So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

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Alniira Vrammyr
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Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Talos' Eintopf roch gut – kräftig, ehrlich, nach Fleisch und Wurzelgemüse –, aber ihm fehlte die Seele. Talos würzte nun mal wie er schmiedete: mit groben Schlägen und wenig Nuancen.

Alniira legte das Tuch beiseite, mit dem sie den Tisch abgewischt hatte.
Alniira hat geschrieben: Dem fehlt Thymian. Und vielleicht ein Zweig Rosmarin, um den metallischen Nachgeschmack des Wassers zu überdecken. Rühr weiter, Talos. Ich rette unser Abendessen.
sagte mit einem Lächeln.

Sie nahm eine kleine Schere vom Sims und öffnete die Hintertür zum Garten. Die Nachtluft schlug ihr entgegen, kühl und feucht, durchdrungen vom Duft der Erde und des nahen Waldes.

Sie trat hinaus, ohne eine Laterne mitzunehmen, sie brauchte beide Hände und hasste das flackernde, verzerrende Licht von Kerzen, das mehr Schatten warf, als es vertrieb.

Sie kniete vor dem kleinen Beet nieder, das sie angelegt hatte. Ihre Finger glitten über die rauen Blätter des Rosmarins. Schnipp. Ein Zweig fiel in ihre Handfläche. Schnipp. Thymian folgte.

Es war eine friedliche, fast meditative Tätigkeit. So normal. So banal. Genau das, was sie sein wollte.

Doch dann veränderte sich die Textur der Dunkelheit neben ihr. Kein Geräusch verriet ihn. Kein Knacken, kein Rascheln. Nur die Luft verdrängte sich minimal, und ein vertrauter, wilder Geruch nach Moos und Fell schob sich über den Duft der Kräuter.

Aus dem Schatten der Hecke löste sich eine massive Silhouette. Koda. Der Wolf bewegte sich nicht wie ein Tier, das sich anschleicht, sondern wie ein Freund, der grüßt.

Er trat direkt neben sie, sein großer Kopf auf Augenhöhe mit der knienden Drow, und stieß sie sanft mit der feuchten Nase an die Schulter.
Alniira zuckte nicht zusammen. Ihre Hand, die eben noch die Schere hielt, glitt automatisch in das dichte Fell an seinem Hals. Sie kraulte ihn hinter den Ohren, genau dort, wo er es am liebsten mochte, und spürte das leise, vibrierende Brummen in seiner Brust.
Alniira hat geschrieben: (Ein Flüstern, kaum lauter als der Wind in den Blättern.)
Du bist wachsam, mein Großer. Gut.
Ihr Blick glitt zurück zum Haus, wo das warme, orangefarbene Licht aus dem Küchenfenster fiel und Talos' Schattenriss an die Wand warf. Der Schmied war stark. Aber er war noch nicht an seinen inneren Wolf gewöhnt.

Wenn der angekündigte "Besuch" tatsächlich eintraf und es zum Kampf kam... würde Talos die Kontrolle behalten? Oder würde der Wolf in ihm ausbrechen, blind und wütend, und die sorgfältig aufgebaute Maskerade in Stücke reißen?

Das Risiko war zu groß. Moonglow durfte nicht sehen, was in diesem Haus lebte.

Und dann war da noch das andere Gefühl. Das Ziehen in ihrer Brust, das seit ihrer Rückkehr nicht aufgehört hatte. Die Sehnsucht nach dem einzigen Wesen, das ihre beiden Welten verstand.

Sie lehnte ihre Stirn kurz gegen Kodas Kopf.
Alniira hat geschrieben: (Leise, eindringlich in das aufgestellte Wolfsohr.)
Ich brauche ihn, Koda. Talos ist... unsicher. Wenn es hier laut wird, brauche ich den Wind, nicht den Hammer. Und... ich will nicht allein sein, wenn die Schatten kommen.
Sie löste sich von ihm und sah ihm tief in die bernsteinfarbenen Augen.
Alniira hat geschrieben: Lauf... Hol Rianon
Koda leckte ihr kurz über die Wange, eine raue, flüchtige Geste der Bestätigung. Dann wandte er sich ab. Er beschleunigte nicht sofort, sondern verschmolz einfach wieder mit der Dunkelheit, als hätte die Nacht ihn verschluckt.

Alniira blieb noch einen Moment knien, die Kräuter in der Hand. Sie atmete tief durch, ordnete ihre Gesichtszüge wieder zu der Maske der gelassenen Schmiedin.
Alniira hat geschrieben: So. Die Boten sind ausgesandt. Die Wachen stehen. Und jetzt... jetzt retten wir diese verdammte Suppe.
Sie erhob sich, klopfte sich die Erde vom Rock und ging zurück ins Licht des Hauses, nicht wissend, dass sie dort draußen beobachtet wurde.
Talos
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Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Talos »

Als Alniira das Haus wieder betrat fragte Talos sie mit einem freundlichen Lächeln "Hast du draußen den ganzen Wald geerntet oder was hat so lang gedauert? So schlecht ist meine Suppe nun auch wieder nicht!" und lachte.

Stets versuchte er die Leute um sich rum, mit seiner lockeren Art, in Ruhe zu wiegen. Er dachte so könne er sie ablenken und sie würden seine eigene Unruhe übersehen. Die Erweckung war nun ein paar Wochen her aber er war noch in vielem so Unsicher, wie ein Kind das seine ersten Schritte tut. Er schüttelte den Kopf wie ein Hund der Wasser abschüttelt um sich aus seinen Gedanken zu befreien.

Alniira schmunzelte leicht und sagte "Nein nein, die Luft draußen war nur so angenehm. Hier drin erstickt man ja fast!".

Der Schmied zuckte mit den Schultern. "Schmieden, Kochen, Schmieden...da brauch ich eben Feuer! Komm jetzt gib Mal her das Kraut." forderte er sie mit gespielter Eile auf.
Alniira drückte ihm das Bündel in die Hand und mockte ihn "Diesmal würz es aber ordentlich - ich hab Hunger und es soll mir auch Mal schmecken.".
"Jaja" brummte Talos und zerschnippelte einige der Kräuter bevor er sie in den Topf warf. Er rührte einige Male um und führte den Löffel zu seinem Gesicht. Als er daran roch überschlug sich seine Wahrnehmung der Gerüche und er kniff mit gerümpfter Nase die Augen zu.
Er schlürfte einige Tropfen der Suppe vom Löffel und atmete schwer aus.
"Ich weiß nicht...irgendwie fehlt da noch glaube ich. Salz? Probier du Mal. Für mich schmeckt derzeit alles überwürzt und jemand hier hat ja Ansprüche." sprach er amüsiert und aufgesetzt dramatisch während er Alniira den Löffel hin hielt.

Er schaut sie erwartungsvoll an und wurde das Gefühl nicht los, dass sie in letzter Zeit mit den Gedanken woanders war...
Alniira Vrammyr
Beiträge: 83
Registriert: 07 Mai 2025, 18:45

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Während Talos noch immer mit dem Eintopf beschäftigt war und das Haus sich mit dem friedlichen Geruch von Essen füllte, zog sich Alniira an den kleinen Schreibtisch in der Ecke zurück. Sie schob einen Stapel Rechnungen für Kohle und Eisen beiseite und zog ein Stück grobes, aber festes Papier hervor.

Sie brauchte keine kunstvolle Kalligraphie. Sie brauchte Klarheit. Und sie brauchte Diskretion.

Sie tauchte die Feder in die Tinte, zögerte aber einen Moment, bevor sie die Spitze aufsetzte. Ihre Gedanken drehten sich nun um Talos. Er summte leise vor sich hin, ein Mann, der seinen Frieden gefunden zu haben schien.

Aber Alniira wusste, wie trügerisch dieser Frieden war. Der Wolf in ihm war jung, ungestüm. Wenn ein Kampf ausbrach – wenn Blut floss und das Hitze stieg – würde Talos die Kontrolle verlieren. Und ein wütender Werwolf mitten in Moonglow wäre das Ende von allem. Das Ende ihres Zuhauses, das Ende ihrer Freiheit, das Ende des Rudels.
Alniira hat geschrieben: (Leise zu sich selbst.)
Es geht nicht um mich. Ich kann in den Schatten verschwinden. Aber Talos... er ist ein Leuchtfeuer. Wenn er brennt, sieht es die ganze Stadt und sie wird ebenfalls brennen. Ich muss das Feuer ersticken, bevor es ausbricht.
Sie setzte die Feder an. Sie schrieb nicht an einen Freund, um Neuigkeiten auszutauschen. Sie schrieb an einen alten Freund, der sie nie im Stich gelassen hat. An Shezar vom Blackrock Syndikat. Männer wie er verstanden die Sprache von Notwendigkeit und Bezahlung.

Shezar,

die Winde in Moonglow drehen sich, und sie tragen den Geruch von Fäulnis mit sich. Jemand spielt Spiele in meinem Vorgarten, und ich habe keine Geduld für Rätsel.

Ich habe eine Warnung erhalten. Ein gewisser "T. v. K." warnt mich vor Schatten im Wald. Die Warnung riecht nach Parfüm und politischer Ambition. Ich will wissen, wer die Feder geführt hat. Ich will wissen, wie ernst die Bedrohung ist, oder ob es nur ein Bauer in einem Spiel ist, das mich nicht interessiert.

Aber wichtiger ist: Ich habe hier "Ware", die extrem volatil ist. Wenn sie beschädigt wird oder unter Druck gerät, könnte sie... explodieren. Eine solche Explosion würde Aufmerksamkeit erregen, die wir uns nicht leisten können. Die Diskretion muss gewahrt bleiben, um jeden Preis.

Ich benötige deine Augen und Ohren. Und ich benötige einen diskreten starken Schild. Keine Schläger, die Lärm machen. Ich brauche Schatten, die andere Schatten fressen, bevor diese das Haus erreichen. Wenn es Ärger gibt, dürfen sie die Schwelle nicht überschreiten. Ich benötige Schutz vor den Schatten.

Nenne deinen Preis, doch beginne sofort, die Zeit ist kritisch. Über den Preis werden wir uns einig.

A.

Sie streute Sand über die Tinte und faltete das Pergament präzise zusammen. Sie nutzte kein Siegelwachs – das war zu auffällig –, sondern band es mit einem einfachen Lederband zu, in das sie einen winzigen, kaum sichtbaren Knoten knüpfte. Ein Zeichen, das Shezar erkennen würde.

Sie würde ihn schnellstmöglich zum "Toten Briefkasten" am Hafen bringen lassen. Ein lockerer Stein in der Mauer hinter der Taverne, den das Syndikat nutzte.

Sie lehnte sich zurück und atmete tief durch. Sie hatte die Wachen (das Rudel) aufgestellt. Sie hatte die Kavallerie (Rianon) gerufen. Und nun hatte sie die Spione (Blackrock) aktiviert.
Alniira hat geschrieben: Wir sind nicht wehrlos. Wer auch immer kommt... er wird feststellen, dass diese Schmiede sehr viel heißer ist, als sie aussieht.
"Essen ist fertig!", rief Talos fröhlich und riss sie aus ihren Gedanken.

Alniira setzte ihr unverbindliches Lächeln auf und stand auf.
"Ich komme, Talos. Ich komme."
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Bareti
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Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Bareti »

Bareti saß an ihrem üblichen Platz hinter der Theke, als der Bote ging.
Der Siegelabdruck war schon beim ersten Blick unmissverständlich gewesen, und ein leises, beinahe unpassendes Lächeln hatte sich auf ihren Lippen festgesetzt, noch ehe sie das Pergament geöffnet hatte.

Ky’Alur.

Es gab Nachrichten, die wie plumpe Einschüchterung daherkamen, und es gab die Zeilen von Jhea’kryna: scharf, klar, aber so gesetzt, dass selbst eine Bitte eher wie ein bewusst gewährter Vertrauensbeweis wirkte. Natürlich verfolgte die Ilharess ihre eigenen Ziele; jemand, der eine Stadt unter der Erde geführt hatte, verschwendete keinen Atem an belanglose Freundlichkeiten. Und doch war Bareti sich sicher: Was immer Jhea im Sinn hatte – es war nichts, das sich gegen sie oder gegen die Taverne richtete. Wenn die Ilharess sie um Einschätzung bat, dann nicht, um sie zu verheizen, sondern weil sie ihr Urteil wirklich brauchte.

Sie strich den Siegelrand mit dem Daumen nach, legte das Schreiben noch einmal glatt vor sich hin und atmete durch.
Cornelia von Schwarztann. Jolanda Pappmacher.

Die Namen wirkten in ihrem Kopf wie zwei sehr verschiedene Gewichte auf der Waage.

Melion fiel ihr als Erstes ein. Der Spellude hatte ihr bei einem Becher Most, vielleicht gar einem zu viel, ziemlich genau beschrieben, wie er diese Pappmacher in einer anderen Schenke, mitten im Herzen der Stadt, erlebt hatte: korrekt, zugeknöpft, kaum mehr als einen Finger breit jenseits des Protokolls, und offensichtlich jemand, der die Stadt nur ungern verließ. Es passte zu dem Ton, den Bareti aus den Depeschen kannte. Ein Werkzeug – aber ein gefährlich unterschätztes, wenn man seine Schärfe nicht sah.

Die Gräfin dagegen… war für sie fast schon ein Gespenst.
Als sie selbst Ärger mit der Verwaltung Moonglows gehabt hatte, war sie über Umwege zu Junker Hagrobald von Erlengrund gelangt – der Einzige, der tatsächlich erreichbar gewesen war. Um ihn herum rankten sich bereits damals Gerüchte, dicht wie Efeu: über seine Nähe zur Gräfin, über Geschäfte, die besser nicht auf dem Marktplatz besprochen wurden, über Loyalitäten, die vielleicht tiefer gingen, als offiziell zugegeben wurde. Dinge, die sie nicht in einem Brief ausbreiten würde.

Doch eines war konstant: Weder über ihn noch über andere Wege war es jemals möglich gewesen, auch nur einen Blick auf Cornelia von Schwarztann zu erhaschen. Immer nur der Junker. Immer nur Stellvertretung. Und die alten Geschichten, die man sich abends halblaut erzählte: von einem Anschlag vor Jahren, bei dem ein Großteil der Familie von Schwarztann zu Tode gekommen sein soll, und einer Gräfin, die seither abgeschirmt wie ein seltener Kristall hinter Tuch und Wachen lebte.

Sie schob das Schreiben der Ilharess zur Seite, zog ein frisches Blatt heran und griff nach der Feder.
Die Tinte setzte sich leicht, sicher – wie so oft, wenn sie wusste, wem sie schrieb.


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Antwortschreiben an die Ilharess

An die Ilharess Ky’Alur,
Haus Ky’Alur, Moonglow

Werte Ilharess, werte Freundin,


Eure Zeilen haben mich in einem jener seltenen Augenblicke erreicht, in denen die Taverne mir gestattet, zwischen zwei Krügen und drei Fragen einmal durchzuatmen. Es ist mir eine Ehre, dass Ihr ausgerechnet mich um eine Einschätzung bittet – und ich versichere Euch, dass ich diese Bitte nicht leicht nehme.

Ihr habt recht: Ich kenne diese Stadt, ihre Straßen und manche ihrer leiseren Strömungen besser, als es einer Wirtin eigentlich zuträglich ist. Gerade deshalb möchte ich mich auf das beschränken, was ich ohne Verrat an meinen Gästen und ohne Übergang zur bloßen Gerüchteküche sagen kann.

Zu Jolanda Pappmacher:
In meiner eigenen Taverne ist mir Frau Pappmacher bislang nicht als Gast aufgefallen. Ich kenne sie vor allem über ihren schriftlichen Ton – korrekt, formelhaft, mit einer gewissen Selbstgewissheit, wie sie Schreiberinnen entwickelt haben, die seit Jahren im Schatten eines Wappens stehen.

Ein treues Mitglied der Taverne berichtete mir jedoch von einer Begegnung mit ihr in einer Taverne im Herzen der Stadt. Seiner Schilderung nach wirkt sie dort, wo sie sich sicher fühlt, ähnlich wie in ihren Schreiben: pflichtbewusst, bedacht auf Wirkung, aber nicht unklug. Sie scheint die Stadt selbst nur selten zu verlassen und eher im Umfeld der Verwaltung und der inneren Häuser verankert zu sein als an den Rändern, wo sich Reisende und Handwerker sammeln.

Zuletzt stand ich selbst in schriftlichem Kontakt mit Frau Pappmacher: Ich habe ihr gegenüber bekundet, dass ich bereit wäre, in Moonglow ein Amt zu übernehmen, sofern es den Bürgern und der Ordnung der Stadt dienlich ist. Die Antwort steht noch aus; doch allein die Art, wie mein Schreiben angenommen und quittiert wurde, ließ darauf schließen, dass man mich zunächst in einer Warteschlange von Angelegenheiten einordnet, deren Prioritäten nicht im Gasthaus, sondern im Schreibzimmer festgelegt werden.

Zu Gräfin Cornelia von Schwarztann:
Die Gräfin selbst hat meine Taverne, soweit ich weiß, nie betreten, und ich bin ihr nie persönlich begegnet. Als ich vor einiger Zeit Schwierigkeiten mit der städtischen Verwaltung hatte, führte kein Weg an Junker Hagrobald von Erlengrund vorbei. Er war der Einzige, der erreichbar und gesprächsbereit war.

Um ihn ranken sich ebenfalls zahlreiche Gerüchte, denen ich auf Pergament ungern mehr Gewicht verleihe, als ihnen ohnehin schon zukommt. Fest steht: In den Stimmen, die ich hörte, war er stets eng mit der Person der Gräfin verknüpft – als jemand, der ihre Geschäfte führt, Entscheidungen vorbereitet und sie nach außen vertritt. Es heißt, er allein genieße ihr volles Vertrauen und halte damit die Hand an vielen Fäden, ohne selbst im Vordergrund zu stehen.

Was die Gräfin selbst betrifft, so ist das Bild, das sich aus den Erzählungen ergibt, ein sehr zurückgezogenes:
Man sagt, es habe vor einigen Jahren einen Anschlag auf die Familie von Schwarztann gegeben, bei dem ein Großteil des Hauses ums Leben kam. Seit jenem Tag, so berichten alteingesessene Bürger, lebt die Gräfin abgeschirmt und empfängt so gut wie niemanden mehr. Audienzen sind selten, wenn überhaupt; viele Anliegen werden bereits im Vorfeld abgefangen, ob nun durch den Junker oder durch die Schreiber und Schreiberinnen.

In den Gesprächen, die ich in meiner Schankstube auffange, zeigt sich weniger offene Ablehnung als eine Art pragmatische Resignation: Man richtet seine Bitten an die Stellen, von denen man weiß, dass dort tatsächlich jemand antwortet – und das ist in der Wahrnehmung vieler eher der Junker als die Gräfin persönlich.

Darüber hinaus könnte ich Euch zahllose Gerüchte über Motive, Schwächen oder verborgene Allianzen aufzählen – doch ich vermute, dass Ihr an solchen Schattenrissen weniger interessiert seid als an den festen Linien:

– Die Gräfin tritt nach außen kaum bis gar nicht in Erscheinung.
– Junker Hagrobald von Erlengrund fungiert sichtbar als ihr Arm und ihre Stimme.
– Frau Pappmacher bewegt sich im Umfeld dieser Verwaltung und scheint ihr Gewicht aus ihrer Nähe zu diesen Strukturen zu beziehen, nicht aus eigener Macht.

In der Hoffnung, dass diese wenigen Beobachtungen Euch nützlich sind,
und mit aufrichtiger Wertschätzung für das Vertrauen, das Ihr mir mit Eurem Schreiben erwiesen habt,

verbleibe ich

in Freundschaft und voller Achtung,

Bareti
Wirtin Der Taverne auf Moonglow
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Bild
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Nachdem sie die Feder beiseite legte, las sie den Text noch einmal leise nach – prüfend, ob sie nicht mehr gegeben hatte, als sie wollte, und doch genug, um der Ilharess keinen leeren Becher zu schicken.

Dann faltete sie das Pergament sorgfältig, versiegelte es mit ihrem eigenen Zeichen und holte aus dem Lager eine der schmalen Weinkisten. Der Brief kam zuerst hinein, sauber in die Ecke gelegt.

Darüber verteilte sie eine Schicht Holzwolle, strich sie glatt und zögerte einen Moment, ehe sie eine kleine, sorgfältig beschriftete Flasche aus dem Regal nahm: Most Nr. 6 – die Variante, die sie inzwischen mit einem leisen, zufriedenen Stolz betrachtete.

„Für jemanden, der weiß, was es bedeutet, etwas neu aufzubauen“, murmelte sie, während sie die Flasche behutsam in die Kiste bettete.

Deckel zu, Kiste verschnürt, das Ziel an die Seitenwand notiert – die Adresse, unter der sie Elashinns Vertreterin in der Oberwelt zu erreichen pflegte. Dann gab sie dem nächsten vertrauenswürdigen Boten den Auftrag, das Paket zuzustellen.

Die Taverne füllte sich wieder mit Stimmen, als sie an ihren Platz zurückkehrte. Und während sie zum nächsten Krug griff, wusste sie, dass dieser Brief mehr war als höfliche Antwort – er spannte einen weiteren Faden zwischen Moonglow und jenen, die ihre Heimat in der Tiefe verloren hatten.
- Bareti, Wirtin der Taverne
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Shezar
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Zwischen Rathaus und Schatten [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Shezar »

Zwischen Rathaus und Schatten

Der Morgen in Britain begann nicht mit Ruhe, sondern mit Formalien. Siegel, Unterschriften, Glückwünsche, Hände, die er schütteln musste, Gesichter, die er sich merken sollte. Die Amtseinführung als Statthalter zog sich wie zäher Sirup – notwendig, aber hinderlich. Zwischen zwei Besprechungen im Rathaus brachte ein Bote des Syndikats eine unscheinbare Nachricht, die man in der Hektik leicht hätte übersehen können.

Shezar überlas sie einmal. Dann ein zweites Mal.
Der Name am Ende genügte: A.

Alniira.

Ihr Ton war knapp, direkt, ohne Zierrat. Bedrohung, falsche Warnung, ein Brief von einem gewissen „T. v. K.“, der nach Parfüm und Absicht stank. Und mittendrin der Hinweis auf „Ware“, die unter Druck zur Gefahr werden konnte. Ein Mann wie Shezar brauchte nicht viel Fantasie, um zu verstehen, dass es hier nicht nur um eine Schmiede in Moonglow ging, sondern um etwas, das – falsch gehandhabt – Kreise ziehen konnte, weit über die Insel hinaus.

Er legte das Schreiben auf den Tisch, neben den Entwurf für eine neue städtische Lagerordnung, und trommelte einen Moment mit den Fingern auf das Holz.

Moonglow.

Ein interessantes Spielfeld, aber im Moment war Britain sein Tisch – und er konnte nicht einfach aufstehen.

Er griff zur Feder, notierte einige knappe Stichworte an den Rand des Pergaments:

T.v.K.? – Ursprung prüfen.

Dann legte er das Pergament beiseite und rief nach Anna Deton.

Anna Deton trat ein, in der typischen Ruhe des Armes der Vollstreckung – wach, kontrolliert, ohne unnötige Gesten. Sie war eine jener Personen, die man selten bemerkte, bis es zu spät war. Für Shezar war sie genau das, was er jetzt brauchte: Klinge und Schatten in einer Person. Er reichte ihr das Schreiben Alniiras, ließ sie schweigend lesen. Erst als sie den Kopf hob, sprach er:

„Moonglow wird unruhig. Jemand spielt dort ein Spiel“

Er stand auf, trat zum Fenster des neuen Amtszimmers, von dem aus er den Platz vor dem Rathaus überblicken konnte. Draußen warteten bereits die nächsten Bittsteller, Schreiber, Gardisten. Er konnte die Stadt nicht verlassen – nicht jetzt, wo alle Augen auf ihn gerichtet waren.

„Ich kann mich im Moment nicht persönlich darum kümmern. Britain lässt mich kaum atmen. Reist nach Moonglow als Agentin vor Ort."

Er drehte sich wieder zu ihr um, der Blick klar und nüchtern.

„Euer Auftrag ist folgender, Anna Deton:“

Er zählte an den Fingern ab – nicht, weil er es musste, sondern um die Reihenfolge zu setzen.

„Erstens: In Moonglow direkten Kontakt zu Alniira aufnehmen. Diskret, aber offen genug, dass sie weiß, dass sie mit dem Syndikat spricht. Sie ist nicht dumm – also spielt ihr keine Theaterstücke vor, die sie durchschaut.“

„Zweitens: Findet heraus, wer oder was hinter diesem ‚T. v. K.‘ steht. Ist es eine erfundene Maske? Ein Strohmann? Ein Name, der etwas verbergen soll? Ich will keine Vermutungen, ich will belastbare Anhaltspunkte.“

„Drittens: Prüft, ob jemand versucht, Alniira gezielt zu manipulieren oder zu verunsichern. Wer profitiert davon, wenn sie fällt oder sich zurückzieht?“


Er ließ eine kurze Pause, bevor er den letzten Satz setzte:

„Ihr habt vor Ort freie Hand. Nutzt alle Ressourcen des Syndikats, die Ihr benötigt. Kontakte, Gold, Transport, Deckidentitäten. Wenn etwas getan werden muss, tut es.

Er deutete auf das Schreiben.

„Haltet mich regelmäßig auf dem Laufenden. Kurze Berichte, klare Fakten. Britain mag mich im Rathaus festhalten, aber das bedeutet nicht, dass ich blind bin.“


Anna nickte nur einmal, knapp, verlässlich – und verschwand wenige Augenblicke später wieder so lautlos, wie sie gekommen war.

Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, nahm Shezar Alniiras Schreiben ein letztes Mal zur Hand, faltete es sauber und legte es in die Schublade, in der er nur jene Dinge verwahrte, die er nicht dem Zufall überließ.

Moonglow war weit weg.

Aber das Blackrocksyndikat war es nie.
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Rianon
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Registriert: 14 Mai 2025, 17:45

Re: Fresschen... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Rianon »

Rianon zangte sich im Laub vor der Wolfshöhle mit den Welpen. Die kleinen quietschten vergnügt und kamen gar nicht zur Ruhe, auf ihn zu klettern und nach seinen Ohren zu schnappen. Es war ein Spiel, also ließ er sie gewähren, es konnte nichts schlimmes geschehen. Das war exakt der Moment, als doch dunkle Schwingen in der Gestalt von Koda auftauchten. Der Wolf sah erschöpft aus, als sei er eine lange Strecke gerannt. Er trug seine Narben mit Stolz und sie sollten sein verwegenes Gemüt demonstrieren, doch konnten sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass er verzweifelt war, was Rianon an der Art und Weise erkannte, wie der junge Wolf im Kreis lief und mit den Pfoten aufstampfte. Es waren Momente wie dieser, in denen Rianon sich wünschte, tatsächlich mit den Tieren sprechen zu können, anstatt bloß gut darin zu sein, ihre Körpersprache zu lesen. Etwas wühlte Koda sichtlich auf, so dass Rianon sich auf seine Pfoten rollte, was ihm empörtes Quieken einbrachte als die Welpen auf den Boden fielen. Er ging zu Koda und ihre Schnauzen berührten sich - Rianon atmete tief ein und vernahm an Kodas Geruch dessen Emotionen. Es war ihm offensichtlich wichtig, dass Rianon irgendwo hin ging. Da dämmerte es ihm sofort: Es musste um Alniira oder Talos oder beide gehen. Hatte Talos einen Rückfall? Glücklicherweise wusste Rianon, wo sich beide zu diesem Zeitpunkt aufhielten. So stuppste er Koda an, dass er verstanden habe, und der Wolf legte sich augenblicklich ins Laub zu seinen Pfoten; er muss wirklich äußerst erschöpft sein. Wie gut dachte sich Rianon, dass ich als Elf andere Optionen habe. So ging er einige Schritte in die Wolfshöhle hinein, verwandelte sich auf dem Weg, suchte ein paar Kleidungsstücke aus einer bereitstehenden Truhe und stand dann vor dem Reisemagier, der sich hier vor ein paar Wochen eingenistet hatte. Rianon kannte den Namen dieses schweigsamen Mannes nicht, jedoch konnte er wittern, dass in ihm auch ein schwacher Samen vorhanden war. Doch zu einer Wandlung war dieser Tala noch nicht bereit. Kurz schilderte Rianon ihm sein Reiseziel: Moonglow.
Es dauerte nur einen Herzschlag, da stand er mitten auf dem Marktplatz von Moonglow. Es war dunkel und die Seeluft stieg ihm in die Nase, während Rianon dachte: Nun, Koda, dann lass uns mal schauen, was dich so aufgewühlt hat. Mäßigen Schrittes machte sich Rianon also zu Fuß auf den Weg zu Alniiras und Talos' Hütte. Während er ging bemerkte er, wie laut für ihn seine Stiefel mittlerweile wirken, wobei er früher dachte, dass er sich lautlos bewegen könnte. Vom Spitzohr zum Wolfsohr....ich hätte nie gedacht, dass es so ein Unterschied ist. So schwanden bald die Steinbauten den Kiefern und Eschen des Moonglower Waldes. Obwohl es den Wolf in Rianon in das tiefe Unterholz zog, wandelte er weiter auf der gepflasterten Straße. Es war schließlich nur ein Besuch einer .... Schmidin! Ja genau, er ist für einen Auftrag hier, falls ihn jemand in dieser Nacht fragen sollte. Das mag zwar in gewisser Weise auffällig sein und Thorian, der Schmied seiner Gilde, würde ihn sicher einen vollen Tag nicht mehr ansehen, wenn er von seinem "Fremdgang" erfuhr, jedoch war das immer noch besser, als ein Gerücht über einen riesigen grünen Wolf auf Moonglow, wobei in der Dunkelheit nur die wenigsten die Farbe seines Fells erkennen würden. So hing Rianon seinen Gedanken nach, während er über den Weg wanderte, bis ihm ein unverkennbarer Geruch in die Nase stieg. Es roch nach Dunkelelfen. Und damit meinte er nicht Alniira, die mittlerweile so vertraut roch, wie jedes Mitglied des Rudels, sondern eine andere, fremde Dunkelelfe. Rianons Alarmglocken klingelten. Koda sollte ihn herholen, da seine Freunde in Gefahr schwebten. Das war für den Elfen grund Genug den Wolf herauszulassen - den richtigen Wolf. Schnell huschte Rianon ein paar Schritte in den Wald und hinterlegte seine Kleidung in einem hohlen Baumstumpf, bevor er tief einatmete. Verdammt wie ich diese Form hasse. Dachte er nur als Knochen spillterten, Muskeln und Haut riss, Fell spross und Zähne sich neu anordneten. Es war weder ein schöner Anblick, noch angenehm für Rianon selbst. So leicht wie ihm der Wolf von der Hand ging, so anstrengend und schmerzhaft war der Werwolf noch für ihn. Eigentlich ein gutes Zeichen.

Die nun mächtige Gestalt mitten im Wald, die für den unwissenden Beobachter wie der Horror aus einem Alptraum aussah, unterdrückte ein Heulen und nahm die Witterung auf. Nach nur wenigen Minuten der Pirsch viel dem Werwolf auf, dass seine Beute geschickt war. Sie hinterließ kaum bis keine sichtbaren Spuren und er vernahm auch keine Geräusche, die seine Beute hätten verraten können. Aber der Werwolf hatte einen entscheidenden Vorteil: Er konnte sie richen. Die Beute hatte eine eindeutige Signatur, die wie hell erleuchtete Laternen den Weg durch das Unterholz markierten. Der Weg war eindeutig und führte immer näher an das Haus von Alniira und Talos heran. Sobald die Lichter der Hütte in Sichtweite kamen, nutzte der Werwolf seinen Instinkt und bewegte sich wie ein Schatten, lautlos und ungesehen durch die dicht beieinander stehenden Bäume. Natürlich bemerkte sein Rudel ihn. Gut, sie achten bereits auf Alniira und Talos dachte sich der Werwolf, als sein Rudel voller Respekt um ihn herum auftauchte. Keiner von ihnen machte einen Laut, sie wussten, dass sie nun jagen würden. Alle, selbst der Werwolf, fragten sich, wie wohl Dunkelelfen schmecken würden; vielleicht würde Alniira in diesem speziellen Fall ein Auge zudrücken und sie gewähren lassen. Der Werwolf lies sich nun von seinen Wölfen führen. Sie hatten das Terrain bereits auskundschaftet und wussten exakt, wo sich die Beute befand. An ihrer gelassenen Art, bemerkte der Werwolf, dass die Beute sich in Sicherheit wiegte und nicht auf der Flucht war. So kreisten sie die Dunkelelfe langsam ein und die Schlinge zog sich immer enger um den Nacken dieses Häschens... Rianons persönlichkeit flammte durch den Kopf des Werwolfs. Letzterer rollte mit den Augen: Was will der Elf? Er hat mir doch heute die Kontrolle überlassen. Da bemerkte er ein sehr starkes Ziehen hinter seiner Stirn und verstand, auch wenn es ihm wiederstrebte: Der Elf hat hier das Sagen, nicht er. Gerade noch ein böswilliges Knurren unterdrückend, fügte ich der Werwolf. Diesen Kampf wird er hier so kurz vor der Beute, nicht ausfechten. Das Rudel wird bei dem Plan des Elfen empört genug sein. So ließ er ihm die Kontrolle seines Körpers.

Rianon atmete innerlich auf, dass er die Kontrolle zurückerlangt hatte. Er sah vor seinem geistigen Auge schon, wie Blut, Haut und weiße Haare in alle Richtungen flogen. Das wusste er zu verhindern, zumal Meister Are'vin ihm beigebracht hatte, dass sie nicht gegen die Dunkelelfen, sondern für diese kämpften. Es war nichtsdestoweniger erschreckend, wie nah der Werwolf an die Dunkelelfe herangekommen war. Sie war offensichtlich vollkommen auf ihre Aufgabe konzentriert und hatte gar nicht bemerkt, dass sich mehrere Wölfe und eine Gestalt aus einem Albtraum fast in Griffdistanz befanden. Rianon beobachtete sie einen Momten und stellte fest: Sie will niemanden Töten...zumindest noch nicht. Sie schaut nur zu. Daraufhin fasste er einen Plan. Kurz huschte sein Blick auf die riesenhaften Klauen an seinen Vorderpfoten...oder Vorderhänden? Diese Anatomie ist nicht so leicht zu vestehen. Jedenfalls sah er seine Klauen ölig-schwarz im Moondlicht schimmern. Lautlos holte er aus und zielte auf den Hinterkopf der Dunkelelfe. Seine Klauen huschten in einer schnellen und fließenden Bewegung nach unten, nur um kurz vor dem Todesschlag abzubremsen, so dass eine einzelne Klaue leicht auf die Schulter der Dunkelelfe tippte...
Zynrae Ky'Alur
Beiträge: 2
Registriert: 22 Nov 2025, 17:39

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Zynrae Ky'Alur »

Zynrae lehnte sich an die Ziegelmauer hinter sich und ließ die Schatten enger um ihre Gestalt wabern. Seit ihrer Flucht aus Elashinn waren erst wenige Tage vergangen und ihr Körper hatte sich noch immer nicht von den Strapazen erholt. Bilder flackerten durch ihren Geist, wie Wunden, die noch nicht geschlossen waren. Doch dieser neue Auftrag würde ihr helfen, wieder in einen Rhythmus zu finden und ihre Gedanken zu ordnen.

Sie wusste, wie entscheidend die ersten Tage in ihrem neuen „Zuhause“ waren, wenn es sowas wie ein Zuhause denn je gegeben hatte. Sie hatte schon genug solcher neuen Anfänge mit anderen Drow erlebt und kannte die unausgesprochenen Regeln: Keine Schwäche zeigen. Jede ihrer Bewegungen, jedes Wort, das ihre Lippen verließ, würde seziert, bewertet und gewogen werden. Gleichzeitig mussten sie sie beobachten können, damit nicht der geringste Zweifel aufkam, sie könnte eine Verräterin sein oder ihren Blicken absichtlich entfliehen, um ihre eigene Verletzlichkeit zu verbergen. Sich, wie sonst üblich, in den Schatten zu halten und nur gezielt Nähe zu suchen, kam daher nicht infrage. Vorher abgeschätzte Situationen, in denen sie ihre Stärke ausspielen konnte, würden helfen das richtige Bild zu erzeugen. Ein leises Flüstern hier, ein paar dunkle Schatten da, sorgten meist für den richtigen Eindruck und kosteten ihr kaum Kraft.

Ein genervtes Seufzen entwich ihr und sie strich sie müde mit ihrer Handfläche über ihr Gesicht. All das musste sie meistern mit einem Körper, der nach Ruhe schrie, nach einer Pause, in der sich ihre Kräfte regenerieren konnten. Sie begann langsam, die Schultern zu kreisen, um die verhärteten Muskeln zu lockern. Ihre Finger glitten über den Nacken und drückten die schmerzenden Punkte. Es würde noch dauern, doch sie spürte bereits, wie ihre Muskeln wieder weicher wurde, ihr Körper weniger Widerstand bei jeder Bewegung zeigte, als wolle er sich an seine alte Geschmeidigkeit erinnern. Seit einem Tag schon beschattete sie diese hässliche Ravvi. Ein Tag, an dem sie den Augen der anderen Drow entkommen war, eine kurze Atempause. Die Ruhe hatte ihr gut getan. Ihre Schatten wurden wieder dichter, gehorsamer. Bald würde sie ihre Stärke nicht länger vortäuschen müssen. Ein kleines, böses Lächeln glitt über ihre Lippen. Nur ihre Augen hatten sich noch nicht an die gleißende Helligkeit gewöhnt. Selbst das Weiß der Fassaden brannte in ihnen, wenn die Sonne darauf fiel. Zynrae zog die Kapuze tiefer ins Gesicht und ließ die Schatten wie einen Schleier zwischen sich und das Licht sinken. Auch dieser Schmerz würde vergehen.

Zynrae hatte den Auftrag erhalten Jolanda Pappmache zu beobachten, also würde sie Jolanda die nächsten Tage überall hin folgen. Jolanda, was für ein lächerlicher Name für eine lächerliche Ravvi. Aber sie war leicht zu finden gewesen, hatte sie doch eine Beschreibung der Erscheinung erhalten und wusste, dass sie als Schreiberin für die Gräfin arbeitete. Also musste sie nur auf eine Person warten, die der Erscheinung glich und sich in der Schreibstube der Gräfin einfand. Zynrae schaute sich die Umgebung ganz genau an, welche Position bot die Möglichkeit in die Fenster hinein zu schauen, um das Innere der Schreibstube besser beobachten zu können. Sie prüfte jeden Fenstersims, auf den sie leicht gelangen konnte. Das Dach des Gebäude gegenüber bot praktischerweise einen idealen Blickwinkel. Der hoch geziegelte Kamin darauf erzeugte selbst tagsüber ausreichend Schatten, perfekt, um ihre Silhouette darin verschwinden zu lassen und Jolandas Schreibtisch dennoch im Blick zu behalten.

Es hatte kaum einen halben Tag gedauert, bis Zynrae Jolanda durchschaut hatte: gewissenhaft, pedantisch. Vermutlich ideale Eigenschaften für eine Schreiberin, deren einziger Lebensinhalt darin bestand, den eigenen Verstand einzuschränken und stattdessen die Gedanken anderer niederzuschreiben. Eine Tätigkeit, bei der früher oder später jeder den Verstand verlieren musste. Zynrae schnaubte leise. Solche Gedanken waren Zeitverschwendung.

Jolanda ging ihrer Aufgabe überaus korrekt nach und musste ihre Umgebung stets unter Kontrolle behalten, schien sich dessen immer wieder vergewissern zu müssen. Regelmäßig stand sie auf und ging durch die Schreibstube, berührte Gegenstände, richtete sie scheinbar neu aus, obwohl sie zuvor genau gleichgestanden hatten. Lächerliche Ravvi, als wenn diese Kontrolle ihr tatsächlich Sicherheit bringen würde. Aber pedantische Ravvi waren leichte Beschattungsziele. Hatte man ihren Tagesablauf einmal durchschaut, konnte man sich darauf verlassen, dass keine Abweichung folgte.
Den Tag über studierte sie Jolanda und die Menschen, mit denen sie sprach. Schon kleinste Gesten konnten ein Hinweis sein, wie sie zueinanderstanden.

Als Jolanda spät abends die Schreibstube verließ, war es für Zynrae ein Leichtes, ihre Schritte lautlos zu halten. Diese Menschen mit ihren stumpfen Sinnen hätten sie kaum bemerkt, selbst wenn sie ihnen dicht genug folgte, um ihren Atem im Nacken zu spüren.

Der Abend verlief ruhig. Jolanda suchte rasch ihr Bett auf und Zynrae nutzte die Gelegenheit, zur Schreibstube zurückzukehren. Mit geübter Hand öffnete sie eines der unteren Fenster und verschaffte sich Zugang. Sie prägte sich die Anordnung der Möbel ein, jeden Ausgang, jeden möglichen Schatten. In Jolandas eigenem Raum ging sie mit besonderer Vorsicht vor, um nichts zu verschieben und keine Spur zu hinterlassen. Menschen, die ihre Umgebung so zwanghaft ordneten, bemerkten manchmal sogar feinste Veränderungen im Geruch, eine unerwünschte Unsicherheit, die ihr Ziel scheu machen konnte. Am Fenster prüfte sie sorgfältig, ab welchem Öffnungswinkel ein wahrnehmbarer Luftzug entstand. Dann manipulierte sie den Schließmechanismus so, dass sich das Fenster am nächsten Tag von außen nahezu geräuschlos öffnen ließ. So könnte sie die Gespräche morgen besser verfolgen. Eine vorzeitige Öffnung des Fensters würde nur den Raum über Nacht auskühlen lassen und könnte Jolanda Verdacht schöpfen lassen.

Auf dem Rückweg zu Jolandas Haus übergab sie ihren Tagesbericht einer Dienerin und glitt danach lautlos zurück in die Nacht.

Jetzt hockte sie in der Krone eines alten Baumes und blickte auf Jolandas schlafenden Körper hinab. Die Dunkelheit, die sich wie ein schweres Tuch über die Welt legte, beruhigte auch ihr Inneres, ließ die letzten Spannungen aus ihren Gedanken und ihrem Körper gleiten.
Lloth, Ilhar Orbb, luth dosst veldrin phor ussta shar.
Wun dosst cress Usstan ragar ussta k'lar, wun dosst isto ussta z'ress.

(Lloth, Spinnenmutter, senke deine Schatten über meinen Geist.
In deinem Netz finde ich meinen Platz, in deiner Nacht meine Stärke.)

Zynrae verharrte einen Moment, lauschte dem leisen Rascheln der Blätter, ihrem ruhigen Atem. Als sie den Blick hob, sah sie eine kleine Spinne, die über einen Ast neben ihrem Arm kroch. Ein stilles Zeichen.

Sie wusste, dass ihr Gebet erhört worden war, dass Lloth ihre Schritte nicht nur duldete, sondern führte. Ehrfürchtig senkte sie den Kopf, während die Schatten sich enger um sie schlossen.
Tath'raen
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Registriert: 30 Mai 2025, 18:15

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Tath'raen »

Tath'raen beobachtete Zynrae. Er wusste es, sie wusste es, jeder im Quellar wusste es. Lediglich die hohen Damen gaben sich gerne der Illusion hin, dass ihre Untergebenen sich gegenseitig heimlich bespitzeln. Und wir spielen mit und lassen sie in dem Glauben. Außerdem ist ein Dunkelelf, der sich nicht nur beobachtet fühlt, sondern es weiß, effektiver. Dachte sich Tath'raen. Das Gute an dieser Situation für ihn war, dass er nicht in irgendeiner Hausniesche, wie Zynrae, oder einem Busch hocken musste. Alles was über ein gewöhnliches Verstecken oder Verbergen hinausgeht, war ohnehin nicht sein Stil und lag nicht innerhalb seiner Fähigkeiten. Eine Tür eintreten und den Dekan der AAM gefangennehmen - dort lagen seine Talente.

Während Tath'raen in seinen Gedanken an vergangene Gewaltakte schwelgte und Zynrae beobachtete, schlürfte seinen Apfelmost Export (eine Verkaufsmarke der Bareti Brauerei) und lehnte sich gemütlich in seinem Stuhl in einer Moonglower Stadttaverne zurück. Als dem Wirt nach anfänglicher Abneigung bewusst wurde, dass gerade der Kandidat für den Posten des Moonglower Wachhauptmanns in sein Geschäft kam, war er auffällig überschwänglich freundlich gewesen. Widerlich, aber Tath'raen wusste die Situation zu nutzen.

Während er also seine "Pause" genoss, fragte er sich einerseits, welche Prüfung er Zynrae auferlegen sollte und andererseits, wie es wohl Shi'nayne gerade erging.
Lyr'sa Teb'inyon
Beiträge: 75
Registriert: 31 Mai 2025, 11:17

Ein Lächeln zwischen Äpfeln und Schatten... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Lyr'sa Teb'inyon »

Der Weg vom Schmiedehaus zum Marktplatz führte Lyr’sa durch die vertrauten Straßen Moonglows, deren helle Gebäude und offenen Plätze in ihr noch immer ein sanftes Staunen weckten, als wäre die Oberwelt ein endloses Wunder aus Licht, Geräuschen und Gerüchen, die nichts mit der harten, schattendurchwirkten Enge Elashinns gemein hatten. An diesem Morgen war sie außergewöhnlich guter Dinge, ein Zustand, der bei ihr zwar selten lange anhielt, aber wenn er sich zeigte, mit einer Kraft durch ihren Körper strahlte, als würde sie die Wärme der Esse noch immer in sich tragen. Neben ihr ging Dre’Taurel, der Gargoyle, dessen gewaltige Gestalt an einer langen, dunklen Kette geführt wurde, die er trotz ihrer Symbolik mit einer Gelassenheit trug, die beinahe königlich wirkte. Er balancierte einen Sack Zwiebeln auf der Schulter, zwei Körbe in den Klauen und folgte ihr dennoch mit jener geduldigen Ruhe, die Lyr’sa an ihm so mochte.

Der Marktplatz empfing sie mit geschäftigem Treiben, Händler priesen ihre Waren an. Kinder rannten zwischen den Ständen hindurch. Und eine leichte Brise trug den Duft von frischem Brot, Kräutern und Algen mit sich. Lyr’sa lächelte so breit, dass zwei vorbeigehende Stadtwachen überrascht innehielten; doch sie bemerkte es kaum, denn ihr Blick hatte bereits den kleinen Apfelstand von Marthin erfasst, einem älteren Händler, der sie immer mit einer Mischung aus Skepsis aber auch Zuneigung begrüßte. „Vendui', Marthin! Deine Äpfel sehen heute aus, als hätten sie sich besondere Mühe gegeben extra rot und saftig auszusehen!“ rief sie, und der Mann schnaubte zwar, doch sein Mundwinkel zuckte unweigerlich nach oben.
„Ach... Lürrr'sa“, entgegnete der Alte, und gab sich dabei mühe ihren Namen nicht vollends zu massakrieren - vergeblich.
„Auch dir einen schönen guten Tag… ja, nimm einige der Äpfel, bald gibt es keine mehr – der Winter und die Flüchtlinge…“ Er ließ das letzte Wort beinahe tonlos in der Luft hängen und warf einen vielsagenden Blick zu einer kleinen Gruppe erschöpfter Menschen, die zusammengedrängt am Rand des Marktplatzes standen. Ihre Kleidung war abgetragen, ihre Gesichter schmal, und obwohl sie versuchten, sich unauffällig zu geben, sprach ihre Haltung eine deutliche Sprache: Fremde, die Schutz suchten, aber nicht wussten, ob sie willkommen waren.

Lyr’sa folgte Marthins Blick, und für einen Atemzug veränderte sich die weiche Heiterkeit in ihren Augen zu einer ruhigeren, nachdenklichen Wärme. Doch nur einen Atemzug lang, denn sie zwang sich zu einem noch breiteren Lächeln, griff nach einem Dutzend Äpfel, legte diese in ihren Apfelkorb und redete Marthin mit einem fröhlichen „Oh, Winter oder nicht – ich komme wieder!“ hinweg, als könnte reine Freundlichkeit die Schwere seiner Sorgen aus dem Weg fegen.

Sie ging weiter, Dre’Taurel mit dem Korb hinter sich herziehend, und schenkte Händler für Händler ein heiteres Wort. Doch je näher sie an den Rand des Marktes kam, desto deutlicher sah sie die Spuren der Flucht an jenen Menschen, die dort standen, besonders an einem kleinen Kind, dessen Blick wie magisch an dem roten Apfel in ihren Händen hing.
Ohne zu zögern beugte sie sich hinunter, nahm ein Stück Brot aus ihrem Beutel und legte es dem Kind in die Hände, begleitet von einem warmen „Iss langsam, nau dosu.“ Die Mutter wusste nicht ob sie sich bedanken oder den Drow zum Teufel schicken sollte, doch Lyr’sa winkte fröhlich lachend und stapfte weiter, als wäre Freundlichkeit das einzige Gegenmittel, das sie gegen die Welt hatte.

Erst als die Körbe gefüllt waren und Dre’Taurel kaum noch wusste, wohin mit den Waren, machte sie sich zufrieden auf den Rückweg zur Schmiede. Doch kaum hatte sie die Treppe zur oberen Etage betreten und den Raum betreten, in dem Jhea’kryna arbeitete, verflog die Heiterkeit schlagartig, denn die Präsenz ihrer Ilharess lag wie ein Schatten über jedem Gegenstand. Lyr’sa sank sofort auf ein Knie, den Kopf gesenkt, die Hände auf dem Boden abgestützt, und wartete schweigend auf die Worte der Herrin, die unweigerlich folgen würden.

Ihre Freude gehörte dem Markt.
Ihre Furcht gehörte der Ilharess.

„Du hast mich rufen lassen... malla Ilahress?!“


Bild
Zuletzt geändert von Lyr'sa Teb'inyon am 01 Dez 2025, 21:40, insgesamt 1-mal geändert.
Shi'nayne Ky'Alur
Beiträge: 5
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Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Shi'nayne Ky'Alur »

Unter der sinkenden Nacht wölbte sich der Wald wie ein gewaltiger, atmender Organismus über Shinnayne, und während sie unbeweglich blieb, die Finger locker auf der feuchten Rinde, wirkte ihr Körper so gelassen wie eine Skulptur, die man in den Schatten eines alten Baumes gelehnt hatte. Doch tief in ihrem Inneren arbeitete etwas Gegenteiliges, ein stetiges, zunehmend schärferes Ziehen an ihren Instinkten, ein kaum wahrnehmbarer Warnruf, so fein und so still, dass nur jemand wie sie ihn überhaupt hören konnte. Es war nicht ein Geräusch, nicht ein Geruch, nicht ein einzelner Impuls. Es war die Veränderung der Stille selbst, als hätte jemand die Oberfläche eines vollkommen glatten Sees berührt und damit die Harmonie der Nacht unwiderruflich neu gezeichnet. Die Schatten wirkten dichter als zuvor, die Luft schien an manchen Stellen stiller zu stehen, als die Natur es erlauben würde, und ein kaum zu fassender Hauch durchzog die Dunkelheit, der nach feuchter Erde roch, aber auch nach etwas Wilderem, etwas Fremdem, das nicht zu dieser Insel und nicht zu den üblichen Bewohnern der Dunkelheit gehörte.

Shinnayne verriet nichts, denn wer überleben will, zeigt nie, wann er die Gefahr erkennt. Sie verharrte in ihrer Position, der Blick in die Lichtung gerichtet, hinter deren Fenstern Talos und Alniira ihren ruhigen Abend verbrachten, während unter der Oberfläche dieses friedlichen Bildes ein zweiter, lauernder Rhythmus schlug, so fein verwoben und doch so deutlich spürbar für jene, die auf der Seite der Schatten wandelten. Und sie wusste, dass sie nicht die einzige Beobachterin war.

Der erste Wolf zeigte sich nicht mit einer Bewegung, sondern in der Art, wie die Dunkelheit an einer Stelle dichter wurde, ein Schatten im Schatten, schwerer und präsenter als zuvor. Die anderen glitten in einem weiten Halbkreis hinter sie, als wären sie Lücken im Wald selbst, die sich plötzlich schlossen. Ihre Art zu jagen verriet Disziplin und Absicht, und ein Rudel, das sich so bewegte, folgte keiner Laune. Es folgte jemandem, der wusste, wie man die Nacht liest und sie lenkt.

Shinnayne holte einmal tief und vollkommen lautlos Luft, und ihre rechte Hand glitt nur um die Breite eines Atemzuges näher an den Dolchgriff, nicht um ihn zu ziehen, sondern um zu spüren, dass sie es nicht schaffen würde, bevor die Schatten über sie hereinbrachen. Diese Erkenntnis war klar: Nicht ohne Geräusch. Nicht ohne Blut. Nicht ohne den Auftrag zu gefährden.

Während sie noch die Linie eines möglichen Ausbruchs skizzierte, spürte sie plötzlich einen einzigen Atemzug direkt an ihrem Nacken, so nah, dass die feinen Härchen an ihrem Hals sich aufrichteten. Kein Rascheln hatte ihn angekündigt, keine Pfote den Boden berührt, als wäre er aus dem Kern des Waldes selbst getreten. Ein Atemzug, warm und schwer, der jede Faser ihres Körpers warnte und zugleich faszinierte.

Dann berührte sie eine Kralle. Kein Schlag, kein Schnitt, nicht einmal ein Griff, nur ein einzelner, präziser Druckpunkt, so leicht gesetzt wie der Finger eines Lehrmeisters auf einer Landkarte, eine Geste, die weniger Angriff bedeutete als Anspruch. Shinnayne spannte sich vollkommen an, doch von außen war kein Laut, keine Regung, kein Zittern zu sehen. Die Sekunde dehnte sich, zäh und lautlos, und die Wärme an ihrer Schulter blieb, ruhig, bestimmend, voller Macht, die keinerlei Hast benötigte.

Sie hatte ihn kommen sehen, nicht mit den Augen, sondern durch die Veränderung der Welt um sie herum, und sie wusste, dass ein lautloser Ausbruch nicht möglich war. Nicht, wenn Alniira im Haus nichts bemerken sollte. Nicht, wenn der Auftrag bestehen bleiben sollte.

Also gab sie nach. Nicht wirklich, nur so weit, dass es wie ein leichtes Fallen eines Blattes wirkte, ein Gewichtsspiel, das ihr im richtigen Moment ein entkommen ermöglicht hätte. Doch dieser Moment kam nicht, denn von rechts löste sich eine weitere Gestalt aus den Zweigen, und der Wolf hinter ihr verstärkte seinen Druck nur so weit, dass die Nachricht eindeutig war: Jede Bewegung würde beantwortet werden.

Es war die Erkenntnis, dass Flucht in diesem Augenblick nicht möglich war, die sie innehalten ließ. Die Falle war so präzise gestellt, dass sie sie selbst respektierte, was selten vorkam. Doch als die Gestalt vor ihr näher trat und die Kralle sich fester setzte, nur einen Hauch, wusste sie, dass es jetzt keinen Raum mehr gab, außer jenen, den sie selbst definierte.

Als die Bestie hinter ihr die Kraft verlagerte, stieß Shinnayne nach vorn, ein Schattenbruch, schnell, irreführend, ein Ausbruch aus purer Eleganz und Berechnung. Es hätte gereicht. Fast überall. Nur nicht hier. Denn der Werwolf reagierte nicht wie ein Tier, das schnappte, sondern wie ein Wesen, das ihre Bewegung vorausgesehen hatte. Er nahm ihre Energie auf, leitete sie um, schloss seinen Griff um ihren Unterarm wie ein Ring, der gemacht war, genau diese Bewegung zu fangen. Kein Schmerz. Kein Zerreißen. Nur diese beunruhigende Präzision, die ihren gesamten Fluchtwinkel auslöschte.

Gleichzeitig stellte sich ein Wolf seitlich vor sie, kaum sichtbar, aber mit perfektem Körperschwerpunkt, und blockierte den zweiten Schritt, den sie gebraucht hätte. Hinter ihr drückte die Pranke jetzt fester, und ihre Muskeln gehorchten, weil jeder weitere Impuls mehr zerstört hätte, als sie durfte. Die drei Bewegungen verschmolzen zu einem einzigen Ablauf, zu sauber, zu koordiniert, zu unmissverständlich. Die führende Bestie an ihrem Arm. Die Wölfe an beiden Seiten. Die schwer atmende Präsenz hinter ihr, die jeden Weg blockierte.

Shinnayne zog die Kraft aus ihren Gliedern zurück und ließ den Körper reglos werden wie polierter Stein, das Kinn leicht erhoben, kein Zeichen der Unterwerfung, sondern ein messerscharfes Eingeständnis, dass sie die Falle erkannte. Und dass sie in ihr stand. Die Stimme, die dann durch den Wald hallte, war weder menschlich noch bestialisch, sondern beides zugleich, tief, rau und von einer Ruhe getragen, die jeden Zweifel erstickte.

Die Kralle wich, der Griff blieb, gerade fest genug, dass sie gehen musste, nicht fliehen konnte. Zwei Wölfe traten aus dem Dickicht, wie Teile eines lebenden Walles, und der Werwolf wandelte seinen Griff so präzise, wie man eine Klinge führt, deren Wert bekannt ist. Sein Blick verriet kein tierisches Denken, sondern die kühle Einschätzung eines Wesens, das wusste, dass sie gefährlich sein konnte, aber nicht wusste, wie weit diese Gefahr reichte.

Shinnayne ließ sich führen, Schritt für Schritt, doch jeder ihrer Schritte blieb eine Wahl, ein inneres Gleichgewicht, das sich nicht beugen ließ. Der Wald schloss sich hinter ihnen wie ein dunkler Korridor, und das Rudel umgab sie wie ein lautloser Atemzug, der die Richtung bestimmte.

Erst als die Formation vollständig stand, der Griff an ihrem Arm endgültig fest war und die Wölfe den Kreis schlossen, hob sie die Stimme und sprach die Worte, die den Übergang markierten.
Ihr habt mich... für den Moment.
Es war keine Drohung, keine Kapitulation, nur Wahrheit. Und als die ersten Schritte erfolgten, die eindeutig machten, dass weggebracht und damit der Abführung entgegenführte, spannte die Luft sich wie ein Bogen kurz vor dem Loslassen. Der Fang war gelungen. Doch kein Wolf sollte je den Fehler begehen zu glauben, dass die Jagd nun endete.

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