Das kalte Erbe von Krehl
Verfasst: 26 Apr 2025, 09:45
Der Tag verstrich, wie unzählige zuvor, in der Stille des Turms und abgeschottet von der Welt war der Nekromant tief in seine Studien versunken. Die Sonne, eine lästige Erinnerung an das Leben, schmolz hinter den schwarzen Zinnen des Gemäuers, während der Turm selbst wie ein vernarbter Finger in den dunkler werdenden Himmel ragte. Shezar hob nicht einmal den Blick, als die Schatten länger wurden. Seine Feder kratzte unbeirrt über Pergament, alte Formeln ergänzend, Seelenmatrizen berechnend, Anrufungsstrukturen neu ordnend. Er wartete. Nicht auf eine Person, nicht auf ein Ereignis – sondern auf die Dunkelheit. Als der letzte blutrote Streifen am Horizont verging, erhob er sich. Seine Schritte hallten gedämpft auf den kalten Steinplatten, als er nacheinander jede einzelne Fackel im oberen Turm löschte. Er tat es mit der gleichen methodischen Ruhe, mit der ein Gelehrter eine Seite wendet: ohne Hast, ohne Zögern. Eine letzte Lampe, deren gebrochenes Glas ein mattes Leuchten auf seinen Arbeitstisch warf, erstickte er mit einem kurzen Stoß seines Atems. Finsternis umhüllte den Turm. Schwer. Vollständig. So, wie es sich gehörte. Leise öffnete Shezar eine verborgene Tür im Mauerwerk – eine schwarze Linie in der Wand, die nur jenen bekannt war, die sie geschaffen hatten. Dahinter führte eine schmale Wendeltreppe aus rauem Stein hinab. Ohne Zögern stieg er tiefer in die Erde. Die Tür schloss sich hinter ihm, und der letzte Rest der Welt, wie andere sie kannten, blieb draußen zurück.
Fackeln an eisernen Halterungen warfen ein schmutziges, flackerndes Licht auf die rauen Wände. Die Flammen zuckten träge, als fürchteten sie sich vor dem, was sie beleuchten mussten. Der Geruch war schwer: kaltes Eisen, altes Blut, der scharfe Dunst von Konservierungsdämpfen, durchsetzt mit dem süßlichen Moder verwesender Haut. Die Halle war lang und schmal. An den Seiten standen steinerne Tische, glattgeschliffen von jahrzehntelanger Arbeit. Darauf lagen Körper in verschiedenen Stadien der Öffnung: Rippen aufgebogen, Schädel entfernt, Muskeln aufgeschlitzt und mit runenverzierten Nadeln fixiert. Entlang der Wände reihten sich schwere Glaszylinder aneinander, gefüllt mit trübem Konservierungsfluidum. Darin schwebten Herzen, Lungen, Lebern und Hirnfragmente – sorgfältig präpariert, beschriftet und versiegelt. Shezar trat an einen freien Arbeitstisch, auf dem neue Gefäße warteten. Die Ausbeute der letzten Nächte, ordentlich verpackt in schwarzen Holzkisten, lag bereit. Er öffnete die erste Kiste. Mit der präzisen Ruhe eines Mannes, der keine Fehler duldet, hob er das erste Organ heraus: ein Herz, kräftig, von feinen Adern durchzogen, noch von Resten arkaner Energie erfüllt. Er tauchte es langsam in ein vorbereitetes Glas, füllte die Konservierungsflüssigkeit nach und versiegelte es sorgfältig mit Wachs und Runen.
Herz, Zustand: Frisch. So lautete die Beschriftung, klar und ordentlich auf Pergamentstreifen vermerkt. Dann folgten Lungen, Nieren, ein gesprenkeltes Stück Rückenmark. Jede Entnahme dokumentierte Shezar mit derselben kalten Präzision. Kein Chaos. Keine Hast. Nur Arbeit. Während seine Hände mechanisch die Arbeit vollendeten, schweifte sein Blick gelegentlich über die gefüllten Glasgefäße. Sie waren keine Beute. Keine Trophäen. Sie waren notwendiges Forschungsmaterial. Fragmente einer größeren Wahrheit. Die Luft war schwer von Metall und altem Blut. Das Licht der wenigen brennenden Fackeln spiegelte sich stumpf auf dem Glas, ließ die schwebenden Organe geisterhaft schimmern. Shezar prüfte die Siegel, kontrollierte die Dichtungen und vermerkte Korrekturen in einem schwarzen Buch. Es durfte kein Fehler geschehen. Die Materialien waren zu wertvoll. Als die letzte Probe beschriftet und versiegelt war, trat er in die Mitte der Halle und atmete die abgestandene Luft ein. Hier unten gab es keine Eile, kein Lärm, kein Zögern. Nur Ordnung. Nur Stille. Nur die unveränderliche Struktur des Todes, die er selbst geformt hatte. Seine Gedanken streiften kurz die vergangene Nacht. Er erinnerte sich an den Magierorden von Krehl, an die hilflosen Blicke jener, die nicht begreifen konnten, was sie erwartete. Wie ein Schatten war er durch ihre Reihen gegangen, unbeirrbar, methodisch, kalt. Einer nach dem anderen fiel unter seinen Zaubern, hilflose Versuche zu fliehen oder sich zu wehren erstickte er im Keim. Sie hatten keine Chance. Die Magier dort waren Archivare, Forscher, keine Kämpfer. Krehl war nicht aus Groll gewählt worden. Es war nicht persönlich gewesen. Kein Hass, keine Wut war dabei im Spiel. Es war einfach. Die Körper hatten das geliefert, was er brauchte; Organe durchdrungen von arkaner Energie. Er betrachtete die Reihe der versiegelten Gläser. In jedem schwebte ein Teil alter Macht, konserviert, bereit für weitere Untersuchungen. Die Arbeit war nicht beendet. Sie hatte kaum begonnen. Bald würde er die ersten Versuche starten. Die Resonanzen prüfen. Die Erinnerungen extrahieren. Die Grenzen von Leben und Tod weiter verschieben.
Alles war vorbereitet. Alles stand bereit.
Shezar löschte eine der Fackeln. Die Dunkelheit kroch tiefer in die Halle.
Dann wandte er sich ab und verschwand lautlos zwischen den Schatten, leise wie ein Gedanke, der sich endgültig vom Licht abkehrt.
Fackeln an eisernen Halterungen warfen ein schmutziges, flackerndes Licht auf die rauen Wände. Die Flammen zuckten träge, als fürchteten sie sich vor dem, was sie beleuchten mussten. Der Geruch war schwer: kaltes Eisen, altes Blut, der scharfe Dunst von Konservierungsdämpfen, durchsetzt mit dem süßlichen Moder verwesender Haut. Die Halle war lang und schmal. An den Seiten standen steinerne Tische, glattgeschliffen von jahrzehntelanger Arbeit. Darauf lagen Körper in verschiedenen Stadien der Öffnung: Rippen aufgebogen, Schädel entfernt, Muskeln aufgeschlitzt und mit runenverzierten Nadeln fixiert. Entlang der Wände reihten sich schwere Glaszylinder aneinander, gefüllt mit trübem Konservierungsfluidum. Darin schwebten Herzen, Lungen, Lebern und Hirnfragmente – sorgfältig präpariert, beschriftet und versiegelt. Shezar trat an einen freien Arbeitstisch, auf dem neue Gefäße warteten. Die Ausbeute der letzten Nächte, ordentlich verpackt in schwarzen Holzkisten, lag bereit. Er öffnete die erste Kiste. Mit der präzisen Ruhe eines Mannes, der keine Fehler duldet, hob er das erste Organ heraus: ein Herz, kräftig, von feinen Adern durchzogen, noch von Resten arkaner Energie erfüllt. Er tauchte es langsam in ein vorbereitetes Glas, füllte die Konservierungsflüssigkeit nach und versiegelte es sorgfältig mit Wachs und Runen.
Herz, Zustand: Frisch. So lautete die Beschriftung, klar und ordentlich auf Pergamentstreifen vermerkt. Dann folgten Lungen, Nieren, ein gesprenkeltes Stück Rückenmark. Jede Entnahme dokumentierte Shezar mit derselben kalten Präzision. Kein Chaos. Keine Hast. Nur Arbeit. Während seine Hände mechanisch die Arbeit vollendeten, schweifte sein Blick gelegentlich über die gefüllten Glasgefäße. Sie waren keine Beute. Keine Trophäen. Sie waren notwendiges Forschungsmaterial. Fragmente einer größeren Wahrheit. Die Luft war schwer von Metall und altem Blut. Das Licht der wenigen brennenden Fackeln spiegelte sich stumpf auf dem Glas, ließ die schwebenden Organe geisterhaft schimmern. Shezar prüfte die Siegel, kontrollierte die Dichtungen und vermerkte Korrekturen in einem schwarzen Buch. Es durfte kein Fehler geschehen. Die Materialien waren zu wertvoll. Als die letzte Probe beschriftet und versiegelt war, trat er in die Mitte der Halle und atmete die abgestandene Luft ein. Hier unten gab es keine Eile, kein Lärm, kein Zögern. Nur Ordnung. Nur Stille. Nur die unveränderliche Struktur des Todes, die er selbst geformt hatte. Seine Gedanken streiften kurz die vergangene Nacht. Er erinnerte sich an den Magierorden von Krehl, an die hilflosen Blicke jener, die nicht begreifen konnten, was sie erwartete. Wie ein Schatten war er durch ihre Reihen gegangen, unbeirrbar, methodisch, kalt. Einer nach dem anderen fiel unter seinen Zaubern, hilflose Versuche zu fliehen oder sich zu wehren erstickte er im Keim. Sie hatten keine Chance. Die Magier dort waren Archivare, Forscher, keine Kämpfer. Krehl war nicht aus Groll gewählt worden. Es war nicht persönlich gewesen. Kein Hass, keine Wut war dabei im Spiel. Es war einfach. Die Körper hatten das geliefert, was er brauchte; Organe durchdrungen von arkaner Energie. Er betrachtete die Reihe der versiegelten Gläser. In jedem schwebte ein Teil alter Macht, konserviert, bereit für weitere Untersuchungen. Die Arbeit war nicht beendet. Sie hatte kaum begonnen. Bald würde er die ersten Versuche starten. Die Resonanzen prüfen. Die Erinnerungen extrahieren. Die Grenzen von Leben und Tod weiter verschieben.
Alles war vorbereitet. Alles stand bereit.
Shezar löschte eine der Fackeln. Die Dunkelheit kroch tiefer in die Halle.
Dann wandte er sich ab und verschwand lautlos zwischen den Schatten, leise wie ein Gedanke, der sich endgültig vom Licht abkehrt.