Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb
Verfasst: 14 Jul 2025, 20:38
Jhea'kryna Ky'Alur saß im schwach beleuchteten Obergeschoss des Tempels, den Blick auf die flackernden Schatten gerichtet, die die Opferschalen an die geschwärzten Wände warfen. Die letzten Stunden hatten Spuren hinterlassen: nicht an ihrem makellosen Äußeren, wohl aber in der Starrheit, mit der sie sich bewegte, und der Kälte in ihren Augen, die selbst dem geweihten Stein unter ihren Füßen etwas von seiner alten Wärme nahm. Ihre Gedanken waren längst nicht mehr im Raum. Sie tasteten über den Plan wie über das gewebte Muster eines Spinnennetzes, das sich zwischen den Häusern, Ruinen und dunklen Herzen Yews spannte. Und in dessen Mitte: Arencia Dorn-Fernol.
Sie erinnerte sich nur vage an das Mädchen, das einst ihren Befehlen gehorchte – eine schmale Gestalt mit abgewetztem Gewand und wachsamem Blick, stets einen Schritt zu weit entfernt, um in Vergessenheit zu geraten, aber nie nahe genug, um wahrhaftig als Teil des Hauses Ky'Alur zu gelten. Der Tod hatte daran nichts geändert. Oder vielleicht doch. Denn aus der armseligen Dienerin war ein Konstrukt geworden – ein wandelndes Skelett, in dessen geborstenen Brustkorb nun mehr schlummerte als bloß blinder Gehorsam. Eine Drachenseele. Eingekerkert in einem Kristall, verborgen im Leib eines harmlosen Stofftieres. Ein Witz. Eine Ironie. Und zugleich eine Waffe.
Jhea’kryna wusste, dass sie den Drachen nicht einfach nehmen konnte. Der Kristall war mehr als ein Gefäß – er war ein Anker. Solange das Wesen in ihm nicht geschwächt war, würde jeder Versuch, ihn zu lösen, mit Chaos enden. Deshalb brauchte sie eine Ablenkung. Einen Sturm, der so groß war, dass selbst ein uraltes Wesen wie dieser Drache wankte. Und wer könnte einen Sturm besser entfesseln als Arencia selbst? Wenn man sie nur glauben ließ, dass sie für etwas Größeres kämpfte.
Sie erinnerte sich an die Noquar. Schatten eines Hauses, vertrieben in den Tiefen einer Intrige, aber nicht vergessen. Nicht von Arencia. Jhea'kryna war sich sicher, dass ein Teil ihrer alten Bindung an jene Namen und Legenden noch lebte – vielleicht sogar stärker als alles, was Arencia je für das Haus Ky'Alur empfunden hatte. Es war ein Spiel mit falscher Hoffnung. Und es begann mit einer Lüge.
Sie stand auf, glitt lautlos die steinerne Treppe hinunter und ließ ihre Gedanken kreisen. Wenn sie Arencia glauben machen konnte, dass es noch Überlebende der Noquar gab – gequälte Seelen, gefangen unter den Wurzeln Yews, verzweifelt und verraten –, dann würde das Skelett handeln. Nicht für Ruhm. Nicht für Macht. Sondern aus Schuld und Loyalität. Eine falsche Wahrheit, die ausreichte, um sie zu binden.
Doch der Plan brauchte mehr als Worte. Er brauchte Beweise. Etwas Greifbares. Etwas, das Arencia sehen und fühlen konnte. Eine Rüstung. Alt, beschädigt, aber erkennbar. Und vor allem: mit den Runen der Noquar versehen. Jhea'kryna wandte sich um, während ihre Schritte durch den Korridor hallten. Ihr Ziel war klar.
„Holt mir Lyr’sa“, befahl sie knapp, als sie einen der Wächter passierte. Der Drow verneigte sich wortlos und verschwand. Es dauerte keine halbe Stunde, bis die Drow mit den rußverzierten Händen und dem nervösen Blick vor ihr stand. Ihre Kleidung trug Spuren der Werkstatt – Asche, Öl, ein Hauch geschmolzenen Metalls. Jhea'rkyna musterte sie einen Moment lang, ehe sie mit ruhiger Stimme sprach.
„Ich benötige deine Fähigkeiten. Eine Schmiedearbeit. Aber keine gewöhnliche.“ Sie machte eine kurze Geste, woraufhin einer der Wächter ein grob zusammengeflicktes Kettenhemd brachte. „Nimm dies. Überarbeite es. Lass es aussehen, als stamme es aus den letzten Tagen des Hauses Noquar. Zerkratzt, geschwärzt, aber mit ihren Runen versehen. Du weißt, welche ich meine.“
Lyr’sa nahm das Hemd vorsichtig entgegen, und ihre Pupillen weiteten sich leicht, als sie den Befehl begriff. Ihre Stimme war leise, beinahe zittrig, als sie zu sprechen wagte: „Malla Ilharess… die Runen des Hauses Noquar sind verboten. Der Hohe Tempel hat ihre Verwendung unter Bann gestellt – wegen der, der… Symbole. Schon das Gravieren dieser Zeichen könnte als Blasphemie gelten.“
Die Worte hallten kurz nach. Die Luft im Raum schien sich zu verdichten. Jhea'kryna drehte sich langsam zu ihr um, ihre Augen schmal. Sie trat einen Schritt näher, hob eine Hand – nicht schnell, nicht wild, sondern mit der Präzision eines Richters – und schlug Lyr’sa mit der flachen Hand so heftig ins Gesicht, dass Sie einen Schritt zur Seite taumelte.
„Wage es nie wieder, mir zu widersprechen“, sagte Jhea'kryna mit leiser, schneidender Stimme. Kein Schrei, keine Drohung – nur eine Feststellung, so kalt wie das Gestein des Tempels. „Du dienst mir. Und du wirst tun, was ich verlange. Die Runen werden nicht wahrhaftig gesprochen. Sie werden geschrieben, eingeritzt in rostiges Eisen. Niemand außer uns wird sie je sehen. Und wenn doch – wird niemand leben, um es weiterzuerzählen.“
Lyr’sa hielt sich die Wange, die nun gerötet war. Ihre Augen flackerten zwischen Furcht und Trotz, doch letztlich neigte sie den Kopf. Ihre Stimme war kaum hörbar: „Wie ihr wünscht, malla Ilharess.“
Zufrieden wandte sich Jhea'kryna ab. Der erste Schritt war getan. Die Rüstung würde Arencia erreichen – vielleicht verborgen unter den Lumpen eines gefangenen Elfen oder als Fundstück aus den angeblichen Katakomben von Yew. Und Arencia, gebrochen wie sie war, würde den Köder schlucken. Sie würde glauben, dass ihre ehemaligen Herren noch existierten, dass ihre Vergangenheit gerettet werden konnte – wenn sie nur bereit war, noch einmal zu kämpfen.
Und kämpfen würde sie. Mit all der Macht, die ihr nun innewohnte. Jhea’kryna brauchte diesen Kampf. Sie brauchte das Chaos. Denn nur inmitten eines tobenden Schlachtfeldes, wenn die Grenzen zwischen Leben und Tod zerflossen, würde der Drache schwach genug werden, um ihn zu greifen. Um den Kristall an sich zu reißen. Um die uralte Macht aus dem Griff einer Puppe zu entreißen, die zu lange geglaubt hatte, dass sie Herrin ihres eigenen Willens sei.
Doch das war sie nie gewesen. Nicht unter Ky'Alur. Nicht unter Jhea’kryna. Und schon bald – nicht einmal unter sich selbst.
Sie erinnerte sich nur vage an das Mädchen, das einst ihren Befehlen gehorchte – eine schmale Gestalt mit abgewetztem Gewand und wachsamem Blick, stets einen Schritt zu weit entfernt, um in Vergessenheit zu geraten, aber nie nahe genug, um wahrhaftig als Teil des Hauses Ky'Alur zu gelten. Der Tod hatte daran nichts geändert. Oder vielleicht doch. Denn aus der armseligen Dienerin war ein Konstrukt geworden – ein wandelndes Skelett, in dessen geborstenen Brustkorb nun mehr schlummerte als bloß blinder Gehorsam. Eine Drachenseele. Eingekerkert in einem Kristall, verborgen im Leib eines harmlosen Stofftieres. Ein Witz. Eine Ironie. Und zugleich eine Waffe.
Jhea’kryna wusste, dass sie den Drachen nicht einfach nehmen konnte. Der Kristall war mehr als ein Gefäß – er war ein Anker. Solange das Wesen in ihm nicht geschwächt war, würde jeder Versuch, ihn zu lösen, mit Chaos enden. Deshalb brauchte sie eine Ablenkung. Einen Sturm, der so groß war, dass selbst ein uraltes Wesen wie dieser Drache wankte. Und wer könnte einen Sturm besser entfesseln als Arencia selbst? Wenn man sie nur glauben ließ, dass sie für etwas Größeres kämpfte.
Sie erinnerte sich an die Noquar. Schatten eines Hauses, vertrieben in den Tiefen einer Intrige, aber nicht vergessen. Nicht von Arencia. Jhea'kryna war sich sicher, dass ein Teil ihrer alten Bindung an jene Namen und Legenden noch lebte – vielleicht sogar stärker als alles, was Arencia je für das Haus Ky'Alur empfunden hatte. Es war ein Spiel mit falscher Hoffnung. Und es begann mit einer Lüge.
Sie stand auf, glitt lautlos die steinerne Treppe hinunter und ließ ihre Gedanken kreisen. Wenn sie Arencia glauben machen konnte, dass es noch Überlebende der Noquar gab – gequälte Seelen, gefangen unter den Wurzeln Yews, verzweifelt und verraten –, dann würde das Skelett handeln. Nicht für Ruhm. Nicht für Macht. Sondern aus Schuld und Loyalität. Eine falsche Wahrheit, die ausreichte, um sie zu binden.
Doch der Plan brauchte mehr als Worte. Er brauchte Beweise. Etwas Greifbares. Etwas, das Arencia sehen und fühlen konnte. Eine Rüstung. Alt, beschädigt, aber erkennbar. Und vor allem: mit den Runen der Noquar versehen. Jhea'kryna wandte sich um, während ihre Schritte durch den Korridor hallten. Ihr Ziel war klar.
„Holt mir Lyr’sa“, befahl sie knapp, als sie einen der Wächter passierte. Der Drow verneigte sich wortlos und verschwand. Es dauerte keine halbe Stunde, bis die Drow mit den rußverzierten Händen und dem nervösen Blick vor ihr stand. Ihre Kleidung trug Spuren der Werkstatt – Asche, Öl, ein Hauch geschmolzenen Metalls. Jhea'rkyna musterte sie einen Moment lang, ehe sie mit ruhiger Stimme sprach.
„Ich benötige deine Fähigkeiten. Eine Schmiedearbeit. Aber keine gewöhnliche.“ Sie machte eine kurze Geste, woraufhin einer der Wächter ein grob zusammengeflicktes Kettenhemd brachte. „Nimm dies. Überarbeite es. Lass es aussehen, als stamme es aus den letzten Tagen des Hauses Noquar. Zerkratzt, geschwärzt, aber mit ihren Runen versehen. Du weißt, welche ich meine.“
Lyr’sa nahm das Hemd vorsichtig entgegen, und ihre Pupillen weiteten sich leicht, als sie den Befehl begriff. Ihre Stimme war leise, beinahe zittrig, als sie zu sprechen wagte: „Malla Ilharess… die Runen des Hauses Noquar sind verboten. Der Hohe Tempel hat ihre Verwendung unter Bann gestellt – wegen der, der… Symbole. Schon das Gravieren dieser Zeichen könnte als Blasphemie gelten.“
Die Worte hallten kurz nach. Die Luft im Raum schien sich zu verdichten. Jhea'kryna drehte sich langsam zu ihr um, ihre Augen schmal. Sie trat einen Schritt näher, hob eine Hand – nicht schnell, nicht wild, sondern mit der Präzision eines Richters – und schlug Lyr’sa mit der flachen Hand so heftig ins Gesicht, dass Sie einen Schritt zur Seite taumelte.
„Wage es nie wieder, mir zu widersprechen“, sagte Jhea'kryna mit leiser, schneidender Stimme. Kein Schrei, keine Drohung – nur eine Feststellung, so kalt wie das Gestein des Tempels. „Du dienst mir. Und du wirst tun, was ich verlange. Die Runen werden nicht wahrhaftig gesprochen. Sie werden geschrieben, eingeritzt in rostiges Eisen. Niemand außer uns wird sie je sehen. Und wenn doch – wird niemand leben, um es weiterzuerzählen.“
Lyr’sa hielt sich die Wange, die nun gerötet war. Ihre Augen flackerten zwischen Furcht und Trotz, doch letztlich neigte sie den Kopf. Ihre Stimme war kaum hörbar: „Wie ihr wünscht, malla Ilharess.“
Zufrieden wandte sich Jhea'kryna ab. Der erste Schritt war getan. Die Rüstung würde Arencia erreichen – vielleicht verborgen unter den Lumpen eines gefangenen Elfen oder als Fundstück aus den angeblichen Katakomben von Yew. Und Arencia, gebrochen wie sie war, würde den Köder schlucken. Sie würde glauben, dass ihre ehemaligen Herren noch existierten, dass ihre Vergangenheit gerettet werden konnte – wenn sie nur bereit war, noch einmal zu kämpfen.
Und kämpfen würde sie. Mit all der Macht, die ihr nun innewohnte. Jhea’kryna brauchte diesen Kampf. Sie brauchte das Chaos. Denn nur inmitten eines tobenden Schlachtfeldes, wenn die Grenzen zwischen Leben und Tod zerflossen, würde der Drache schwach genug werden, um ihn zu greifen. Um den Kristall an sich zu reißen. Um die uralte Macht aus dem Griff einer Puppe zu entreißen, die zu lange geglaubt hatte, dass sie Herrin ihres eigenen Willens sei.
Doch das war sie nie gewesen. Nicht unter Ky'Alur. Nicht unter Jhea’kryna. Und schon bald – nicht einmal unter sich selbst.