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Wenn die Kundschaft ausbleibt - [Ungeziefer]

Verfasst: 17 Aug 2025, 11:05
von Pyrian
𝔍n Minoc, am Marktplatz Nummer 6, liegt die altehrwĂŒrdige Taverne Zum GlĂŒcklichen HolzfĂ€ller. An gewöhnlichen Abenden hallen hier das Klirren der KrĂŒge, das Lachen der Arbeiter und der Duft von Braten durch die Stube. Doch an diesem Abend ist es anders: zwischen den halb leeren Tischen, ĂŒber denen die Schatten der Laternen tanzen, sitzen Sandrine und Martin, Schankmaid und Schankbursche der StĂ€tte – und Sandrine bricht schließlich ihr Schweigen.

Sandrine warf das Tuch, mit dem sie soeben noch ĂŒber die Theke gewischt hatte, frustriert auf die Holzplanken. „Bei allen Göttern, Martin,“ begann sie, ihre Stimme klang eine Spur zu laut in dem halbleeren Schankraum, „ich halt das nicht mehr aus. Seit Tagen stolpern wir hier ĂŒber die Biester, und es werden immer mehr. Hast du gesehen, wie sie heute Nachmittag sogar in der KĂŒche ĂŒber den Tisch gehuscht sind? Ich schwöre dir, wenn noch einmal eine Ratte in den Brotteig fĂ€llt, geb ich den ganzen Kram auf und lauf davon.“

Sie stemmte die HĂ€nde in die HĂŒften, sah zu den verwaisten BĂ€nken und schnaubte. „Schau dich doch um! FrĂŒher war’s hier laut, fröhlich, voller Stimmen – und jetzt? Nur Stille. Die Kundschaft bleibt aus, und wer will’s ihnen verdenken? Niemand mag sein Bier mit einem Rattenschwanz teilen. Wenn das so weitergeht, Martin, können wir den Laden dichtmachen, und ich weiß nicht, wovon wir dann leben sollen.“

Martin stĂŒtzte sich schwer auf den Schankdeckel, die Ärmel hochgekrempelt, als wolle er gleich mit bloßen HĂ€nden gegen die Nager ins Feld ziehen. „Du meinst, ich merk das nicht?“ brummte er, schĂŒttelte den Kopf und rieb sich die SchlĂ€fen. „Letzte Nacht bin ich wach geworden, weil ich dachte, es regnet auf dem Dach – dabei waren’s die Krallen der Biester, die im GebĂ€lk kratzen. Ich trĂ€um inzwischen von RattenschwĂ€nzen, Sandrine. Und das will was heißen.“

Er schnaufte, griff nach dem Krug, der kaum mehr als einen Schluck fasste, und nahm ihn in einem Zug. „Du hast recht – wir mĂŒssen zu Godomar. Der sitzt in seinem feinen Haus, zĂ€hlt die MĂŒnzen, und wir stehen hier knietief im Ungeziefer. Helden, Söldner, verdammte Katzen, meinetwegen – Hauptsache, es kommt jemand, der sich darum kĂŒmmert. Denn wenn’s so weitergeht, haben wir bald nicht nur keine Kundschaft mehr, sondern auch keinen Dielenboden, auf dem wir stehen können.“

Mit einem mĂŒden Grinsen, das mehr Resignation als Humor war, fĂŒgte er hinzu: „Und wenn’s am Ende keine Helden gibt
 dann graben die Ratten vielleicht schneller als wir und eröffnen ihre eigene Schenke. Ich seh’s schon kommen: ‚Zur dreiĂ€ugigen Ratte‘ – mit mehr GĂ€sten als wir sie je hatten.“

Einen Moment schwieg sie, biss sich auf die Lippe, und dann klopfte sie mit dem Finger auf die Theke. „Wir mĂŒssen mit Meister Godomar reden. Er ist der EigentĂŒmer, er kassiert seinen Anteil, aber kĂŒmmern tut er sich einen Dreck. Wenn er will, dass die Taverne nicht endgĂŒltig den Bach runtergeht, dann soll er gefĂ€lligst ein paar Helden anheuern. Leute, die die Rattenplage beseitigen – und wenn’s sein muss, auch noch den Grund fĂŒr dieses ganze Elend herausfinden.“

Sie atmete scharf durch und fĂŒgte hinzu: „Und wenn er nicht will, dann gehen wir eben direkt zum BĂŒrgermeister – zu Kunrad Roswylde. So viel Stolz wird er schon haben, dass der Marktplatz von Minoc nicht zur Rattenburg verkommt. Am Ende geht’s ja nicht nur um uns, Martin – wenn die Leute erst anfangen, ĂŒber eine verseuchte Taverne am Hauptplatz zu reden, dann leidet der ganze Ort.“

Sie seufzte tief, strich sich eine HaarstrĂ€hne aus dem Gesicht und senkte die Stimme. „Denn eins sag ich dir, Martin
 irgendwas stimmt da unten nicht. Ratten kommen nicht von allein in solchen Scharen. Es ist, als hĂ€tten wir die Pest im GemĂ€uer. Und wenn’s wirklich so ist, dann
 dann wird uns ein sauberes Bier nicht mehr retten.“

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Wenn selbst der Meister springt - [Ungeziefer]

Verfasst: 22 Aug 2025, 14:45
von Pyrian
𝔇ie TĂŒr der Taverne schwang auf, und Meister Godomar trat ein, den Mantel ĂŒber die Schulter geworfen, die Stirn voller Unmut. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen, als wolle er mit einem einzigen finsteren Blick Sandrines und Martins Klagen zum Verstummen bringen. „So, so
 eine Rattenplage also“, murrte er, wĂ€hrend er langsam zu seinem Tisch ging, der am Fenster stand. Seit Jahren fĂŒhr ich dieses Haus, und nie war es mehr als ein kleines Nagerlein, das sich in einen Sack Getreide verirrte. Ihr beide macht Wind um nichts.“

Er ließ sich schwer auf die Bank fallen, legte den Mantel beiseite und griff nach dem Krug, den Martin hastig vor ihn gestellt hatte. Doch ehe er den ersten Schluck nehmen konnte, huschte eine Ratte ĂŒber die Lehne, landete krachend auf dem Tisch und fauchte ihn an. Zwei weitere lugten keck unter der Bank hervor, ihre Augen funkelten im Kerzenlicht.

Godomar erstarrte, dann fuhr er mit einem Fluch hoch. Die Ratte auf dem Tisch schnellte vor, direkt auf seinen Ärmel, und er sprang mit einem Schrei zurĂŒck, riss den Krug um, sodass Bier und Schaum ĂŒber den Boden flossen. „Bei allen HĂ€mmern Minocs! Das Biest hat mich angesprungen!“
Sandrine verschrĂ€nkte die Arme, blickte ihn nur streng an. „Wir haben es Euch gesagt, Meister.“
Martin nickte langsam, die Stimme ruhig, aber eindringlich: „Es wird schlimmer. Und ohne Hilfe wird’s nicht besser.“
Godomar stand keuchend, wischte sich ĂŒber den Ärmel, als könne er die Schmach wie den Schmutz abstreifen. Einen Moment rang er nach Worten – dann presste er hervor: „Genug. Ich werde ein Schreiben aufsetzen. Wenn diese Stadt Helden hat, dann sollen sie hier erscheinen. Ich bezahle jeden Preis, nur damit diese verfluchten Biester verschwinden.“

Er ließ sich wieder auf die Bank fallen, diesmal mit deutlich weniger WĂŒrde, griff nach Pergament und Feder – und begann, den Aushang zu verfassen.

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Gesucht: Erfahrene KammerjÀger und beherzte Abenteurer!

In meiner ehrwĂŒrdigen Taverne am Marktplatz 6 hat sich seit einiger
Zeit ein höchst unerfreuliches Problem eingestellt.
Ratten – nicht wenige, sondern ein ganzes Heer –
durchwĂŒhlen VorrĂ€te, schrecken GĂ€ste auf und drohen,
den Ruf des Hauses wie auch der Stadt Minoc zu beschmutzen.

Die Beschwerden meiner getreuen Schankleute,
Sandrine und Martin, sind nicht lĂ€nger zu ĂŒberhören.
Da es sich allem Anschein nach nicht um gewöhnliches
Ungeziefer handelt, sondern um eine Plage von
ungewöhnlichem Ausmaß, suche ich hiermit erfahrene
KammerjÀger, Söldner oder andere verlÀssliche
Helden, die den Keller untersuchen, die Ursache
der Misere finden und fĂŒr Abhilfe sorgen.

Belohnung: Angemessen nach Leistung,
in Gold und freiem Trunk.

Interessierte melden sich bitte direkt in der Taverne
Zum GlĂŒcklichen HolzfĂ€ller.

Gezeichnet,

Meister Godomar
Besitzer der Taverne Zum GlĂŒcklichen HolzfĂ€ller

Zeugenaussage vor der Stadtwache von Minoc - [Ungeziefer]

Verfasst: 27 Aug 2025, 20:59
von Pyrian
... aufgenommen in den spÀten Stunden des folgenden Morgens bei der Garde zu Minoc...



„Also
 ich schwöre bei allen HĂ€mmern der Minen, ich hab’s mit eigenen Augen gesehen! Ich kam vom Fluss zurĂŒck, hatte noch Holz auf dem Karren, da hörte ich mitten in der Nacht so ein Poltern bei der Bank. Erst dacht’ ich, es wĂ€r nur der Wind oder einer der betrunkenen HolzfĂ€ller, die den Heimweg nicht finden. Aber dann – da war Bewegung. Zwei Gestalten, beide mit tief in die Stirn gezogenen Kapuzen, schleppten jemanden zwischen sich her.

Und ich sag euch, das war kein Betrunkener – das war der BĂ€nker Lyndon! Ich hab ihn erkannt, auch wenn er hing wie ein Sack Kartoffeln. Einer der Kerle hielt ihn bei den Schultern, der andere stapfte voraus, und sie schleppten ihn
 ich konnte’s kaum glauben
 in Richtung der alten Stallungen beim Marktplatz.

Die Laterne dort war fast erloschen, aber ich hab gesehen, wie einer der Schurken noch mal zurĂŒckgeschaut hat. Hab mich sofort ducken mĂŒssen, sonst hĂ€tten sie mich entdeckt. Dann hörte ich nur noch das Quietschen der StalltĂŒr, und alles war still.

Ich geb’s ehrlich zu: Mir ist das Herz in die Hosen gerutscht. Mit der Angst im Nacken hab ich mich nicht nĂ€her herangetraut – was soll ein einfacher BĂŒrger auch gegen zwei Kerle mit FĂ€usten ausrichten? Also bin ich so schnell wie möglich zu euch gelaufen, um es der Wache zu sagen. Mehr weiß ich nicht, aber dass sie ihn in den Stall geschleppt haben, darauf wĂŒrd’ ich schwören.“

Amtliche Bekanntmachung des BĂŒrgermeisters zu den jĂŒngsten Vorkommnissen in Minoc

Verfasst: 31 Aug 2025, 15:48
von Kunrad Roswyde
Amtliche Bekanntmachung

Im Namen des Rates und der Stadt Minoc

Die Kunde von der Rattenplage im GlĂŒcklichen HolzfĂ€ller und die beunruhigenden GerĂŒchte um das Verschwinden des BĂ€nkers Lyndon haben auch mich erreicht.
Als BĂŒrgermeister wie auch als Ratsherr des Bundes von Minoc ist es meine Pflicht, die Sicherheit und das Wohl der BĂŒrgerschaft zu gewĂ€hrleisten.

Daher gebe ich Folgendes bekannt:
Beruhigung der BĂŒrger und HĂ€ndler
Niemand soll aus Furcht vor Ratten oder dunklen Gestalten seine GeschÀfte aufgeben. Die Stadtverwaltung steht geschlossen hinter euch, und wir werden alles unternehmen, um die Ordnung wiederherzustellen.

Mobilisierung der Wache
Ich habe die Stadtwache sowie die Garde des Bundes angewiesen, die Taverne am Marktplatz zu sichern. Gardisten und tĂŒchtige MĂ€nner des Bundes von Minoc werden die Straßen patrouillieren, um unseren HĂ€ndlern und GĂ€sten ein GefĂŒhl der Sicherheit zurĂŒckzugeben.

Untersuchungen
Der Keller des GlĂŒcklichen HolzfĂ€llers wird umgehend inspiziert, damit wir der Quelle der Rattenplage auf den Grund gehen.

Ebenso ist den Hinweisen zur EntfĂŒhrung von Meister Lyndon nachzugehen. Die alten Stallungen am Marktplatz werden durch die Wache durchsucht. Sollte jemand weitere Beobachtungen gemacht haben, möge er sich vertrauensvoll an mich oder an das Wachhaus wenden.

Im Namen des Rates rufe ich auch die BĂŒrgerschaft sowie die freien Abenteurer Minocs auf: Wer tatkrĂ€ftig bei der BekĂ€mpfung des Ungeziefers helfen oder Licht in das Verschwinden Lyndons bringen kann, der möge sich im Rathaus melden. Die Stadt wird Dienste und Mut angemessen entlohnen.

Minoc wird dieser PrĂŒfung standhalten – gemeinsam.

Gezeichnet,
Kunrad Roswylde
BĂŒrgermeister und Ratsherr des Bundes von Minoc
minoc aushang.png
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Amtliche ErgÀnzung

Verfasst: 01 Sep 2025, 18:45
von Filligo Roswylde
Im Namen des Bundes von Minoc und aus brĂŒderlicher Verbundenheit zu BĂŒrgermeister Kunrad Roswylde richte auch ich, Filligo Roswylde, mein Wort an die BĂŒrgerschaft:

Ich habe die Kunde vernommen und schwöre, dass ich nicht untÀtig bleibe.
An der Seite des Bundes und der tapferen Wache werde ich selbst in die Keller und Stollen hinabsteigen, um die Quelle der Rattenplage zu ergrĂŒnden.

Allen BĂŒrgern sei versichert: Ihr steht nicht allein.
Allen Abenteurern, die den Mut haben, sich dieser PrĂŒfung zu stellen, verspreche ich: Ich werde an eurer Seite kĂ€mpfen, und gemeinsam werden wir Licht in die Finsternis tragen.

So sollen die Ratten zittern und jene, die Minoc bedrohen, erkennen, dass diese Stadt geeint steht – BrĂŒder, HĂ€ndler, Wache und Bund in einem.

Gezeichnet,
Filligo Roswylde
Bruder des BĂŒrgermeisters, Diener des Bundes von Minoc

Feuchtfröhliche NÀchte - [Ungeziefer]

Verfasst: 01 Sep 2025, 18:50
von Pyrian
Ich schwöre, so eine Nacht hat die Taverne schon lang nicht mehr gesehen. Kaum war der letzte Staub aus dem Keller gekehrt, hatten Sandrine und Martin die Tische zusammengeschoben, KrĂŒge aufgereiht und die Helden mitten in die Stube gesetzt, als wĂ€ren sie FĂŒrsten. Der Schankraum vibrierte vor Stimmen, GelĂ€chter und Liedern, dass die Balken Ă€chzten.

Sandrine strahlte, als hĂ€tte man ihr persönlich die Sonne zurĂŒckgebracht. Sie huschte von Krug zu Krug, schenkte nach und klopfte jedem der Retter dankbar auf die Schulter, wĂ€hrend Martin die grĂ¶ĂŸte Bratenplatte, die ich je gesehen habe, aus der KĂŒche wuchtete. „FĂŒr die, die Minoc gerettet haben!“, rief er, und ein Chor von Stimmen brĂŒllte die Worte zurĂŒck.

Die Helden selbst? BeschĂ€mt lĂ€chelnd, aber sichtlich zufrieden, ließen sie sich feiern. Kinder drĂ€ngten sich zwischen die Tische, wollten die Geschichten aus erster Hand hören: von Ratten so groß wie Hunde, von wandelnden Knochen, von einem Liche, der in Staub zerfiel, sowie eine Bande von RĂ€ubern die im Wald vor Minoc campierten. Jeder Schwank wurde mit Johlen und Beifall belohnt, und jeder Schluck Bier schien sĂŒĂŸer zu schmecken als je zuvor.

Ich sah, wie ein Schreiber, seine AushĂ€nge zerknĂŒllt in den Ofen warf – sein Werk war ĂŒberholt, und das Feuer der Freude loderte heller als jedes Pergament.

So feierte Minoc die RĂŒckkehr des Lichts in seiner dunkelsten Stunde. Und ich sage euch: selten haben wir die GlĂŒcklichen HolzfĂ€ller so glĂŒcklich gesehen wie an jenem Abend, als Sandrine und Martin endlich wieder lachten, als ob kein Schatten je in ihren Keller gefallen wĂ€re.