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Mordlust

Verfasst: 09 Dez 2025, 21:54
von Lucio Fernandez
Die Audienz in Britain und die Geschehnisse lasteten schwer auf den Schultern des Schwertbundes. Die Ermordung des königlichen Sprosses durch die Spitzohren hatte selbst die hartgesottensten Brüder sprachlos zurückgelassen. So ritten sie schweigend durch die Dämmerung, bis die schmalen Wege Düsterhafens unter ihren Füßen widerhallten. Jeder von ihnen trug die Schwere des Geschehenen in sich – doch Lucio spürte mehr. Eine Unruhe nagte an seinem Innersten, ein feines, kaum greifbares Ziehen, das ihn warnte, dass der Schatten dieser Nacht länger sein würde als gedacht.

Nachdem sie den Tempel von Süden her erreicht hatten und die Brüder sich still in die Gemäuer zurückzogen, löste Lucio sich von der Gruppe. Er wollte in seiner Behausung in den nördlichen Slums noch ein paar Vorbereitungen für den kommenden Tag treffen – Ausrüstung ordnen, Riemen prüfen, den Kopf sammeln. Doch kaum hatte er die ersten Meter vom Tempel entfernt hinter sich gelassen, störte etwas die gewohnte Stille der engen Gassen.

Zwischen den feuchten Mauern und schiefen Holzhütten lagen Schemen, dort wo um diese Stunde niemand stehen sollte. Ungelenke Bewegungen, als wollten sie sich verbergen – doch nicht gut genug. Verräterische, dunkle Gestalten, die sich in den verwinkelten Passagen Düsterhafens aufhielten wie Spuren eines heraufziehenden Unheils.

Lucio blieb stehen. Sein Herz schlug ruhig, doch die Hand glitt instinktiv zum Griff seines Dolches an der Hüfte.

Etwas geht hier vor… dachte er.

Er entschied, die offenen Wege zu meiden und sich stattdessen durch die verschlungenen, kaum beleuchteten Pfade am Hafen entlang in Richtung Slums vorzuarbeiten – dort, wo nur jene gingen, die nicht gesehen werden wollten.

Und genau dort, als er die marode Brücke über den Fluss erreichte, sah er von weitem durch die von ihm auf der Brücke aufgestellten Laternen eine dunkle Gestalt am anderen Ende… eine, die dort noch nie gestanden hatte. Die Haltung war aggressiv, alles prüfend. Umrisse eines Schwertes waren zu erkennen.

Lucio beobachtete diese Gestalt einen Moment, doch dann bemerkte er etwas, das den kalten Stich der Gefahr nur verstärkte:

Zwei scheinbar obdachlose Kinder, der Größe nach wahrscheinlich kaum älter als zehn, standen unweit dieser Gestalt. Verängstigt und unschlüssig, ob sie die Brücke überqueren sollten. Auf der Suche nach einem Unterstand für die Nacht.

Sie standen noch zögernd am Rand vor der Brücke, als der Schatten sie bemerkte. Dessen Haltung veränderte sich schlagartig – aus regloser Drohung wurde gierige Aggression.

Es war ein Mann, das stand nun fest. Dieser brüllte die Kinder an, sie sollen den Weg räumen. Rasch. Worte voller Hass und Verachtung, die über das Wasser hallten.
Beide wollten sich schützend zurückziehen, doch da stürmte der Mann wie im Rausch schon auf sie zu und trieb sie in die Enge.

Mit einem schnellen Schritt packte er das eine Kind am Kragen, hob dieses hoch und schmetterte es gegen das brüchige Holzgeländer vor der Brücke. Dieses schrie kurz und schmerzverzerrt auf, sackte dann aber zusammen. Das kleinere Kind von beiden wich zurück, die Tränen liefen ihm über die Wangen. Panisch.



Jetzt war der Zeitpunkt für Lucio gekommen, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Schnell, bevor sich dieses Monster noch vollends vergessen würde. Ein Gedanke. Nur ein wirksames Mittel ging ihm dabei durch den Kopf: Schnell musste es sein. Hinterrücks. Heimtückisch. Ja. Ohne Kompromisse - Mord.

Der Schänder drehte sich derweilen zu dem kleinen Kinde um, ein widerwärtiges Grinsen auf dem Gesicht.

„Stehn geblieben, du Rotzbengel!“, schrie er und trat nach ihm. Gekrümmt vor Schmerzen fiel es auf die Knie.

Der Scherge hob die Faust erneut, bereit zuzuschlagen.
Doch er bemerkte nicht, dass sich die Schatten unter der Brücke bewegten.

Lucio war längst im Wasser. Lautlos wie ein Jäger war er die Böschung hinabgestiegen und nun bis zur Brust in der kalten Strömung. Durch das Schilf schob er sich mit seinem Dolch im Mund zwischen das Treibgut unter den dunklen Pfeilern der Konstruktion hindurch, bis er genau unter dem Tyrannen war.

Dieser holte gerade aus, um den nächsten Schlag zu verteilen. Lucio wartete auf den einzigen perfekten Moment – eine Bewegung, ein Atemzug, ein Schritt. Dann glitt er aus dem Wasser hoch und stand plötzlich hinter dem Unmenschen.

Mit einem einzigen, präzisen Stoß rammte er diesem mit all seiner Kraft und angestautem Zorn seinen Dolch von hinten tief unter das Schulterblatt, direkt zwischen Rippen und Herz. Das Tier keuchte kurz auf, versuchte sich umzudrehen, doch Lucio packte es, zog es nach hinten und schnitt ihm die Kehle auf, bevor das Schwein überhaupt quieken konnte.

Der Körper sackte in sich zusammen und fiel leblos auf die Planken der Brücke. Lucio musterte den Leichnam kurz auf verdächtige Siegel, die ihm hätten, weitere Anhaltspunkte zur Herkunft dieses Schweins liefern können. Dann vergewisserte er sich, dass ihn niemand beobachtet hatte. Ein prüfender Blick in die umliegende Finsternis. Und schon begann er damit den Leichnam über die Planken zu schieben, hinab in die starke Strömung der Flussmündung. Rau war die See in dieser Nacht. Der Leichnam würde wahrscheinlich nie gefunden werden.

Nun trat er an die Kinder heran. Mit prüfendem Blick auf größere Wunden. Das eine Kind, ein Junge, blutete aus einer Platzwunde an der Stirn. Das andere, ein Mädchen, hielt sich den Bauch - aber beide waren bei Bewusstsein. Er kniete sich zu ihnen hinunter und sprach mit ruhiger, fester Stimme:

„Es ist vorbei. Ihr müsst jetzt laufen – so schnell ihr könnt. Keine Fragen, keine Blicke zurück. Kein Wort, egal zu wem auf den Straßen. Geht tief in die Slums, klopft an dem ersten Haus wo ihr noch Licht seht. Sagt, Lucio schickt euch. Ihr werdet sehn, man wird euch Einlass gewähren. Man kennt mich hier. Nun los, looos!!“

Die Kinder nickten, schnappten nach Luft und rannten davon, so flink, wie ihre zitternden Beine sie trugen.

Lucio aber wusste, etwas weitaus Größeres war an diesem Abend im Gange. Nicht nur das Attentat in Britain. Nein. Schnell kehrte er in sein Haus ein, packte einige wichtige Habseligkeiten zusammen. Dinge, die er in den nächsten Tagen und Wochen sicherlich brauchen würde. Und schnell machte er sich über die noch freie Brücke auf den Weg zurück zum Tempel des Schwertbundes, um seinen Brüdern Kunde zu tun.

Re: Mordlust

Verfasst: 13 Dez 2025, 00:29
von Auron De'Raynos
Auron saß über Pergament und Feder gebeugt, während das matte Licht der Fackeln unruhige Schatten über die Steinwände warf.
Er war gerade dabei, die letzten Zeilen eines Schreibens zu vollenden, als die Tür aufschwang und Lucio eintrat. Der Staub der Reise hing noch an seinem Mantel, und ohne ein Wort der Verzögerung verneigte er sich und erstattete seinen Bericht.

Auron lauschte schweigend, nur das leise Kratzen der Feder verriet, dass seine Gedanken bereits weiterarbeiteten. Schließlich schob er das begonnene Schreiben beiseite und zog ein frisches Blatt Pergament hervor. Mit bedächtigen Strichen setzte er neue Worte, schwer wie Entscheidungen in unruhigen Zeiten.

Als er den letzten Satz vollendet hatte, griff er zu dem Behälter mit dem dunkelroten Wachs – so rot wie geronnenes Blut – und ließ es auf den Rand des Pergaments tropfen. Dann nahm er das Siegel des Schwertbundes, ein kunstvoll gearbeitetes Stück Metall, und drückte es fest in das warme Wachs, bis sich das Emblem klar und unverkennbar darin abzeichnete.

Mit ernster Miene reichte er den Brief an Lucio.

„Bringe dieses Schreiben nach Britain, direkt zum Palast“, sprach Auron mit ruhiger, aber unmissverständlicher Stimme. „Überreiche es der Gräfin von Wolfenreich persönlich – und zwar ohne Verzug. Sorge dafür, dass mir ihre Antwort ebenso schnell wie der Wind zurückgebracht wird. Die Zeit steht gegen uns.“

Lucio verneigte sich tief, nahm den Brief entgegen wie ein heiliges Pfand und verschwand eilig in den Fluren der Tempel, während Auron noch einen Moment reglos dastand und die Stille schwer auf seinen Schultern lastete.

Ein Schreiben für die Gräfin von Wolfenreich

Verfasst: 13 Dez 2025, 18:51
von Lucio Fernandez
Schnell lies er das erstbeste Pferd beim Stallmeister des Bundes satteln und ritt los. Ohne Rast, auf direktem Weg nach Britain.
Dort angekommen, zögerte er nicht und ritt ohne Umwege durch die belebten Straßen direkt zum Palast. Die hohen Mauern und wehenden Banner kündeten von Macht und Ordnung. Doch Lucios Blick blieb wachsam, suchte nach Zeichen von Misstrauen oder verborgener Gefahr.

Am Tor hielt er an und wandte sich an die ranghöchste Wache. Ruhig, aber bestimmt gab er sich zu erkennen und erklärte sein Anliegen: Er bringe Kunde aus Düsterhafen und ein wichtiges Schreiben für die Gräfin von Wolfenreich. Dabei nannte er weder Namen des Absenders noch irgendwelche Details, wie es ihm aufgetragen worden war, sondern wartete reglos, während die Wache ihn musterte und über sein weiteres Vorgehen entschied.

Nach einigen angespannten Augenblicken öffnete sich das Tor erneut, und ein Mann in schlichten, aber fein gearbeiteten Gewändern trat hervor. An seinem Auftreten war sofort zu erkennen, dass er mehr war als ein einfacher Bote – der Sekretär der Gräfin selbst. Sein Blick ruhte prüfend auf Lucio, als wolle er jedes Detail in sich aufnehmen.

Lucio stieg vom Pferd, zog den sorgfältig verborgenen, versiegelten Brief hervor und reichte ihn dem Sekretär und sprach: "Ich sollte diesen Brief zwar persönlich der Gräfin überreichen, aber ihr scheint mir vertrauensvoll genug und der Aufgabe würdig." Dabei wies er nochmals mit klarer und kraftvoller Stimme auf die Dringlichkeit der Botschaft hin. Es handle sich um ein Schreiben des Schwertbundes, dessen Inhalt keinen Aufschub dulde. Ohne weitere Worte verharrte er an diesem Platz, während der Sekretär das Siegel betrachtete und schließlich nickte – ein Zeichen dafür, dass er die Mahnung zur Eile verstanden hatte.

Sogleich begab sich der Herr Sekretär ohne weiteres Zögern auf den Weg zu der Gräfin. In ihren Gemächern angekommen, überreichte er ihr das Schreiben mit gesenktem Haupt. Die Gräfin von Wolfenreich brach das blutrote Siegel auf, entfaltete das Pergament und las die darin niedergeschriebenen Worte:

An die hochgeborene und hochverehrte Gräfin Armatia Maire von Wolfenreich, Herrin von Düsterhafen und Beschützerin ihres Volkes.

Meine gnädige Gräfin,

in tiefster Demut und mit schwerem Herzen sende ich Euch diese Zeilen aus dem bedrängten Düsterhafen.
Ich, Auron De’Raynos, Diener Arachnans und getreuer Beschützer Eurer Stadt, schreibe Euch, um Euch von gar betrüblichen Begebenheiten zu unterrichten.
Ein verheerendes Feuer hat große Teile Eures ehrwürdigen Palastes in Mitleidenschaft gezogen - Rauch und Asche verhüllen noch immer seine Mauern. Doch weitaus schlimmer wiegt, dass düstere Gestalten – deren Herkunft wir noch nicht zu deuten vermögen – die Stadt bedrängen und unsere Grenzen prüfen. Ihr Auftreten erfüllt die Menschen mit Furcht, und ihre Zahl scheint mit jeder Nacht zu wachsen.

Da weder ein Wachhauptmann noch ein Baron zugegen ist, um Eure Truppen zu führen und die Verteidigung zu ordnen, nahm ich mir die Freiheit, mit den wenigen Männern, die mir zur Verfügung standen, Eure Wache zu unterstützen. Doch ohne baldmögliche Verstärkung wird es uns nicht gelingen, die Mauern lange zu halten. So flehe ich Euch in tiefster Ergebenheit an, Kriegsleute aus Britain zu entsenden, auf dass wir dieser Bedrohung Einhalt gebieten können. Da Euer Land gegenwärtig keinen Baron hat, der in Zeiten solcher Not die Führung übernehmen kann, bitte ich Euch ehrerbietigst, mich vorübergehend für dieses Amt einzusetzen, damit ich in Eurem Namen handeln, Eure Stadt schützen und ihre Ordnung bewahren kann, bis Ihr selbst wiederkehrt und mit Eurer weisen Hand das Reich lenkt.

Möge diese Bitte Euch erreichen, ehe der Schatten, der über Düsterhafen liegt, sich weiter ausbreitet.

In tiefster Treue und Ergebenheit,

Auron De’Raynos