So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Schreiben / Briefe / Aushänge. Bitte beachte, dass Beiträge in diesem Forum Informationen enthalten können, die dir im Spiel nicht zugänglich sind!
Jhea'kryna Ky'Alur
Beiträge: 97
Registriert: 07 Mai 2025, 10:46

Die Gabe des Hauses Ky’Alur... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Jhea'kryna Ky'Alur »

Lyr’sa kniete still auf dem kalten Steinboden vor der Ilharess, den Kopf gesenkt, die Hände ordentlich gefaltet, als wollte sie jeden Anschein von Unruhe vermeiden; und doch verriet die leichte, kaum sichtbare Bewegung ihrer Schultern, dass ihre Atmung noch immer von dem schnellen Gang durch die Schmiede getragen wurde. Jhea’kryna betrachtete sie einen Moment lang mit jener undurchdringlichen Ruhe, die sie sich in den Jahren der Herrschaft angewöhnt hatte, und ließ den Blick über die leicht bläulichen Wangen gleiten. Ein Teil von Jhea’kryna nahm zweifelsohne wahr, wie sehr sich Lyr’sa mühte, ein Bild der Loyalität darzustellen, doch ein anderer Teil testete mit feiner Berechnung, wie tief diese Loyalität wirklich reichte. Erst als die Stille im Raum schwer genug wurde, hob sie die Hand, das Zeichen dafür, dass die Handwerkerin zuhören sollte.

„Du wirst einige der Vorräte des Qu’ellars nehmen,“ sagte Jhea’kryna mit ruhiger, beinahe sanfter Stimme, die dennoch keinen Widerspruch duldete, „Hirse, Hafer, getrocknetes Brot, all jenes, was die Flüchtlinge nähren kann. Du wirst die Karren auffüllen und Duergrin mitnehmen, damit er daraus eine Mahlzeit bereitet, die ihrem Zustand angemessen ist. Unser Haus soll sich großzügig zeigen. Es wäre unklug, wenn Moonglow nicht verstünde, dass wir geben können, bevor wir nehmen.“

Lyr’sa nickte sofort, die Stirn beinahe am Boden, und murmelte ein „Usstan saph nindel, malla Ilharess“, das deutlich machte, wie sehr sie sich bemühte, die Freude des Marktes hinter sich zu lassen und die Härte ihrer Rolle wieder einzunehmen.

Doch während Jhea’kryna sprach, schob sich ein anderer Gedanke in ihr Bewusstsein, eine Erinnerung, scharf wie die Klinge eines Ritualmessers.

⊱⋅ ───────── ༻ 𝔎𝔶'𝔄𝔩𝔲𝔯 ༺ ───────── ⋅⊰


Vor wenigen Stunden hatte Duergrin, der düstere Koch des Hauses, mit seinen schweren Stiefeln das Arbeitszimmer betreten, der dunkle Bart in zwei geflochtene Stränge geteilt und der Blick so wachsam wie immer, wenn er wusste, dass er zu einer Aufgabe gerufen wurde, die nicht ausgesprochen werden durfte.

„Du wirst den Brei zubereiten,“ hatte Jhea’kryna ihm in leisem Tonfall mitgeteilt, während sie über ein Pergament strich, das keine Schrift, sondern nur Schatten zu tragen schien, „und du wirst dem Essen eine besondere Zutat hinzufügen. Kein schnelles Gift, keines, das auffällt oder Panik verursacht. Etwas Feines. Etwas, das nur diejenigen schwächt, die zu schwach sind, um überhaupt von Interesse zu sein.“

Duergrin hatte nicht gefragt, er hatte nie gefragt; stattdessen wanderte sein Blick zur Decke, als müsse er überlegen, welche Ingredienzien aus seinem Arsenal am geeignetsten waren, um Lebenskräfte zu dämpfen, ohne Leben unmittelbar zu nehmen. „Langsam wirkend. Organisch. Nicht bitter. Die Zunge darf es nicht verraten,“ murmelte er, bevor er schließlich nickte.

Jhea’kryna hatte den Kopf leicht geneigt. „Genau. Die Schwächsten sollen fallen. Die Starken jedoch werden nur so weit geschwächt, dass man sie in den Transportkäfigen ruhiger erleben wird. Sie werden uns nützlich sein, dort unten, wo es dunkel ist. Und wo die Göttin sieht.“

Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Duergrin verstand. Er verstand stets.

„Ryld'yrr - der Bewegungsmagier vor der Tür - wird dir helfen... er ist bereits unruhig... und erschreckt die Hühner... Gib ihm zu tun!“

„A dos Quarth'!“


⊱⋅ ───────── ༻ 𝔎𝔶'𝔄𝔩𝔲𝔯 ༺ ───────── ⋅⊰


Als die Erinnerung verblasste, sah Jhea’kryna wieder auf Lyr’sa herab, deren Atem ruhig geworden war, als hätte sie sich bereits mit ihrem neuen Auftrag abgefunden. „Geh,“ sagte die Ilharess leise, „und erfülle deine Aufgabe. Sei freundlich, sei hilfsbereit, sei das Bild, das sie in dir sehen wollen. Lass nicht zu, dass jemand ahnt, was wirklich hinter uns steht.“

Lyr’sa erhob sich vorsichtig, verneigte sich tief und verließ den Raum mit schnellen, leichten Schritten, die den Rest ihrer früheren Heiterkeit verrieten. Sie würde die Karren beladen, Duergrin holen, den Flüchtlingen Hoffnung schenken – und nie erfahren, dass diese Hoffnung vergiftet war.

Jhea’kryna blieb allein zurück, und als das Geräusch der Schritte verklang, legte sich ein kaum merkliches Lächeln auf ihre Lippen. Bald würde sie die Orks rufen, jene brutalen Diener Tairachs, deren Hunger und Stärke sie benötigte, und wenn all dies seinen Lauf genommen hatte, würde Moonglow begreifen, dass wahre Macht nicht durch Waffengewalt entsteht, sondern durch jene leisen Fäden, die sich um Hälse legen, ohne dass jemand merkt, wie eng sie wirklich werden.


⊱⋅ ───────── ༻ 𝔎𝔶'𝔄𝔩𝔲𝔯 ༺ ───────── ⋅⊰
Jhea'kryna Ky'Alur
Beiträge: 97
Registriert: 07 Mai 2025, 10:46

Der Hofknicks der Spinne.... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Jhea'kryna Ky'Alur »

Jhea’kryna stand lange vor der großen Karte Moonglows, die sie sich eigens hatte anfertigen lassen, denn es gefiel ihr nicht, sich auf die vagen Beschreibungen der Oberweltler zu verlassen. Die Karte war aus hellem, sauber gebleichtem Pergament gefertigt, die Linien fein gezogen, die Bezirke klar voneinander abgegrenzt, sodass das Auge beinahe spielerisch über sie gleiten konnte.
Das musste Jhea der Lyr'sa und ihren Untergebenen lassen - vom Handwerk verstanden sie einiges!
Dennoch lag etwas in ihrem Blick, das weit über reines Studieren hinausging; sie betrachtete nicht die Straßen, sondern die Möglichkeiten, die sie boten. Im Norden, kaum einen Fingerbreit vom Meer entfernt, befand sich das Qu’ellar, das provisorische Heim ihres Hauses, das so viel kleiner und unvollständiger war als die Hallen Elashinns und dennoch wie ein Funke Macht aus der Tiefe inmitten dieser menschlichen Stadt leuchtete. Im Osten lag Baretis Taverne auf einer Landzunge, ein Knoten aus Stimmen, Gerüchten und Wahrheitsschnipseln, die sie nach Belieben auslesen konnte. Und im Westen erhob sich die Academia Ars Magica, flankiert von den gepflegten Gärten des Adelsanwesens, in dem die Gräfin residierte, deren Verhalten sie seit Tagen beschäftigte.

Die Ilharess strich die Fingerspitzen über das Pergament, glättete eine Falte, die dort eigentlich gar nicht existierte, und ließ den Blick schließlich sinken auf den Briefbogen vor sich. Die Schreiberin Cornelia von Schwarztanns - Jolanda Pappmacher - hatte sich erdreistet, sie warten zu lassen — und zwar nicht bloß einen Tag, nicht zwei, sondern so viele, dass die Handlung bereits an Respektlosigkeit grenzte. Jhea’kryna war niemand, den man warten ließ, und schon gar nicht aus einer Laune heraus. Dennoch benötigte sie Zeit, um ihre Pläne zu formen, und so war dies einer der seltenen Fälle, in denen strategische Gelassenheit besser diente als Drohgebärden. Ein Brief musste her, ein Brief, dessen Worte schmeichelten, während sie stachen, wie Samthandschuhe, in deren Futter ein Netz schwarzer Witwen lauert.

Sie setzte sich, ordnete die Feder, atmete tief ein und begann zu schreiben.


(_________________________________________________________________________O
An die ehrenwerte Gräfin Cornelia von Schwarztann,
Residenz am Westflügel Moonglows

Erlauchte Gräfin,

ich setze meine Feder mit der Hoffnung an, dass diese Zeilen Euch in einem Moment
der Ruhe erreichen, und dass Ihr meine erneute Kontaktaufnahme nicht als Drängen,
sondern als Ausdruck ehrlicher Anteilnahme an der Lage unserer Insel begreift. Die
vergangenen Tage haben, wie mir zugetragen wurde, Euren Haushalt und Eure
Amtsgeschäfte stark gefordert, weshalb ich Euer Zögern, ein Treffen zeitnah zu
ermöglichen, mit Verständnis annehme.

Nichtsdestoweniger ist die Situation Moonglows in einer Phase angelangt, die
uns — als Verantwortliche, Schutzgebende und Handelnde — zu einem baldigen
Austausch bewegt. Die Lage der Flüchtlinge, die zunehmende Unruhe in den
Straßen und die Berichte über widernatürliche Gestalten, die es wagen, nach
Einbruch der Dunkelheit zwischen den Häusern zu wandeln, erfordern eine
gemeinsame Haltung. Junge Mädchen wagen sich kaum noch allein hinaus, und
auch reisende Händler sprechen bereits von Unsicherheit, die dem Wohlstand
der Insel abträglich sein könnte.

Das Haus Ky’Alur ist bereit, sich großzügig und tatkräftig einzubringen,
um zur Stabilisierung der Lage beizutragen — und ich sehe in einem
diskreten Treffen zwischen uns beiden die Gelegenheit, über Formen
der Zusammenarbeit zu sprechen, die Moonglow stärken und für alle
Parteien vorteilhaft sein werden.

Ich erwarte Eure geschätzte Antwort mit Wohlwollen.

Ky'Alur
Ilharess des Hauses Ky’Alur
(_________________________________________________________________________O

Jhea'kryna betrachtete ihre Namen unter dem Dokument - Ky'Alur - seit Jahrhunderten hatte sie sich nur so vorgestellt, ihren eigenen Vornamen beinah in Vergessenheit geraten lassend. Sie legte die Feder beiseite, betrachtete das Siegelwachs, das langsam über den Rand tropfte, und drückte das Wappen des Hauses Ky’Alur in die Masse, bis es sich vollends formte. Für einen Atemzug verharrte sie, betrachtete das Werk, und ein kaum hörbares Lachen entwich ihrer Kehle, so weich, dass es fast freundlich hätte klingen können, wäre nicht dieser dunkle Glanz in ihren Augen gewesen.

Denn sie wusste, was sie wollte.

Sie wollte Instabilität — nicht offen, nicht plump, nicht so, dass man sie schuldig sprechen konnte, sondern wie ein Gift, das man nicht schmeckt und nicht riecht, das jedoch seine Wirkung entfaltet, während alle glauben, es handle sich um einen natürlichen Zerfall. Im Süden der Insel würden sich Orks verborgen halten, jene rohen, brutalen Kreaturen, die dennoch einem Glauben folgten, der in ihr ein seltsames, beinahe vertrautes Klingen auslöste. Mit ihnen würde sie reden, früher oder später, und wenn die Zeit kam, würden sie ein Werkzeug sein, das sie führen konnte wie ein Dolch in einer ungeübten Hand.

Alniira und ihre Bande — sie betrachtete sie nicht als Schwestern, sondern als Verräterinnen, als Abfall, als eine Gruppe, die nur darauf wartete, dass jemand sie als Sündenböcke präsentieren konnte. Schon bald würde man ihnen eine Mitschuld an der Misere der Flüchtlinge geben. Flüchtlinge, die unter der Hand in die Drogensucht getrieben wurden, die im Rausch, in der Verwirrung, vielleicht sogar in der rasenden Panik die falschen Menschen anfallen würden. Und wenn es soweit war, wenn die Menge nervös wurde, wenn hungernde Familien gegen wütende Bürger standen, wenn die Wachen unter Druck gerieten und ein falscher Befehl gereicht hätte, um Chaos zu entfesseln, dann würde die Gräfin einen Fehler machen. Einen Fehler, für den man sie verantwortlich machen konnte.

Und inmitten all dessen sollte Lyr’sa schimmern wie ein freundlicher Stern am Horizont. Lächerlich freundlich, lächerlich hilfsbereit, und gerade deswegen so glaubwürdig. Die Menschen würden sie mögen, sie würden dem Qu’ellar danken, und wenn die Frage käme, wer Moonglows wahre Verbündete seien, würde niemand mehr den Namen Schwarztann flüstern. Vielleicht — Jhea schmunzelte bei dem Gedanken — vielleicht würde sogar Tath’raen Hauptmann der Wache werden. Der Gedanke war kühn, dreist und gefährlich, und gerade deshalb so reizvoll. Als der Bote den Brief holte und die Tür hinter sich schloss, blieb Jhea allein zurück. Sie trat ans Fenster, sah auf die Stadt hinaus und ließ das Lächeln, das sie so selten zeigte, frei in ihrem Gesicht aufblühen.

Moonglow wusste es noch nicht.
Aber die Fäden lagen längst in ihrer Hand.

Und sie liebte es mit diesen zu spielen.


⊱⋅ ───────── ༻ 𝔎𝔶'𝔄𝔩𝔲𝔯 ༺ ───────── ⋅⊰
Benutzeravatar
Bareti
Beiträge: 55
Registriert: 07 Mai 2025, 10:46
Wohnort: Moonglow

Zu helfen, wenn es nötig wird [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Bareti »

Der Morgen begann in der Taverne wie so viele andere: mit einem Topf, der dringend Aufmerksamkeit verlangte und einer Wirtin, die sich gerade fragte, ob der Eintopf über Nacht vielleicht eine eigene Persönlichkeit entwickelt hatte. Bareti rührte so konzentriert, als würde sie eine hochkomplizierte Beschwörungsformel entschlüsseln.

Da flog die Tür auf, und Nicoletta kam herein – außer Atem, leicht gerötet und mit dem entschlossenen Gesichtsausdruck einer Frau, die etwas Wichtiges zu berichten hatte. Begrüßt wurde sie von einem warmen Duft aus Kräutern, Eintopf und… konzentrierter Verzweiflung.

„Morgen, Bareti“, rief sie, etwas kurz angebunden. „Ich komme gerade vom Markt und habe gesehen, dass Lyr’sa Flüchtlinge am Lager südlich des Marktes versorgt. Sie hilft da schon seit Sonnenaufgang. Es sieht so aus, als könnte sie echt Unterstützung gebrauchen.“

Bareti richtete sich auf, die Kelle noch in der Hand, und nahm einen tiefen Atemzug, der eindeutig sagte: Natürlich passiert das genau jetzt.

Dann wanderte ihr Blick zu den Lebensmitteln, die sie gestern für eine spätere Spendenaktion zusammengesammelt hatte: Brot, Gemüse, Fisch — und drei prall gefüllte Körbe frischer Äpfel, die eigentlich für ihren nächsten Mostansatz gedacht waren.

„Willst du hin?“, fragte Nicoletta.

Sie seufzte. „Aber ja, der Most läuft mir ja nicht weg. Und die Äpfel tun wenigstens etwas Sinnvolles, bevor ich wieder irgendetwas in die Luft jage.“

Nicoletta hob eine Braue. „Ich komm mit, wenn du magst, Moment... Wieder?“

„Lange Geschichte.“ mit einer kurzen Geste winkte die Magierin ab und besah sich die Taverne. „Und ja, unbedingt.“ Bareti schnaubte leise. „Du weißt ja, wie ich mit Karren fahre. Das Letzte, was die Flüchtlinge brauchen, ist eine fliegende Fischlieferung.“

Nicoletta lachte. „Dann laden wir eben zusammen. Aber was machen wir mit der Taverne, Ulaf ist ja auch unterwegs?“

„Die Taverne bleibt offen, wir stellen einige Flaschen auf den Tresen und etwas Essen dazu. Die Stammgäste können sich selbst bedienen.“

Mit einer Mischung aus Pflichtbewusstsein, mildem Chaos und einem Hauch Trotz packten die Wirtin und Nicoletta kurzerhand alles zusammen: den großen Topf Eintopf, zwei Körbe Brot, die halbe Fischlieferung vom Hafen — und die drei Körbe Äpfel, die noch am Vorabend glänzend sortiert worden waren, als wären sie heilige Artefakte.


───── ───── ⋆⋅☆⋅⋆ ───── ─────


Der Karren hinter der Taverne sah aus, als hätte er bereits jetzt genug vom Tag. Thorian hatte sich seiner annehmen wollen, aber darauf konnten die beiden jetzt nicht länger warten. Bareti und Nicoletta standen davor, zwei Körbe Brot, ein Topf Eintopf, Fische – und drei Körbe Äpfel im Arm.
Gemeinsam hoben sie den ersten Korb auf den Karren. Der Karren knarzte dramatisch.

„Der beschwert sich jetzt schon“, murmelte Nicoletta.

„Ich auch, aber keiner hört zu“, gab Bareti zurück und setzte den zweiten Korb oben drauf.

Beim dritten Korb rutschte ein Apfel heraus, sprang elegant über Baretis Schuh und rollte Richtung Böschung.
„Nicht der!“ rief sie und hechtete hinterher. Nicoletta stützte währenddessen den Karren, der beschlossen hatte, die Gelegenheit für einen Fluchtversuch zu nutzen.

„Kannst du bitte helfen und keine Obstrettungsakrobatik machen?“, rief Nicoletta.

„Ich rette, was sich retten lässt!“

Als alles verstaut war, holten beide tief Luft und fassten an die Griffe.
Der Karren ruckte, ächzte – und setzte sich widerwillig in Bewegung.

„Hast du ihn verzaubert?“, fragte Nicoletta misstrauisch.

„Nur angesehen“, sagte Bareti unschuldig. „Mit einem sehr positiven Blick.“

„Bitte behalt den für Menschen. Der Karren macht mich nervös.“

Der Weg zum Lager verlief erstaunlich gut, abgesehen von drei beinahekippenden Fischkisten, einem weiteren flüchtenden Apfel und dem Moment, in dem Bareti fragte:
„Sag mal… ist das normal, dass ein Karren beleidigt klingt?“

Nicoletta lachte. „Nur, wenn du ihn ziehst.“

Und so kamen sie schließlich – nicht elegant, aber durchaus triumphierend – mit Karren, Äpfeln und Eintopf am Flüchtlingslager an.


───── ───── ⋆⋅☆⋅⋆ ───── ─────


Am Flüchtlingslager

Das Lager war belebt. Menschen standen in einer improvisierten Schlange, manche mit Kindern, manche mit leeren Blicken, manche mit schiefen Lächeln, die sagten: Wir sind erschöpft, aber wir halten durch, irgendwie.
Und mittendrin: Lyr’sa.

Sie arbeitete konzentriert, ruhig, und die Art, wie sie Schüsseln weitergab, wirkte fast schon meditativ. Es war ihr anzusehen, dass sie der Tätigkeit sehr viel beimaß und sich der Wirkung bewusst war.

Nicoletta winkte ihr zu. „Guten Morgen, Lyr’sa! Wir bringen Nachschub!“

Lyr’sa schaute sogleich zu ihnen, doch sie änderte kaum ihre Haltung. Sie wirkte weder überrascht noch überfordert — nur einen Hauch entspannter, als sie die beiden erkannte.

„Ihr kommt zur rechten Zeit“, sagte sie schlicht.
Kein überschwängliches Willkommen, aber in ihrer Stimme lag eine leise, ehrliche Erleichterung.
„Es sind viele. Und es werden noch mehr.“

Nicoletta zögerte keine Sekunde und hob den Eintopf auf einen der provisorischen Tische und begann damit bei der Ausgabe zu helfen.

Bareti lud einen der Körbe voll Äpfel ab, wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und beugte sich neugierig über die Speisen, die die Dunkelelfen ausgaben.

Der Duft war… interessant. Nicht unangenehm, nur fremd. Ein bisschen wie etwas, das ein Alchemist kocht, der gleichzeitig kochen lernen will und ein besonderes Verhältnis zu kräftigen Kräutern hat.

„Darf ich probieren?“, fragte Bareti.

Lyr’sa nickte.

Sie nahm einen kleinen Löffel, kostete – und blieb höflich.
Sehr höflich.

„Es ist… kräftig“, sagte sie diplomatisch. „Sehr… ausdrucksstark.“

Nicoletta warf ihr einen Seitenblick zu. „Kräftig heißt also‚ du kämpfst innerlich ums Überleben?“

„Nein! Es ist eigentlich gut. Nur… anders. Ich glaube, der menschliche Geschmacksinn unterscheided sich von dem der Drow.“
Sie hielt sich eine Hand an den Bauch. „Und mein Verdauungssystem bittet jetzt schon um eine Auszeit.“

Es war kein Drama, kein Würgen, nur ein höflich-unhöfliches Zusammenzucken – der instinktive Das-ess-ich-jetzt-aber-nur-für-die-Gastfreundschaft-Blick.


───── ───── ⋆⋅☆⋅⋆ ───── ─────


Während Nicoletta bereits Brot und Fische verteilte, sah Bareti erneut auf das drowische Essen.

„Eigentlich könnte ich… etwas tun“, murmelte sie leise zu sich selbst, nicht bedenkend, wie gut die elfischen Ohren arbeiteten.

Lyr’sa hob eine Braue. „Etwas tun?“

„Nur geschmacklich! Ich könnte die Schärfe etwas binden und die Bitterstoffe mildern. Ein paar Tropfen einer milden Absorptionslösung… ein Kräuterpulver… etwas Magie, die kaum der Rede wert ist.“

Lyr’sa überlegte kurz. Dann nickte sie, langsam, bedächtig. „Wenn es den Menschen hilft und bekömmlicher wird – tu es.“

Bareti zog ihren kleinen Gürtelbeutel hervor, öffnete ihn mit der Theatralik einer Bühnenmagierin und holte zwei Phiolen heraus – eine klar und leicht schimmernd, die andere gefüllt mit feinem, goldbraunem Pulver.

„Die hier“, erklärte sie, „nimmt ein bisschen von der Schärfe. Und die hier bindet das Bittere. Danach schmeckt’s einfach runder. Versprochen.“

Nicoletta schnaubte. „‚Runder‘ klingt nach 'ich hoffe, es explodiert nicht'.“

„Ich hab’s dutzende Male benutzt“, entgegnete Bareti und schüttelte das Pulver behutsam ein. „Naja… mindestens fünf mal.“

Nicoletta hob eine Braue. „Fünf?“

„Fünf erfolgreiche.“

Sie mischte die Tropfen ins Essen, rührte sanft, und murmelte ein winziges Wort, das eher wie ein Summen klang. Die Dämpfe wurden weicher, der Geruch milde.

Ein Mann aus der Schlange probierte vorsichtig. Dann nickte er, erstaunt.
„Das ist… richtig gut.“

Bareti strahlte. „Seht ihr? Ein Hauch weniger ... Gewalt, ein Hauch mehr Harmonie.“

Lyr’sa musterte sie. „Du hast Talent.“

„Nein, ich habe ein Trauma. Ich musste meinen eigenen Most jahrelang retten.“


───── ───── ⋆⋅☆⋅⋆ ───── ─────
Bild
───── ☆ ───── ⋆⋅✦⋅⋆ ───── ☆ ─────


Als die ersten Portionen verteilt und der erste Andrang bewältigt war, öffnete Nicoletta die Apfelkörbe – und sofort wurden die Kinder aufmerksam. Zwei der Mutigeren liefen zuerst los, dann der Rest. Erwachsene folgten etwas zögerlicher, doch der Duft frischer Äpfel wirkte wie ein Magnet.

„Langsam, langsam! Jeder bekommt einen“, rief Nicoletta lachend, während sie versuchte, die kleinen Hände daran zu hindern, gleich doppelt zuzugreifen.

Bareti lehnte sich kurz an den Karren, sah dem Treiben zu und schmunzelte.
„Weißt du“, sagte sie leise, „eigentlich wollte ich aus denen eine neue Mostladung machen. Ich hab schon seit Wochen keine Zeit mehr dafür.“

Nicoletta reichte einem Jungen einen besonders roten Apfel. „Und jetzt opferst du sie einfach?“

„Opfern?“ Bareti lachte leise. „Nein. Ich setze meine Prioritäten. Der Most läuft mir nicht weg – aber die Leute hier brauchen heute etwas, das gut tut.“

Nicoletta nickte zustimmend. „Und du kannst jederzeit neuen Most ansetzen.“

„Genau“, erwiderte Bareti. „Wenn es ruhiger wird. In… sagen wir… drei bis zwölf Monaten.“

Nicoletta grinste. „Also nie?“

„Also vielleicht.“

Beide lachten – und reichten weiter Äpfel an kleine und große Hände, die sie dankbar entgegennahmen.


───── ───── ⋆⋅☆⋅⋆ ───── ─────


Als der größte Andrang schließlich verebbte, standen die drei Frauen einen Moment lang einfach nur dort – zwischen leeren Schüsseln, erschöpften Flüchtlingen und dem letzten Dampf, der aus dem Eintopfkessel stieg. Alle drei schwitzend, alle drei müde… aber zufrieden.

Bareti rückte sich die Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich seit Beginn der Aktion hartnäckig gelöst hatte.
„Wenn du wieder Hilfe brauchst“, sagte sie leise zu Lyr’sa, „meld dich einfach. Wir sind nur eine Karrenlänge entfernt.“

Lyr’sa sah nicht direkt zu ihr, aber ihr leichtes Nicken wirkte aufrichtig.
„Ihr habt die Arbeit leichter gemacht. Und den Tag besser.“

Nicoletta, die gerade einen letzten Apfelkern in den Abfallbeutel schnippte, lächelte breit.
„Wir kommen gern wieder. Sag einfach Bescheid. Ich bring den Karren, Bareti bringt Magie – und vielleicht sogar noch ein paar Äpfel.“

„Vielleicht“, erwiderte Bareti und sah auf den inzwischen völlig leeren Karren. „Obwohl… wenn ich noch mehr Äpfel weggebe, muss ich mir irgendwann eingestehen, dass mein nächster Most erst in einem halben Jahr entsteht.“

Nicoletta stieß sie sanft mit der Schulter an. „Das nennt man Prioritäten setzen.“

„Ich weiß“, sagte Bareti und strich über die Karrenseite, als würde sie sich bei ihm bedanken. „Und heute waren sie richtig.“

Ein Windstoß wehte über das Lager und brachte die Stimmen der Menschen mit sich, die die Äpfel teilten oder mit milderem Essen lächelnd beisammen saßen.
Bareti atmete tief ein und nickte vor sich hin, mehr zu sich selbst als zu den anderen.

„Gut“, sagte sie. „Dann lohnt sich der Most auch noch, wenn er später kommt.“

Nicoletta hakte sich bei ihr ein. „Und bis dahin retten wir eben weiter die Welt. Einen Apfel nach dem anderen.“

Lyr’sa hob den Blick, kurz, ruhig.
„Ihr seid willkommen hier“, sagte sie leise.

Und so machten sich die drei schließlich auf den Rückweg – müde, aber mit dem angenehmen Gefühl, etwas Kleines, aber Wichtiges getan zu haben.
- Bareti, Wirtin der Taverne
Benutzeravatar
Rianon
Beiträge: 59
Registriert: 14 Mai 2025, 17:45

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Rianon »

Der Werwolf schaute auf die Drow, die er in seiner Klaue festhielt. Sie sah nicht besonders fröhlich aus, an ihrem Arm zu hängen, aber Rianon war sich sehr sicher, dass er sie nicht auf dem Boden absetzen würde. Sicherheitshalber schnupperte er an der Drow, die ihm aus Dankbarkeit mit ihrer freien Hand kräftig auf die Nase schlug. Rianon jaulte einmal auf und hielt die Drow am langen Arm von sich weg. Seine Rache kam auch sofort, denn der Schlag sorgte dafür, dass Rianon kräftig niesen musste. Wer jemand das Heulen eines Werwolfs gehört hatte, dem könnte die Angst in die Knochen kriechen, wer einen Werwolf niesen hört...hört ein Donnern und dann spührt er auch die Gischt in Form von Schnodder; sehr viel Schnodder.
Rianon schüttelte den Kopf und rieb sich die Nase, während die Drow - nun von Schleim bedeckt - noch weniger fröhlich aussah, als zuvor. Na gut, dann bringen wir dich mal weg. Dachte sich Rianon und stapfte in Richtung des Hauses von Alniira und Talos, die Wölfe reihten sich hinter ihm ein.
In dem Haus saßen Alniira und Talos gerade über ihrem Eintopf gebeugt. Leise klapperte das Geschirr, und ihre Stimmen erfüllten den ruhigen Raum. Bis die Tür aufging oder, besser gesagt, als die Tür aus den Angeln flog und scheppernd auf dem Boden landete. Ups schoss es Rianon durch den Kopf. Den nun doch erstaunten Blick der Drow bemerkte er dabei nicht. Der Blick von Alniira war auch wesentlich einschüchternder als jede junge Drow es jemans geschafft hätte. Unweigerlich legte Rianon die Ohren an und stieß ein leises Jammern aus. Die Wölfe waren auch plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Eher als eine Art Entschuldigung denn einer Geiselübergabe hob er die Drow hoch und wackelte kurz mit ihr. In Alniiras Blick mischte sich nun Interesse, Ärger, Neugierde und Wut. Talos hingegen holte einen Besen.
Zynrae Ky'Alur
Beiträge: 2
Registriert: 22 Nov 2025, 17:39

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Zynrae Ky'Alur »

Die letzten Sonnenstrahlen fielen durch die Baumkronen und die Schatten wurden wieder länger, als Zynrae das Qu’ellar betrat, um ihren heutigen Bericht der Beschattung von Jolanda Pappmacher abzugeben. Kaum hatte sie den ersten Schritt über die Schwelle gesetzt, teilte man ihr mit, sie solle der Ilharess sofort persönlich Bericht erstatten.

Ein Schwall aus Aufregung und leiser Furcht fuhr durch sie. Ihre Muskeln spannten sich, bereit zu fliehen oder zu kämpfen. Den kleinen Fluch, der ihr beinahe entwischt wäre, schluckte sie gerade noch rechtzeitig hinunter. Auf dem Weg nach oben atmete sie bewusst ein und aus, befahl ihren Muskeln Entspannung. Sie richtete den Oberkörper auf und hob das Kinn. Wer den Eindruck eines verängstigten Kaninchens erweckte, wurde auch wie eines behandelt. Stärke und Unterwürfigkeit, die richtige Mischung, gaben einer Ilharess am wenigsten Anlass zur Beanstandung. Ein Balanceakt, bei dem kein Zuviel auf einer Seite geduldet wurde.

Auf die Aufforderung zum Eintreten hin betrat sie den Raum der Ilharess. Mit dem ersten Schritt senkte sie den Blick auf den Boden direkt vor sich und ging bis vor den Schreibtisch.

"Malla Ilharess“, sagte sie klar und verbeugte sich tief.

Als sie sich wieder aufrichtete, blieb ihr Blick bewusst am Rand des Schreibtisches hängen. Ihre Ausbilderinnen hatten ihr nie erlaubt, ihnen ohne ausdrückliche Erlaubnis in die Augen zu sehen, eine Lektion, die man nur einmal falsch machte. Ihre Neugier prickelte dennoch in ihrem Nacken und nur zu gerne hätte sie sich neugierig umgesehen. Doch sie spürte den abschätzenden Blick der Ilharess auf sich ruhen.

Erst als sie eine auffordernde Geste wahrnahm, begann sie mit fester Stimme zu sprechen. In den letzten beiden Tagen hatte sich die Tagesstruktur Jolandas nicht verändert. Kurz und präzise fasste sie die wesentlichen Punkte zusammen. Weder am Anwesen der Gräfin noch an Jolandas Haus war etwas Auffälliges geschehen. Sie griff in ihre Tasche und zog einen sauber gefalteten Stapel Papiere hervor. Die Schrift darauf war klar, ordentlich, ohne Schnörkel. Zynrae legte den ausführlichen Bericht auf den Schreibtisch.

Erneut spürte sie, wie der Blick der Ilharess prüfend über ihren Körper glitt. In ihrem Augenwinkel sah sie ihren eigenen Schatten vor Aufregung zucken. Verdammter Mist. Sie musste sich endlich zusammenreißen. Vielleicht hatte sie Glück und der Ilharess war nichts aufgefallen. Doch als die Ilharess näher an den zuckenden Schatten herantrat, schwand jede Hoffnung. Sie hielt inne, nur einen Atemzug lang, aber lang genug. Dann griff sie nach etwas auf ihrem Schreibtisch und hielt Zynrae eine schmale Phiole entgegen. Zynrae nahm sie eine türkisfarbene Flüssigkeit entgegen. Auf der Phiole prangte eine #6.

„Trink.“

Der Befehl war ruhig ausgesprochen und genau deshalb unmissverständlich. Zynrae zögerte nicht. Sie setzte die Phiole an und ließ die Flüssigkeit ihre Kehle hinabgleiten. Zögern hätte keinen Sinn gemacht, das wusste sie. Was immer nun geschehen würde, würde geschehen. Dieses Wissen hinderte den kalten Schub Furcht jedoch nicht daran, ihr Rückgrat hinunterzufahren. Ihre Anspannung ließ sie den Geschmack nicht einmal wahrnehmen.

Zunächst geschah nichts, außer dass sich eine Wärme in ihrem Magen ausbreitete. Dann kam ein merkwürdiges Gefühl: wie eine gläserne Glocke, die sich über ihren Geist senkte. Ihre Gedanken waren nicht länger ein seichter Bach, sondern schwollen an zu einem reißenden Strom, der das Hier und Jetzt mit sich riss. Bilder, Erinnerungen blitzen in ihrem Inneren auf, rissen an ihr, zogen sie fort. Ein Geräusch drang an ihr Ohr. Worte vielleicht, aber sie konnte sie nicht verstehen. Doch ihr Mund öffnete sich ohne ihr Zutun und die Erinnerungen in ihrem Geist formten sich zu Worten, die in fremder, entrückter Stimme über ihre Lippen glitten. Zynrae hörte die Worte nicht. Sie konnte den Strom nicht stoppen. Sie war ihm ausgeliefert. Sie wusste nicht, wie lange der Zustand anhielt. Minuten, Stunden, vielleicht Tage, sie wusste es nicht und die Zeit verlor jede Bedeutung.

Dann hörte sie die Stimme, die sie schon immer gekannt hatte. Sie klammerte sich daran, konzentrierte sich, folgte ihr. Etwas griff nach ihr, zog an ihr, floss durch sie hindurch. Nicht taub wie der Zustand zuvor, sondern kalt, schneidend, dunkel. Es drang in ihren Geist, schuf Raum, wo keiner gewesen war, und zwang den Strudel der Bilder in die Knie.
Zynrae spürte ihren Körper wieder. Sie stand aufrecht, auf wackeligen Beinen, schweißüberströmt, zitternd. Worte wurden gesprochen und gerade als sie versuchte, ihren Sinn zu erfassen, setzte sich ihr Körper schon in Bewegung. Sie verbeugte sich und verließ schwankend den Raum.

Sie schleppte sich zu ihrem Bett, zog mit ruckartigen Bewegungen die Decke über sich und ergab sich der bleiernen Müdigkeit und der verheißungsvollen Dunkelheit.


Als Zynrae am nächsten Morgen erwachte, bewegte sie langsam ihre Glieder, fühlte in sich hinein. Aber da war nichts mehr, keine Bilder, keine Schwere mehr. Erleichtert atmete sie aus. Gerade als sie sich gewaschen und frische Kleidung angelegt hatte, öffnete sich die Tür und eine junge Dienerin trat ein.

„Zynrae, die Malla Ilharess schickt nach dir.“

„Ich komme sofort.“

Mit ruhigen Schritten verließ sie ihr Zimmer und die Schatten folgten ihr, lautlos und wachsam.
Zuletzt geändert von Zynrae Ky'Alur am 03 Dez 2025, 22:21, insgesamt 1-mal geändert.
Lyr'sa Teb'inyon
Beiträge: 75
Registriert: 31 Mai 2025, 11:17

Das Gewicht eines Lobes... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Lyr'sa Teb'inyon »

Der Gang zur oberen Etage der Schmiede schien Lyr’sa länger als üblich, vielleicht weil sie jeden einzelnen Schritt bewusst setzte, vielleicht weil ihr Magen seit Stunden so fest verknotet war, dass sie kaum wusste, ob es Furcht, Erschöpfung oder beides zugleich war. Das Arbeitszimmer der Ilharess lag still da, die Tür einen Spalt offen, und allein der Gedanke, sie gleich durchschreiten zu müssen, ließ ihre Finger zittern. Dennoch tat sie es – es war nicht ihre Entscheidung, und niemals würde sie sich erlauben, eine Anweisung zu ignorieren.

Sie trat ein, sank sofort auf die Knie, den Kopf dabei tief gebeugt und den Blick fest auf den Boden gerichtet, als könnten die Bodendielen sie vor den Möglichkeiten schützen, die in Jhea'krynas Schweigen wohnten. Der Raum roch nach Tinte, kaltem Metall und einer Spur violettem Rauch, die sie nie genau einordnen konnte. Die Ilharess saß an ihrem Tisch, Feder in der Hand, und das leise Schaben auf Pergament war das einzige Geräusch.

„Berichte.“
Die Stimme klang ruhig, warm sogar, doch Lyr’sa wusste, wie trügerisch das war; Wärme war nur ein anderer Ausdruck von Kontrolle.

„Malla Ilharess,“ begann sie mit deutlich bebender Stimme, „die Nahrung wurde verteilt. Hafer, Hirse und das Brot aus den Vorräten des Qu’ellars. Es gab viele, die sie dringend benötigten.“ Sie schluckte, wagte nicht, auch nur einen Finger zu bewegen. „Ich… äh… war dabei nicht alleine.... Bareti, schickte sich an auszuhelfen konnte. Es waren mehr Hungrige, als ich allein bedienen konnte.“

Es folgte eine Stille, so dicht und schwer, dass Lyr’sa fürchtete, ihr eigener Atem könne sie verraten. Dann hörte sie ein leises, fast… zufriedenes Ausatmen.

„Sehr gut, Lyr’sa.“

Das war ein Lob. Ein echtes. Nicht jenes kalte, distanzierte „gut“, das man einem Diener hinwarf. Nein, es war wärmer, wohlwollend, und dennoch – es schauderte sie, denn etwas im Unterton verriet, dass ihre Herrin mit weit mehr zufrieden war als nur mit dem Verteilen von Lebensmitteln. Und auf einmal fühlte sich Lyr'sa wie eine Verräterin. Bareti war ihr Freundin und Lyr'sa schollt sich selbst dafür Bareti nicht gewarnt zu haben, dass diese nun der Ilharess genau in die Hände gespielt hatte.
Sollte Sie sie warnen...? Oder Schweigen und so tun als hätte sie nichts bemerkt? Ihre Knie wurden weich und ihr Magen begann zu rebellieren bei dem Zwiespalt der sich in ihr formte.
'Nur nichts anmerken lassen, atme weiter... atme... ein... aus... ein''
Sie hob kurz den Blick und sah das zufriedene Lächeln auf den Lippen der Ilharess die erneut einige Zeilen zu Papier brachte. Schnell senkte Sie den blick, die Ilharess direkt anzublicken konnte unvorhergesehene Konsequenzen haben...

„Ihr habt ein… gutes Bild abgegeben,“ fügte Jhea’kryna hinzu, und Lyr’sa glaubte, ein Lächeln in ihrer Stimme zu hören.
Es war dieses Lächeln, das sie erschaudern ließ.

„Du darfst nun gehen.“, und Jhea machte eine entlassende Geste mit ihrer linken Hand.

Lyr’sa erhob sich nicht sofort; sie spürte den Drang, rückwärts aus dem Raum zu kriechen, doch sie zwang sich, aufzustehen, ohne zu zittern. Als sie sich halb zur Tür gedreht hatte, sah sie im Augenwinkel eine Bewegung – Zynrae trat herein, stumm wie ein Schatten. Lyr’sa wich ihr instinktiv aus, denn allein die Präsenz der Magierin erzeugte ein Kribbeln in ihrem Nacken. Sie wusste nicht, warum Zynrae gerufen worden war, wollte es aber auch nicht wissen.
Sie floh, sobald sie konnte.

Der Flur unter ihr war kühler, und Lyr’sa sog die Luft ein, als hätte sie unter Wasser gestanden. Sie wollte weitergehen, sich verstecken, arbeiten, irgendetwas tun. Doch dann erstarrte sie, denn unten an der Treppe bemerkte sie Bewegung: zwei Krieger des Hauses führten drei der Flüchtlinge, die sie selbst gefüttert hatte, hinab in den Kerker unter der Schmiede. Sie wirkten benommen, müde, als würden ihre Beine sie kaum tragen.
Ihre Kehle wurde trocken.

Sorn stand am Ende der Treppe, die Arme verschränkt, ein erwartungsvolles, beinahe kindlich freudiges Grinsen auf den Lippen. Er nickte den Wachen zu, als wären das Gäste, die zu einem Festmahl gebracht wurden. Lyr’sa machte einen Schritt zurück, dann noch einen, leise, vorsichtig, so unauffällig wie möglich. Sie wollte nicht wissen, was passieren würde. Sie wollte nur nicht, dass irgendjemand sah, dass sie gesehen hatte, was geschah. Als sie wieder in den hinteren Gang trat, in die Geräusche der Schmiede, das Klirren von Metall, das vertraute Echo der Arbeit, spürte sie, wie sich ihr Atem beruhigte – doch im Innern blieb ein Knoten, hart und dumpf.

Sie würde heute Nacht nicht gut schlafen. Aber sie lebte an einem Ort, an dem Schlaf ohnehin selten sicher war.
Und das Wissen, dass die Ilharess zufrieden gewesen war, würde ihr genügen.
Jhea'kryna Ky'Alur
Beiträge: 97
Registriert: 07 Mai 2025, 10:46

Lektion im Kerker... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Jhea'kryna Ky'Alur »

Zynrae hatte am nächsten Tag kaum die Schwelle des Arbeitszimmers überschritten, da war Jhea’krynas Blick bereits auf sie gefallen. Wachsam wie der eines Raubtiers, das längst entschieden hat, ob es frisst oder lehrt. Die junge Magierin war blass, deutlich blasser als gewöhnlich - sofern man dies bei einem Drow erkennen konnte-, und das Zittern ihrer Hände verriet, dass der Apfelmost #6, vom Vortag seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Der Most war keine Droge im gewöhnlichen Sinne; er war ein altes, unterschwellig wirkendes Gebräu, das Erinnerungen löste, Bewusstsein schärfte und zugleich jene Schleier hob, die man selbst vor sich zu werfen pflegte, wenn man etwas nicht sehen wollte. Während Zynrae damit rang, die aufkommenden Bilder ihrer eigenen Vergangenheit zu ordnen, musterte Jhea sie mit einem Ausdruck, der einer Mischung aus Strenge, Zuneigung und einer leisen Erwartung glich.

„Du wolltest lernen,“ sagte Jhea ruhig, während sie sich erhob und einen Blick zur Tür warf. „Dann wirst du lernen.“

Es war Keine Drohung, lediglich ein geäußerter Fakt.
Sie gab ein knappes Zeichen, und Zynrae folgte ihr, zwar ein wenig schwankend, aber bemüht, ihre Haltung nicht gänzlich zu verlieren. Der Weg in den Keller führte über eine schmale Treppe, deren Stufen vom Gebrauch dunkel poliert waren. Die Luft wurde kühler, schwerer, und ein fernes metallisches Klirren kündigte an, dass Sorn bereits unten wartete.
Als sie den Kerker erreichten, veränderte sich die Stimmung schlagartig. Fackeln warfen zuckende Schatten über die Wände, und in der Mitte des Raumes stand eine Streckbank, auf der ein Mann festgeschnallt war, dessen Atem flach ging, dessen Augen halb geschlossen waren und dessen Körper bereits unter dem Einfluss des Betäubungsmittels stand. Sorn, in seiner Lederrüstung, kam einen Schritt vor, verneigte sich tief und mit jener ehrerbietigen Geste, die er ausschließlich seiner Ilharess entgegenbrachte. Sein Gesicht verriet Vorfreude, aber keine unkontrollierte Gier; er war ein Meister seiner Kunst, diszipliniert, präzise, völlig bei sich – genau deshalb respektierte Jhea ihn.

„Malla Ilharess,“ sagte er, „alles ist vorbereitet.“
Jhea nickte nur knapp, dann wandte sie sich an Zynrae, deren Nervosität die Luft beinahe flimmern ließ. „Dies ist keine Folter,“ erklärte Jhea mit leiser Stimme. „Dies ist Erkenntnis. Du wirst sehen, was ich sehe. Und du wirst lernen, wie man die Fäden eines Geistes berührt.“
Sorn flößte ihm etwas von dem Apfelmost #6 ein den Jhea Bareti gegenüber einst als Thalnyssa getauft hatte.
Sie legte ihre Finger an die Schläfen des Mannes, kaum mehr als eine Federberührung, doch der Effekt war unmittelbar: sein Körper spannte sich, seine Augen weiteten sich, und ein erstickter Laut entrang sich seiner Kehle. Zynrae presste die Lippen zusammen, als könne sie sich so gegen das Eindringen fremder Bilder schützen, doch sie wusste, dass dies vergeblich war.

Die Erinnerung brach hervor wie ein Riss in der Erde:

Ein kleines Dorf. Ein Junge von vielleicht zehn Jahren, lachend, rennend, mit wildem Haar und strahlenden Augen.
Eine Frau, die ihn jagte, lachend, warm, voller Leben. Ein Mann, der das Ganze beobachtete,
die Arme verschränkt, zufrieden, erfüllt von jener stillen Freude, die nur Familien kennen.
Zynrae sah es, Jhea spürte es, und der Gefangene durchlebte es.

Dann die Kometen.

Der Himmel brannte, das Licht wurde zu Schatten, und die Schreie des Dorfes klangen wie die Stimmen eines sterbenden Tieres.
Die Frau erstarrte, ihre Augen wurden schwarz wie Pech, und als der Junge auf sie zulief, geschah es: eine Bewegung, schnell und
unmenschlich, und die Klinge drang in seinen kleinen Körper wie ein Feuerstoß. Blut spritzte. Dann noch ein Hieb. Die Hände des Jungen,
die sie berühren wollten, sanken kraftlos herab.

Der Mann schrie, kämpfte, flehte, doch die Frau wandte sich nun gegen ihn, ihre Bewegungen grotesk verzerrt, von einem
Schatten gelenkt, den er nicht sah, aber fühlte. Sie jagte ihn durch das Haus, und Zynrae spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte.
Der Mann schaffte es, eine Tür zuzuschlagen, sie von außen zu verkeilen, und das Kratzen, jenes furchtbare Kratzen, das Jhea sah –
dieses Kratzen ging ihr in die Knochen. Er rannte so schnell ihn die Beine trugen. Stürzte einen abhag herunter, Weinte
unkontrolliert als die Erkenntnis über das Geschehene ihn übermannten. Dann... brach die Erinnerung ab.

Schließlich begann sie von vorn.
Dann noch einmal - Und noch einmal.
Und jedes Mal verdrehte Jhea die Szenen subtiler, zog einzelne Stränge enger, verschob Blickwinkel, vertauschte Gesichter, bis schließlich die Frau in der Erinnerung sich veränderte und die Züge von Jolanda Pappmacher annahm – zuerst nur in der Augenform, dann im Mund, schließlich im ganzen Gesicht. Zynrae sah sprachlos zu, wie Jhea diese neue Maske mit einer Feinheit in das Bewusstsein des Mannes webte, gleich der Beschreibung des Gesichts welches Sie kurz zuvor in ihren Berichten geschildert und gezeichnet hatte, die gleichermaßen atemberaubend und erschreckend war.

„Dies wird tief liegen,“ murmelte die Ilharess, „ganz hinten. Er wird es nicht begreifen, nicht benennen können, aber wenn er sie sieht, wird es sich regen. Und wenn der richtige Moment kommt, wird es hervorbrechen.“

Als sie die Hände vom Kopf des Mannes löste, war sie erschöpft, ihre Haut leicht blass, und für einen Moment stützte sie sich auf den Rand der Streckbank. Zynrae indes schrieb hektisch mit, die Feder kratzte in fieberhafter Geschwindigkeit, während ihre Augen zwischen Furcht, Ehrfurcht und unbändiger Neugier glitzerten.

„Sorn,“ sagte Jhea schließlich mit heiserer, aber fester Stimme, „er bleibt hier. Betäubt. Bereit, wenn ich ihn brauche. Und niemand rührt ihn an.“

„A dos Quarth!“, sagte Sorn, und seine Freude schimmerte durch die höfliche Fassade.
Jhea wandte sich Zynrae zu. „So lernen die Kinder Lloths,“ sagte sie leise.
Zynrae verneigte sich, tief, ehrfürchtig – und diesmal völlig ohne Zittern.
Alniira Vrammyr
Beiträge: 83
Registriert: 07 Mai 2025, 18:45

Böser Wolf....

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Es gab Klopfen. Es gab Hämmern. Und dann gab es das, was Rianon tat.

Die massive Eichentür, auf die Talos so stolz gewesen war, flog nicht einfach auf; sie wurde aus dem Rahmen geschält wie eine Banane und landete scheppernd mitten im Raum,
begleitet von einer Wolke aus Staub, Holzsplittern und dem Geruch von nassem Hund und Nachtluft.

Talos stand am Herd, den Schöpflöffel noch in der Hand, und starrte auf das neue Loch in seiner Architektur. "Ich glaube, er hat 'Tritt ein' etwas zu wörtlich genommen", murmelte er trocken.
Alniira hingegen legte ihre Serviette mit einer fast schon beleidigenden Ruhe beiseite.
Ihr Blick galt nicht dem riesigen Werwolf, der nun den Rahmen füllte, sondern den Holzsplittern auf ihrem Teppich.

Das Monstrum schob sich in den Raum. Ein Berg aus Muskeln und Fell, so breit, dass das Holz der Zargen knirschte.
In seiner riesigen Pranke hielt er Shi'nayne. Die Späherin war bedeckt mit einer zähen Schicht aus Werwolf-Schnodder.

Die Stille im Raum wurde nur unterbrochen vom Tropf... Tropf... des Schleims, der auf die Dielen klatschte.

Alniira atmete tief ein, faltete die Hände im Schoß und schenkte dem Besuch ein Lächeln, das so warm und strahlend war, dass es in dieser Situation absolut fehl am Platz wirkte.
Alniira hat geschrieben: (Sanft, als würde sie mit einem verirrten Kind sprechen.) Oh, seht nur. Der Große ist zurück. Und er hat uns... ein Findelkind gebracht. Wie rührend. Er muss gespürt haben, dass wir noch einen Platz am Tisch frei haben.
Talos reagierte nicht mit Panik, sondern mit der pragmatischen Ruhe eines Mannes, der an seltsame Essensgäste gewöhnt war.
Er warf einen kurzen, abschätzenden Blick auf die massiven Muskelberge des Wolfes und griff dann routiniert nach einer extra großen Schüssel – groß genug, um darin einen ganzen Kohlkopf zu waschen.
Talos zu Rianon hat geschrieben: Bleibst du zum Essen? Oder war das hier nur eine Lieferung aus dem Wald? (Er wirft einen Blick in den Topf.) Ich hoffe, du hast Hunger mitgebracht. Ich habe reichlich gemacht. Mach es dir gemütlich... wo auch immer du hinpasst.
Rianon ließ ein tiefes Grollen hören, das die Gläser im Schrank vibrieren ließ, und öffnete dann die Pranke, um Shi'nayne auf einen freien Stuhl fallen zu lassen – oder zumindest in dessen grobe Richtung.

Alniira zuckte kurz zusammen, als der bespeichelte Gast auf dem Polster landete.
Mit einer fließenden Bewegung schob sie einen Untersetzer in die Nähe von Shi'naynes triefendem Ellbogen.
Alniira hat geschrieben: Talos, bitte. Man beurteilt Gäste nicht nach ihrem... Geschmack. (Sie wirft ihm einen vielsagenden Blick zu.) Es kommt doch auf die inneren Werte an.
(Sie wendet sich an den Wolf.) Und du... böser Wolf. Ganz böser Wolf. Wir bringen Gäste durch die Tür, ja. Aber doch nicht so !
Talos war derweil zum Herd zurückgekehrt. Er griff nach einem Bund frischen Rosmarins und zerrieb ihn langsam zwischen den Fingern, während er Shi'nayne mit einem fachmännischen, fast klinischen Blick musterte.
Talos hat geschrieben: (Murmelnd, halb zu sich selbst, den Blick kritisch auf ihre Haltung geheftet.) Hm. Sie wirkt völlig verspannt, Alniira. Schau dir die Schultern an. Steinhart.
Wenn sich das nicht löst, wird das... ein sehr zähes Erlebnis. (Er schnuppert an dem Rosmarin.) Vielleicht ein heißes Bad mit Kräutern? Rosmarin fördert die Durchblutung. Das macht alles... weicher.
Er kramte im Hintergrund lautstark eine schwere, grobe Wolldecke aus einer Truhe. Er prüfte die Dicke des Stoffs, zog daran, als wollte er die Reißfestigkeit testen, und nickte zufrieden.
Talos hat geschrieben: Wenn sie hier übernachtet, müssen wir sie gut verpacken. Richtig fest einwickeln. Am besten luftdicht, damit sie sich länger hält...
(Er hält inne, korrigiert sich mit einem flüchtigen, schiefen Grinsen in Shi'naynes Richtung.) ...damit die Wärme sich hält!
Ich meinte winddicht, nicht luftdicht. Nicht, dass sie uns noch... verdirbt. Durch eine Erkältung.
Er stellte eine Schüssel Eintopf auf den Tisch vor die Drow. Dann lehnte er sich zurück an die Anrichte, das Tranchiermesser locker in der Hand wippend, und wartete ab.

Alniira seufzte, eine lange, leidende Geste einer Gläubigen, die scheinbar von Barbaren umgeben ist.

Sie tupfte vorsichtig mit einem Tuch in die Luft, bereit, Shi'nayne zu säubern, falls diese es zuließ.
Alniira hat geschrieben: Hör nicht auf ihn, meine Liebe. Er ist Schmied, wenig einfühlsam. Er denkt bei allem nur an Feuer, Hammer und Vorratshaltung.
(Sie schenkt ihr Tee ein.) Ich weiß, warum du hier bist, Schwester. Du suchst. Du suchst nach einem Weg aus den Schatten, nicht wahr?
Du bist sicher hungrig. Iss. Bevor es kalt wird. Oder bevor der Schmied entscheidet, dass er doch lieber dich in den Topf wirft, weil ihm der Hase nicht reicht.
(Sie lacht hell auf.) Kleiner Scherz. Er liebt Hasen. Willkommen zu Hause.

Alniira wartete nicht wirklich auf eine Antwort. Sie schob Shi'nayne die Teetasse noch etwas näher hin, eine Geste von aggressiver Fürsorge.
Während der Dampf aufstieg, lehnte sie sich etwas vor, die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt, das Kinn auf den gefalteten Händen ruhend. Ihre Augen funkelten im Kerzenlicht.
Alniira hat geschrieben: Aber sag mir, Kind... was treibt eine Seele wie dich so tief in diese Wälder? Ganz allein? (Sie macht eine ausholende Geste zum Fenster, wo nur Schwärze lauert.)
Du weißt doch, wie gefährlich es dort draußen ist. Der Wald ist voller Ungeheuer. Bären, Schattenwesen... und Wölfe. (Sie senkt die Stimme zu einem theatralischen Flüstern.)
Große, böse Wölfe, die jeden einfach so mit einem Happs verschlingen.
Talos, der sich gerade ein großes Stück Fleisch in den Mund geschoben hatte, verschluckte sich fast. Er hustete kurz, klopfte sich auf die breite Brust und grinste dann breit, während er weiterkaute.
Talos hat geschrieben: (Mampfend.) Schreckliche Viecher. Ganz furchtbar. Kein Benehmen, diese wilden Wölfe. Ein Glück, dass unser großer dich... aufgelesen hat
Rianon, der immer noch den Großteil des Bodens einnahm, legte den Kopf schief und gab ein Geräusch von sich, das wie ein amüsiertes Schnauben klang.

Alniira schob Talos seine Worte beiseite und fixierte Shi'nayne wieder. Ihr Lächeln wurde eine Spur schmaler.
Alniira hat geschrieben: Wirklich ein Segen der Göttin, dass der große dich gefunden hat. Er hat eine Nase für... verirrte Schäfchen.
(Sie nippt an ihrem eigenen Tee, den Blick über den Rand der Tasse fest auf Shi'nayne geheftet.)
Kommst du von Ky'Alur? Wie geht es der alten Ilharess? Regiert die alte, bucklige Hexe immer noch mit eiserner Faust und dieser lächerlichen Peitsche?
Sie sprach von der Ilharess des Hauses Ky'Alur nicht mit Hass, sondern mit einem mitleidigen Spott, so wie man über eine unliebsame Großtante spricht, die die Kontrolle über ihren Haushalt verloren hat.
Alniira hat geschrieben: Sie muss doch schrecklich einsam sein dort oben auf ihrem Thron aus Spinnenweben. Hat sie dich geschickt, um nach uns zu sehen? Um zu schauen, ob wir... Hilfe brauchen? (Alniira kichert leise, ein helles, melodisches Geräusch.)
Sag mir die Wahrheit, Schwester. Wir sind hier unter uns. Niemand hört uns zu... außer vielleicht dem Abendessen.
Talos kratzte mit dem Löffel demonstrativ laut über den Boden seines leeren Tellers, als wollte er diesen Punkt unterstreichen.
Jolanda Pappmacher
Beiträge: 2
Registriert: 04 Dez 2025, 19:47

Goldbraunes Röstbrot und ein makelloses, weichgekochtes Ei

Beitrag von Jolanda Pappmacher »

Jolanda saß an ihrem Schreibtisch und tippte ungeduldig mit den Fingern auf die Holzoberfläche. Dreimal schon musste der Diener kommen, und dreimal musste sie äußerst verärgert ihr Abendbrot zurückweisen.

Verlangte sie wirklich zu viel, um ein perfekt goldbraunes Röstbrot und makelloses, weichgekochtes Ei zu bekommen? Sie, die so hartnäckig und zielstrebig arbeitete.

Eine daumendicke Scheibe, mit einer Kruste, die knackte. Nicht zu laut, nicht zu leise.

Ein weichgekochtes Ei mit sanftem, sonnengelben Inneren. Bloß nicht zu orange.

Warum, zur Hölle, war nichts mehr befriedigend in dieser Welt? Sie verlangte nicht nach viel, fand sie. Es muss an diesem Diener liegen, sie würde ihn am Morgen freistellen. Für immer.

Der Diener brachte mit unruhiger Hand erneut Röstbrot und ein Ei, stellte es auf den Tisch und begann mit zittriger Hand die Schale des Ei's zu pellen.

Dann inzipierte Jolanda für einige lange Atemschläge und seufzte lautstark. "Wie erwartet nicht perfekt, aber ich muss gleich zur gewöhnlichen Zeit los. Berechenbarkeit, darum geht es mir. Konstanten beherrschen. Du kannst gehen."
Jhea'kryna Ky'Alur
Beiträge: 97
Registriert: 07 Mai 2025, 10:46

Die Spinne greift zu... [Statthalter Moonglow]

Beitrag von Jhea'kryna Ky'Alur »

Die Dämmerung lag schwer über dem Pfad, der von der östlichen Straße Moonglows in Richtung des Adelsanwesens führte, und selbst das schwache Licht der sinkenden Sonne schien sich davor zu scheuen, die Schatten zu berühren, in denen sich Jhea’kryna und ihr Qu’ellar verborgen hielten. Die Ilharess stand reglos zwischen zwei alten Wacholdersträuchern, die Nadeln dufteten intensiv. Ihre Haltung war ruhig, kontrolliert, wachsam, und ihre Augen ruhten auf dem Weg, als könne sie allein mit ihrem Blick bestimmen, wann das Spiel beginnen sollte. Zu beiden Seiten hatten sich Tath’raen und Sarkul postiert, die Sargtline, schweigsam, doch mit jener erwartungsvollen Anspannung, die Krieger nur in jenen Momenten zeigten, in denen sie endlich tun durften, was sie am besten konnten. Ein Stück weiter, halb hinter den knorrigen Ästen einer Weide verborgen, kniete Shi'nayne, deren Bogen bereits gespannt war, obwohl sie ihn vermutlich nie würde abfeuern müssen. Zynrae stand dicht neben der Ilharess und presste eine Hand auf die Brust, als müsse sie sich daran erinnern, ruhig zu atmen. Xael’vyra und Ruchi hingegen wirkten fast gelassen, als wüssten sie genau, dass Lloth ihnen gewogen war und dass dies ein Abend werden würde, der der Göttin ganz sicher gefiel.

Weiter unten am Weg, dort wo der Pfad eine leichte Senke bildete, hatten die Drow jene Menschen postiert, die sie für diesen Zweck vorbereitet hatten: traumatisierte Flüchtlinge, deren Geist bereits zuvor gebrochen war und deren Wahrnehmung – dank Baretis Gabe, des Apfelmosts #6 namens Thalnyssa, sowie der Magie Jhea'krynas – wie ein zersplitterter Spiegel wirkte. Sie standen nicht geordnet, sondern verstreut, mit leeren Blicken und fahrigen Bewegungen, als wären sie aus einem Albtraum gefallen und hätten den Weg zurück nicht gefunden. Manche schwankten, andere kniffen die Augen zusammen, als würden sie etwas Unsichtbares sehen, und wieder andere hielten bereits nach improvisierten Waffen Ausschau, als ahnten sie instinktiv, dass gleich etwas von ihnen verlangt werden würde.

Es dauerte lange genug, dass die Spannung in der Luft zu einem eigenen Wesen wurde, aber schließlich, als der Abend sich vollständig auf den Weg legte, tauchte Jolanda Pappmacher auf. Die adrette Schreiberin, perfekt frisiert, mit ihrer stets leicht zu steifen Art zu gehen, trat mit einer Entschlossenheit auf den Pfad, die allein aus ihrer Überzeugung erwuchs, dass dieser Weg ihr zustand, dass sie wichtig genug war, um sicher zu sein. Sie blickte geradeaus, die Schritte kurz, aber entschieden, und genau in diesem Augenblick begannen die ersten der Flüchtlinge zu reagieren. Ein Mann erkannte sie zuerst. Sein Blick weiteten sich, dann verzog sich sein Gesicht zu einer Maske reiner Angst, die jedoch sofort in Aggression umschlug. Er hob einen gebrochenen Ast, als sei es ein Schwert, und rief etwas Unverständliches, doch der Ton war voll von Schmerz und Wut. Andere folgten. Eine Frau begann zu schreien, als sähe sie ein Gespenst, und zwei junge Männer bückten sich gleichzeitig, um Steine aufzuheben. Messer blitzten auf, ein Flaschenhals zersprang an einem Stein und wurde zur improvisierten Klinge.

Jolanda blieb abrupt stehen. Die Farbe wich aus ihrem Gesicht.
„Geht weg, ihr… ihr ungewaschenes Gesindel! Wache! Wache!“
Und genau das war das Signal.

Aus dem Dickicht brachen die Drow hervor wie Schatten, die plötzlich Form annahmen. Tath’raen und Sarkul stürzten sich auf die ersten Angreifer; ihre Klingen bewegten sich rasch, sauber, präzise, ohne Gnade und ganz ohne jede Eile. Shi'nayne schnitt einem Mann den Weg ab, bevor er Jolanda erreichte, und ihre Bewegungen waren so lautlos, dass er erst begriff, dass er getroffen war, als seine Knie nachgaben. Zynrae murmelte eine Formel, die die Luft scheinbar verdunkelte, und ein junger Mensch brach schreiend zusammen, ohne dass ein Messer ihn berührt hätte. Xael’vyra und Ruchi standen mit erhobenen Händen da, murmelten leise überlieferte Gebete, und die Schwächsten unter den Flüchtlingen verloren sofort das Bewusstsein, als hätten die Worte der Priesterinnen das letzte Stück ihrer Willenskraft einfach ausgelöscht.
Jolanda stolperte rückwärts, ihre Schuhe rutschten im Schotter, und sie wirkte so klein, so unerwartet verletzlich, dass es beinahe lächerlich gewesen wäre, hätte die Szene nicht genau so sein sollen. Zwei Schritte schaffte sie, vielleicht drei, dann stellten sich Tath’raen und Sarkul ihr in den Weg. Sie hoben keine Waffe gegen sie, sie taten nichts Unschickliches – sie standen einfach da, und das genügte, damit Jolanda wie unter Zwang verharrte.

Jhea'kryna trat aus dem Schatten, langsam, würdevoll, jedes Detail ihrer Bewegung sorgfältig komponiert.
„Beruhigt Euch, Jolanda,“ sagte sie mit einer Stimme, die gleichzeitig tröstend und eiskalt war. „Ihr seid gerettet worden, und Ihr solltet Euch glücklich schätzen, dass wir in der Nähe waren.“

Jolanda zitterte sichtbar, fasste sich aber schnell. „Bringt… bringt mich sofort zum Anwesen der Gräfin. Ich muss dorthin. Ich muss… Bericht erstatten.“

Weiter hinten erklang das Stöhnen weiterer Flüchtlinge, die vom Lärm angelockt worden waren, und als Jhea'kryna den Kopf hob, sah sie zwei, drei Gestalten auftauchen, verwirrt, verletzt, lethargisch. „Wie bedauerlich,“ murmelte sie, „es scheint, Ihr Zustand verschlechtert sich.“

Dann wandte sie sich wieder Jolanda zu.
„Natürlich kann dies arrangiert werden. Aber nicht jetzt. Nicht hier. Ihr seid bis auf Weiteres unser Gast, damit Ihr in Sicherheit bleibt.“

Es war nicht als Angebot formuliert worden.
Die Drow führten die Schreiberin zur Schmiede zurück, und Jolanda stolperte mehrmals, doch niemand griff ein, um sie aufzufangen. Am hinteren Ende des Ganges sperrten sie sie in ein karges Zimmer, ausgestattet mit nur einem Bett, Stuhl, einem Schreibpult sowie einem schmalen Fenster, zusammen mit Wein, Tinte und Papier.

„Ihr werdet einen Brief an die Gräfin schreiben,“ erklärte Tath’raen ruhig, bevor er die Tür hinter sich schloss und Wache stand.
Und Jolanda tat, was jeder tun würde, der gerade gerettet und gleichzeitig gefangen genommen wurde:
Sie begann zu schreiben.
Antworten