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So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Verfasst: 27 Nov 2025, 18:28
von Jhea'kryna Ky'Alur
Bezieht sich auf den Post von Behemoth und dieser Reihe:

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Der Abend über dem Anwesen von Aurelius Vaelcourt war erhellt von dem gedämpften Schimmer dutzender Laternen, die in den makellos gepflegten Zedern hingen wie sorgsam platzierte Sterne. Der Moonglower liebte nichts so sehr wie Inszenierung. Sein gesamtes Anwesen war ein Bühnenbild für einen Mann, der sich selbst stets im besten Licht sehen wollte. An diesem Abend jedoch war sein Lächeln schärfer als sein Pagenmesser und sein Charme nur die vergoldete Spitze eines Dolches.

Im Innenhof kam ein Mann in dunkler Reisekleidung auf ihn zu, einer der Schatten, die Vaelcourt zu bezahlen pflegte, wenn etwas aus dem Weg zu räumen war. Der Attentäter bewegte sich ruhig, beinahe lautlos, und verneigte sich flach vor seinem Auftraggeber.

„Ihr wolltet mich sprechen, Mylord?“

Aurelius Vaelcourt nickte langsam, legte eine Hand an den goldbestickten Ärmel seines Mantels und führte den Mann zu einer kleinen Terrasse, von der aus man das angrenzende Waldstück sah — jenes, das er am nächsten Morgen zur Jagd ausgewählt hatte. Seine Stimme war beladen mit falscher Freundlichkeit, wie süßer Wein, der heimlich vergoren war.

„Unsere reizende Drow-Dame hat eine… sagen wir… bemerkenswerte Anhängerschaft gewonnen. Gewissen Kreisen zufolge glaubt man, sie könne Moonglow besser leiten als ich. Ein Irrtum, der korrigiert werden muss.“

Der Attentäter blickte hinüber in die Baumkronen, dann zurück zu Vaelcourt.
„Ihr wollt, dass der Unfall im Wald geschieht.“

„Aber natürlich.“ Vaelcourt lächelte, als sei dies das Natürlichste der Welt. „Ein tragischer Jagdunfall. Man sieht einen Fasan, man zielt, irgendetwas erschüttert die Ruhe… und schon hat sich die Natur gegen sie verschworen. Traurig. Unvermeidlich. Für die Stadt ein großer Verlust — doch für mich ein segensreicher.“

Der Mann nickte knapp. „Position?“

„Dort oben“, sagte Vaelcourt und deutete auf eine breite, solide Astgabel. „Ihr habt freie Schusslinie auf die Dame. Sie wird nicht erwarten, dass jemand es wagt; und ihr Leibwächter… dieser Tath’raen… er ist zu stolz, um einzugestehen, dass er nicht jeden Schatten kontrollieren kann.“

Der Attentäter verhärtete den Blick. „Und wenn es schief geht?“

Vaelcourt lachte leise. „Wenn es schief geht, werde ich überrascht und tief bestürzt sein. Moonglow wird trauern. Ich werde trauern. Und niemand wird je erfahren, dass Ihr jemals existiert habt.“

Es war kein Befehl, sondern ein Todesurteil für den, der versagte.

Der Attentäter verneigte sich erneut, verschwand in die Dunkelheit — und Vaelcourt blieb noch einen Augenblick stehen, während die Laternen glitzerten. Morgen, so glaubte er, würde ein Problem weniger existieren. Es war ein beruhigender Gedanke. Sehr beruhigend... Danach nur noch Bareti und diese Alniira...


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Der Morgen kam mit einem dünnen, goldenen Licht, das durch die Blätter brach, und Vaelcourt empfing Jhea’kryna Ky’Alur mit jenem übertriebenen Pomp, für den er bekannt war: eine Eskorte, drei Diener, ein silbernes Tablett mit Erfrischungen und ein Lächeln, das so glatt war, dass es beinahe rutschte. Tath’raen, der Sargtlin, blieb dicht an Jheas Seite, in dunkler Rüstung und mit Blicken, die jeden Strauch misstrauisch musterten.

„Meine verehrte Ilharess“, begrüßte Vaelcourt sie überschwänglich, „wie schön, dass Ihr meiner bescheidenen Einladung gefolgt seid. Nichts fördert ein gutes Gespräch so sehr wie eine entspannte Jagd, nicht wahr? Die Fasane sind hier von besonders feiner Qualität.“

Jhea’kryna nickte nur leicht; ein Schatten eines Lächelns spielte über ihre Miene, doch in ihren Augen glomm jene gefährliche Ruhe, die selbst unter Drow gefürchtet war.

Sie gingen gemeinsam in den Wald, Vaelcourt stets einen halben Schritt zu nah, Tath’raen stets einen halben Atemzug zu angespannt. Bald erreichten sie eine Lichtung, über der sich die Bäume verzweigten — und in einer dieser Kronen lag der Attentäter, reglos, die Armbrust bereits angelegt.

„Hier wären wir“, sagte Vaelcourt mit gespielter Gelassenheit und nahm von einem Diener eine kunstvoll gearbeitete Armbrust. „Ein prächtiges Stück Handwerk. Bitte, versucht Euch doch. Oh seht dort kommen Sie! Sucht euch einen aus. Es ist so ein hübscher Sport, wirklich.“

Tath’raens Blick verfinsterte sich augenblicklich. „Malla Ilharess, Ihr solltet Euch solchen Gefahren nicht aussetzen. Ich rate dringend davon ab—“

„Aber bitte!“ Vaelcourt hob abwehrend die Hände. „Es ist nur ein Fasan. Das größte Risiko ist ein misslungener Schuss. Und Ihr müsst zugeben — politisch wäre es… wohltuend harmonisch… wenn wir ein wenig Gemeinsamkeit zeigen.“

Jhea’kryna nahm die Armbrust entgegen. Diese krudern Gerätschaften hatte Sie schon zu hauf gesehen. Einige sogar selbst verzaubert, meist wurden diese jedoch von der kleinen Lyr'sa gefertigt, die sicher irgendwo am Waldrand saß und sich diesen Anblick nicht entgehen lassen wollte.
Ihre Finger glitten über das Holz wie über den Hals eines widerspenstigen Tieres. Tath’raen öffnete den Mund, um erneut zu protestieren, doch ein einziger Blick von ihr brachte ihn zum Schweigen.

Sie hob die Waffe, zielte, folgte einem Fasan, der gemächlich zwischen den Farnen entlanglief. Vaelcourt wartete auf den Klang des verfehlten Bolzens, auf Tath’raens gereizte Reaktion, auf die Gelegenheit, die kleinen Unfälle der Natur bedauern zu können.

Der Schuss löste sich. Der Fasan flatterte auf, völlig unversehrt.
Vaelcourt lächelte — ein Lächeln, das bereits den Sieg schmeckte.
„Leider daneben, fürchte ich.“

Tath’raen spannte sich an, wollte etwas sagen — wollte schreien, wollte einschreiten — doch Jhea’kryna hob nur die Hand, ganz ruhig, als befände sie sich in einer Sitzungshalle des Qu’ellars, nicht in einem Wald voller Absichten.

„Ach wirklich?“, fragte sie leise. Ein Hauch von Spott. Ein Stich aus Samt.
Dann raschelte es über ihnen — ein einziger, kurzer, brutaler Laut, und der Attentäter stürzte aus der Baumkrone, schlug hart auf den Boden und blieb reglos liegen, mit der Bolzenwunde, die eindeutig nicht von seiner eigenen Waffe stammte.

Vaelcourts Gesicht verlor augenblicklich seine Farbe. Sein Lächeln erstarb.
Jhea’kryna reichte ihm die Armbrust zurück, elegant, beinahe höflich.

„Man trifft manchmal mehr, als man beabsichtigt.“, sagte sie mit sanfter, gefährlicher Wärme.

Vaelcourt öffnete den Mund, doch kein Ton kam heraus.
Tath’raen trat einen halben Schritt vor, wartete auf das Zeichen.
Eine einzige, leichte Bewegung von Jhea’krynas Fingern.

Mehr brauchte er nicht, hatte er nie gebruacht.
Der Sargtlin zog die Klinge, und bevor Vaelcourt auch nur den ersten Laut eines Protestes formen konnte, durchtrennte kalter Stahl seine Ambitionen. Der Moonglower sank zwischen die Farne, sein Blut tränkte die Wurzeln eines Baumes.
Jhea’kryna wandte sich um, als wäre dies nicht mehr als das Ende eines Gesprächs gewesen, und Tath’raen folgte ihr schweigend.

„Dies ist so ein hübscher Sport“, bemerkte Jhea'kryna als Tath'raen zu ihr aufschloss und sie den Weg zurück zur Schmiede antragen.

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Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Verfasst: 27 Nov 2025, 19:09
von Alniira Vrammyr
Der Wald roch heute Morgen nach Tau, Kiefernnadeln und... einer penetranten Wolke aus teurem Parfüm, die jeden anständigen Jäger beleidigt hätte.

Alniira lag flach auf dem Bauch im dichten Unterholz, ihr graues Wolfsfell verschmolz perfekt mit dem schattigen Farn. Ihre Ohren zuckten, drehten sich in Richtung des Schauspiels, das sich auf der Lichtung entfaltete. Sie war eigentlich hier gewesen, um ein oder zwei Hasen zu reißen – ehrliche Beute für echten Hunger –, aber was ihre goldgelben Augen dort beobachteten, war wesentlich unterhaltsamer als jede Hasenjagd.

Dort stolzierte Aurelius Vaelcourt, aufgeplustert wie ein Pfau im Balzritual, und neben ihm schritt Jhea'kryna Ky'Alur mit jener tödlichen Eleganz, die Alniira sofort als "Ich habe bereits gewonnen, du weißt es nur noch nicht"-Gang erkannte. Und natürlich der treue Schatten Tath'raen, dessen Hand nervös über dem Schwertknauf schwebte.
Alniira hat geschrieben: (Der Wolf in ihr entblößt leicht die Zähne in einem stummen Grinsen.)
Sieh sie dir an. Vaelcourt hält die Armbrust wie ein Spielzeug, das er fürchtet. Und die Ilharess? Sie riecht nach Kälte und Kalkül. Ein Raubtier, das mit seinem Essen spielt, bevor es zubeißt.
Ihre feine Nase witterte etwas. Ein fremder Geruch, oben in den Bäumen. Sie hob den Kopf kaum merklich. Dort, direkt über der Gruppe, kauerte der "Attentäter". Für menschliche Augen unsichtbar, aber für die Nase eines Wolfes stank er nach Angst und... nach den Kasernen von Haus Ky'Alur.

Alniiras Wolfsohren stellten sich auf. Das war kein Söldner, den Vaelcourt in einer dunklen Gasse angeheuert hatte. Das war ein entbehrlicher Spion aus Jhea'krynas eigenen Reihen. Ein Bauernopfer.
Alniira hat geschrieben: Oh, das ist bitterböse. Vaelcourt hat nicht den blassesten Schimmer. Er glaubt, er sei hier der Jäger, dabei ist er längst die Beute. Der Kerl da oben riecht nach dem Hauswappen der Ky'Alur. Jhea'kryna hat ihn wohl als Sicherheit auf Vaelcourt angesetzt – oder als dessen Henker. Sie führt den aufgeblasenen Moonglower direkt in eine Falle, die er nicht einmal sehen kann, während er sich noch artig für ihren Besuch bedankt. Effizienz, dein Name ist Drow.
Unten hob Jhea'kryna die Armbrust. Der Fasan im Farn hatte keine Ahnung, wie sicher er eigentlich war. Alniira wusste genau, wohin dieser Bolzen fliegen würde.

Sssssst. Thud.

Der Körper fiel aus dem Baum wie ein nasser Sack und schlug dumpf auf dem Waldboden auf. Alniira beobachtete die theatralische Punktlandung mit einem anerkennenden Schnauben.
Alniira hat geschrieben: Note eins für die Ausführung. Note sechs für die Arbeitsplatzsicherheit bei Haus Ky'Alur. Merke: Wenn die Ilharess dich bittet, eine "gehobene Position" einzunehmen, meint sie damit meistens den freien Fall. Beschwerden bitte direkt an den Waldboden richten.
Dann folgte der zweite Akt. Tath'raens Klinge blitzte, und der Geruch von frischem Blut mischte sich augenblicklich in die Luft. Vaelcourt sank zu Boden, seine Ambitionen so rot wie sein Lebenssaft im Moos. Keine Diskussion, kein Prozess. Nur kalter Stahl.

Alniira legte den Kopf auf die Vorderpfoten. Das war der Unterschied zwischen der Oberfläche und dem Unterreich. An der Oberfläche brauchte man Beweise, Richter und Geschworene. Im Unterreich brauchte man nur eine gute Inszenierung und jemanden, der schnell genug sauber machte.
Alniira hat geschrieben: (Ein leises Grollen in der Kehle.)
Armer Vaelcourt. Er dachte, er ist der Alpha. Dabei war er nur Beute, die sich freiwillig in die Falle gelegt hat. Niemals... wirklich niemals... lädt man eine Ilharess zur Jagd ein, wenn man selbst das Wild ist.
Unten machten sich die Drow auf den Rückweg, plaudernd, als wäre nichts geschehen. Jhea'krynas Kommentar über den "hübschen Sport" wehte zu Alniira herüber.

Die Wölfin erhob sich lautlos, schüttelte ihr Fell und fixierte einen echten Hasen, der ein paar Meter weiter im Gras saß, völlig unbeeindruckt von dem Drama der Zweibeiner.
Alniira hat geschrieben: Recht hat sie. Es ist ein hübscher Sport. Solange man weiß, auf welcher Seite der Zähne man steht.
Mit einem gewaltigen Satz sprang sie los. Ihr Abendessen war gesichert. Und sie hatte eine wertvolle Lektion in politischer Landschaftsgestaltung erhalten: Wenn du in Moonglow einen Baum fällen willst, stell sicher, dass nicht zufällig eine Matrone darunter steht, die gerade "Gartenarbeit" machen möchte

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Verfasst: 27 Nov 2025, 20:05
von Alniira Vrammyr
Der Weg zurück nach Moonglow war ein Spaziergang der Kontraste. Eben noch hatte Alniira Zeugin eines politischen Schachzugs geworden, bei dem Leben so leichtfertig weggeworfen wurden wie schlechter Wein, und jetzt... jetzt trug sie ein Kaninchen an den Ohren, das einen wesentlich ehrenvolleren Tod gestorben war als der Kerl im Baum.

Sie hatte sich am Waldrand zurückverwandelt. Als Wölfin durch das Hauptor zu spazieren, sorgte meist für unnötige Diskussionen mit der Stadtwache über Leinenpflicht und Maulkörbe. Als Drow hingegen, die ein totes Tier durch die Straßen trug, erntete sie nur die üblichen misstrauischen Blicke.

Damit konnte sie leben.

Sie öffnete die Tür zu ihrem gemeinsamen Haus mit dem Fuß. Talos stand am Herd und rührte in einem Topf mit Wasser, als würde er hoffen, dass sich durch reine Willenskraft Gemüse darin materialisiert.

Alniira ließ das Kaninchen mit einem satten Platsch auf den Küchentisch fallen.
Alniira hat geschrieben: (Trocken, während sie sich den Schmutz von den Händen wischt.)
Abendessen. Frisch vom "Markt". Und mit Markt meine ich den Walf hinter Vaelcourts Anwesen.
Talos zuckte kurz zusammen, drehte sich dann aber mit der Ruhe eines Mannes um, der sich an plötzliche Kadaver auf seinem Tisch gewöhnt hatte. Er hob eine Augenbraue. - Erfolgreich?"
Alniira hat geschrieben: Oh, absolut. Ich habe heute gelernt, dass Hasen schlauer sind als Adlige. Dieser hier hat wenigstens versucht wegzulaufen, als er eine Gefahr sah. Vaelcourt hingegen... sagen wir, er hat heute eine sehr intensive, aber kurze Lektion in 'Baumpflege und deren Risiken für die Gesundheit' erhalten.
Sie griff nach einem Messer und begann routiniert, das Fell abzuziehen. Ihre Gedanken wanderten zurück zu der Szene im Wald.
Alniira hat geschrieben: (Sie grinst zynisch vor sich hin.)
Du hättest es sehen sollen, Talos. Jhea'kryna hat einen Attentäter vom Baum geschossen wie einen überreifen Apfel. Vaelcourt stand da und sah aus, als müsste er dringend seine Hosen wechseln. Ein kurzer Moment der Reue, bevor Tath'raen die Sache beendete. Jetzt muss er sich zumindest keine Sorgen mehr um seine Garderobe machen.
Talos seufzte und reichte ihr eine Schüssel für das Fleisch. "Klingt nach einem entspannten Vormittag. Und ich dachte, ich hätte Stress, weil mir die Kohle ausgeht."
Alniira hat geschrieben: Stress ist relativ. Stress ist, wenn du nicht weißt, ob die Frau neben dir dich zum Tee einlädt oder dich als Dünger für ihre Petunien verwendet. Vaelcourt hat es nicht überlebt; sein Blut düngt jetzt den Farn.
(Sie wirft ein Stück Fleisch in den Topf.)
Dagegen ist dieser Hase hier ein echter Gewinner. Er endet als Eintopf. Er hat einen Zweck. Vaelcourt war am Ende nur noch Dekoration in Jhea'krynas Theaterstück.
Sie lehnte sich gegen die Anrichte, verschränkte die Arme und beobachtete Talos beim Kochen.
Alniira hat geschrieben: Weißt du, manchmal beneide ich die Menschen hier. Die Probleme sind so... herrlich simpel. 'Oh nein, es regnet.' 'Oh nein, das Brot ist hart.' Niemand muss sich Sorgen machen, dass der eigene Gärtner eigentlich ein Meuchelmörder ist, der von der Tante dritten Grades bezahlt wurde, weil man beim letzten Familienfest den falschen Löffel benutzt hat.
Talos rührte im Topf. "Dafür schmeckt unser Essen meistens besser, wenn wir nicht gerade vergessen, es zu salzen."

Alniira lachte leise. Es war ein ehrliches Geräusch.
Alniira hat geschrieben: Touché, Talos. Touché. Also, mach was draus. Der Hase hat sein Bestes gegeben. Es wäre unhöflich, wenn er jetzt an deinem mangelnden Kochtalent scheitert.

Die Unverschämtheit der Gräfin ... und ihrer Schreiberin... [Statthalter Moonglow]

Verfasst: 29 Nov 2025, 13:12
von Jhea'kryna Ky'Alur
Die Treppe zur ersten Etage der Schmiede war schmal, und obwohl die Stufen aus gutem, solidem Holz bestanden, fühlte sich jeder Schritt für Jhea’kryna wie ein Widerspruch an, denn sie war es gewohnt, sich in Hallen aus obsidianem Stein zu bewegen, deren Kälte und Geräuschlosigkeit ihr das Gefühl gaben, in einer Welt zu leben, die ihrem Wesen entsprach. Die Schmiede in Moonglow dagegen war ein Ort, der nach Ruß, Metall und Feuer roch, und selbst in der oberen Etage, die man ihr als provisorisches Quartier überlassen hatte, lag die Wärme des Ofens wie ein stetiger Atemzug in der Luft. Ihre Gemächer waren zweckmäßig eingerichtet: ein massiver Tisch aus dunklem Holz, ein Regal mit den wenigen Artefakten, die sie aus Elashinn retten konnte, einige Teppiche, deren Farben nicht in der Lage waren, die verlorene Pracht der alten Qu’ellarhallen zu ersetzen, und einige Fenster, durch die man die Straßen Moonglows sehen konnte, die ihr noch immer fremd wirkten, obwohl sie seit Monaten hier verweilte.

Sie ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen, strich das Haar zurück und atmete langsam aus, während sie zum Tisch ging. Es war nicht etwa eine Audienz gewesen, die Jhea’kryna erschöpft hatte, denn eine Audienz hatte man ihr gar nicht erst gewährt; und genau dieser Umstand – die ungeheuerliche Tatsache, dass eine Gräfin von Schwarztann es gewagt hatte, eine Ilharess warten zu lassen wie eine beliebige Gesuchstellerin aus der dritten Reihe – nährte einen Ärger in ihr, der weit tiefer ging als eine simple Beleidigung. Dass man sie mit einem vagen Verweis abgewiesen hatte, während eine Schreiberin mit dem eher lächerlichen Namen Jolanda Pappmacher ihr ausrichten ließ, man werde sich „zu einem späteren, passenden Zeitpunkt“ melden, war ein Akt von Ignoranz, der nur möglich war, wenn man keinerlei Vorstellung davon hatte, welchen Rang und welche Macht Jhea’kryna einst getragen hatte und immer noch trug.

Diese Missachtung berührte denselben wunden Punkt, der in ihr offen lag, seit sie Elashinn aufgeben musste; doch der Zorn entzündete sich nicht allein an diesem Affront, sondern verband sich mit der Erinnerung an die Begegnung mit Vaelcourt, jenem wohlhabenden Moonglower Händler, der sie erst vor Kurzem unter dem Vorwand höfischen Interesses zu einer Fasanenjagd eingeladen hatte, nur um sie dort einem gedungenen Attentäter auszuliefern. Vaelcourt, dessen übertriebene Gastfreundschaft in Wahrheit nur der Schleier eines Verrats gewesen war, hatte den Preis für seine Dummheit in derselben Lichtung bezahlt, in der er sie hatte sterben lassen wollen. Sein Tod war notwendig gewesen, und doch lastete die Episode schwer auf Jhea’krynas Gedanken, denn sie offenbart hatte, was in Moonglow im Verborgenen gärte: eine unterschwellige Bereitschaft, sie zu unterschätzen, zu manipulieren oder zur Seite zu drängen, als wäre sie ein leicht zu entfernendes Hindernis.

Vor diesem Hintergrund erschien die Arroganz der Gräfin – einer Frau, die es nicht einmal für nötig befunden hatte, ihr persönlich gegenüberzutreten – nicht mehr wie ein isolierter Vorfall, sondern wie ein weiteres Glied in einer Kette aus Respektlosigkeiten, die sich seit der Flucht aus der Unterwelt zunehmend häuften. Und es war Jolanda Pappmacher gewesen, deren billige Höflichkeitsfloskeln und selbstgefällige Ausweichformeln den letzten Tropfen geliefert hatten, denn niemand, der verstand, was eine Ilharess war, hätte es gewagt, in einem solchen Ton mit ihr zu kommunizieren.

Die Drow schob einen Stuhl zurück, setzte sich jedoch nicht sofort, sondern legte erst beide Hände auf die Rückenlehne und sah für einen langen Moment in die flackernden Lichter der Aetherkristalle, die sie auf dem Tisch drapiert hatte, um dem Raum wenigstens einen Hauch ihrer alten Heimat zu geben. Was sie störte, war nicht die plumpe Respektlosigkeit dieser Schreiberin, sondern die Tatsache, dass sie solche Respektlosigkeit überhaupt ertragen musste, weil sie nun in einer Stadt residierte, deren Bewohner noch immer nicht verstanden, wer und was sie war. In Elashinn hätte man einer Figur wie Jolanda Pappmacher nicht einmal erlaubt, im Schatten des Tempels zu stehen, geschweige denn in einer offiziellen Audienz das Wort zu erheben.

Als sie sich schließlich setzte, glitt ihr Blick über die Pergamente, die am Rand des Tisches lagen, doch ihre Gedanken wanderten in eine andere Richtung, hin zu den vielen Möglichkeiten, die sich boten, um mit solch einem ungebührlichen Verhalten umzugehen. Sie war durchaus in der Lage, drei oder vier Methoden hervorzuheben, die ihr spontan einfielen, und keine davon war sonderlich sanft. Es gab schmerzlose Techniken, die jedoch tief in den Geist eingriffen, subtile Eingriffe in die Wahrnehmung, die jemanden dazu brachten, seine eigenen Erinnerungen infrage zu stellen. Dann gab es jene Formen der Überzeugungskunst, die eine Schreiberin wie Jolanda vermutlich sehr rasch bekehrten, da sie den Kern jener Überheblichkeit angriffen, die solche Menschen gewöhnlich trugen. Und schließlich existierten auch Methoden, die weniger auf Schmerz als auf Demütigung zielten, doch sie fragte sich, ob das überhaupt notwendig war, oder ob jeder Schritt vorerst eine Information wert war, bevor man an Vergeltung dachte.

Mit einer langsamen, sorgfältigen Bewegung zog sie ein frisches Blatt Pergament heran und nahm die Feder in die Hand. Wenn sie Antworten wollte, musste sie zuerst Bareti kontaktieren, denn sie kannte Moonglow besser als jede andere, und ihr Gasthaus war ein Ort, an dem Informationen wie Kräuter in einem Sud zusammenfielen und ihren wahren Geschmack preisgaben.
An Bareti, Wirtin der Taverne in Moonglow

Werte Bareti,

ich hoffe, dass Dich diese Zeilen zu einem Moment erreichen, in dem Deine Taverne Dir eine kleine Atempause gönnt, denn ich erlaube mir, Dich um Deine Einschätzung zu bitten – nicht als Pflicht, sondern als jene Art stiller Gefälligkeit, die Freundinnen einander erweisen, wenn die Umstände es verlangen.
Du kennst diese Stadt, ihre Menschen und die verborgenen Strömungen, die sie bewegen, besser als jemand, der erst seit kurzer Zeit gezwungen ist, sich in Moonglow niederzulassen.

In den letzten Tagen traten zwei Personen in Erscheinung, deren Verhalten mir Anlass gibt, genauer hinzusehen: Gräfin Cornelia von Schwarztann und ihre Schreiberin Jolanda Pappmacher. Ihr Auftreten, ihre Art, Botschaften zu überbringen, und die bemerkenswerte Selbstverständlichkeit, mit der sie sich in Angelegenheiten bewegen, die sie weder betreffen noch verstehen, lassen Fragen offen, die ich ohne Deine Beobachtungsgabe nur unvollständig beantworten kann.

Daher möchte ich Dich – vorsichtig und ohne jedes Drängen – um Folgendes bitten:

– Ob die Gräfin oder ihre Schreiberin Deine Taverne aufgesucht haben, und wenn ja, welchen Eindruck sie hinterließen.
– Ob sie Gespräche führten, die Dir als ungewöhnlich, vertraulich oder bewusst zurückhaltend vorkamen.
– Ob andere Gäste nach ihnen gefragt haben, sei es aus Neugier, Misstrauen oder aus Gründen, die Du nicht einordnen konntest.
– Und ob in Deinem Haus Gerüchte umhergehen, die mit ihnen oder ihrem Auftreten in Verbindung stehen könnten – selbst jene, die Dir zu unscheinbar vorkamen, um sie auszusprechen.

Ich verlange keine Geheimnisse Deiner Gäste und würde Dich niemals in eine Lage drängen, die Deiner Stellung oder Deiner persönlichen Sicherheit schaden könnte. Mir geht es lediglich um jene Fäden, die Du ohne Mühe zu fassen bekommst, oft ohne sie bewusst zu suchen.

Du würdest mir mit einer Antwort einen Dienst erweisen, den ich zu schätzen weiß und nicht vergessen werde.
Und selbstverständlich wird niemand außer mir erfahren, dass ich Dich um eine solche Einschätzung bat; Du weißt, dass ich zu unterscheiden weiß, wer mir mit Offenheit begegnet und wer nur vorgibt, es zu tun.

Mit unverhohlener Wertschätzung,
und der Gewissheit, dass Deine Worte mir mehr nützen als jede offizielle Stelle,

Darunter war der Siegelring des Hauses Ky'Alur in Wachs gedrückt

Nachdem sie den Brief versiegelt hatte, erhob sie sich und rief mit einem leisen, aber unmissverständlichen Ton nach der Shin’nayne. Die lautlosen Schritte der Jabbress waren unverwechselbar, und als die ehemals Verbannte vor ihr stand, offenbarte sich jene Präsenz, die nur Wesen besitzen, die nie sprechen und doch alles verstehen, und die alles tun würden um wieder in ihrer Gunst stehen zu dürfen. Jhea’kryna gab ihr den Auftrag, Alniira Vrammyr zu beobachten, und zwar mit jener fast überirdischen Unmerklichkeit, die eine Jabbress des Hauses auszeichnete. Alniira hatte in letzter Zeit zu viele Wege beschritten, die nicht sauber erklärbar waren, und Jhea’kryna hatte keine Geduld mehr für blinde Flecken, die sich im Schatten des Hauses Ky’Alur ausbreiteten.

Die Spionin verneigte sich und verschwand lautlos, und als Jhea’kryna wieder allein war, lehnte sie sich vor und ließ die Finger über die Tischkante gleiten. Der Raum war klein, er war warm, er war fremd, und doch war er der einzige Ort, an dem sie überhaupt noch einen Moment der Kontrolle besaß.

Es war nicht Elashinn. Aber Elashinn lebte in ihr weiter.

Und wer ihr heute begegnet war, hatte vergessen, wem sie gegenüberstand.
Sie würde es ihnen in Erinnerung rufen.

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Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Verfasst: 29 Nov 2025, 14:49
von Tath'raen
Tath'raen hatte alles mit angesehen und angehört. Es gab Vorteile, wenn man nur ein "niederer und unwürdiger" Sargtlin ist. Niemand beachtet einen. Dabei stand er während des Briefschreibens und der Übergabe an diese Shin'nayne die ganze Zeit in voller Rüstung und Bewaffnet ein paar Schritte hinter seiner Ilharess in einer dunklen Niesche des Zimmers. Tath'raen nahm seine Aufgabe als Wache sehr ernst und war jeder Zeit bereit, sich zwischen die Ilharess und einem Angreifer zu werfen, auch wenn sie diesen Schutz wahrscheinlich nicht brauchte - ihre Macht war schließlich unbegrenzt.
Nichtsdestoweniger kam Tath'raen eine Idee, als die Spionin den Raum verließ, ein Plan, den die Ilharess vielleicht übersehen hatte. Es kostete Tath'raen viel Mut sein Zögern zu überwinden, um die illusorische Einsamkeit der Ilharess zu brechen. Schließlich trat er laut, um Aufmerksamkeit zu erregen, aus seiner Niesche, verbeute sich so tief, wie es seine Rüstung zuließ und sprach: "Malla Ilharess, darf dieser Niedere sprechen?" Sie ließ ihn warten. Überlegte vielleicht, ob sie ihn ob dieser ungebetenen Frage auf der Stelle verbrennen sollte. Schließlich obsiegte ihre Neugierde und sie hob einen Finger. Das Zeichen, dass er sprechen durfte. "Malla Ilharess," begann er "diese Shin'nayne hat sich noch nicht bewiesen. Ihre Treue steht noch aus. Usstan möchte euch eine Prüfung vorschlagen." Kurz wartete er, während die Ilharess langsam mit einem Fingernagel auf ihrem Steintisch tippte. Tick, tick, tick. Ungeduld. Also sprach er rasch weiter: "Um die Treue dieser Abtrünnigen zu testen, könnte usstan über verborgene Kanäle eine Information an die dreckige Schmieden, die einst Alniira genannt wurde, schmuggeln. Entweder bemerkt die Spionin diesen Nachrichtenverkehr oder scheitert und ihr, meine Ilharess, könnt das Schauspiel zwischen Katze und Maus beobachten. Wobei offen ist, wer der beiden Drow die Katze und wer die Maus ist. Falls Shin'nayne versagt, schicke ich meine Hunde hinterher. Sarkul und Maldrak werden langsam unruhig." Nachdem er gesprochen hatte, verharrte er schweigend in seiner Verbeugung und erwartete die Antwort seiner Ilharess...

Wenn ein Sargtlin wagt zu sprechen [Statthalter Moonglow]

Verfasst: 29 Nov 2025, 15:09
von Jhea'kryna Ky'Alur
Als der Klang seiner gepanzerten Schritte den schmalen Raum durchbrach, hob Jhea’kryna nicht sofort den Blick, denn sie wollte spüren, wie viel Mut ein Sargtlin aufbringen musste, um sein Schweigen zu brechen, während die Schatten noch nicht vollständig aus dem Zimmer gewichen waren. Erst als er in ihrer Wahrnehmung zu einer klar umrissenen Präsenz wurde, löste sie die Finger von der Schreibfeder, lehnte sich zurück und betrachtete ihn mit jener Mischung aus kühler Distanz und prüfender Neugier, die bei ihr stets schwer zu unterscheiden war. Tath’raen verharrte tief gebeugt, ein Bild aus Stahl, Demut und einer Spur Verwegenheit, und während er seine Worte sprach, voll von Ehre, Pflicht und dem unmissverständlichen Wunsch, das Ansehen seines Hauses zu mehren, spürte Jhea’kryna, wie sich ein kaum sichtbares Lächeln an den Rand ihrer Gedanken stahl.

Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, ihn für die Kühnheit seiner Einmischung zu bestrafen, sei es durch ein einziges Wort, eine beiläufige Geste oder eine schmerzhafte Lektion, die ihm für Wochen in Erinnerung geblieben wäre; und doch spürte sie, dass seine Worte nicht aus Übermut geboren waren, sondern aus einem instinktiven Gespür für die Fäden, die Lloth in den Schatten spannte. Während sie ihn musterte, fragte sie sich für einen langen, unhörbaren Moment, ob die Spinnengöttin selbst seinen Gedanken die Richtung gewiesen hatte, denn die Idee besaß eine gewisse Eleganz: eine Prüfung, die zwei potenziell unzuverlässige Figuren gegeneinander führte, ohne dass sie selbst auch nur einen Finger rühren musste.

Als sein Vorschlag verklang, ließ sie die Stille bewusst länger stehen, als nötig gewesen wäre, um zu prüfen, ob er an seinem Mut festhielt oder zu zittern begann. Erst als er keine Regung des Rückzugs zeigte, hob sie eine Hand, nicht streng, sondern beinahe nachdenklich, und gestattete ihm fortzufahren. Dann griff sie nach einer der Pergamentrollen, schob sie ihm langsam über den Tisch entgegen und legte Feder und Tinte darauf, ein stummes Zeichen, dass seine Idee nicht nur gehört, sondern möglicherweise in Handlung verwandelt werden würde.

„Schreibe,“ sagte sie leise, „wenn Lloth dir Worte schenkt, will ich sehen, welche sie sind.“

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Verfasst: 29 Nov 2025, 16:17
von Alniira Vrammyr
Es war heiß. Nicht die angenehme Wärme eines Lagerfeuers im Wald, sondern die stickige, rußige Hitze einer Schmiede, die einem den Schweiß in die Augen trieb und die Kleidung am Körper kleben ließ.

Alniira saß auf einer hölzernen Kiste in der Ecke von Talos' Werkstatt, weit genug entfernt, um keine Funken abzubekommen, aber nah genug, um das rhythmische KLONG... KLONG... KLONG in ihren Zähnen zu spüren.

Sie schärfte einen ihrer Dolche mit einer Hingabe, die suggerierte, dass dieser Dolch der interessanteste Gegenstand im Universum sei.

Talos stand am Amboss, den Oberkörper frei, glänzend vor Schweiß und Ruß. Er schmiedete... Nägel. Hunderte von Nägeln.
Alniira hat geschrieben: (Sie hält den Dolch gegen das Licht, pustet ein imaginäres Staubkorn weg.)
Weißt du, Schmied, ich habe heute Morgen zugesehen, wie eine der mächtigsten Frauen dieser Welt einen politischen Rivalen vernichtet hat, ohne auch nur ihre Stimme zu erheben. Es war ein Ballett aus Macht und Subtilität. Und jetzt... jetzt sehe ich einem Mann zu, der glühendes Metall verhaut, als hätte es seine Mutter beleidigt.
Talos hielt inne, wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn und grinste sie an. Das Wolfsblut hatte ihn verändert; er war schneller, kräftiger, und seine Zähne wirkten weißer im Ruß seines Gesichts.
"Häuser werden nicht aus Subtilität gebaut, Alniira. Sie werden aus Nägeln gebaut. Jemand muss sie machen."
Alniira hat geschrieben: Natürlich. Nägel. Die Grundpfeiler der Zivilisation. Ich bin sicher, die staubige Ilharess denkt gerade auch über Nägel nach. Oder darüber, wessen Sarg sie damit zunageln kann.
Sie steckte den Dolch weg und stand auf, streckte sich mit der katzenhaften Geschmeidigkeit, die in diesem groben Raum fast fehl am Platz wirkte.
Alniira hat geschrieben: Pass auf deine Kraft auf. Du schlägst zu hart. Der Wolf in dir denkt, der Hammer ist eine Klaue. Wenn du so weitermachst, sind diese Nägel flach wie Pergament.
Talos betrachtete das Stück Eisen auf dem Amboss. Sie hatte recht. Er hatte es fast plattgedrückt. Er seufzte. "Es ist... schwierig. Früher musste ich mich anstrengen. Jetzt fühlt sich der Hammer an wie ein Zweig."
Alniira hat geschrieben: (Sie tritt neben ihn, nimmt ihm den Hammer aus der Hand. Er wirkt in ihren feingliedrigen Fingern lächerlich groß.)
Kraft ist nichts ohne Kontrolle. Das ist die erste Lektion des Tanzes. Und der Jagd. Du musst nicht den Stahl besiegen, Talos.
(Sie reicht ihm den Hammer zurück, mit einem spöttischen Lächeln.)

Aber was weiß ich schon? Ich bin nur eine Drow, die in einer Ecke sitzt und wartet, dass die Welt untergeht, während du Nägel für einen Hühnerstall schmiedest.
Sie ging zur offenen Tür, atmete die kühlere Abendluft ein. Draußen wurde es dunkel. Die Zeit der Drow. Die Zeit der Wölfe. Aber hier drin roch es nach Arbeit und Ehrlichkeit. Es war langweilig. Es war sicher. Und auf eine seltsame, irritierende Weise mochte sie es.
Alniira hat geschrieben: Ich gehe eine Runde. Bevor ich hier noch Wurzeln schlage oder anfange, Hufeisen zu polieren, nur um etwas zu tun zu haben.
(Sie dreht sich im Türrahmen um.)
Und Talos? Versuch, den Amboss nicht in zwei Teile zu hauen. Ich habe keine Lust, morgen einen neuen zu besorgen.
Sie trat hinaus in die Schatten von Moonglow, froh über die Stille, aber mit dem beruhigenden Wissen im Hinterkopf, dass das KLONG... KLONG... weitergehen würde, egal welche Intrigen die Ilharess gerade spann

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Verfasst: 29 Nov 2025, 18:03
von Tath'raen
Tath'raen musste seine Verblüffung herunterschlucken, als die Ilharess höchstselbst ihm Pergament und Tinte reichte. Er soll schreiben, doch plötzlich war sein Kopf vollkommen leer. Eher verkrampft griff er nach dem Federkiel. Würde er jetzt nicht unmittelbar etwas zu Papier bringen, wären seine Sorgen, als er sich traute zu sprechen, äußerst nebensächlich. Die Ilharess sah ihn nur an, regte sich nicht, aber Tath'raen war sich sicher, dass sie wie die Spinne selbst in ihrem Netz wartete, darauf, eine sich nahende Fliege zu packen.
Viel zu graziel für seinen Körperbau tauchte er die Feder in das Tintenfass, strich die überflüssige Tinte am Rande des Tintenfasses ab und begann zu schreiben. Tath'raens Handschrift entsprach nicht den Erwartungen, die sein massiger, von einigen Narben gezeichneter Körper und die großen, von Arbeit zeugenden Hände vermuten ließen. Die Buchstaben waren frein und besaßen an den Rundungen eine wohlgeformte Dicke. Auch Verzierungen und Schnörkel fügte Tath'raen hinzu, jedoch weniger aus dem Bestreben heraus, das Schriftbild zu verschönern, sondern vielmehr um Zeit zum Denken zu bekommen, während er schrieb. So formte sich nach und nach ein reichverziertes Schriftstück, wie es auch von einem in Kalligraphie ausgebildeten Rivvi hätte stammen können, voller Lügen und verschleierten Wahrheiten, die den Ursprung des Dokuments (die Schreibstube der Malla Ilharess) verheimlichten:
An die liebreizende Schmiedin auf unserer schönen Insel Moonglow. Hier.

Bewundernswerte Meisterschmidin,
Seit einigen Wochen bereits bin ich ein stiller Bewunderer eurer Fertigkeiten. Leider war es mir bisher aufgrund meiner gesellschaftlichen Stellung unmöglich selbst eurem Geschäft einen Besuch abzustatten, aber durch die Fenster meines Anwesens, habe ich einen guten Blick und meine Dienerschaft bestätigte mir die vorzügliche Qualität eurer Waren. Wie gern ich euch nun die Bestellung für einen neuen Degen überreichen würde, so fürchte ich, sind meine Gründe, nun mein Schweigen zu brechen, anderer, gar düsterer Natur. Wie ihr sicher bereits ahnt, müssen wir alle seit der Verschmelzung der Realitäten darauf achten, dass die aufkommende Dunkelheit uns nicht überrascht. Vor allem die jüngsten Ereignisse, die meine Gesellschaft erschütterten, bewegten mich dazu, die Sicherheitsmaßnahmen rund um meine eigene Person zu erhöhen und dabei ist mir zugetragen worden, dass nicht ich, sondern Ihr in Gefahr schwebt. Die euren wollen euch holen kommen. Ich weiß leider zu wenig, um die genauen Beweggründe zu kennen. Lediglich eines ist sicher: sie schicken eine Attentäterin, die auf leisen Sohlen durch den Wald zu schleichen vermag. Einen meiner eigenen Männer kostete es bereits das Leben, diese Information zu ergattern. Ich hoffe, euch mit dieser Warnung die Zeit gegeben zu haben, euch selbst zu schützen. Flieht, wenn es sein muss! Ich beschwöre euch!

Euer Freund und Nachbar

T. v. K.
Zitternd legte Tath'raen die Feder auf den Tisch. Erläuternd fügte er hinzu: "Ein korrupter Händler, der in unserer Schmiede ein und ausgeht, wird den Brief von Lyr'sa erhalten und gegen etwas Gold an sich nehmen sowie ihn im Hafen hinter einem losen Mauerwerkstein platzieren, wo ihn eine bereits von mir für unsere Sache umgedrehte Wache der Moonglower Garde abholen wird. Die Wache übergibt das Dokument dann einem Bettler, der mir noch etwas schuldet. Ich werde wohl auf sein Herz verzichtet müssen, damit er den Brief an diese Schmiedin überbringt. Usstan ist sich bewusst, wie übertrieben dies ist, jedoch entspricht es den Vorlieben der Rivvil für Geheimnisse. Natürlich werden alle drei lügen und den ausgedachten Adligen nennen, sollte Alniira nachforschen. Sie fürchten mich und eure Macht mehr, als eine einfache Schmidin." Nach dieser Erklärung schwieg Tath'raen und ging einen Schritt zurück, um seine Ilharess nicht mehr als nötig mit seiner Anwesenheit zu belästigen. Das Schweigen, wie auch seine Nervosität, dehnte sich aus, während die Augen einer Drow stumm seine Zeilen lasen.

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Verfasst: 29 Nov 2025, 19:38
von Alniira Vrammyr
Der Abend legte sich wie eine graue Decke über Moonglow, als es an der Tür der Schmiede klopfte. Kein festes, kundenorientiertes Klopfen, sondern das schabende, zögerliche Geräusch eines Mannes, der lieber woanders wäre.

Talos öffnete. Ein Bettler stand dort, drückte ihm ein zerknittertes Pergament in die Hand, murmelte etwas von "einem feinen Herrn am Hafen" und verschwand schneller in der Dunkelheit als eine Ratte, die eine Katze gerochen hat.

Talos runzelte die Stirn und reichte das Pergament an Alniira weiter, die am Kamin saß und – mal wieder – einen Dolch polierte.
Alniira hat geschrieben: (Sie nimmt das Pergament nur mit den Fingerspitzen entgegen, als wäre es giftig.)
Ah, Post. Und sie riecht nach... altem Fisch, Angstschweiß und... ist das Lavendeltinte? Eine interessante Mischung. Riech mal, Talos. Das ist der Duft von Verzweiflung, maskiert mit teurem Parfüm.
Sie entfaltete das Schreiben. Ihre roten Augen flogen über die schnörkeligen Zeilen. Der Verfasser hatte sich Mühe gegeben. Die Buchstaben waren kunstvoll, fast zu kunstvoll, wie ein Bär, der versucht, Spitze zu klöppeln.
Alniira hat geschrieben: (Sie liest leise vor, eine Augenbraue spöttisch hochgezogen.)
"Bewundernswerte Meisterschmiedin..." – Oh, man schmeichelt uns.
"T. v. K." – Wer soll das sein? Troll vom Keller? Oder Trauriger verliebter Kobold? Die Handschrift verrät ihn. Er drückt zu fest auf. Er ist es gewohnt, Knochen zu brechen, nicht Sätze zu formen.
Sie las weiter, und ihr amüsiertes Lächeln wurde schmaler, schärfer. Eine Warnung. Ein Attentäter. "Auf leisen Sohlen durch den Wald." Sie lachen leise auf, ein trockenes, humorloses Geräusch.
Alniira hat geschrieben: Sie warnen mich vor dem Wald. Das ist so, als würde man den Fisch vor dem Wasser warnen. "Flieht, wenn es sein muss!" – Wie rührend. Er will mich aus der Stadt haben. Entweder, um mich im Freien leichter zu töten, oder... um mich zu retten? Bei diesen Oberflächlern weiß man nie, ob der Kuss tödlich ist oder nur das Vorspiel.
Talos sah sie fragend an. "Was tun wir? Wachen rufen?"

Alniira schüttelte den Kopf und warf das Pergament ins Feuer. Sie beobachtete zufrieden, wie "T. v. K." zu Asche zerfiel.
Alniira hat geschrieben: Nein. Wir tun gar nichts. Wir spielen das Spiel mit. Wir bleiben hier, trinken Tee und lassen die Tür unverschlossen. Aber wir werden nicht allein sein.
Sie stand auf und ging zur Hintertür, die zum Waldrand hinausführte. Die Nacht war schwarz und still. Für menschliche Augen war dort draußen nichts als Dunkelheit. Aber Alniira sah mehr. Und sie roch mehr.

Sie stieß einen leisen, kaum hörbaren Pfiff aus. Ein Geräusch, das eher wie der Wind in den Zweigen klang.

Draußen, im Schatten der Büsche, lösten sich vier Silhouetten aus der Dunkelheit. Keine Menschen. Keine Elfen. Vier massive Schatten mit bernsteinfarbenen Augen. Koda. Naya. Zwei weitere aus dem Rudel. Sie kamen nicht näher, sie blieben an der Baumgrenze, unsichtbar für jeden, der nicht wusste, wonach er suchen musste.
Alniira hat geschrieben: (Sie lehnt sich gegen den Türrahmen und spricht leise in die Nacht hinaus.)
Sie schicken jemanden, der "leise" ist. Gut. Dann zeigen wir ihnen, was "lautlos" bedeutet. Passt auf das Haus auf. Niemand kommt unbemerkt an euch vorbei. Und wenn ihr jemanden riecht, der nach Stahl und schlechten Absichten stinkt... nun, spielt ein bisschen mit ihm, bevor ihr ihn fresst.
Ein leises Knacken im Unterholz war die einzige Antwort. Das Rudel hatte verstanden. Sie bildeten einen Ring um das Haus, eine lebendige, atmende Falle aus Zähnen und Instinkt.

Alniira drehte sich wieder zu Talos um, das Gesicht die Maske reiner Unschuld.
Alniira hat geschrieben: So, Schmied. Der Tee wird kalt. Und mach dir keine Sorgen um den Besuch. Ich habe den Garten... gesichert. Es wäre doch unhöflich, wenn unser geheimnisvoller Gast keinen Empfangskomitee hätte, das seiner "leisen Sohlen" würdig ist.
Sie setzte sich wieder an den Kamin. Draußen, in der Dunkelheit, warteten vier Paar Augen auf den Schatten, der sich für den Jäger hielt, ohne zu ahnen, dass er gerade in den Bau des Wolfes spazierte.

Re: So ein hübscher Sport... [Statthalter Moonglow]

Verfasst: 30 Nov 2025, 14:43
von Shi'nayne Ky'Alur
Die Tür zu den Gemächern der Ilharess schloss sich hinter Shi’nayne mit einem kaum hörbaren Laut, doch für die Waldläuferin war jedes Geräusch bedeutsam, selbst jenes leise Klicken von Holz auf Metall, das nun den Beginn eines neuen Auftrags markierte. In der Stille des Treppenhauses legte sich der Geruch des oberen Stockwerks, eine Mischung aus obsidianer Kälte, Aetherlicht und dem fremden Aroma von oberflächlichem Ruß, wie ein feiner Schleier über ihre Sinne. Sie kannte diesen Geruch inzwischen gut, doch er würde niemals Heimat sein. Heimat war Dunkelheit, war Stein, war das Wispern der Unterwelt, das niemals verstummte.

Während sie die schmalen Stufen hinabstieg und ihre Schritte mit der Präzision eines Raubtieres setzte, wiederholte sie in Gedanken den Auftrag der Ilharess. Nicht die Worte selbst, Worte waren vergänglich und dienten nur als Rahmen, sondern die Absicht dahinter, denn sie verstand, dass ein solcher Auftrag niemals nur eine Aufgabe war. Es war ein Prüfstein, eine Messung ihres Wertes, vielleicht sogar ihrer Zukunft. Alniira Vrammyr sollte beobachtet werden, mit jener Geduld, jener Disziplin und jener vollendeten Unmerklichkeit, die nur den besten Späherinnen des Hauses Ky’Alur zu eigen war. Kein Eingreifen, auch keine Konfrontation sollte von ihr ausgehen, nur das Sammeln von Kenntnissen über Tagesabläufe, Gewohnheiten, Bewegungen und jede noch so winzige Regung, die Rückschlüsse auf Charakter und Absichten erlaubte.

Als sie das Gebäude verließ und den kühlen Abendwind Moonglows auf ihrer Haut spürte, legte sie die Kapuze tiefer in die Stirn. Der Schatten verschluckte ihre Silhouette und ließ sie in einer Lautlosigkeit verschwinden, die nicht von dieser Welt zu stammen schien. Sie bewegte sich entlang der Häuserfronten, immer dort, wo die Lichter der Laternen am wenigsten reichten, und ihr Blick blieb scharf, wach und ohne jede Erwartung, denn Erwartung trübte die Wahrnehmung.

Schon nach wenigen Schritten erfasste sie eine Spur, die sie unweigerlich in die Richtung der Schmiede führte, in der Alniira meist anzutreffen war. Es war kein klarer Geruch wie in der Unterwelt, wo jeder Schritt tausend feine Hinweise hinterließ, sondern vielmehr ein Zusammenspiel dessen, was die Oberfläche preisgab: der metallische Hauch von Eisenstaub, das Nachbrennen geschmiedeter Klingen, die trockene Wärme eines Ofens, der den Tag über nicht zur Ruhe gekommen war. Zwischen all dem mischte sich der feine, aber unverkennbare Duft einer Drow, der sich von dem der Oberflächenbewohner deutlich abhob. Diese Spur war nicht zufällig; sie war getragen von einer Person, die sich viel zwischen Schmiede und Wald bewegte und deren Tagesrhythmus bereits eine eigene Form von Muster in die Straßen der Stadt geschnitten hatte.

Shi’nayne näherte sich der Schmiede, ohne auch nur einmal den Blick direkt darauf zu richten. Sie passierte sie, als sei sie eine einfache Spaziergängerin, allerdings nicht ohne die feinen Zeichen zu lesen, die aufmerksamen Augen verborgen blieben. Ein Brief, vor kurzem in Brand geraten, hatte Asche aus dem Kamin gedrückt was im ersten Moment nicht ungewöhnlich war, doch die aromatische Spur von Lavendeltinte änderte dies, um die Aufmerksamkeit einer Späherin zu wecken. Keine Oberflächen-Schreiberin verwendete solch kostbare Tinte in alltäglichen Angelegenheiten. Aber jemand, der versuchte, sich zu verbergen, wählte oft das Falsche.

Shi’nayne kniete sich bei einer Böschung am hinteren Teil des Hauses nieder und strich mit zwei Fingern die feinen Aschereste auseinander. Die Farbe war zart, fast schon verschwenderisch, und sie wusste, dass dies keinesfalls aus den Händen einer gewöhnlichen Person stammte. Die letzten Fetzen verrieten eine übertrieben kunstvolle Handschrift. Die Art von Schrift, die man dann wählte, wenn man ein Bild von Eleganz erzwingen wollte, das man nicht besaß.

Für die Waldläuferin war dies Hinweis genug: Alniira war von jemandem kontaktiert worden, und sie hatte den Inhalt des Briefes weder aufbewahrt noch weiterverwendet, sondern unmittelbar beseitigt. Das bedeutete, dass sie aufmerksam war. Vielleicht misstrauisch und eventuell sogar vorbereitet.

Shi’nayne erlaubte sich ein langsames, kaum merkliches Atmen, bevor sie sich wieder erhob und den Weg zum Garten hinter der Schmiede nahm, der in einen schmalen Waldsaum überging. Die Erde dort war weich und trug genug Eindruck, um jeden, der mit offenen Augen sah, über die jüngsten Bewegungen zu unterrichten. Sie fand die Abdrücke eines größeren Tieres, vielleicht eines Hundes oder eines kräftigen Jagdwächters, doch die Spuren waren zu gleichmäßig gesetzt, zu regelmäßig verteilt, als dass es sich um zufällige Laufwege gehandelt hätte. Alniira hatte eine Sicherung aufgebaut, eine Art bewegliche Schwelle, die jeden Schritt näher an das Haus zu riskant gemacht hätte, für jemanden, der mit Absicht kam.

Für Shi’nayne war dies kein Hindernis. Die Tiere, drei, vielleicht vier, nach der Tiefe und Form der Abdrücke zu urteilen, hatten keine Alarmstellung. Was bedeutete, dass Alniira sie nicht direkt auf eine Gefahr aufmerksam gemacht hatte, sondern auf eine Möglichkeit. Oder vielleicht waren sie ein alltäglicher Teil ihres Umfeldes? Auf der Oberfläche war vieles anders und vieles fremd. Doch Shi’nayne hatte schon mit weit Unberechenbarerem gearbeitet als mit einem Rudel Wächtertiere.

Sie bemühte sich nicht, diese Fährte zu deuten oder zu hinterfragen. Sie tat, was eine Späherin tat: Sie mied die Bereiche, in denen der Boden frisch aufgewühlt war, und glitt an jene Stellen im Gelände, die trocken, fest und wenig geeignet waren, ihre eigenen Spuren zu tragen. Ihr Lauf wurde langsamer und gleichmäßiger, um so in die Dunkelheit hineinzuwachsen, bis ihre Anwesenheit kaum mehr als ein Flimmern war.

Sie nahm Position ein zwischen Farn, Wurzelwerk und dem tiefen Schatten eines umgestürzten Baumes, der sich wie eine natürliche Deckung in die Landschaft fügte. Von dort aus konnte sie den Garten, den Hintereingang, die Fenster, das warme Leuchten des Kamins und sogar den oberen Teil der Schmiedehütte einsehen, ohne dass ein Blick zu ihr durchdringen konnte.

Alniiras Stimme drang in gedämpften Fetzen nach draußen, manchmal begleitet vom rhythmischen Schlag eines Schmiedehammers, manchmal vom leisen Knistern brennenden Holzes. Shi’nayne lauschte nicht den Worten, denn Worte waren bedeutungslos, wenn man Bewegungen lesen konnte. Und Bewegungen erzählten weit mehr. Die Schmiedin hatte einen ritualisierten Tagesablauf, der präzise und dennoch flexibel war. Sie wirkte wachsam, doch nicht nervös. Gewohnheitsbewusst, doch nicht einfältig. Eine Person, die genug Kontrolle besaß, um ihre Umgebung zu lesen, aber genug Vertrauen, um nicht zweimal denselben Schatten zu misstrauen.

Shi’nayne schloss die Augen für einen Moment, nicht aus Müdigkeit, sondern um die Geräuschkulisse besser zu filtern. Die Oberfläche war lauter als die Unterwelt, voller kleiner Geräusche, die ein ungeschultes Ohr verwirrt hätten. Doch sie hörte, wie das Feuer knisterte, wie Metall abkühlte, wie jemand im Haus ging, wie das ferne Rauschen des Waldes sich in die Stille senkte. Und sie hörte vor allem, was nicht da war: Alarm. Panik. Unruhe.

Die Routine schien stabil zu sein, wodurch sie ihren ersten Ankerpunkt gefunden hatten.

Sie legte die Hand an die raue Rinde des gefallenen Stammes, ein stilles Zeichen der Verankerung, und ließ den Atem so ruhig werden wie die Dunkelheit um sie. Kein Laut bewegte sich über ihre Lippen, doch der Gedanke, der sich in ihr festigte, war klar, geschliffen und unbeirrbar.

Es war an der Zeit.

Nicht die Welt sollte reagieren, sondern ihre Sinne.
Nicht ein Befehl wurde ausgesprochen, sondern eine Entscheidung getroffen.

Sie würde beobachten, um zu verstehen.
Und sie würde bleiben, so lange es nötig war, um der Ilharess Bericht zu erstatten.