von Morgrimm Dunkelruss » 18 Jul 2025, 16:07
Der Regen hatte gerade erst aufgehört, aber die Luft war noch feucht wie ein altes Geheimnis, das jemand zu lange in der Tasche getragen hatte. Ich stand da, vor einer Wand, die mehr Narben trug als ein alter Söldner – und mittendrin klebte es, sorgsam angebracht, frisch gedruckt und mit großen Buchstaben, die sich nicht zu schämen schienen: „Warum wir die Brücke bauen.“
Ein Plakat. In sauberem Hochdruck, mit Versprechungen, so glatt und glänzend wie ein gut geölter Dolch. Der Fluss war real – ich hatte ihn gesehen, die Silberau, ruhig und trügerisch. Doch dieses Papier sprach von Zukunft, als wäre sie käuflich.
Ich zündete mir eine Zigarre an – nicht, weil ich sie brauchte, sondern weil etwas an diesem Text nach Asche roch. Nicht der Geruch, sondern der Unterton. Worte wie „Wohlstand“ und „Verbindung“ waren gefährlich, wenn sie zu oft wiederholt wurden. Sie neigten dazu, irgendwann auf Uniformstoff gedruckt zu werden.
Sie sprachen von Handel, als würde Gold allein alle Gräben füllen. Als könnten Bretter und Steine vergessen machen, wer sie einst aus dem Fluss gerissen hatte. Doch ich habe zu viele Brücken gesehen, unter denen Blut floss, um zu glauben, dass sie immer nur dem Frieden dienten.
Die Formulierungen waren klug – fast zu klug. „Seit jeher verbindet Handel Menschen“, hieß es. Mag sein. Aber nicht immer freiwillig. Nicht immer ohne einen Preis, der höher lag als ein Zolltarif.
Ich las weiter, den Kragen meines Mantels gegen den Wind gezogen, das Feuer der Zigarre halb heruntergebrannt. Die Worte waren geschmeidig wie Seidenschatten aus Elashinn – gemacht zum Umhüllen, nicht zum Offenlegen. „Ein Symbol für Fortschritt.“ „Ein Zeichen der Hoffnung.“ Vielleicht war es das. Vielleicht auch nur eine gut verpackte Einladung zum nächsten Krieg.
Es hieß, die Brücke bringe Arbeit. Für Handwerker, Bauern, Fuhrleute. Aber keiner sagte, für wen die Arbeit eigentlich getan wurde – und wer den Auftrag vergab. Und warum so plötzlich, mit so viel Eile.
Ich erinnerte mich an die Frau vom Stadtrat, die gestern sprach. Von einer Baronie, die niemand kannte, und deren Namen noch niemand gehört hatte. Außerdem Autoren der Schundromane die derzeit im Umlauf sind. Und von einem Bürgermeister, den keiner zu sehen schien – bis ich ihn fand, alleine, vergessen, wie ein Schachstein, den man absichtlich unter den Teppich gekickt hatte.
Jetzt stand ich hier, und das Papier vor mir behauptete, wir bauten die Brücke für unsere Kinder. Für eine sichere Zukunft. Für das Miteinander. Aber ich hatte genug sichere Zukünfte gesehen, die in Granit gemeißelt waren – mit Namen darauf, unter denen Kerzen brannten.
Jede Zeile dieses Plakats war ein Versprechen. Und jedes Versprechen ist nur ein gebogener Nagel – stark genug, um ein Brett zu halten, schwach genug, um irgendwann zu brechen.
Ich machte mir eine Notiz: „Sprache überlegt. Emotional. Kein offizieller Absender. Wer bezahlt solche Kampagnen?“ Und gleich darunter: „Reaktion Namoth beobachten. Widerstand gegen Bau bekannt. Wann kommt das erste Gegenplakat?“
Mein Blick glitt über das Ende des Texts. „Helft mit, sie zu bauen – mit euren Händen, euren Worten oder eurem Vertrauen.“ Ich spürte, wie mein Stift kurz zögerte, bevor ich weiterschrieb: „Oder mit eurer Naivität.“
Es gab keinen Namen unter dem Aufruf. Keine Unterschrift. Keine Behörde. Nur große Worte auf dünnem Papier. Ich hatte schon Steckbriefe gesehen, die mehr Rückgrat hatten. Ein paar Passanten gingen vorbei, warfen einen Blick auf das Plakat und dann einen auf mich. Ihre Augen sagten nichts – aber ihre Schultern trugen Lasten, die nicht von Brückenbalken kamen. Vielleicht war es gut gemeint. Vielleicht war es ehrlich. Vielleicht war es der erste Dominostein. Ich hatte gelernt, alles dreifach zu hinterfragen, was zu schön war, um wahr zu sein. Die Leute lieben Symbole. Sie hängen sich daran wie Ertrinkende an Treibholz. Aber das Problem mit Symbolen ist: Sie treiben oft in Richtung Abgrund.
Ich sog den letzten Rest meiner Zigarre ein, trat sie aus wie eine lästige Erinnerung und riss mir ein Stück vom Rand des Plakats ab. Papier sagt mehr als der, der es schreibt – manchmal genügt ein Fingerabdruck, manchmal der Geruch. Ich würde berichten. Nicht urteilen. Noch nicht. Ich war kein Richter. Ich war ein Denunziant... nein hier hieß es Reporter. Und wer zu früh Partei ergreift, sieht am Ende nicht, wenn beide Seiten schmutzige Hände haben.
Es war nicht meine Aufgabe, die Brücke zu bauen. Aber vielleicht konnte ich aufschreiben, was unter ihr lag, bevor jemand drüberging und nie zurückkam.
Ich ließ das Plakat zurück, wie man eine Lüge auf dem Küchentisch liegen lässt, weil man weiß, dass sie bald wieder jemand liest.
Die Stadt war still. Die Zukunft war laut. Und irgendwo dazwischen tippte ich im Kopf schon den ersten Satz:
„Sie wollten eine Brücke – sie bekamen einen Keil.“
Der Regen hatte gerade erst aufgehört, aber die Luft war noch feucht wie ein altes Geheimnis, das jemand zu lange in der Tasche getragen hatte. Ich stand da, vor einer Wand, die mehr Narben trug als ein alter Söldner – und mittendrin klebte es, sorgsam angebracht, frisch gedruckt und mit großen Buchstaben, die sich nicht zu schämen schienen: [b]„Warum wir die Brücke bauen.“[/b]
Ein Plakat. In sauberem Hochdruck, mit Versprechungen, so glatt und glänzend wie ein gut geölter Dolch. Der Fluss war real – ich hatte ihn gesehen, die Silberau, ruhig und trügerisch. Doch dieses Papier sprach von Zukunft, als wäre sie käuflich.
Ich zündete mir eine Zigarre an – nicht, weil ich sie brauchte, sondern weil etwas an diesem Text nach Asche roch. Nicht der Geruch, sondern der Unterton. Worte wie [b]„Wohlstand“ und „Verbindung“[/b] waren gefährlich, wenn sie zu oft wiederholt wurden. Sie neigten dazu, irgendwann auf Uniformstoff gedruckt zu werden.
Sie sprachen von Handel, als würde Gold allein alle Gräben füllen. Als könnten Bretter und Steine vergessen machen, wer sie einst aus dem Fluss gerissen hatte. Doch ich habe zu viele Brücken gesehen, unter denen Blut floss, um zu glauben, dass sie immer nur dem Frieden dienten.
Die Formulierungen waren klug – fast zu klug. [b]„Seit jeher verbindet Handel Menschen[/b]“, hieß es. Mag sein. Aber nicht immer freiwillig. Nicht immer ohne einen Preis, der höher lag als ein Zolltarif.
Ich las weiter, den Kragen meines Mantels gegen den Wind gezogen, das Feuer der Zigarre halb heruntergebrannt. Die Worte waren geschmeidig wie Seidenschatten aus Elashinn – gemacht zum Umhüllen, nicht zum Offenlegen. [b]„Ein Symbol für Fortschritt.“ „Ein Zeichen der Hoffnung.“[/b] Vielleicht war es das. Vielleicht auch nur eine gut verpackte Einladung zum nächsten Krieg.
Es hieß, die Brücke bringe Arbeit. Für Handwerker, Bauern, Fuhrleute. Aber keiner sagte, für wen die Arbeit eigentlich getan wurde – und wer den Auftrag vergab. Und warum so plötzlich, mit so viel Eile.
Ich erinnerte mich an die Frau vom Stadtrat, die gestern sprach. Von einer Baronie, die niemand kannte, und deren Namen noch niemand gehört hatte. Außerdem Autoren der Schundromane die derzeit im Umlauf sind. Und von einem Bürgermeister, den keiner zu sehen schien – bis ich ihn fand, alleine, vergessen, wie ein Schachstein, den man absichtlich unter den Teppich gekickt hatte.
Jetzt stand ich hier, und das Papier vor mir behauptete, wir bauten die Brücke für unsere [b]Kinder[/b]. Für eine [b]sichere Zukunft[/b]. Für das [b]Miteinander[/b]. Aber ich hatte genug sichere Zukünfte gesehen, die in Granit gemeißelt waren – mit Namen darauf, unter denen Kerzen brannten.
Jede Zeile dieses Plakats war ein Versprechen. Und jedes Versprechen ist nur ein gebogener Nagel – stark genug, um ein Brett zu halten, schwach genug, um irgendwann zu brechen.
Ich machte mir eine Notiz: „Sprache überlegt. Emotional. Kein offizieller Absender. Wer bezahlt solche Kampagnen?“ Und gleich darunter: „Reaktion Namoth beobachten. Widerstand gegen Bau bekannt. Wann kommt das erste Gegenplakat?“
Mein Blick glitt über das Ende des Texts. [b]„Helft mit, sie zu bauen – mit euren Händen, euren Worten oder eurem Vertrauen.“[/b] Ich spürte, wie mein Stift kurz zögerte, bevor ich weiterschrieb: [b]„Oder mit eurer Naivität.“[/b]
Es gab keinen Namen unter dem Aufruf. Keine Unterschrift. Keine Behörde. Nur große Worte auf dünnem Papier. Ich hatte schon Steckbriefe gesehen, die mehr Rückgrat hatten. Ein paar Passanten gingen vorbei, warfen einen Blick auf das Plakat und dann einen auf mich. Ihre Augen sagten nichts – aber ihre Schultern trugen Lasten, die nicht von Brückenbalken kamen. Vielleicht war es gut gemeint. Vielleicht war es ehrlich. Vielleicht war es der erste Dominostein. Ich hatte gelernt, alles dreifach zu hinterfragen, was zu schön war, um wahr zu sein. Die Leute lieben Symbole. Sie hängen sich daran wie Ertrinkende an Treibholz. Aber das Problem mit Symbolen ist: Sie treiben oft in Richtung Abgrund.
Ich sog den letzten Rest meiner Zigarre ein, trat sie aus wie eine lästige Erinnerung und riss mir ein Stück vom Rand des Plakats ab. Papier sagt mehr als der, der es schreibt – manchmal genügt ein Fingerabdruck, manchmal der Geruch. Ich würde berichten. Nicht urteilen. Noch nicht. Ich war kein Richter. Ich war ein Denunziant... nein hier hieß es Reporter. Und wer zu früh Partei ergreift, sieht am Ende nicht, wenn beide Seiten schmutzige Hände haben.
Es war nicht meine Aufgabe, die Brücke zu bauen. Aber vielleicht konnte ich aufschreiben, was unter ihr lag, bevor jemand drüberging und nie zurückkam.
Ich ließ das Plakat zurück, wie man eine Lüge auf dem Küchentisch liegen lässt, weil man weiß, dass sie bald wieder jemand liest.
Die Stadt war still. Die Zukunft war laut. Und irgendwo dazwischen tippte ich im Kopf schon den ersten Satz:
„Sie wollten eine Brücke – sie bekamen einen Keil.“