Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

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Findualia Illstan
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Ein Stimme im Flüstern erlischt

Beitrag von Findualia Illstan »

Einst hatte man diese Stimme erhört als sie um Erlösung gebeten hatte von der Sklaverei. Freiheit wünschte sie sich im Tode, Freiheit durch den Tod bekam sie, es war jedoch kein endgültiger Tod, denn den muss man auch wollen. Arencia hatte sich in der Horde eingegliedert und ihre Erlebnisse geteilt und doch schien sie der Weg immer wieder zu den Drow zurückzutreiben, sei es aus Rache oder anderen Motiven. Eine große Rolle wurde dieser beseelten Person zu Teil bei der Befreiung vom Lichelord und sie konnte sogar einen alten Drachen bändigen und versklaven, dennoch spührte man nun wie ihr Splitter zerbrach und ihre Seele für immer verloren war, eine Seele die nun bei irgendeinem Engel, Dämon oder möchtegern Gott war statt auf alle Ewigkeit auf der Welt zu wandeln. Findualia spürte auch als untote Liche nicht wirklich viel Emotionen, aber es war durchaus ein Verlust.
Parthena Telperien
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Beitrag von Parthena Telperien »

Der Morgen begann wie jeder andere, mit dem Geruch von Tinte, Leder und einem Hauch von Teeblättern in der Luft. Parthena stand allein in einem der hinteren Räume des Gildenhauses des Bundes der Wachenden, die Finger verschränkt, die Augen geschlossen. Ihre Lippen bewegten sich lautlos, während sie eines der grundlegenden Konzentrationsmantren sprach, die ihr Vater ihr beigebracht hatte. Alles schien in Ordnung – und doch war da etwas. Ein Kitzeln im Nacken, ein kaum greifbarer Druck auf ihrer Brust, wie ein Schatten im Innern, der sich regte, ohne dass sie seinen Ursprung erkennen konnte.

Sie öffnete die Augen. Ihre Handflächen waren feucht. Das war ungewöhnlich. Nie hatte sie bei den Übungen geschwitzt. Der Raum war ruhig, zu ruhig – nicht einmal das Knarzen des Gebälks war zu hören, das sonst so zuverlässig von der alten Bauweise kündete.

Parthena drehte sich langsam um. Der Fensterladen war offen, der Blick auf den Weg vor dem Gildenhaus frei – aber auch dort: kein Mensch, kein Tier, keine Bewegung. Nur Nebel, der sich wie schmutzige Watte zwischen den Bäumen sammelte und schwer über dem Boden lag.

Sie trat näher ans Fenster, runzelte die Stirn. Ihr Blick huschte über die verwaschenen Konturen des Pfades, der vom Gildenhaus in den Wald führte. Dort, an der Grenze zwischen Sichtbarkeit und Ahnung, bewegte sich etwas – nicht in der Art, wie ein Tier sich bewegt hätte, nicht wie Wind durch Laub. Es war langsamer, unnatürlicher.

Sie packte ihre Tasche. Ohne Zögern legte sie ihren Gürtel an, prüfte, ob die Schriftrollen ordentlich verstaut waren, und schulterte den kleinen Beutel mit den Runensteinen, den sie nur für besondere Situationen mitnahm. Als sie das Gildenhaus verließ, fiel die Tür hinter ihr ohne ein Geräusch ins Schloss. Der Pfad in den Wald war ihr vertraut, aber an diesem Tag erkannte sie kaum etwas wieder. Die Bäume, einst lebendig und voller Saft, wirkten ausgezehrt. Ihre Äste hingen herab wie die Arme eines alten Mannes, und statt Blättern trugen sie nichts als leere Schwärze.
Der Nebel schien bei jedem Schritt dichter zu werden, als wolle er sie verschlucken. Parthena legte eine Hand an ihren Stab, murmelte einen kleinen Schutzzauber, nur zur Sicherheit – auch wenn sie nicht sagen konnte, wovor genau sie sich schützen wollte. Sie folgte dem kaum sichtbaren Trampelpfad, der sich durch das alte Gehölz wand, während ihr Herz mit jeder Minute schneller schlug. Kein Laut drang an ihr Ohr – kein Vogel, kein Insekt, nicht einmal der eigene Atem schien recht zu ihr zurückzukehren.

Dann, aus dem Nichts, hörte sie es. Ein langgezogenes, schleifendes Geräusch. Wie Holz, das über Stein gezogen wird. Oder Knochen.
Sie blieb stehen, horchte. Noch einmal: Ein kratzendes, schleifendes, klopfendes Geräusch, das sich mit jedem Atemzug zu vervielfachen schien.

Zögernd trat sie vor, bog um einen knorrigen, gesplitterten Baumstamm – und stand plötzlich am Rand des alten Friedhofs von Yew. Das eiserne Gitter war noch da, halb verrostet, mit dornenartigen Verzierungen. Der alte Friedhof selbst lag wie ein vergessenes Tier inmitten der toten Bäume, umgeben von Nebel, der über den Boden kroch wie ein lebendiger Schleier.

Dann sah sie sie. Die ersten Gestalten waren kaum zu erkennen – ihre Umrisse flackerten im Nebel, doch das Klirren von Knochen auf Metall, das dumpfe Hämmern untoter Fäuste auf Schmiedeeisen, war nicht zu überhören. Ein Skelett mit einem halben Brustkorb und einem verbeulten Helm schlug unablässig gegen das Tor, während hinter ihm ein Dutzend weiterer Körper aus der Erde zu wachsen schien. Zombies, bleich, in Fetzen gehüllt, schleppend und doch unaufhaltsam, bewegten sich auf das Gitter zu.

Parthena stolperte rückwärts. Ihr Stab glitt fast aus der Hand, so sehr zitterten ihre Finger. Die Luft roch nun nach Moder, nach feuchtem Stein und nach etwas, das in ihr uralte Angst weckte.
Ein heiseres Röcheln ertönte aus der Tiefe des Friedhofs, als würde etwas dort nach ihr greifen, sie bei ihrem Namen rufen, obwohl kein Wort fiel.

Sie drehte sich um und rannte.

Ihre Füße fanden den Weg kaum, die Wurzeln waren tückisch, der Nebel machte es schwer zu sehen. Zweimal stolperte sie, einmal fiel sie fast, doch sie hielt sich aufrecht, spürte, wie sich die Kälte der Umgebung in ihre Knochen fraß. Der Nebel schien ihr zu folgen, als wäre er lebendig, als würde er versuchen, sie zu verschlingen, bevor sie das rettende Gildenhaus erreichen konnte.
Parthena stolperte aus dem Wald heraus, auf den Vorplatz des Gildenhauses, keuchend, mit zerzaustem Haar und Erde an den Knien.

Die Tür knarrte, als sie sie aufriss. Drinnen saß Ya’ranel in einem schweren Stuhl, über eine Karte gebeugt, eine Feder in der Hand. Er blickte auf – und sah sie.
Sie rang nach Luft. Worte wollten nicht sofort kommen. Nur ihre Augen, weit aufgerissen, erzählten von dem, was sie gesehen hatte.

„Friedhof…“, brachte sie schließlich hervor. „Etwas ist dort… auferstanden… sie… sie sammeln sich…“

Ya’ranel stand langsam auf, seine Augen schmal, doch aufmerksam.

„Was genau hast du gesehen?“ fragte er ruhig, obwohl in seiner Stimme nun ein anderer Ton mitschwang – ein leiser, gespannter Unterton, der seine Aufrichtigkeit verriet.

Parthena erzählte, so gut sie konnte. Vom Nebel. Den Bäumen. Den Geräuschen. Den Gestalten. Und dem Gefühl – diesem uralten, beklemmenden Gefühl, dass dort etwas lauerte, das lange geschlafen hatte und nun erwachte.

Ya’ranel schwieg, bis sie geendet hatte. Dann nickte er langsam, trat an ein Regal und zog eine lederne Mappe hervor.

„Du hast richtig gehandelt“, sagte er schließlich. „Wir werden uns vorbereiten müssen.“

Und während Parthena noch zitternd auf der Bank saß, tastete ihr Blick durch das Fenster – zurück in den Wald, der still und kalt und fremd dalag, als hätte er nie anders ausgesehen.
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Ya'ranel
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Beitrag von Ya'ranel »

Ya’ranêls Finger krümmten sich um den Schreibtischrand. Noch immer pochte der Schmerz in seiner Seite, wo der dunkle Stahl der Drow ihn getroffen hatte. Aber das war nicht wichtig. Nicht jetzt.
Er trat an das Fenster, stützte sich mit einer Hand am Rahmen ab.
Der Nebel hatte sich bereits wie ein Schleier über den Wald gelegt. Er konnte die Straße nicht mehr erkennen. Nicht einmal den Brunnen vor dem Haus.

Rianon, der Parthenas Eintreffen bemerkt hatte, betrat mit fragendem Blick das Zimmer.
Sofort wandte sich Ya’ranêl ihm zu.
„Rianon, geh zum Friedhof. Behalte die Situation aus der Distanz im Auge. Wenn es zu gefährlich wird, kehr sofort zurück. Ich brauch dich heil, verstanden?“
Rianon nickte und eilte aus dem Zimmer.

Ya’ranêl lief die Treppe des Gildenhauses hinab, als Irâ ihm mit fragendem Blick entgegenkam.
Er wandte sich in der melodischen Sprache der Waldelfen an sie und sagte:
„Irâ, geh zu den umliegenden Höfen. Sag ihnen, sie sollen ihre Häuser nicht verlassen und Ruhe bewahren. Stoß danach zu Rianon, ich werde die Mitglieder versammeln und ebenfalls zum Friedhof marschieren.“
Irâ presste die Lippen zusammen und nickte.

Ya’ranêl rief nach einem Boten und begann ihm langsam und deutlich eine Nachricht zu diktieren.

„An die Paladine des Mondes:
Der alte Friedhof bei Yew ist nicht länger still.
Etwas ist erwacht – im Nebel, unter der Erde, hinter dem Eisen.
Die Wälder schweigen. Die Tiere sind fort. Und unsere Beobachter haben Knochen und Leiber gesehen, die sich regen, wo nur Grab und Vergessen sein sollte.
Wir, der Bund der Wachenden, ersuchen um Beistand.“


Der Bote – ein junger Mann, kaum älter als zwanzig – schwieg, während Ya’ranêl die letzten Worte diktierte. Dann nickte er knapp, steckte das Schreiben in eine schützende Ölhülle und verstaute es in der Ledertasche an seiner Seite. Ohne zu zögern wandte er sich zur Tür, zog die Kapuze über den Kopf und trat hinaus in den Nebel.

Ya'ranêl Betrat die Rüstkammer. Mit hastigen Bewegungen warf er die Lederschicht über, griff nach dem Kettenhemd, das zusammengefaltet über einem Haken hing. Das kalte Metall klirrte leise, als er es über den Kopf zog. Jeder Ruck schmerzte in der verletzten Seite, doch er verzog keine Miene.
Die Riemen wurden straff gezogen, der Gurt umgeschnallt, die Armschienen festgezurrt.
Zuletzt griff er nach seinem Nuya’Yar, dem Bogen der La Fey. Seine Finger glitten einen Moment über den Griff, spürten die glatte Maserung des alten Holzes. Der Bogen schien heute schwerer, oder war es nur die Ahnung dessen, was sie erwartete? Dann trat Ya'ranêl hinaus auf den Hof.

Einige Mitglieder hatten den Aufruhr bereits bemerkt und sich vor dem Gildenhaus versammelt, als Ya’ranêl den Platz betrat.
Er stellte sich in die Mitte und sprach ruhig, ohne große Gesten:
„Der alte Friedhof ist nicht mehr still. Ich habe Irâ und Rianon vorgeschickt und einen Boten an die Paladine gesandt.“
Ya’ranêl richtete seinen Blick auf den Pfad, der ins Dunkel führte. Die Kälte des Nebels legte sich auf seine Haut wie feuchte Finger.
Dann schenkte er den Anwesenden ein warmes Lächeln, ehe er fortfuhr.
„Ich muss euch nicht sagen, wie ernst die Lage ist. Auch wenn es mir Unbehagen bereitet, danke ich euch von Herzen, dass ihr an meiner Seite steht. Gemeinsam werden wir Yew schützen und heil zurückkehren. Verlasst euch auf eure Fähigkeiten und achtet auf die Männer und Frauen an eurer Seite. Was sind schon ein paar Untote gegen die Wächter des Bundes?“

Die anderen nickten. Niemand stellte Fragen. Niemand sprach Mut zu. Sie wussten, was zu tun war – sie waren der Bund der Wachenden.

Ya’ranêl atmete durch, spürte das Stechen in der Seite erneut auflodern. Aber er ließ sich nichts anmerken.
Dann wandte er sich um, setzte den ersten Schritt durch das taufeuchte Gras, und die anderen folgten ihm, lautlos, konzentriert.
Der Nebel nahm sie auf.
Der Friedhof wartete.
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Lirael Vanya'thiel
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Wenn Worte wie Blätter verwehen

Beitrag von Lirael Vanya'thiel »

Wenn Worte wie Blätter verwehen
(Folgepost auch auf viewtopic.php?t=504)

Es schien, als blieben ihre Worte im Wind hängen wie welke Blätter, die keinen Boden mehr fanden, um Wurzeln zu schlagen.
Die Warnung, die sie gemeinsam mit Rianon ausgesprochen hatte – nicht in Hast, nicht in Hysterie, sondern in der ernsten Überzeugung, dass Gefahr nahte – war empfangen worden mit höflichem Schweigen, mit jenen bedächtigen Blicken, hinter denen nichts lag als die tiefe, unbewegte Geduld derer, die glauben, dass alles vorübergeht, wenn man nur lang genug wartet.
Doch Lirael wusste, dass es diesmal anders war.

Etwas war im Wandel – nicht nur in den Schatten zwischen den Bäumen oder in den Krähen, die zu früh in Scharen kreisten, sondern in der Seele des Waldes selbst, dort, wo ihre Meditation sie zuletzt geführt hatte, an den Herzbaum, an das uralte, flüsternde Leben von La. Und sie hatte Lyr’sa geglaubt. Wie sollte sie auch nicht? Das Zittern in der Stimme der Dunkelelfe war kein Spiel, keine List – es war Erinnerung, und Schuld, und Angst. Und es war Wahrheit.
Wenn der Rat ihr nicht glauben wollte – wenn die Paladine des Mondes und der Bund der Wachenden in den Worten einer Waldläuferin nur vage Andeutungen sahen –, dann würden sie vielleicht einer von dort glauben, woher das Dunkel kam. Vielleicht, so hoffte sie, konnten Worte aus einem Mund, der selber Elashin entsprungen war, das Ohr erreichen, das ihren nicht lauschte.

Und so wartete sie an jenem Abend auf Lyr’sa. Die Schmiedin kam wie so oft aus der Mine, das rußige Haar zu einem wilden Knoten geschoben, der Blick müde, aber wachsam, ihre Schritte von jener schweren Präsenz begleitet, die tief in den Drow lag wie geschmiedeter Stahl. Doch bevor sie die Schwelle der Taverne überschreiten konnte, trat Lirael ihr entgegen – nicht mit Vorwürfen, nicht mit der Dringlichkeit eines Befehls, sondern mit jener Unruhe im Herzen, die sie nicht mehr abschütteln konnte.

„Lyr’sa… du musst mir helfen, Yew zu beschützen.“
Ein Satz, gesprochen wie ein Schwur. Und doch: Er traf auf Schweigen.
Zuerst verstand Lyr’sa nicht. Und als sie verstand, erblasste sie.
Ein Schatten trat in ihre Augen, einer, der tiefer war als jede Höhle – die Erinnerung an ihre Stellung, an die Ilharess, an das Haus, an das unausgesprochene Wissen, dass jedes Wort, das den Kreis der Drow verließ, ein Schnitt war in ein Netz, das dich auch noch hält, wenn du längst gefallen bist.
„Ich kann dir nicht helfen, Lirael. Ich hätte dich nicht einmal warnen dürfen. Die Ilharess wird mich töten, wenn sie davon erfährt.“
Lirael spürte, wie sich etwas in ihr zusammenzog. Der Impuls zu protestieren, sie zu beschwören, sie festzuhalten – er kam und blieb. Und sie sprach weiter, eindringlich, mit der Wärme einer Hoffnung, die keine Worte kannte, nur Dringlichkeit.
„Ich verspreche dir, dass dir niemand etwas antun wird. Die Paladine…“

Doch da geschah es.
Ein Zischen, ein Ausdruck von Ekel – Lyr’sa spuckte aus, ihre Lippen zu einem bitteren Lächeln verzogen, und in Liraels Herz stach die Erkenntnis wie ein Dorn:
Ganz gleich, was zwischen ihnen war – Lyr’sa war eine Dunkelelfe.
Und in ihr loderte jener alte Hass, tief wie Lava unter Gestein, gegen jene, die einst ihre Höhlen stürmten, gegen Licht, gegen Paladine, gegen Yew.
Vielleicht war sie nicht hier, um zu helfen. Vielleicht war sie einfach nur gestrandet.

Doch dann veränderte sich etwas.
Lirael schwieg. Sie trat näher, ganz nah, und legte ihre Hand auf Lyr’sas Arm – nicht als Waffe, nicht als Bitte, sondern als etwas Weiches, Zerbrechliches. Sie senkte die Stimme.
„Lyr’sa… wir sind Freundinnen. Ich weiß nicht, ob das ein Wort ist, das du oft gehört hast. Aber für mich bedeutet es etwas. Und ich glaube, für dich auch. Hilf mir, weil es mir wichtig ist. Weil ich dir vertraue. Und weil ich weiß, wie allein du dich manchmal fühlst – so wie ich.“
In ihren eigenen Worten lag eine Wahrheit, die sie erschreckte – denn sie spürte, dass sie begann, zu manipulieren. Nicht aus List, sondern aus Not. Und dieser Gedanke ließ sie innehalten.
Gleichzeitig wurde ihr damit auch bewusst, wie sehr die Erfahrung nach der Meditation in Yew und ihre verstärkte Verbindung mit La sie nun prägten und dass sie bereit war, vieles zu tun, um La und Yew zu schützen. Denn es war kein bloßes Wissen mehr, kein Gefühl von Pflicht oder Abwägung, sondern eine Art innerer Drang, geboren aus Stille und Licht, aus Spuren auf nassem Laub und flüsterndem Moos, der sie führte, so sanft wie unabwendbar, in eine Richtung, die sie sich nicht ausgesucht hatte, und die sie doch mit jeder Faser annahm.
Wenn es Yew retten konnte.
Lyr’sa schwieg. Dann nickte sie.

Sie reisten in der Dunkelheit, sprachen kaum ein Wort, bis sie vor dem Rat von Yew standen – ein Ort, wo das Licht über Stein brannte und das Schweigen uralt war. Lyr’sa sprach – mit knapper Stimme, mit Blicken, die mehr sagten als ihre Worte. Sie erzählte von den Zeichen, von Bewegungen im Schatten, von stillen Befehlen und flüsternden Gängen.
Und Lirael, die neben ihr stand, hörte jedes Wort wie einen Schnitt in ihr eigenes Herz – denn sie wusste, sie hatte ihre Freundin benutzt.
Doch Lyr’sa, als sie geendet hatte, sah sie an – und in diesem Blick lag kein Groll. Nur eine seltsame Ruhe. Vielleicht hatte sie geglaubt, etwas gutzumachen. Vielleicht war es auch nur ein Moment von etwas, das Nähe war.

Fast zur selben Zeit jedoch, hatte auch Parthena eine Wahrnehmung – nicht von dieser Welt, nicht erklärbar in Worten, sondern eingebettet in jene tieferen Strömungen, die nur Seelen erreichen, deren Gewebe mit dem Licht verwoben ist. Was sie gespürt hatte, war kein Bild, kein Laut, kein Zeichen in der Luft, sondern ein Riss, kaum sichtbar und doch durchdringend, als habe jemand die feine Melodie des Waldes an einer einzigen Stelle verstimmt – und der Klang des Lebens verändere sich seitdem unmerklich, aber unaufhaltsam.
Und so begannen sich die Linien zu kreuzen: Lyr’sas Warnung, Parthenas Blick, Liraels Gewissheit, Rianons Vertrauen. Der Rat schwieg, doch in diesem Schweigen lag Bewegung, ein inneres Vibrieren, das jeder spürte, der mit dem Wald verbunden war. Noch hatte niemand gehandelt, noch wurden keine Schwerter gezogen, keine Grenzen gezogen, keine Lichter entzündet – aber in Yew war etwas erwacht. Etwas, das zu lange geschlafen hatte.

Lirael aber würde nicht warten.
Sie würde zurückkehren.

Zu La.
Zu den Wurzeln.
Mit Bogen und mit Klinge.
Mit Herz und mit Zweifel.
Und mit dem festen Entschluss, Yew zu verteidigen – mit jeder Faser ihres Wesens, auch wenn sie dazu selbst zu einem Schatten im Grün werden musste.
Nicht allein.
Sondern mit Rianon.
Und dem Wald.
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Rianon
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Beitrag von Rianon »

Ya’ranêl war deutlich, so dass Rianon nur nicken musste und gehen konnte. Auf den Gängen der Festung verspührte er Stolz auf seinen Freund - er machte sich gut in der Rolle des Gildenleiters. Eine Rolle, die er nicht wollte, aber so ausfüllte, als sei er dafür geboren worden. Mit dem Anflug eines Lächelns bemerkte Rianon, dass es sicher der Wolf in Ya’ranêl war, sein Seelentier, was hier federführend wirkte; wahrscheinlich ohne, dass es sein Freund bemerkte. Aber Wölfe können Wölfe riechen, daher war Rianon sich dieser Sache sicher. Was der Wolf in Rianon jedoch auch wittern konnte, war die Verletzung, die Ya’ranêl versuchte zu verbergen. Das trockene Blut klebte noch an der Wunde, eine Wunde, die frisch roch. Vielleicht sollte nicht ich auf mich, sondern du auf dich achten, Iama. Dachte Rianon. Während er durch die Gänge lief bemerkte er, dass die Instinkte des Alphers sich in ihm rührten und ihn zurückzogen. Ein Alpha läuft nicht vorraus, er achtet darauf, dass niemand verloren geht...verdammter alter Leitwolf und seine Weißheiten. Heute muss ich der Adler sein, der auch noch in mir schlummert, und vorausfliegen. Eine Einstellung, die Rianon sich vornahm, aber nicht leugnen konnte, dass es schwierig war, die Perspektive zu wechseln. Mit diesen Gedanken stieß er das Tor der Festung nach außen hin auf.
Rianon war kaum zwischen den Bäumen hinter der Festung seiner Gilde verschwunden, als er schon begann seine Kleidung abzulegen. Ya’ranêl wollte, dass er den Friedhof auskundschaftet, aber das wird er nicht als Waldelf tun; dafür kann er selbst nicht schnell genug laufen. Nerria wird es ihm verzeihen, dass er nicht auf ihr ritt - das war zu auffällig. Wenige Sekunden später spührte Rianon das weiche Moos des Waldes unter seinen grünbefellten Pfoten. Mitlerweile fühlte sich der Wolf immer mehr wie ein Teil von ihm an. Die Verwandlung tat auch nicht mehr weh...jedenfalls kaum noch. Mit kräftigen Sätzen lief er zum Friedhof, nur um dann zwischen den Bäumen vor einer Lichtung erschüttert stehenzubleiben. Es befanden sich SEHR viele Untote auf dem Gelände. So einfach konnte Rianon nicht näher an die Gräber herangehen, ohne zu riskieren, dass die Untoten ihn zerrissen. Der Wolf in ihm wollte zum Rudel zurück; allein war es hier zu gefährlich. Aber Ya’ranêl brauchte diese Informationen. Der grüne Wolf schüttelte den Kopf, Nein, ich kann hier nichts tun und es ist gegen meine Natur alleine vorauszulaufen. Knochen knackten, Haut zerriss, ein Mund ohne Stimmbänder schrieh...dann stand der Waldelf wieder auf und seine rückverwandelten Hände stützten sich an der Rinde des Baumes ab...es tat kaum noch weh. Nach einem Moment der Selbstfindung schaute er den Baum hinauf. Er brauchte einen besseren Aussichtspunkt und begann zu klettern. Gut, dass sich seine Kraft nicht zurückverwandelt, und daher kam Rianon schnell und mühelos den Baum hinauf.
Die Szenerie sah noch dystopischer von oben aus, als von unten. Die Ghoule stritten miteinander, die Skelette klapperten und immer mehr Tod ströhmte aus den Krypten auf dem Friedhof. Die Toten waren in heller Aufregung und der kleine Zaun um den Friedhof würde sie nicht lange aufhalten. Weit hinten auf dem Friedhof war eine berobte Gestalt, die hier so unpassend und gleichzeitig passend wirkte. Rianon versuchte alles, um mit seinen Augen mehr auszumachen, aber selbst seine geschärften Wolfssinne halfen nichts...die Gestalt war zu weit weg. Gut, es ist so weit...ich brauche dich, dachte Rianon und begann eine kurze Meditation...
Da war es wieder - das Nest in dem grünen Wald. Um das Nest lief mittlerweile ein sehr großer Wolf herum, der gierig auf das starrte, was dort in dem Nest lag, aber er traute sich nicht, zu schlingen...nicht so lange Rianon die Kontrolle hatte. Er ging zum Wolf herüber und drückte sich in sein Fell. Eine Geste des Vertrauens und der Einigkeit...Balance. Der Wolf antwortete mit einer kalten Nase und einer vollgesabberten Zunge in Rianons gesicht. Ich dich auch... dachte Rianon, als er den Wolf sachte aber bestimmt zur Seite schob und sich dem Nest zuwandte. Darin lag das kleine Küken und schaute zu ihm hoch. "Ich brauche dich Kleiner" sagte er und schaute dem Adlerküken tief in die Augen...mit einem tiefen Atemzug war Rianon zurück in der Realität und...konnte alles sehen. Feysala schwirrte ihm durch den Kopf, es ist eben nicht nur die Saat, der Wolf, der mich ausmacht - ich bin auch Aar. Mit den geliehenen Augen sah Rianon weit und klar, jedoch bemerkte er, dass er diese Fähigkeit noch lange nicht gemeistert hatte, da sie bereits langsam schwandt - es war nur eine Leihgabe. Also richtete er seinen Blick auf die seltsame berobte Gestalt, die einen...Teddybären trug? Sie wirkte wichtig, wütend und suchend. Vielleicht war sie tatsächlich wichtig; jedenfalls sollte Ya’ranêl von ihr erfahren. Kaum verschwand die Person in einer Krypta, schwand auch seine Sicht. Nurd’dhao feysala Aar, sande Rianon noch einen Gedanken zu seinem Küken. Dann kletterte er vom Baum wieder herunter.
Wenige Sekunden später spurte wieder ein grüner Wolf in Richtung der Bauernhäuser, an denen Irâ sein sollte. Es ist besser, wenn er sie fand, sich heimlich zurückverwandelte und er vorher seine Kleidung wiederholte, als dass Irâ einen Wolf findet, wo ein Waldelf sein sollte. Irgendwann würde er es ihr und seinen Freunden sagen, aber dieser Moment war noch nicht gekommen. Noch nicht. Außerdem...war da noch Alniira. Rianon war schnell als Wolf, es ist sicher noch Zeit, seine Gefährtin zu suchen und zu bitten, bei der Rettung des Waldes zu helfen, der Ort, der ihnen beiden ein Zuhause geworden ist.
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Rianon
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Beitrag von Rianon »

Die nachfolgende Schilderung bezieht sich auf eine Situation, die hier beschrieben wird: viewtopic.php?p=1515#p1515
Rianon stand mit allen vier Pfoten auf einem kleinen Felsvorsprung und schaute in die Runde der Welpen und Jungwölfe, mit denen Alniira vor wenigen Augenblicken noch herumtollte. Sein Magen wurde sauer, als er daran dachte, wie er diese friedliche Idylle gestört hatte und die Wölfe in Alarmbereitschaft versetzte. Aber hier und jetzt musste er der Alpha sein, den dieses Rudel brauchte; irgendwo im Hintergrund bemerkte er den alten Leitwolf, der ihn gewähten lies. War dies eine Prüfung? - Rianon hatte kaum die Zeit, um darüber nachzudenken, da plötzlich Alniira von ihrem Tanz und der Bitte um Beistand zurückkehrte. Keine Geste und kein Wort waren nötig um ihre Unentschlossenheit zu bemerkten; sie hatte nicht die Führung erhalten, die sie gebraucht hatte. Langsam stellte sich das Fell in Rianons Nacken auf als ihm bewusst wurde, dass weder der alte Leitwolf noch die Mondgöttin ihm diese Entscheidung abnehmen würden. Sei der Alpha den sie brauchen. Führe wie der Adler, der du bist. Rauschten ihm die Gedanken durch den Kopf. Für lange Diskussionen und Taktikgespräche war nicht die Zeit, also machte er das, was alle hier erwarteten: Er traf eine Entscheidung. Mit festen Schritten trabte Rianon zu Koda und stupste den jungen, loyalen und hitzigen Wolf an, der ein guter Jäger war. Dann ging er weiter zu Naya, die zwar einen noch nicht ganz aus dem Welpenalter entwachsenen Sohn hatte, jedoch die weiseste unter den Wölfen des Rudels ist; sie und Koda sollten ein gutes Gespann abgeben - auch sie supste er mit seiner Schnautze an. Schließlich ging er zu Alniira, schaute ihr tief in die Augen, um ihr Mut zu machen und stupste auch sie an. Aus dem Augenwinkel meinte Rianon ein angedeutetes Nicken des alten Leitwolfes zu sehen; eine Bestätigung?
Die beiden Wölfe und Alniira folgten ihm oder besser gesagt: Er folgte ihnen. Koda war schnell und kundschaftete den Weg vor ihnen, Alniira zur rechten und Naya zur linken Flanke - er selbst am Schluss, damit niemand verloren ging. So liefen die Wölfe in Richtung der Gildenfestung des Bundes. Kaum dort angekommen, bedeutete Rianon den dreien, hier zu warten - notfalls wird Alniira sie führen. Er verwandelte sich zurück, streichelte jeden seiner Freunde noch einmal, bevor er seine Kleidung aufsammelte und sich auf den Weg machte, um Ira zu treffen. Es war nicht viel Zeit vergangen, so dass er sie noch finden sollte. So lief letztendlich doch ein Waldelf durch den Yew, der alles mobilisiert hat, was ihm wichtig ist.
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Ira
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Beitrag von Ira »

Ya’rânel’s Anweisungen waren kurz, klar und bündig. Irâ schob ihre Arme durch die Öffnungen des Kettenhemdes, hob es über ihren Kopf, und ließ das silberne Geflecht über ihren Körper fließen.
Köcher, Waffengurt, Bogen. Nur Augenblicke später eilte sie aus den Pforten des Bundes, wo ihr Pferd schon auf sie wartete.


Das Geräusch schmetternder Hufe und prustender Nüstern durchschnitt die morgendliche Stille des Waldes, als Irâ auf dem Rücken ihres Rappen gen Norden schoss. Vögel, die sich nahe des Waldweges niedergelassen hatten, stoben erschrocken gen Himmel und taten ihren Unmut mit lautem Gezeter kund.
Das dunkelgrüne Haar der Elfe flatterte wild wie ein einzelnes Fähnchen im Sturm in der kühlen Morgenluft. Blätter und Äste peitschten in ihr Gesicht, hinterließen rote Striemen und durchnässten ihre Kleidung mit den Tropfen des frischen Morgentaus. Die tiefe Wunde in ihrer Schulter, die sie durch die Waffe einer ihrer Dunklen Brüder davon getragen hatte, stach bei jedem Schlag der Hufe ihres Tieres. Dennoch: Es galt keine Zeit zu verlieren. Ya’ranêl hatte ihr die Verantwortung übertragen, die nahen Bauernhöfe vor dem Unheil zu warnen, das von den widernatürlichen Ereignissen auf dem Friedhof ausging. Sie presste ihre Lippen aufeinander. Elfen ließen keinen Körper zurück, wenn sie ihre Lebensaufgabe erfüllt hatten und sich ihre Existenz dem Ende nahte. Jeder natürliche Tod war nur eine Rückkehr ihrer selbst in den ewigen Kreislauf des Seelenliedes. Kein Grund zur Trauer. Doch was dort auf dem Friedhof begraben lag, widersprach der natürlichen Ordnung: Brüder und Schwestern, deren Leben nicht zur Vollendung kam, sondern vorzeitig, gewaltsam beendet wurde. Unglückliche verlorene Seelen, die niemals wieder in das Seelenlied ihrer Ahnen Einzug finden würden. Für immer aus dem ewigen Kreislauf gerissen. Die verfaulenden Gesichter ihrer einstigen Brüder, pressten sich stöhnend gegen die eisernen Pforten des Friedhofes, ließen Trauer und Wut im Herzen der Elfe aufwallen, als sie an den Krypten vorbei preschte. Nicht einmal hier schien ihren Brüdern die letzte Ruhe vergönnt. Doch sie machte keinen Halt. Irâ richtete ihren Blick erneut auf den nebelbedeckten Waldpfad vor ihr. Das erste Gehöft war nicht mehr weit entfernt.

Ein Bauernhaus nach dem anderen wurde abgeklappert, und die Nachricht Fenster und Türen zu verriegeln an die elfischen Bewohner weiter getragen.
Einige Zeit später, näherte sich die Reiterin ihrem vorletzten Ziel. Flackernder Kerzenschein drang bereits durch die Fenster der Blockhütte, als Irâ gegen die hölzerne Türe des letzten Gehöfts hämmerte. Verstimmtes Murren drang durch die Türe, ehe diese geöffnet wurde, und ein bärtiger Mann mittleren Alters in Bauernkleidung der voll gerüsteten Elfe gegenüber trat.
Ein Mensch. Das fehlte gerade noch. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass er verstehen würde was sie ihm mitzuteilen hatte. Und so schilderte die Waldelfe die Lage, berichtete über die Untoten, und riet die Türen und Fenster zu sichern, oder den Schutz der Stadt im Norden zu suchen. Sie tat es genau so, wie sie es bereits an den anderen, von Elfen bewohnten Gehöften zuvor getan hatte: mit aller Eindringlichkeit und Deutlichkeit... in fließendem IsdIra.

Der Mann blinzelte verdattert, als die Elfe ihren seltsamen, hektischen Singsang beendet hatte kratzte sich nur verständnislos am Kopf.

„I’sa ti isdIrâ? Ar Berbo?“ - Keine Reaktion. Vielleicht verstand er einzelne Worte? Er musste lange genug in Yew gelebt haben. Sie versuchte es nun etwas deutlicher, fing an zu gestikulieren. „Ia’bha, tala. Varra’za. Feyra! Feyra!“ Die Zeit drängte, der letzte Halt bei den Stadtwachen Yew’s stand bevor, dann sollte sie zu Rianon stoßen, der das Geschehen am Friedhof im Auge behalten sollte. Doch der Mann vor ihr verstand kein Wort von dem, was sie sagte. Wenn sie mit ihren Studien doch nur schneller voran gekommen wäre! Wieder eine Situation in der das Wissen um die Handelssprache Gold wert gewesen wäre. Gesten! Sie versuchte so gut sie es vermochte, die Situation mit Händen und Füßen dar zu stellen. Das einzige Ergebnis: ein irritierter Blick des Mannes. Kurzerhand drehte Irâ dem Mann den Rücken zu. Sie wollte nicht bedrohlich wirken, und so zog sie eines ihrer elfischen Kurzschwerter um es als Hilfsmittel in ihrem unfreiwilligen Scharade-Spiel zu nutzen, immer noch in der Hoffnung, dem Bauern mit ihren Gesten die Situation klar zu machen. „Feyra! Fe’y’ra!“ Wiederholte sie als ob der Mann schwerhörig war. Dieser wurde beim Anblick der gezogenen Waffe in der Hand der nun befremdlich wirkenden Waldelfe immer blasser.
Mit einem dumpfen Knall fiel die schwere Holztüre hinter Irâ ins Schloss. Ein kurzes Poltern verriet ihr, dass der wohl zu Tode erschrockene Bauer in seiner Panik die Türe nicht nur geschlossen, sondern auch mit einem schweren Riegel blockiert hatte: Nicht vor der drohenden Gefahr der Untoten, sondern der irren Waldelfe, die voll gerüstet, fremdartig singend mit gezogener Waffe in seinem Vorgarten herumfuchtelte.
Sein bleiches Gesicht lugte ihr vorsichtig hinter seinem verschlossenen Fenster entgegen. Tief seufzend ließ Irâ ihre Waffe zurück in ihre Schwertscheide gleiten. Mission: Größtenteils erfolgreich.

Erneut warf der stürmische Galopp des Rappen den weichen Waldboden hinter ihnen auf. Als Irâ endlich die Stadt erreicht hatte, und ihren Hengst vor zwei Stadtwachen zügelte, hatte sich der morgendliche Bodennebel, der zuvor noch die Wiesen in einen silbernen Schleier hüllte, fast verzogen. Die Stadtwachen hatten keine Probleme ihre Schilderungen und Warnungen zu verstehen, und während einer von ihnen die Nachricht in der Sala weitertrug, folgte der andere Irâ, die sich auf den Rückweg zum Friedhof begab zumindest bis zu dem Gehöft des menschlichen Bauern, um das vorherige Missverständnis aufzuklären. Gerade, als sie sich auf den Rückweg zum Friedhof begeben wollte, um mit Ya’ranêl und Rianon zusammen zu stoßen, erkannte Sie die Umrisse einer vertrauten Gestalt im Morgengrauen.



„Rianon?“ Ungläubig blickte die Elfe auf ihren Gefährten. Irritiert über seine Anwesenheit sprudelten ihre Fragen in ihrer Muttersprache direkt aus ihr heraus:
„Was ist geschehen? Warum bist du nicht auf deinem Posten?“
Sie sah sich um. Kein Pferd? Wie lang war er unterwegs gewesen?
Rianon schien zu zögern.

Verdammt. Die Antwort war offensichtlich. Er hatte seinen Posten verlassen, seine Verantwortung ignoriert nur um ihr zu helfen.
Die Realisierung, dass er nicht mehr in ihr sah als ein hilfloses Küken, dass es zu beschützen galt, schnitt tiefer als die Wunde in ihrer Schulter.

Irâ blieb stumm.
Der Friedhof war gänzlich unbeaufsichtigt. Was wenn die alten Eisentore die verwesenden Horden nicht mehr zurückhalten konnten, und sie bereits in den Wald strömten? Die Lage hatte sich weiter zugespitzt, und sie musste erschrocken feststellen, dass sie der Grund dafür war.

Keine Vorwürfe. Keine Worte. Nicht jetzt. Nur die bittere Erkenntnis, dass was sie war nicht genügte, blieb zurück. Die Welt, die sie bisher kannte schien im Umbruch. Und auch sie würde wachsen müssen um nicht Ballast zu sein, sondern eine stützende Schulter. Für ihre Gefährten, den Bund, ihre neu gefundene Heimat.
Ohne ein weiteres Wort ließ Irâ ihren Gefährten stehen. Ihr Pferd würde nicht beide im vollen Galopp tragen können.
Jede Sekunde zählte.
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Tarion Rontre
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Der Ruf aus dem Yew Wald

Beitrag von Tarion Rontre »

Im kühlen Schein des frühen Morgens lag ein friedlicher Glanz über den Mauern des Klosters der Paladine des Mondes. Die feinen Nebelschleier, die vom Rand des Yew Waldes heraufzogen, gaben dem Ort eine fast mystische Ruhe – eine Ruhe, die nur durch das leise Kratzen von Feder auf Pergament unterbrochen wurde.

Tarion Rontre, Paladin des Mondes und Diener Tyraels, saß an seinem hölzernen Schreibpult in der Skriptoriumskammer des Klosters. Vor ihm lagen Briefe, Berichte und Gebetsrollen, die mit äußerster Genauigkeit geführt wurden. Tarion glaubte fest daran, dass der Glaube an Tyrael nicht nur im Schwert, sondern auch im Wort sichtbar werden musste. So wie der Mond das Licht Tyraels in der Dunkelheit widerspiegelt, so trug auch jedes geschriebene Wort seine Spur.

In diesem Moment verfasste Tarion einen Bericht an den Kommandanten der Stadtwache von Britain, in dem er über ungewöhnliche Sichtungen entlang der östlichen Waldpfade berichtete. Das jüngste Auftauchen von Schattenwesen in den Randbezirken des Waldes war Anlass zur Sorge – Britain mochte weit entfernt liegen, doch dunkle Kräfte wanderten schnell und still durch die Wurzeln der Welt.

Ein hastiges Klopfen an der Tür ließ ihn aufsehen. Ein junger Novize trat ein, das Gesicht angespannt.

„Lord Rontre… ein Eilbote aus dem Yew. Das Siegel trägt das Zeichen des Bundes der Wachenden.“

Tarions Miene wurde augenblicklich ernst. Er nahm die Pergamentrolle entgegen und betrachtete das Siegel genauer: Ein stilisierter elfischer Baum, dessen feine Äste sich elegant ausbreiteten, war eingerahmt von der Form eines Schildes. Unter dem Schild standen in filigraner Schrift die Worte: „Sala, Vardha, Saya“.

Nur wenige trugen dieses Siegel – ein uraltes Symbol derer, die über das Gleichgewicht zwischen Natur und Magie wachten. Und einer von ihnen war Ya‘ranel.

Tarion öffnete die Botschaft. Das dunkelgrüne Wachssiegel war bereits leicht aufgebrochen, der Abdruck klar und scharf. Er las:
An die Paladine des Mondes:

Der alte Friedhof bei Yew ist nicht länger still.
Etwas ist erwacht – im Nebel, unter der Erde, hinter dem Eisen.
Die Wälder schweigen. Die Tiere sind fort. Und unsere Beobachter haben Knochen und Leiber gesehen, die sich regen, wo nur Grab und Vergessen sein sollte.
Wir, der Bund der Wachenden, ersuchen um Beistand.
Tarion ließ das Pergament sinken. Die Worte waren schwer und bedrückend, doch in ihnen lag auch ein Ruf, der durch die Schatten seiner Pflicht drang. Er dachte an die Schriften Tyraels, in denen es heißt:
„Wenn der dunkle Zweig sich regt, sende das Licht in den Wurzelgrund.“

Er wandte sich seinem Waffenschrank zu. Mit ruhigen, geübten Bewegungen legte er seine Rüstung an – sie schimmerte in einem leichten, metallischen Blau, wie der Himmel vor der Morgendämmerung. Darüber fiel ein strahlend weißer Umhang, und eine ebenso strahlend weiße Schärpe wurde über die Schulter gelegt und kreuzte seine Brust – Symbol der Reinheit, der Wachsamkeit und der Pflicht im Dienste Tyraels.

Bevor er das Kloster verließ, griff Tarion zu einem frischen Pergament und schrieb in klarer, bestimmter Hand eine kurze Nachricht:
An Bruder Istrugar,

Eine Botschaft des Bundes der Wachenden verlangt unser Eingreifen.
Die Friedhöfe von Yew sind nicht länger stumm. Untote erheben sich.
Ich breche unverzüglich auf, mit vier Brüdern und zwei Klerikern an meiner Seite.
Möge Tyrael uns führen und euer Wille uns erwarten.

– Tarion Rontre
Er versiegelte den Brief mit dem Zeichen des Ordens und übergab ihn dem Novizen.

Als Tarion durch das Tor des Klosters schritt, warteten dort bereits vier Paladine in glänzenden Rüstungen und zwei Kleriker in silbernen Gewändern. Die Pferde waren gesattelt, das Banner des Ordens gefaltet, aber griffbereit. Ohne Zeremonie, doch mit stillem Ernst bestiegen die Männer ihre Rösser.

Der Nebel hatte sich gesenkt, als sie das Kloster hinter sich ließen. Vor ihnen lag der Pfad durch die immergrünen Bäume, hinein in die Schatten von Yew.
Alniira Vrammyr
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Die Ankunft der Wölfe

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Der Wald atmete um sie herum – ein leises, sanftes Heben und Senken von Moos und Laub, getragen vom süßen Duft feuchter Erde. Doch hier, am Rande der Lichtung, hielt die Welt den Atem an.

Vor ihnen stand ein Gebäude, das Gildenhaus der Wachenden. Ein Ort der Ordnung. Ein Ort der Regeln.

Alniira trat aus dem schützenden Schatten der Bäume. Ihre Pfoten versanken lautlos im samtigen Gras. In der Haut des Wolfs fühlte sie sich wohl. Ihre Bewegungen ein fließendes Gedicht, ihre Sinne ein feines Netz, das jedes Zittern im Gewebe des Waldes wahrnahm.

Neben ihr spürte sie Kodas angespannte Energie – ein junger Körper voller Wucht und Drang. Seine Loyalität brannte hell, ungestüm, beinahe trotzig. Sein Blick huschte unruhig über die Lichtung, als erwartete er überall eine Bedrohung.

Hinter ihnen trat Naya hervor, langsam, gemessen, eine silberne Statue der Ruhe. Ihre Augen blickten über die Lichtung wie über eine längst bekannte Erinnerung. Ihre bloße Anwesenheit war ein stiller Anker.

Alniira war ruhig. Ihre Sinne wach. Doch als ihr Blick das Gebäude streifte – kroch ein Gedanke in ihren Geist. Leise. Hart. Kalt. Ein Echo aus Elashinn.
Alniira hat geschrieben:Diese Mauern … sie riechen nach Urteil. In dieser Haut bin ich nur ein Wolf … aber wenn sie in meine Augen blicken, sehen sie dann die Seele einer Dunkelelfe, die sich darin verbirgt?
Ein Schatten der Vergangenheit, ein Flüstern, das nie ganz verschwand. Doch kaum war er gekommen, wurde er von etwas Größerem verdrängt. Etwas Wärmerem. Etwas Tieferem.

Es war nicht das Urteil der Elfen, das ihr Herz beschwerte.
Nicht das Risiko, erkannt zu werden.
Es war das Rudel.
Die Welpen.
Das unschuldige Leben, das in einer Höhle tief im Wald schlief – ahnungslos, verletzlich, kostbar.

Ein Rascheln – dann huschte ein Eichhörnchen über die Lichtung. Ein flammender Pinselstrich aus Rot. Es hielt inne, starrte sie an mit kleinen, glänzenden Augen – ohne Furcht. Ein Moment, ein Atemzug, ein einziger stiller Blick … dann verschwand es am Fuß eines Baumes.

Und Alniira verstand.

Das kleine Wesen war nicht bedeutungslos. Es war der Kern. Die Antwort. Der Grund.
Alniira hat geschrieben:Es geht nicht um die Untoten. Nicht um den Kampf. Es geht um dieses kleine, pochende Leben. Um alles, was im Wald lebt.
Ein neuer Gedanke formte sich in ihr. Unverrückbar. Wie geschmiedeter Stahl. Ein Schild gegen die lähmende Angst.
Alniira hat geschrieben:Wir sind nicht hier, um gegen die Untoten zu kämpfen … Das ist ein Kampf, den man nicht gewinnen kann. Wir sind hier, um für das Leben zu kämpfen, das uns umgibt.
Für jeden Herzschlag. Für jeden Atemzug.
Für die, die wir lieben.
Der Gedanke spannte sich wie ein Seil in ihrem Inneren. Er band die losen Fäden von Sorge, Erinnerung und Pflicht zu etwas Festem – zu Entschlossenheit.

Mit einer fließenden Bewegung ließ sie sich nieder. Die Erde unter ihr war kühl. Vertraut.
Naya folgte ohne ein Wort – die Ruhe in ihren Augen tief wie die ältesten Wurzeln.

Nach einem Moment der Unsicherheit tat auch Koda es ihr gleich. Er legte den Kopf auf die Pfoten und ließ seinen wachsamen Blick nicht vom stillen Haus.

Drei Wölfe.
Eine junge, zerrissene Seele.
Ein hitziger, loyaler Krieger.
Eine alte, stille Wächterin.

Sie lagen da, eine ungleiche Gesandtschaft aus der Wildnis – und warteten
Lyr'sa Teb'inyon
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Beitrag von Lyr'sa Teb'inyon »

Je weiter sie gingen, desto leiser wurde es. Nicht die Stille jener leerer Höhlen, wie Lyr’sa sie kannte, sondern eine lebendige, atmende Stille – voll mit dem Rascheln von Blättern, dem Knacken feuchter Zweige, dem kaum hörbaren Flüstern zwischen den Ästen. Und gerade dieses Flüstern war es, das sie zunehmend nervös machte.

Lirael ging voran, leichtfüßig, vertraut, beinahe ein Teil dieses Waldes – so wirkte es. Und Lyr’sa folgte. Erst zögerlich, dann immer schwerer, mit wachsender Unsicherheit. Der Boden unter ihren Füßen war weich, feucht, fremd. Nichts an diesem Ort fühlte sich an wie die steinernen Böden ihrer Höhlen – und mit jedem Schritt wurde ihr klarer, dass sie nicht nur einem Weg folgte, sondern in eine Welt eintrat, die nicht die ihre war. Eine Welt, die sie ablehnte, oder prüfen würde.

Du Idiotin, dachte sie plötzlich, scharf, beinahe lautlos in ihrem Schädel. Wirklich, Lyr’sa? Weil jemand nett war zu dir? Weil sie gesagt hat, ihr seid Freundinnen?

Ein Geräusch in den Zweigen ließ sie zusammenzucken, doch es war nur eine Eule. Ein tiefer Atemzug. Dann noch einer. Aber die Stimme in ihr schwieg nicht.

Du glaubst wirklich, du kannst hier irgendetwas tun? Als ob du nicht wieder benutzt wirst. Als ob du nicht längst zu tief drin steckst. Hättest du nicht einfach Nein sagen können? Wärst du nicht lieber allein geblieben, in deiner Schmiede, bei deinem Erz, bei dem, was du verstehst?

Sie schüttelte den Kopf, als könne sie die Gedanken abschütteln.
Doch der Wald war zu still, zu weich, zu fremd. Und jedes Blatt unter ihrem Fuß schien ihr Vorwürfe zuzuflüstern.

Sie blieb stehen.

„Lirael…“, flüsterte sie – doch ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch, verschluckt vom Moos, verschluckt von der Luft selbst, die hier anders war. Süßer. Feuchter. Und irgendwie… lebendig. Ihre Augen huschten zurück, suchten den Pfad, auf dem sie gekommen war. Doch da war keiner mehr. Kein Zeichen. Keine Richtung. Nur Bäume und Schatten. Und die Gewissheit, dass sie ohne Lirael niemals zurückfinden würde. Nicht ohne Preis zu zahlen, den zu zahlen sie nicht bereit war.

„Oh nau…“, murmelte sie. Es war kein Schrei. Kein Fluch. Nur ein tonloser Stoß aus Verzweiflung, der ihr über die Lippen kam. Warum war sie hier? Was hatte sie geglaubt zu beweisen?

Dies war ein Ort, an dem sie nichts zu suchen hatte.
Aber zurück konnte sie nicht.
Nicht jetzt. Nicht so.

Sie straffte sich. Zog die Schultern hoch, auch wenn ihr Körper längst fliehen wollte, und presste die Lippen zusammen. Was auch immer geschehen würde – sie durfte nicht schwach sein. Nicht vor ihnen. Nicht vor Lirael. Nicht vor sich selbst.

Und so schritt sie weiter.

Die ersten Häuser waren aus Holz, kunstvoll verschlungen mit dem lebenden Geäst der Bäume. Fenster aus gefärbtem Glas, filigrane Schnitzereien in jeder Wurzel, jeder Schwelle. Überall wuchs Leben – und alles schien sie anzusehen. Oder zu spüren. Als würde der Wald selbst registrieren, dass sie nicht hierher gehörte. Dass sie fremd war. Vielleicht unerwünscht.

Dann sah sie die Wachen.
Nicht viele. Nur zwei.
Aber es reichte.

Ihre Augen weiteten sich, der Atem stockte. Ihr Herz schlug so laut, dass sie fürchtete, man könne es hören. Instinktiv wich sie zur Seite, huschte hinter eine der Wurzeln, die sich über den Weg spannten, und duckte sich ins Unterholz wie ein gejagtes Tier. Sie presste sich an die Rinde eines Baumes, spürte, wie sie bebte – nicht der Baum, sondern sie selbst. Alles in ihr schrie: „Zurück!“

Aber es gab keinen Zurück.

Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen, nicht um sich zu verstecken, sondern um einen Moment zu stehlen – einen Moment, um ihre Fassung wiederzufinden. Um nicht aufzuspringen und davonzurennen. Um nicht zu weinen. Um nicht zu zerbrechen.

Dann hob sie den Kopf. Langsam. Zittrig. Aber sie hob ihn. Denn es gab keinen anderen Weg mehr.

Und als sie schließlich aus ihrem Versteck trat, ein paar Schritte hinter Lirael auftauchte, war da nichts Stolzes an ihr. Nur Trotz. Nur jener trotzige, verzweifelte Funke, den nur jene kannten, die nie mutig sein wollten – und es trotzdem sein mussten.

⊱⋅ ───────── ༻ 𝔎𝔶'𝔄𝔩𝔲𝔯 ༺ ───────── ⋅⊰



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