Die Geschichte der Anna Sias - Vom Schwert zur Sehnsucht
Verfasst: 20 Jun 2025, 12:41
Die Geschichte der Anna Sias - Vom Schwert zur Sehnsucht
Kindheit in Minnersbach
Anna Sias erblickte vor 26 Jahren das Licht der Welt in der pulsierenden Handelsstadt Minnersbach ? ein Ort voller Stimmen, Ger?che und Geschichten.
H?ndler, Abenteurer, Gaukler und Gesandte gaben sich dort die Klinke in die Hand. Zwischen Tavernen und dunklen Gilden wuchs Anna in einem kleinen Stadthaus auf, umgeben von wertvollen Teppichen, Seiden aus dem S?den und einem st?ndigen Strom von Besuchern.
Doch w?hrend drau?en das Leben florierte, blieb es in den R?umen ihres Elternhauses oft still. Ihr Vater, verm?gender und ehrgeiziger H?ndler, ihre Mutter talentierte Schneiderin, jagten stets dem n?chsten gro?en Handel hinterher.
Vor allem der Markt in Britain ? m?chtig, gef?hrlich, voller Chancen ? zog sie regelm??ig fort. Und so lag die Erziehung der Kinder zumeist in den H?nden von Hauslehrern, Kinderm?dchen und Schwertmeistern.
Anna hatte eine Schwester, Nathalia, zwei Jahre ?lter, gr??er, kr?ftiger, ehrgeiziger.
Schon fr?h zeichnete sich ab, dass sie in die Fu?stapfen ihrer Eltern treten w?rde ? zumindest, was Haltung, Disziplin und Pflichtgef?hl betraf. W?hrend Nathalia sich mit Begeisterung dem Kampftraining hingab, war Anna die stille Beobachterin.
Doch Anna war mehr als nur still ? sie war wachsam. Schon als Kind begleitete sie ihre Eltern auf Reisen und entwickelte ein feines Gesp?r f?r Worte, Blicke und Stimmungen. W?hrend ihre Schwester beim Anblick bewaffneter Wegelagerer sofort zum Schwert griff, trat Anna nach vorne ? mit offenen H?nden, klarem Blick und ?berraschender Wortgewandtheit. Sie sprach mit Banditen wie mit Wachen, verhandelte mit Zollmeistern und beruhigte aufgebrachte Karawanenf?hrer.
Ihre Eltern erkannten bald, dass Anna eine Gabe hatte ? nicht f?r den Kampf, sondern f?r das Spiel der Worte. Auf Empf?ngen und bei Gesch?ftsabschl?ssen f?hrte sie h?flich Gespr?che mit Adligen, Ratsherren oder Vertretern der Krone. In ihrem seidenen Kleid stand sie da, gerade mal siebzehn Jahre alt, aber mit einer Selbstsicherheit, die selbst gestandene M?nner innehalten lie?.
In den gro?en H?usern von Britain lernte sie Etikette, in den Gassen von Minoc Verhandlungsgeschick und auf den Handelsrouten zwischen den St?dten Diplomatie.
Doch trotz allem f?hlte sich Anna nie ganz zugeh?rig. Sie konnte Masken tragen, Rollen spielen ? aber tief in sich sp?rte sie: Sie war nicht das, was alle in ihr sahen.
Jahre des Umherirrens
Als Anna vollj?hrig wurde, ver?nderte sich alles.
Die Welt, die einst in goldene Seide und den Duft fremder Gew?rze geh?llt war, begann zu zerfallen. Die Handelswege zwischen Minnersbach und Britain wurden unsicher ? ?berf?lle, R?uberbanden, dunkle Ger?chte ?ber seltsame Kreaturen in den W?ldern machten aus jedem Gesch?ft eine Reise auf Messers Schneide.
Ihre Eltern ? sonst k?hl kalkulierend ? entschieden aus Angst, was sie nie aus ?berzeugung getan h?tten: Sie lie?en ihre T?chter zu Kriegerinnen ausbilden. Nicht aus Ehrgeiz. Aus Not.
Nathalia bl?hte auf ? das Schwert war ihr Element.
Anna nicht.
Sie schlug, parierte, blockte ? aber nichts davon f?hlte sich richtig an. Ihre Bewegungen waren pr?zise, doch seelenlos. Ihre Kraft reichte, doch der Wille fehlte. Immer wieder verglich man sie mit ihrer Schwester ? und sie sich selbst. Und jedes Mal lautete das Urteil: ?Nicht gut genug.?
Dann kam der Bruch.
Minnersbach ? ihre Heimat, ihr Ursprung ? ging in Flammen unter. Ein Angriff der Dunkelelfen riss die Stadt in St?cke, lie? nur Asche und Schatten zur?ck. Die Familie ?berlebte ? zun?chst.
Doch der Verlust war zu gro?. Der Schmerz ?ber den Fall ihrer geliebten Heimat nagte an ihren Eltern, Tag f?r Tag, bis beide an gebrochenem Herzen verstarben.
In Britain fand sie kein Zuhause. Die Mauern waren sicher, doch kalt. Die Stra?en laut, doch fremd.
Mit 24 verlie? Anna die Stadt ? nicht aus Trotz, sondern aus Verzweiflung. Ohne Ziel. Ohne Plan. Nur mit einem dr?ngenden Wunsch: Herauszufinden, wer sie wirklich war.
Zwei Jahre lang durchstreifte sie das Land.
Mal war sie Wache f?r kleine Karawanen, mal Botin f?r namenlose Auftraggeber, mal einfach nur eine Gestalt im Schatten. Sie schlief in Scheunen, unter B?umen, in Ruinen. Sie sammelte Kr?uter, h?rte den alten Frauen beim Murmeln zu, starrte stundenlang in einsame Feuer.
Aber sie war nicht tatenlos.
Wo das Schwert sie nicht weiterbrachte, setzte sie auf Worte. Anna begann, ihr diplomatisches Talent zu sch?rfen ? mit einem Gesp?r, das sich wie eine zweite Haut anf?hlte. Sie verhandelte mit Schmugglern, ?berzeugte Soldaten an Kontrollpunkten, redete sich aus L?gen und in Gelegenheiten.
Sie lernte, wann man schweigen musste ? und wann ein einzelner Satz alles ?ndern konnte.
Sie wurde zur Meisterin der Beobachtung, der feinen Gesten, der verschl?sselten Botschaften. Und wenn es sein musste, versteckte sie sich ? nicht nur k?rperlich, sondern auch in der Rolle, die sie gerade brauchte.
An mehr als einem Abend schlich sie sich zu festlichen Empf?ngen der lokalen Machthaber ? hungrig, mit einem gestohlenen Kleid und dem Namen einer fiktiven Hofdame auf den Lippen. Niemand fragte zu genau. Sie l?chelte, sprach h?flich, verbeugte sich zur rechten Zeit ? kannte die Etikette ? und sicherte sich damit nicht nur ein warmes Essen, sondern auch ein Gespr?ch, das ihr T?ren ?ffnete.
Aber in ihr brannte weiter das eine gro?e Fragezeichen: Wer bin ich wirklich?
Denn so geschickt sie mit Worten wurde, so tief sie sich tarnen konnte ? das, was in ihr schlummerte, blieb verborgen. Noch.
Sie war unterwegs, immer unterwegs.
Und suchte ? nicht nach einem Ort.
Sondern nach sich selbst.
Der Sternenfall
Dann kam die Nacht, die alles ver?nderte.
Der Himmel ?ber der Schattenwelt zerriss. Flammende Kometen regneten vom Firmament, der Boden bebte, Tiere flohen, selbst die Luft schien zu schreien. Die Menschen nannten es den Sternenfall ? ein g?ttliches Zeichen, ein Fluch, ein Wunder.
Anna stand in dieser Nacht allein auf einem H?gel, irgendwo s?dlich von Britain. Und w?hrend andere flohen, lag sie einfach im nassen Gras und starrte in den brennenden Himmel ? unbewegt, als wolle sie Teil davon werden.
In ihr geschah etwas.
Nicht nur ein Beben. Kein blo?es Gef?hl.
Ein Riss ?ffnete sich tief in ihrem Innersten ? so pl?tzlich, so kraftvoll, dass ihr der Atem stockte. Etwas stieg daraus auf, etwas Altes, Uraltes. Eine Macht, die sich all die Jahre verborgen hatte.
Sie sp?rte sie. Zum allerersten Mal ? klar, bewusst, ?berw?ltigend.
Ein Strom aus Licht und Dunkelheit, aus Ahnung und Erkenntnis durchfuhr sie. Die Welt ringsum zerbarst ? und in ihr erwachte das, was sie all die Jahre nicht hatte benennen k?nnen: Arkane Kraft.
Das ?Fremde? in ihr war keine Last, keine Schw?che ?
es war das Echo eines Rufes, der nun endlich geh?rt wurde.
Und Anna wusste in diesem Moment:
Nichts an ihr war je falsch gewesen. Nur verborgen.
Die Wende
Seit jener Nacht war Anna nicht mehr dieselbe.
Ein Tor hatte sich ge?ffnet ? nicht nur in der Welt, sondern in ihr. Und sie trat hindurch.
Was einst vage Ahnungen gewesen waren, wurde nun zur Suche nach Klarheit. Anna begann zu lesen ? mit einer Gier, die sie selbst ?berraschte. In verstaubten Gasth?usern und verlassenen T?rmen fand sie alte Folianten, handgeschriebene Notizen, Fragmente vergessener Lehren.
Sie lernte, was Reagenzien bewirken konnten. Wie Worte der Macht geformt werden mussten. Wie ein einziger Laut ? zur rechten Zeit, mit der richtigen Geste ? die Welt ber?hren konnte.
Die ersten Zauber, die sie wirkte, waren zaghaft: ein Flackern von Licht, ein Hauch von Wind, das kurze Flimmern einer Illusion. Doch jedes Mal, wenn sich die Realit?t unter ihren H?nden ver?nderte, sp?rte sie: Das war der richtige Weg.
Auf der Suche nach tieferem Verst?ndnis reiste sie zu alten Bekannten, Weggef?hrten aus vergangenen Jahren ? H?ndler, Alchemisten, einstige Auftraggeber. Einige von ihnen erinnerten sich an die stille junge Frau von fr?her, nun aber begegneten sie jemandem, der mit Feuer in den Augen fragte, wo einst nur h?fliches Nicken war.
Ein Greis in Skara Brae zeigte ihr ein altes Lehrbuch, in dem sie zum ersten Mal vom Prinzip des arkanen Kreises las. Eine Heilerin in Trinsic f?hrte sie in die Kunst der Schutzsigillen ein. Und ein reisender Barde, den sie einst in Minoc kennengelernt hatte, sang ihr Verse, die mehr Zauberformeln waren als Lied.
Anna sog alles in sich auf.
Sie sp?rte den Wind anders. F?hlte, wie Orte atmeten. Ihre Tr?ume wurden klarer, ihre Sinne feiner.
Magie war kein Handwerk. Magie war ein Gesp?r ? ein Lauschen, ein Antworten.
Dann h?rte sie von einem Ort, der wie ein fernes Leuchtfeuer in ihr aufflammte:
Academica Ars Magicia ? auf der Insel Moonglow.
Eine Akademie der Magie. Ein Ort, an dem Menschen wie sie unterrichtet wurden. Dort, sagte man, konnte man werden, was man wirklich war.
Anna wei? heute noch nicht, wie sie dorthin gelangen wird.
Aber sie wei?: Es gibt keinen Weg zur?ck. Denn in ihr hat sich etwas ge?ffnet, das sich nie wieder schlie?en wird.