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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Verfasst: 03 Aug 2025, 01:44
von Istrugar
Das Licht Tyraels


Die Morgensonne war kaum mehr als ein blasses Schimmern hinter den Nebelschleiern, die sich über die Hügel des Yew-Waldes zogen. Doch in der Kapelle der Paladine des Mondes lag bereits ein anderes Licht – gefiltert durch die hohen, kunstvoll verzierten Glasfenster, fiel es in stillen Farbströmen auf das glatt polierte Mosaik des Bodens. Saphir, Silber, Violett – wie das Licht Tyraels selbst, gebrochen in seinen Aspekten: Wachsamkeit, Reinheit, Gnade.

Istrugar kniete.
Die breiten Schultern des zwergischen Gildenlords waren gebeugt, das Haupt geneigt, die Rechte ruhte auf dem Griff seines Schwertes, das wie ein stiller Wächter neben ihm auf dem Kapellenboden lag. Seine Lippen bewegten sich lautlos, nur das leise Ticken der Tropfen aus der Marmorschale hinter ihm durchbrach die vollkommene Stille. Jeder Atemzug war ein Gebet, jede Sekunde ein Ruf nach Klarheit.

„Tyrael“, flüsterte er schließlich hörbar. „Wenn der Schatten sich regt, sende uns dein Licht. Wenn die Ordnung wankt, sei unser Schild. Wenn wir fallen, so lass uns in deinem Namen aufstehen.“

Er erhob sich. In seinen Augen flackerte kein Zweifel, nur Entschlossenheit. Die Zeit des Schweigens und der Untätigkeit war vorbei.

Wenige Augenblicke später hallte der Klang schwerer Schritte durch die Hallen des Klosters.

Die Paladine, die sich in der Übungshalle und der Waffenkammer aufhielten, verstummten, als sie ihn sahen. Istrugar trug nun seine schwere Plattenrüstung – jene mit Intarsien aus Silber die das Emblem der Paladine des Mondes darstellte. Eine Mondsichel mit den Schwingen Tyraels.

Er blieb vor ihnen stehen. Keine große Geste, keine erhobene Stimme. Nur seine Präsenz.
Dann sprach er, ruhig – aber in einer Tonlage, die keine Widersprüche duldete:

„Brüder. Schwestern. Wir wurden gerufen. Der Bund der Wachenden, unsere Verbündeten hat gerufen. Und wir werden Antworten!“

Ein kurzer Blick ging durch die Reihe. Einige nickten, andere legten schweigend die Hände auf ihre Brust.

„Yew ist bedroht. Die Toten rühren sich im Nebel, das alte Schweigen ist gebrochen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Schatten sich erheben."
Er wandte sich um, trat an den Schrein Tyraels und legte kurz die Hand auf den Halbmond aus Silber.

„Rüstet euch. Wir brechen auf, sobald das Horn des Nordtors erklingt.“

Und als er sich abwandte, um in die Schmiede zu gehen, wusste Istrugar: Es war nicht nur ein Kampf gegen Untote, der ihnen bevorstand.

Für Yew.
Für Tyrael.
Für das Licht.

Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Verfasst: 03 Aug 2025, 03:24
von Lyr'sa Teb'inyon
Die Taverne von Yew war offen gebaut, halb aus lebendem Holz, halb aus fein gearbeiteten Balken, und erfüllt vom gedämpften Stimmengewirr der Waldelfen, das wie das Rauschen ferner Blätter wirkte. Lyr’sa stand am Rand der Taverne in Yew, kaum ein paar Schritte vom Eingang entfernt, als wäre jeder weitere Schritt ein Risiko. Ihre Hände ruhten am Gürtel, nicht kampfbereit, aber bereit zu fliehen – zumindest innerlich. Der Geruch von Kräutern, warmer Erde und Harz stieg ihr in die Nase, doch es war kein Trost, nur eine Erinnerung daran, wie weit sie von zu Hause entfernt war.

Neben ihr trat Lirael einen Schritt vor, die Stimme ruhig, aber fest, als sie sich an Ya’ranel wandte. Lirael begann zu sprechen, erzählte das, was Lyr’sa ihr in der Taverne von Bareti gestanden hatte: von Gesprächen mit Fremden, von Verwirrung, Angst, und von dem seltsamen Gefühl, als würde etwas in Elashinn in Bewegung geraten, das größer war als sie selbst. Lyr’sa sagte kaum ein Wort, stand stumm neben ihr, schwitzte unter dem Stoff ihrer Schürze und spürte den Blick der Wachen, die nahe genug waren, um sie jederzeit zu Boden zu zwingen.

Ya’ranel hörte aufmerksam zu. Anfangs verzog er das Gesicht, seine Augen schmal, sein Ton frostig. Er unterbrach Lirael mehrmals, hakte nach, fragte präzise – wie lange war das her, wer war anwesend, welche Namen wurden genannt. Jedes dieser Worte ließ Lyr’sas Schultern ein wenig weiter absinken, doch sie blieb aufrecht, wenn auch bleich. Es war nicht nur das Misstrauen des Elfen, das ihr zusetzte, sondern der Gedanke, dass ein einziger Fehler sie den Kopf kosten könnte.

Als Ya’ranel schließlich Lyr’sa selbst direkt ansprach, zitterte ihre Stimme beim ersten Wort – nicht vor Lüge, sondern vor Anspannung. Sie wiederholte, was Lirael gesagt hatte, betonte, dass sie lediglich Lirael warnen wollte, was mit den entführten Bauern geschah, und dass diese nun im Untod zurück nach Yew kehren würden. Ihre Worte waren bruchstückhaft, aber ehrlich. Sie redete nicht viel – nur genug, um zu zeigen, dass sie nicht log.

Und dann veränderte sich etwas.

Ya’ranel schwieg einen Moment, dann legte er den Kopf leicht schräg, so als würde er sie anders betrachten als zuvor. Sein Blick wurde nicht weich, aber er verlor das Scharfe, das Schneidende. Schließlich nickte er langsam, und seine Stimme klang leiser, fast nachdenklich, als er sagte, dass nicht jeder Schatten gleich ein Feind sei – aber dass man aufmerksam bleiben müsse, besonders in diesen Tagen.

Lyr’sa atmete ein, tief und zittrig. Sie fühlte, wie ihre Beine nachgaben, doch sie zwang sich, aufrecht sitzen zu bleiben. Niemand hatte sie verflucht, niemand hatte sie geschlagen, niemand hatte ein Schwert gezogen – das war mehr, als sie zu hoffen gewagt hatte. Als Ya’ranel sich schließlich abwandte, um mit einem der anderen zu sprechen, drehte Lirael sich zu ihr um. Es war kein Lächeln in ihrem Gesicht, aber etwas, das Nähe war – eine stille Geste, dass es überstanden war.

Lyr’sa sagte nichts. Sie konnte es nicht.
Aber sie wusste, dass sie lebend aus Yew gehen würde.
Und das war mehr, als sie verdient zu haben glaubte.

Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Verfasst: 03 Aug 2025, 03:53
von Lyr'sa Teb'inyon
Der Weg zurück nach Elashinn war still. Zu still.

Seit Lirael sich vor einigen Meilen verabschiedet hatte, begleitete nur das Knirschen ihrer eigenen Schritte Lyr’sa – und der Nachhall dessen, was sie getan hatte. Jeder Schritt über das schwarze Gestein des Schattenpfades fühlte sich schwerer an, als würde sie nicht nur die Reise tragen, sondern auch die Entscheidung, die sie getroffen hatte.
Du hast sie benutzt, murmelte eine Stimme in ihrem Kopf. Du hast sie für den Auftrag der Ilharess ins Spiel gebracht. Sie, die dir vertraut hat.
Lyr’sa biss sich auf die Lippe. Blut schmeckte besser als Schuld.

Jeder Schritt näher zur Stadt war ein Schritt tiefer in die eigene Angst. Elashinn war kein Ort für Zweifel. Kein Ort für Gefühle, die nicht in Disziplin und Loyalität gebettet waren. Die Tore lagen offen wie immer, und doch hatte sie das Gefühl, als betrete sie ein Tribunal. Die Stadt war stiller als sonst, oder es kam ihr nur so vor, weil das Rauschen ihres Bluts in den Ohren alles überlagerte. Sie wollte einfach nur in ihre Werkstatt. Sie wollte einfach nur in ihre Werkstatt. Das Leder der Schürze spüren, den Griff des Hammers in der Hand, den Geruch des Feuers ihrer Esse in der Nase. Dort sein wo kein Blick sie beurteilte und kein Wort verlangt wurde.

Aber so weit kam sie nicht. Xael’vyra wartete. Wie ein geübter Schnitt im Fleisch der Nacht stand sie da, vollkommen reglos, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, ihre Gesichtszüge so unbeweglich wie geschliffenes Obsidian. Sie sagte zunächst nichts. Sie musste nicht. Ihre Präsenz allein war Urteil und Vollstreckung. Lyr’sa blieb wie angewurzelt stehen, zwang sich zu einem geraden Rücken, obwohl jeder Muskel in ihr nach Flucht schrie. Doch sie tat, was sie immer getan hatte: Sie hielt durch.

„Du kommst spät“, sagte Xael’vyra schließlich. Ihre Stimme war ruhig, kalt wie Stahl, der zu lange im Schatten lag. „Und du kommst allein.“

Lyr’sa öffnete den Mund, wollte etwas erwidern, einen Satz formen, eine Erklärung anbieten, doch ihre Stimme versagte. Was hätte sie sagen sollen? Dass sie den Auftrag erfüllt hatte? Dass Lirael nichts wusste? Dass sie sich schuldig fühlte? Worte wären nutzlos gewesen, denn Xael’vyra hatte längst entschieden, dass etwas nicht stimmte.

Xael’vyra trat einen Schritt näher, die Bewegungen ihrer Robe so lautlos wie ihr Zorn. Lyr’sa konnte den Druck in ihrer Kehle nicht mehr ignorieren. Ihre Beine zitterten, der Blick wich ihr aus – nicht aus Feigheit, sondern aus dem Gefühl, dass ihre eigenen Augen sie verraten könnten. Ohne dass jemand sie drängte, fiel sie auf die Knie, der Stein unter ihr kalt, rau, und doch vertrauter als der Blick der Priesterin.

„Verzeiht, malla Yathrin…“, brachte sie hervor, heiser, gepresst, mit gesenktem Haupt. Ihre Stimme war schwach, aber nicht gebrochen. „Ich... war nicht schnell genug. Ich kam so rasch ich konnte.“

Ein Zittern durchlief ihren Körper. Es war nicht geschauspielert. Es war Erschöpfung, Schuld, Anspannung. Doch nicht Reue. Nicht für das, was sie in Yew gesagt hatte – und schon gar nicht für Lirael. Dafür würde sie keine Vergebung suchen. Xael’vyra musterte sie einen Moment, reglos wie eine Statue der Göttin, doch in ihren Augen lag nichts Göttliches – nur Missfallen. Dann beugte sie sich leicht vor, kaum eine Geste, aber sie brannte wie eine Klinge. „Du wirst sprechen, Lyr’sa. Jetzt. Vor mir. Und du wirst nichts verschweigen.“

Lyr’sas Hände ballten sich auf dem Boden zu Fäusten. Ihre Lippen bebten, bevor sie sich wieder schlossen, entschlossen. Sie hob den Blick nicht, aber ihre Stimme war nun fester.

„Es... wurde mir untersagt, malla Yathrin. Ich darf darüber nicht sprechen.“

Für einen Moment war es still. Kein Schritt, kein Laut, kein Atem. Dann traf sie der Schlag. Xael’vyra hatte keine Warnung gegeben. Ihre Hand fuhr herab und Lyr’sa wurde zur Seite gerissen, der Schlag, der sie völlig unvorbereitet traf, ließ sie kurz das Gleichgewicht verlieren. Ein scharfer Schmerz zog sich durch ihre Wange. Sie keuchte, hielt sich aber aufrecht.

„Du wagst es, mir zu trotzen?“, zischte die Yathrin, und ihre Stimme war nun keine kalte Klinge mehr – sie war Peitsche und Fluch zugleich. „Du wirst gehorchen, oder du wirst lernen, wie es sich anfühlt, wenn man meine Geduld auf die Probe stellt.“

Lyr’sa sagte nichts. Sie kniete, zitternd, mit geschlagenem Gesicht, aber ihr Schweigen war wie Stein: hart, unbeweglich, nicht aus Trotz, sondern aus Gehorsam gegenüber etwas, das über Xael’vyra stand. Die Priesterin wandte sich an die Wachen. „Bindet sie. Vor Ort. Sie soll nicht vergessen, wem sie dient.“

Noch ehe Lyr’sa den Befehl ganz begriffen hatte, wurde sie gepackt, zur Seite gezerrt. Sie bäumte sich nicht auf. Sie wusste, dass jede Bewegung alles nur schlimmer machte. Ihre Schürze wurde grob fortgerissen, der Rücken entblößt, die Schultern gepackt. Die Peitsche schlug zu. Einmal. Zweimal. Dreimal. Sie schrie nicht. Doch in ihren Fingern, die sich in den Boden krallten, sprach jeder Muskel von Qual – und Stille.

Erst als es vorbei war, ließ man sie auf dem Pflaster liegen, keuchend, aber noch immer nicht flehend. Die Wachen packten sie wieder, zogen sie auf die Füße, schleiften sie durch die Hallen wie eine Sünderin, die man nicht töten, sondern aufbewahren wollte. Der Kerker empfing sie wie ein längst bekannter Ort – kalt, schmucklos, erbarmungslos. Kein Feuer, kein Metall, kein Hammer wartete dort auf sie. Nur Stein, und Finsternis. Sowie das Wissen, dass sie geschwiegen hatte, und dass niemand ihr dafür danken würde.

Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Verfasst: 03 Aug 2025, 14:26
von Are'vin Sarr'ha
Ein Aufblitzen im Nebel

Ruhig atmete der Elf obwohl das Unbehagen in ihm aufstieg. Etwas stimmte nicht, das spürte er.
Eine leichte Bewegung mit dem Oberkörper nach vorne ließ das Leder des Sattelts unter ihm im Einklang mit dem Metall der Steigbügel eine Melodie singen. Nur ein Moment in dem die Geräusche die ungewöhnliche Stille durchbrachen. Jeden Augenblick sollten die Vögle zu singen Beginnen, das Leben im Yew erwachen und den neuen Tag willkommen heißen. Doch es war still, ungewöhnlich still.
Die Nebelschwaden des frühen Morgens lichteten sich kaum. Eine Präsenz von Dunkelheit…
Ein leichtes schnauben des jungen Hengstes auf dessen Rücken er saß ließen seine Gedanken verblassen und er tätschelte den Hals des stattlichen Tieres sanft.
Schatten… so dachte er. Im Moment stand er samt Pferd selbst in diesem, hinter Stock und Stein unter dem behütenden Dach des Waldes, jedoch gab es hier keine wirkliche Dunkelheit. Nicht in seiner Gegenwart.
Just in dem Moment als seine Gedanken wieder in die weite zu schweifen drohten, erspähte er in einiger Entfernung worauf er gewartet hatte. Eine bloße Vermutung, ein Gefühl hatten ihn zu diesem Ort geführt. Etwas erhöht auf einem Hügel dicht im Wald, verborgen von Blicken jedoch mit gutem Blick auf den Pfad in einiger Entfernung. Und dort sah er es näherkommen. Hoffnung, Stolz, Demut und Zuversicht.
Es blitzte durch die Bäume, dem Nebel trotzend.

Die Weißen und Blauen Banner der Paladine des Mondes.
Jener Orden dem auch er angehörte. Wo die Dunkelheit sonst übermächtig schien, wich sie vor diesen Bannern, aussichtslos sich dem gleißenden Licht voller Reinheit zu stellen.

„Also hat der Bund der Wachenden wahrhaftig die Paladine des Mondes um Beistand ersucht“ entfuhr es dem Elf.
Ein sanftes Sporengeben setzte den Jungen Hengst in Bewegung. Kaum aus dem Unterholz hinaus trieb der Elf den jungen Hengst zur Eile, zügig auf die Kolonne der Paladine zu zuhalten. Es dauerte nicht lange bis er sie erreicht hatte. Ein Ruck an den Zügeln ließen den jungen Hengst rasch langsamer werden und schließlich zum stehen kommen. Fast im selben Moment erschien die Kolonne um eine Biegung des Pfades mitten im Wald.
Die gerüstete Faust Tarions reckte sich sogleich gen Himmel und gab dem Gefolge zu verstehen anzuhalten. Die blaue Rüstung blitze im Schein der Laternen und Fackeln der weiße Umhang des Paladins tat es den Bannern gleich und wehte leicht im morgendlichen Wind.

„Sanya’sala, Bruder Tarion“ begrüßte der Elf den Vorreiter der Kolonne.

Wenn überhaupt vermochte man nur für einen Bruchteil eines Momentes die leichte Überraschung in den Augen des Paladins zu erkennen.
Kurz schweifte der Blick des Elfen über das Gefolge und nickt leicht zu jenen. Kaum merklich bedachte er Elon mit einem Lächeln als er den Elfen unter dem Gefolge entdeckte.

„Tyrael zum Gruße, Bruder Are’vin“ entgegnete Tarion Rontre dem Elfen vor sich, jenem Elfen gerüstet in den selben Farben die Tarion schon so lange trug, den Farben der Paladine des Mondes.

„Euch habe ich hier nicht erwartet…“ sagte Tarion gen Are’vin. „Wir sind auf dem Weg zu …“
Are’vin machte eine beschwichtigende Handbewegung und nickte leicht. „Sofern ihr es gestattet Bruder Tarion geleite ich euch. Der Wald…, Unheil verbirgt sich im Nebel“

Tarion betrachtete Are’vin für einen Moment, von dem Schreiben des Bundes konnte der Elf eigentlich nichts wissen. Wie kam er also…, sei es drum. Mit einer knappen und militärisch präzisen Handbewegung deutete Tarion Are’vin sich in die Kolonne einzureihen.

Die Sporen gebend setzte sich die Kolonne in zügigem Trapp wieder in Bewegung. Das Ziel war klar und der Pfad lag vor ihnen, erhellt von ihren Fackeln und Laternen, gesäumt vom dichten Wald in dem der kaum abnehmende Nebel sie zu beobachten schien.

Die Vögel bleiben stumm.

Eine Truhe, die nie vergessen wurde

Verfasst: 03 Aug 2025, 14:49
von Fenya Hinrah
Der Morgen in Landsend war still. Zu still. Fenya Hinrah, deren graues Haar sich in einem lockeren Zopf über ihre Schulter legte, stand an der hölzernen Brüstung ihres kleinen Hauses und sah über das weite, neblige Tal. Die Felder, von Reif überzogen, wirkten wie ein eingefrorener Traum vergangener Tage. In der Ferne krähten Hähne, und irgendwo schlug ein Schmiedehammer gegen Metall – vertraute Klänge einer Welt, die sie sich in den letzten Jahren mühsam aufgebaut hatte. Ein Leben fernab des Blutes, fernab der Pflicht, fernab der Drachenrufe.

Dann kam der Bote. Kein Kind, wie so oft, sondern ein alter Mann mit schmalen Schultern und einem Pergament, das zitterte wie seine Finger. „Von Meister Istrugar“, murmelte er, ehe er sich gleich wieder umdrehte. Die Nachricht war kurz, fast schroff: Untote im Wald bei Yew, der Friedhof sei gefallen, das Land rufe.

Fenya hielt den Brief lange in der Hand, ohne ihn wirklich zu lesen. Sie brauchte ihn nicht. Sie hatte genug Kriege gesehen, um zu wissen, was unausgesprochen blieb. Ihr Blick wanderte zu der hölzernen Truhe am Fußende ihres Bettes – eine Truhe, die sie schwor, nie wieder zu öffnen. Doch ihr Schwur war gemacht für andere Zeiten, und diese Zeiten waren nun vorbei.

Die Truhe knarrte, als hätte sie selbst Einwände. Fenya zog die alte Rüstung hervor – gefertigt aus dem Stahl den Sie einst mit eigenen Händen aus einer Mine nahe der Ordensburg des Drachenordens geschlagen hatte, mit hellem Leder unterlegt, das an den Rändern bereits spröde war. Sie zögerte nicht lange, aber es dauerte, bis sie die Riemen festgezogen hatte. Zwei Schnallen widerstanden ihrer Kraft, und als sie sich bückte, knackte das Knie laut genug, dass selbst ihr alter Schäferhund missbilligend aufsah. „Ja, ich weiß“, murmelte sie trocken. „Ich hätte bei den Ziegen bleiben sollen.“

Der Brustpanzer saß enger als früher, und der linke Armschutz ließ sich nur mit Mühe befestigen. Ihre Finger fanden dennoch instinktiv den Weg zum Lederriemen – die Bewegungen kamen zurück, wie das Echo eines alten Liedes, dessen Melodie man nie ganz vergessen hatte. Dann der Griff zum Schwert. Der Griff aus Drachenbein fühlte sich fremd an, fast abweisend, wie ein alter Freund, dem man einst den Rücken gekehrt hatte. Doch als sie die Klinge hob und das Gewicht in der Hand spürte, war da wieder ein Funke. Ein Funke den sie einst spürte, vor Jahren, als Sie an der Seite ihrer Freundin Mystha Toleno in den Kampf zog, um die Dunkelelfen, die Diener des Chaos oder andere Schurken an der Minoc Mine zurückzuschlagen.

Dann trat sie in den Stall, wo ihr Wallach bereits unruhig mit den Hufen scharrte. Der Rappe war alt – fast so alt wie sie – doch seine Augen funkelten wie eh und je. Sie legte ihm das Zaumzeug an, und warf den Sattel über. Sie steckte das Schwert in die Scheide am Sattel ihres Pferdes, das kleinere, kürzere Schwert trug sie wie immer an der Hüfte. murmelte ein paar beruhigende Worte und schwang sich mit einem Knacken in der Hüfte in den Sattel.

Der Ritt war hart. Die Wege durch das Grenzland waren holprig, und sie spürte jede Erschütterung doppelt in den Knochen. Doch sie hielt Kurs, der Wind zerrte an ihren Haaren, und die Gedanken begannen sich zu ordnen. Sie dachte an den weißen Drachen von Lork, an den Drachenorden, an das Drachenjunge, das sie einst aufzog. Sie dachte an das Versprechen, das sie dem Licht gegeben hatte – nicht in Worten, sondern in Taten.

Als sie die Kolonne der Paladine des Mondes in der Ferne sah, glitt ein tiefer Atemzug über ihre Lippen. Yaquiria hatte recht gehabt – Ruhestand war ein schönes Wort für eine Kriegerin, die zu früh geglaubt hatte, dass ihre Geschichte auserzählt sei. Es war Zeit sich Ihnen anzuschließen. An der Spitze reiteten zwei Gestalten die Sie seit Jahren nciht mehr gesehen hatte - auch mit Ihnen hatte sie bereits Seite an Seite gekämpft. Vor Britain, vor Despise und auf anderen Schlachtfeldern.

"Meister Tarion... Meister Are'vin... Es tut gut euch zu sehen."

Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Verfasst: 24 Aug 2025, 23:19
von Elandor Ithildor
Die Schatten von Yew

Der Yew Wald lag still, als die kleine Gruppe von Waldelfen und Paladinen aufeinandertraf. Nur das Flüstern des Windes zwischen den uralten Bäumen begleitete ihre Schritte, bis sich plötzlich ein Schwarm schwarzer Vögel kreischend aus dem Blätterdach erhob, als hätte unsichtbare Hände sie aufgeschreckt.
Kurz darauf brach eine Hirschkuh panisch aus dem Unterholz, die Augen weit vor Angst, und floh hinaus in die offene Ebene.

Die Zeichen waren deutlich. Etwas Uraltes, etwas Widriges regte sich im Herzen des Waldes. Gemeinsam folgten die Gefährten dem Pfad, der sie zum Friedhof führte, jenem Ort, an dem die Grenzen zwischen Leben und Tod stets dünn gewesen waren.
Dort erhob sich das Unheil in seiner ganzen Gestalt. Erde bebte, als die Untoten ihre kalten Finger durch die Gräber in das Licht der sterbenden Sonne streckten. Schattenhafte Gestalten, verwest und doch unheilvoll lebendig, erhoben sich aus den Gruben. Ein Schwall von Modergeruch lag schwer in der Luft, während die Gruppe ihre Waffen zog.
Die Schlacht entbrannte. Schwerter blitzten, Runen entzündeten Licht in der Dunkelheit, und die Pfeile der Waldelfen durchbohrten morsches Fleisch. Das Klirren von Stahl und das Knacken zerfallener Knochen hallte über den Friedhof. Schließlich, nach einem harten Kampf, lagen die Kreaturen besiegt im Staub, und Stille senkte sich wieder über den Ort.

Doch am Rande des Friedhofs war etwas Unheilvolleres zu spüren. Einige Bäume wirkten verbrannt, ihre Rinde schwarz vernarbt, als wären sie von innen heraus von einer unsichtbaren Glut verzehrt.
Elandor legte die Hand auf einen der Stämme. Er schloss die Augen, und seine Brüder und Schwestern traten schweigend neben ihn. Ihre Hände berührten seine Schultern, ihre Stimmen erhoben sich in leisen, alten Silben. Gemeinsam sanken sie in die Verbindung mit dem Wald, jeder von ihnen ein Teil des lebendigen Geflechts.
Da kam es über ihn wie eine Flut.

Ein dumpfer Schmerz vibrierte durch den Stamm, tief und schwer wie ein Zittern in uralten Knochen.
Vor Elandors innerem Auge flackerten Flammen, die sich durch alte Wälder fraßen.
Ein leises Raunen hallte in seinem Geist, Bilder statt Worte, Schatten, die zwischen Wurzeln krochen, Spinnenbeine, die sich in die Rinde bohrten.
Ein Schauer zog durch die Kronen.

Elandor keuchte, als sich dumpfe Schwere in seiner Brust sammelte.
Kalte Hände, die Erde aufrissen.
Entweihte Gräber.
Asche auf der Zunge.
Jahrhunderte voller Leben, von fremder Macht entweiht.

Doch tief im Kern des Stammes vibrierte noch etwas anderes, eine alte Melodie, hell wie der Gesang von Vögeln im Morgenlicht. Sie war von Dissonanz überlagert, aber nicht gänzlich verstummt.
„Ich kann seinen Schmerz spüren“, flüsterte Elandor, und die Stimmen seiner Gefährten antworteten nur durch das Festhalten an seiner Hand.

Die Elfen wussten, der Wald litt. Doch sie würden ihn nicht aufgeben. Niemals.
Zu tief waren ihre Wurzeln in diesem Land, zu stark ihre Bindung an die uralten Bäume, die ihre Ahnen seit Jahrhunderten behütet hatten.
Und so schworen sie in dieser Nacht, den Wald zu retten. Ein Ritual würde vorbereitet werden, ein Bund aus Liedern, Kraft und Opfergaben, getragen von allen Kindern des Waldes. Erst wenn sie vereint beisammenstünden, im Kreis der Natur, könnte die Heilung beginnen.

Bis dahin würden sie wachen, die Schatten beobachten und den Wald schützen, bis der Moment gekommen war.

Der letzte Dienst -- Asche im Namen der Noquar

Verfasst: 25 Aug 2025, 21:47
von Jhea'kryna Ky'Alur
Die Luft in den Krypten war dick von Asche, altem Moder und jener Art von Magie, die nicht nur den Raum, sondern auch die Zeit berührte. Jhea’kryna Ky’Alur spürte jeden Schritt auf dem kalten Stein wie eine Erinnerung an vergangene Opfer, als sie sich an die Spitze ihres Trupps setzte. Das Flackern der Fackeln an den Wänden tauchte die Gänge in unheimliches Licht, Schatten zogen über Gesichter, und jeder Hauch war von altem Leid getränkt. Über ihnen bebte die Welt, kaum hörbar, aber stetig – das dumpfe Grollen eines Kampfes, der sich über die Wälder von Yew ausbreitete wie ein Krebsgeschwür.

Sie hatten Arencia in die Krypten begleitet, wortlos, mit beobachtenden Blicken und Waffen, die an der Seite blieben – noch. Die Knochenfrau schritt mit aufrechter Haltung, ihr Teddybär fest an die Seite gedrückt. Und dennoch sah Jhea, was andere nicht sahen: das Flackern in ihren Bewegungen, das Ruckeln in der Aura, das leichte Schwanken zwischen den Ebenen der Kraft. Die Seele des Drachen war in ihr – gefangen in Stoff und Naht – doch das Gefäß zerbarst. Langsam. Unerbittlich.

Hinter ihr marschierte ihr Qu'ellar. Eine Handvoll ausgewählter Kämpfer. Sie sprachen nicht. Sie beobachteten. Der Plan war klar. Die Worte waren gesprochen worden, ehe sie aufbrachen. Kein Schwanken. Kein Mitleid. Nur ein Ziel. Arencia führte sie tief in die uralten Hallen unter Yew, wo die Magie der Toten sich wie ein Schleier auf alles legte. Die Krypten atmeten. Es war ein unmerkliches Pulsieren im Stein, ein Wispern in der Dunkelheit, das die Toten rief – und Arencia antwortete. Mit jedem Schritt, den sie setzte, krochen neue Schemen aus Nischen, aus Gräbern, aus längst versiegelten Sarkophagen.

Jhea musterte sie mit wachsender Faszination. Es war keine rohe Nekromantie, kein wildes Heraufbeschwören. Es war... ein Ruf. Ein Befehl, geflüstert in der Sprache der Schwärze, der selbst noch den Staub aufrüttelte. Die Knochenarme hoben sich aus der Erde, folgten ihrem Ruf wie einem uralten Eid. Skelette, Ghule, verfallene Soldaten aus vergangenen Jahrhunderten marschierten durch die Hallen. Und draußen, über ihnen, tobte der Krieg.

Die Magie war deutlich spürbar. Lichtbündel von schimmernden Barrieren zerrissen den Himmel. Feuerbälle kreuzten in der Ferne wie Meteoriten. Die Verteidiger von Yew hielten stand. Noch.
Und Arencia? Sie taumelte. Ihre Bewegungen wurden ruckhafter, die Präsenz flackerte. Das Drachenfeuer, das in ihr wohnte, rebellierte gegen den Käfig aus Knochen und Stoff. Sie sprach nicht mehr. Ihre Lippen bewegten sich in stummen Litaneien, als würde sie mit etwas ringen, das nicht sichtbar war.
Jhea blieb einige Schritte hinter ihr stehen. Ihre Augen verengten sich.

„Sie beginnt zu zerfallen“, murmelte Maldrak neben ihr. Der Magier hatte den Blick gesenkt, spürte aber dasselbe. „Die Essenz rebelliert.“

Xael’vryna trat näher, ihre Stimme ein leises Säuseln. „Noch ein wenig... und der Drache bricht durch. Oder sie verbrennt von innen.“

„Beides wäre nützlich“, erwiderte Jhea ruhig, und ihre Worte waren kein Urteil, sondern eine Bestandsaufnahme.

In Wahrheit empfand sie nichts als eine dieser seltenen, kalten Wahrheiten, die sich nicht aus Überzeugung speisten, sondern aus Struktur. Arencia war nicht mehr nützlich. Nicht für das Haus. Nicht für das Reich. Nicht für Jhea'kryna. Sie hatte geträumt, vielleicht, irgendwann, dieses Wesen... umzulenken. Ein Werkzeug zu machen aus einem Trümmerstück. Aber der Drachenfunken in ihr war zu stark. Zu stolz. Und Stolz ließ sich nicht fesseln – nur zerstören oder in andere Bahnen lenken.

Jhea'kryna hatte genug solcher Feuer gelöscht. Genug solcher Geister verbrannt. Es war nicht Hass, was sie bewegte. Es war Notwendigkeit. Und Notwendigkeit war keine Frage.
Ihre Augen blieben auf Arencia gerichtet – dieser Hülle, diesem Knochengestell mit dem Teddybären. Was für eine grausame, berührende Ironie. Und dennoch: Nur weil etwas einst gedient hatte, verdiente es kein Überleben.

Arencia hob plötzlich beide Arme. Ihr Schädel ruckte zurück, und ein heiserer, von Magie verzerrter Schrei brach aus ihr hervor – ein Klang, der nicht nur durch die Halle hallte, sondern durch das Gefüge der Wirklichkeit schnitt wie ein Dolch durch Seide. Der Boden erbebte. Überall in den Krypten barsten alte Steine. Risse zogen sich durch Wände.
Und dann – war da das Brüllen. Nicht ihres. Nicht aus dieser Welt.
Es kam aus der Tiefe. Aus den Schatten jenseits der Schatten. Eine Stimme, uralt, von Flammen zerrissen, vom Chaos geformt. Ein Brüllen, das Mauern beben ließ und Magier erzittern machte. Ein Balron. Ein Dämon der alten Zeiten. Und Arencia hatte ihn gerufen.

In den Flammen, die aus dem Runenkreis züngelten, formte sich ein Körper. Hörner, wie von glühendem Eisen. Klauen, geboren aus Alptraum. Flügel aus Rauch und Hass.
Jhea trat einen Schritt zurück.

Doch der Dämon blieb nicht. Mit einem letzten Knall zerriss die glühende Präsenz den Raum und stürmte durch das zitternde Portal, das Arencia mit zitternden Fingern offenhielt – nicht hierher, nicht in die Krypten, sondern hinaus. Hinaus in den Krieg. In die Wälder von Yew.

Jhea spürte es mehr, als dass sie es sah – wie das Portal erbebte, die Luft sich zusammenzog, als würde selbst der Äther den Atem anhalten, als die Kreatur mit Horn und Kralle über die Schwelle trat. Das Echo seines Schreis hallte zurück, nicht mehr in den Wänden der Krypta, sondern getragen von der Ferne.
Und dann – das entfernteste Grollen von Panik.
Sie schloss die Augen. Nur einen Moment. Und sie lächelte.

„Waldelfenfleisch...“, murmelte sie mit schmeichelnder Stimme, die niemand außer ihr selbst hören konnte. „Wie es wohl duftet, wenn es brennt.“

Dann lachte sie leise. Nicht laut, nicht gellend, sondern wie jemand, der gerade gesehen hat, wie sich alle Steine auf dem Spielbrett dorthin bewegen, wo sie immer hin sollten.
Der Dämon war entfesselt. Arencia war schwach. Der Moment war perfekt.

Neben ihr verharrte Lyr’sa. Ihre Schultern waren angespannt, die Finger zitterten an einem Bolzen, den sie nicht einlegte. Ihre Augen waren auf Arencia gerichtet, und in ihrem Blick lag keine technische Analyse – sondern etwas anderes.

Jhea wandte den Kopf kaum, sprach aber leise, nur für sie hörbar.
„Du kennst sie noch, nicht wahr?“

Lyr’sa zuckte kaum merklich zusammen. Dann nickte sie, ohne aufzusehen.

„Sie war freundlich zu mir“, flüsterte sie. „Manchmal. Als es sonst keiner war.“

Jhea ließ das Gewicht dieser Worte in der Luft hängen.

„Dann sei klug“, sagte sie schließlich, ihre Stimme kühl wie Stahl. „Erinnere dich daran – aber halte nicht daran fest. Freundlichkeit ist kein Schild, Lyr’sa. Nicht... heute.“

Ein Moment Stille. Dann das kleinste Nicken.
Jhea wandte sich wieder Arencia zu.

„Jetzt“, flüsterte sie.

Tath’raen war der Erste, der sein Schwert zog – das schwarze Metall flackerte in der magischen Luft. Sarkul folgte ohne Zögern. Xurina nickte knapp, und selbst Xael’vryna wirkte nicht überrascht.
Nur Lyr’sa zögerte. Sie sah zu Arencia – der einstigen Dienerin, dem wandelnden Relikt – und ihre Lippen bebten.

Jhea sprach kein weiteres Wort. Sie musste es nicht.
Die Waffen richteten sich auf Arencia. Auf den Rücken der Knochenfrau, die mit erhobenen Armen noch immer rief. Noch immer befehligte. Noch immer... lebte.
Aber nicht mehr lange.

Arencia drehte sich langsam um. Sie spürte es. Spürte den Verrat wie eine kalte Klinge im Rücken, noch bevor die erste fiel. Ihre Augen – leere, schwarze Höhlen – füllten sich mit etwas, das kein Mensch, kein Elf, kein Gott je benennen konnte. Nicht Wut. Nicht Schmerz. Erkenntnis.

„Ihr...“ krächzte sie.

Jhea'kryna trat vor, ihre Stimme ruhig, beinahe bedauernd.

„Du hast gut gedient, Arencia Dorn-Fernol.“

Dann hob sie die Hand. Und der Befehl war gefallen.

Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Verfasst: 25 Aug 2025, 22:10
von Elandor Ithildor
Die Vorbereitung des Rituals

Nachdem die letzte Untotenhand in den Staub des Friedhofs gesunken war, herrschte ein Schweigen über dem Yew Wald, das schwerer wog als jedes Schlachtgetöse zuvor.
Zwischen den verbrannten Stämmen lag ein Atem, der nicht mehr lebendig war, wie ein Herz, das unregelmäßig schlug. Elandor und seine Gefährten wussten: Sie durften nicht warten, bis der Schmerz den Wald vollends verschlang.

So begann die Vorbereitung.

Sammeln der Gaben

In den darauffolgenden Tagen durchstreiften die Waldelfen ihre Heimat mit wachsamen Augen. Jeder von ihnen brachte etwas zurück, das mehr war als nur eine Zutat:
- Reines Quellwasser aus den tiefsten Armen der Flüsse, eingefangen im Morgengrauen, wenn die Nebel noch über den Wassern tanzten. Es sollte die Wunden des Waldes kühlen.
- Moos und Blätter, noch von Tau benetzt, behutsam gesammelt, damit das Leben selbst in seiner zartesten Form im Kreis gegenwärtig sei.
- Steine, rundgeschliffen von uralten Strömungen, als Erinnerung daran, dass der Wald älter ist als jedes Reich und jede Hand, die ihn je zu entweihen versuchte.
- Kräuter, im Licht des Mondes gepflückt: Salbei, Schafgarbe, Eisenkraut, ihre Düfte sollten reinigen und den Kreis heiligen.
- Manche Elfen gaben auch persönliche Opfer: eine Haarsträhne, ein Tropfen Blut, ein Schmuckstück, das seit Generationen in der Familie war. Kleine Zeichen der Bindung, die den Wald daran erinnerten, dass sein Volk zu ihm stand.

Der Kreis der Erde

Nicht weit vom Friedhof, dort, wo die Wurzeln noch tief und stark unter dem verbrannten Boden ruhten, legten die Waldelfen einen Kreis.
Mit Messern aus Obsidian ritzten sie Zeichen in die Erde, alte Runen, die für „Erneuerung“, „Leben“ und „Schutz“ standen. Sie platzierten die gesammelten Gaben an den vier Himmelsrichtungen:

- Im Osten Wasser, das den neuen Anfang verkündete.
- Im Süden Kräuter, deren Rauch die Schatten vertreiben sollte.
- Im Westen Steine, Sinnbilder für Dauer und Standhaftigkeit.
- Im Norden Moos und Blätter, Sinnbilder für Wachstum und Heilung.
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Das Warten und Weben

In den Nächten lag ein leiser Gesang über dem Kreis, kaum hörbar für Fremde, doch die Tiere hielten inne, wenn sie vorüberzogen. Die Waldelfen sangen keine vollen Melodien, nur kurze Silben, wie tastende Schritte.
Sie flochten Gras zu Bändern und banden sie an die geschwärzten Stämme, damit die Bäume nicht vergaßen, dass jemand an ihrer Seite stand.
Doch die Waldelfen wussten, dass das Ritual nicht ungestört ablaufen würde. Schatten hatten sich bereits einmal erhoben, und nichts sprach dagegen, dass sie erneut versuchen würden, den Wald zu verderben.
Darum beschlossen sie, die Paladine um Beistand zu bitten. Ihr Licht und ihre Stärke würden den Kreis schützen, während die Stimmen der Elfen den Wald heilen. Nur gemeinsam konnten sie gegen die Dunkelheit bestehen.

Ein Schwur in der Stille

An einem Abend, als der Mond voll über den Wipfeln stand, legten die Waldelfen ihre Hände gemeinsam auf den Boden im Inneren des Kreises. Kein Wort wurde gesprochen.
Doch jeder von ihnen schwor in Gedanken, den Wald niemals aufzugeben. Ihre Kraft, ihre Lieder, ihre Opfer, alles würde in das Ritual fließen, wenn die Zeit gekommen war.

Der Boden vibrierte leise unter ihnen, kaum spürbar, doch genug, dass sie wussten: Der Wald hatte ihren Schwur gehört.

So liegt nun der vorbereitete Kreis im Schatten des Friedhofs. Alles ist bereit: die Gaben, die Zeichen, die Stimmen. Doch das Ritual selbst wartet.
Es wird erst dann beginnen, wenn alle Brüder und Schwestern des Waldes sich zusammenfinden und wenn die Paladine ihr Versprechen geben, den Kreis in dieser Nacht zu behüten.

Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Verfasst: 26 Aug 2025, 17:11
von Rianon
Es war bereits Nacht, als Rianon sich von dem Friedhof in Yew entfernte. Er ihm war bewusst, dass sein Volk gerade ein Ritual vorbereitete, um den Ort wieder zu reinigen und mit Leben zu füllen, doch war ihm jetzt gerade ein anderes Leben wichtiger. Um genau zu sein, drei Leben; jene seiner Wölfe. Kaum war er zwischen den Bäumen außer Sicht des Friedhofs, begann er seine Kleidung abzulegen und wie so häufig in einem Bündel zu verschnüren - dann wandelte er sich wieder in den Wolf.
Auf schnellen Pfoten stürmte Rianon wenig später durch den Walt, hin zu der Wolfshöle. Dort angekommen fand er sie: Koda, Naya und natürlich Alniira. Sie alle drei waren schwer gezeichnet von dem Kampf gegen die Untoten. Ein Kampf, der nicht der ihre war, sondern der seine, aber sie hörten auf ihn und halfen, wie ein Rudel es tun sollte. Langsam mit hängender Rute ging Rianon zu jedem von ihnen und leckte über ihre Wunden. Mehr ein Symbol, als tatsächlich eine Heilung. Koda wirkte stolz auf seine Wunden; als junger Jäger kein Wunder, auch wenn ihm die Klinke in seinem linken Ohr sicher noch Probleme machen wird. Naya war nicht so jung und naiv und kümmerte sich um ihre Wunden. Sie lang an der Wasserstelle und wusch sich. Ihr Blick zeugte von Schmerzen - ein Blick, dem Rianon nur ausweichen konnte. Alniira ging es noch mit am Besten - das musste ihre Dorw-Vergangenheit mit sich bringen. Sie war Schmerzen gewohnt. Gerade lehnte sie an dem großen Felsen, um den sie so häufig im Mondschein tanzte. Auch sie leckte ihre Wunden.
Alle lebten und es ging ihnen entsprechend gut. Als die Anspannung von ihm viel, bemerkte Rianon auch seine Wunden. Teilweise waren sie tief, jedoch nur körperlich, und bei dem Licht des Mondes begannen sie bereits sich zu schließen. Er wird seinen Freunden bei den Waldelfen eine Erklärung liefern müssen, weswegen er sich so schnell erholte. Im Moment war er jedoch nur froh, dass sein Rudel am Leben war.
Er schaute über die Schulter und schnüffelte in den Wind. Ja, da war es. Dieser Geruch und die Spannung, wenn Druiden etwas vorbereiten. Noch einmal ging er zu den seinen und dankte ihnen, dass sie ihm folgten. Dann wandte er sich um und lief wieder zurück in Richtung Friedhof, um den anderen der seinen zu Helfen.

Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Verfasst: 27 Aug 2025, 11:24
von Ira
Die Bedrohung verging so schnell wie sie gekommen war.
Schild an Schild bildeten die Paladine des Mondes einen eisernen Wall gegen den Ansturm der Horden. Unnachgiebig rückten Ordensbrüdern und Schwestern Stück für Stück voran, während das Surren elbischer Pfeile die Luft erfüllte und die silbernen, geschwungener Klingen ihres Volkes im Nebel blitzten.

Irâ konnte den Anblick ihrer entstellten Brüder, die um ihre ewige Ruhe gebracht wurden, kaum abschütteln. Ihre entstellten Gesichter, die klagenden Schreie aus verwesenden Kehlen sollten sie noch Wochen später verfolgen. Dennoch wand sich die Waldelfe anmutig durch die untoten Reihen und tat, was getan werden musste. Als Alles zu Ende war, ertönte ein Schrei wie Donnergrollen aus der Ferne.

Was zurück blieb war ein Schlachtfeld, der Geruch von verwesendem Fleisch und mehr unbeantwortete Fragen wie zuvor. Dann Stille.

Selbst die umliegende Natur war in Mitleidenschaft gezogen: Jeder Waldelf konnte die Schmerzen der verdorrten Bäume spüren, die vom Herz des Waldes an sie weiter getragen wurden. Was auch immer für die Vorfälle in der Umgebung verantwortlich war, hatte auch das innere Lied der Bäume so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass nicht mehr als ein leises Flüstern zurück geblieben war.

Irâ verbrachte die folgenden Tage nicht in ihrem üblichen Nachtlager. Statt dessen verblieb sie im Süden und hatte sich dort einen Posten in Sichtweite des Friedhofes eingerichtet. Zu viele Fragen waren offen geblieben, und so behielt die Elfe Schwert und Bogen immer in Griffreichweite, nur um sicher zu gehen. Auch wenn sie bereits fast die Hälfte ihres Lebens in Yew verbracht hatte, wirkten einige Rituale ihrer Brüder und Schwestern doch noch etwas befremdlich auf sie. Die Gesänge waren ruhiger, beschwichtigender, als diejenigen, die sie aus ihrer tropischen Heimat kannte. Die Druiden zeigten viel Geduld, und wiesen die noch etwas unsichere Waldelfe in ihr Ritual ein, für das Irâ einen Tropfen ihres Blutes als Opfergabe zurück ließ. Es war das erste Mal in all den Jahren, dass sie ein solches Ritual beobachten konnte. Auch wenn sie sich unsicher war, ob ihr Zutun wirklich von Belang war, stimmte sie viele Nächte lang in die beruhigenden Lieder der Druiden ein, wenn sie nicht in ihrem nahen Lagerplatz Wache hielt. Es war vielleicht nicht viel, aber es war alles was sie tun konnte um die von der Schlacht zurückgebliebenen Wunden zu schließen und ihre neue Heimat zu schützen.

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