Drava Vincenzo langsam durch die verfallenen Hallen des einst prächtigen Turms schritt. Jeder Schritt hallte wider — nicht nur im Gemäuer, sondern auch in seinem Geist.
Seine Sinne waren geschärft, seine neue Stärke pulsierte in jeder Faser. Doch während sein Körper erwacht war, lag in seinem Herzen noch ein Hauch der Vergangenheit verborgen.
Er blieb vor einem zerbrochenen Spiegel stehen. Das angelaufene Glas zeigte nur schemenhaft sein blasses Antlitz — rote Augen, fahle Haut, ein Gesicht, das weder Leben noch Tod kannte.
Und dann kamen die Bilder.
Erinnerungen.
Wie eine Sturmflut brachen sie über ihn herein.
Er sah sich selbst, jung und stolz, in glänzender Rüstung. Ein Banner mit dem Wappen des Hauses Vincenzo flatterte im Wind. Seine Hände umklammerten den Griff eines Schwertes, das einst für Recht und Ehre geschwungen wurde.
Die Turniere von Jhelom, die Schlachten von Britain...
Lachen. Stimmen von Freunden, längst vergangen.
Und dann — ein Gesicht.
Landor.
Der Verstoßene, sein Blutsbruder.
Die Bilder flackerten. Der Krieg. Verrat. Der Hinterhalt auf ihn - Ein letzter Schrei, ein letzter Atemzug — dann Dunkelheit. Ein Schlaf ohne Ende.
Bis jetzt.
Drava ballte die Hände zu Fäusten. Die Erinnerung an die Leichtigkeit, dass seelenlose. Das, was ihn einst ausmachte, schien so fern — und doch war es in seinem Herzen nicht erloschen.
„Was bin ich geworden...?“ flüsterte er in die Stille.
Der Vampir in ihm gierte nach Blut, nach Macht. Doch der Mensch in ihm... sehnte sich nach mehr. Nach Sinn, nach Erlösung, vielleicht.
Drava trat näher an den Spiegel. Sein Gesicht spiegelte sich matt im Glas: hohe eingefallene Wangenknochen, graue Strähnen im perlenweißen Haar, und in den Robin roten Augen lag eine Schwere, die Jahre, wenn nicht Jahrzehnte umspannte.
Er hob die Hand, fuhr mit den Fingerspitzen über die glatte Fläche. Kaum hatte er das kalte Glas berührt, begann es zu leuchten — sachte erst, dann stärker, bis das Spiegelbild verschwamm und einer anderen Szene wich:
Ein sonnendurchfluteter Garten. Lachen von Kindern.
Eine Ehepaar, glücklich und völlig unberührt von der Schwere des Lebens — seine Eltern, die Geschichte der Familie Vincenzo.
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