Schweigen im Heiligtum / Wenn der Herr nicht antwortet [Sternenfall]

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Pyrian
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Schweigen im Heiligtum / Wenn der Herr nicht antwortet [Sternenfall]

Beitrag von Pyrian »

Die Nacht war still. Zu still. Seit Tagen schon hatte der Schlaf den Priester unruhig gefunden, ihn gewälzt, ihn mit Träumen gequält, die keine Bilder trugen, nur eine Schwärze ohne Form. Doch diesmal war es anders. Er erwachte nicht von einem Laut, nicht von einem Sturm – sondern von der Abwesenheit dessen, was ihn immer getragen hatte.
Es war, als hätte jemand heimlich, ohne Geste und ohne Geräusch, die schützende Decke von seinen Schultern genommen. Dort, wo sonst die Wärme Tyraels wie ein stetiger Strom durch sein Innerstes floss, lag nun Leere. Kein Trost, keine Hülle. Nur die Kälte, die von Stein und Nacht gleichermaßen ausging. Er setzte sich auf, suchte instinktiv nach dem Vertrauten – doch da war nichts.

Er ging durch die stillen Hallen des Tempels, tastete über den kalten Altar, flüsterte Worte, die sonst wie ein Schlüssel das Herz seines Gottes öffneten. Doch diesmal verhallten sie. Kein Flüstern, keine Wärme, kein Licht im Innern. Er blieb lange so stehen, starrte auf das unbewegte Kerzenlicht, bis ihm die Augen schwer wurden. Schließlich sank er, müde und mehr als ratlos, am Fuße des Altars zu Boden.

Am Morgen folgte er seinem Brauch. Das Morgengebet, das seit Jahren Beginn und Halt seines Tages war, das ihn verband mit dem Ewigen. Doch als er kniete, als er die Hände faltete und die bekannten Verse sprach, blieb die Antwort aus. Wo sonst ein Widerhall in ihm aufstieg, ein sanftes Licht, ein Atem, da war diesmal nichts als Schweigen.
Er verharrte, sprach weiter, fester, eindringlicher – doch kein Zeichen kam. Kein Gefühl, keine Nähe. Er wusste nicht, ob es ein Versagen seiner selbst war, ob Schuld an ihm klebte, oder ob etwas Größeres geschehen war. Nur die Gewissheit blieb, dass sich in dieser Nacht etwas geändert hatte.

Seitdem trägt er den Gedanken wie eine unsichtbare Wunde. Er spricht nicht laut darüber, noch nicht – doch jeder Blick, jede Geste verrät die Frage, die ihn seither verfolgt: Wo bist du, Herr?

⊱⋅ ─────────────────────── ⋅⊰


Dieses Gefühl des plötzlichen Verstummens, der verlorenen Nähe, wiederholt sich in diesen Tagen bei Priestern und Paladinen überall im Land – jeder erlebt es auf seine Weise, und doch wissen alle: Etwas Grundlegendes ist geschehen.


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Jhea'kryna Ky'Alur
Beiträge: 79
Registriert: 07 Mai 2025, 09:46
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Die Stille der Göttin, die niemand hören darf [Sternenfall]

Beitrag von Jhea'kryna Ky'Alur »

Es begann unscheinbar, fast beiläufig.
Ein Gebet wie so viele zuvor, eine Litanei, die sie unzählige Male gesprochen hatte – und doch blieb diesmal etwas aus. Kein Flüstern im Schatten, keine unsichtbare Hand, die über ihren Geist glitt, keine Schwere, die den Raum füllte, wenn die Göttin ihre Augen auf sie richtete. Nur Stille. Zunächst glaubte Jhea'kryna, es sei Einbildung. Vielleicht war sie erschöpft, vielleicht hatte sie einen Vers übergangen oder eine Geste nicht präzise genug vollzogen. Doch je länger sie kniete, desto kälter wurde der Tempel. Die Fackeln brannten, und dennoch lag eine unsichtbare Frostschicht über ihrem Rücken. Ein kaum merkliches Zittern lief über ihre Finger, als sie die Gebetsperlen hielt. Es war, als würde der Stein nicht antworten, als sei er plötzlich tot in ihrer Hand. Sie zwang sich, den Blick zu senken, zwang sich, den Atem ruhig zu halten – niemand durfte es merken, nicht einmal die Novizinnen, die im Hintergrund knieten und lauschten.

In diesem Moment tat sich ein Abgrund in ihr auf, so schmal wie eine Klinge, so tief wie der Schlund unter Elashinn: die Möglichkeit, dass die Göttin nicht antwortete, weil sie nicht konnte.

Das Schweigen hielt an, selbst als die Litanei verklungen war. Kein Wispern, kein Drängen im Hinterkopf, keine Antwort aus den Schatten. Nur das Knistern der Fackeln, nur ihr eigener Atem, der in der Stille viel zu laut wirkte. Jhea'kryna verharrte länger als sonst kniend vor dem Altar, wie eine Statue, deren Ausdruck niemand zu deuten wagte. Erst nach quälend langen Augenblicken erhob sie sich, strich ihr Gewand glatt und ließ keine Spur des inneren Beben erkennen.
Die Hallen des Tempels verschluckten das Echo ihrer Schritte, als sie den Heimweg antrat. Dienerinnen senkten sofort die Stirn zu Boden, Krieger des Hauses legten die Hand auf die Brust oder verneigten sich tief, als sie vorüberging. Jeder Blick, jede Geste schrie förmlich nach Gewissheit: Die Ilharess ist noch immer der Mund der Göttin. Sie musste diesen Anblick gewähren – so makellos wie immer.

In ihrem Innern jedoch nagte der Gedanke: Sie dürfen nichts merken. Nicht heute, nicht morgen, niemals. Wenn sie die Stille sehen, bin ich verloren.
Ihre Schritte wurden fester, ihr Blick härter, und was eben noch Leere gewesen war, wurde zur Maske.
Vor dem Tor erblickte sie eine Jabbress, deren Leib rund von neuem Leben war – eine Seltenheit, die selbst unter Drow mit Ehrfurcht betrachtet wurde. Die Frau sank sofort in die Knie, als sie die Ilharess sah. Und Jhea'kryna, ohne auch nur einen Atemzug zu zögern, legte die Fingerspitzen auf deren Stirn.
„Lloth sieht dich, Tochter der Schatten,“ sprach sie mit kalter Ruhe. „Dein Kind ist unter ihrem Netz geborgen, und ihr Zorn wird all jene treffen, die es wagen, deine Schritte zu kreuzen.“
Die Jabbress senkte bebend das Haupt, Tränen in den Augen. Die Wachen, die ringsum standen, ließen ihre Köpfe noch tiefer sinken, und für einen Moment war die Illusion vollkommen: die Ilharess als lebendiger Spiegel des göttlichen Willens.

Doch in ihrem Innern wusste Jhea'kryna, dass sie eben erst begonnen hatte, eine Rolle zu spielen, die von nun an mehr Kraft fordern würde als jedes Gebet zuvor.
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