von Rianon » 04 Sep 2025, 21:51
3 - Bauernweisheiten
Die Ebene lag weit und still vor ihm, nur das leise Rauschen des Windes, der durch die sanft gewellten Hügel strich, begleitete seinen Schritt. Unter seinen Stiefeln knirschte der trockene Boden, von dünnem, gelbem Gras bedeckt, das unter dem Grau des Himmels wie fahles Fell wirkte. Anders als im Wald, wo jeder Laut gedämpft wurde, breiteten sich Geräusche hier weiter aus, getragen von der Weite, und Rianon spürte, wie fremd ihm dieser offene Raum war. Der Wolf in ihm murrte unruhig, mochte keine Ebenen, keine Orte ohne Deckung, ohne Schatten, und jeder Atemzug trug Gerüche von Erde, Rauch und Mensch in sein Bewusstsein, die ihn daran erinnerten, dass er die Grenze seines Reiches längst überschritten hatte.
Fern zeichnete sich ein Gehöft gegen den Himmel ab, eine Ansammlung schlichter Holzbauten, von denen Rauch in dünnen Fahnen aufstieg, und davor eine Reihe niedriger Felder, in denen Gestalten arbeiteten. Rianon verlangsamte den Schritt, ließ den Wind seine Sinne tragen, bevor er sich näherte. Der Geruch von Schweiß, Heu, nassem Leder und Pferden lag hier schwerer, gemischt mit dem unverwechselbaren Geruch von Feuerstellen und dem feinen Duft nach frisch umgegrabener Erde. Für ihn war dieser Geruch fremd, nicht unangenehm, doch ungewohnt, wie eine Sprache, die er hörte, ohne sie ganz zu verstehen.
Als er den Feldrand erreichte, bemerkte er, wie die Menschen inne hielten. Drei Bauern standen nahe beieinander, zwei Männer und eine Frau, die Schaufeln in den Händen, die sie nun achtlos in den Boden stießen. Ihre Kleidung war schlicht, erdfarben, von harter Arbeit gezeichnet, und ihre Gesichter trugen das Rot der Sonne und das Grau des Windes. Sie musterten ihn offen, nicht feindselig, doch mit dieser zurückhaltenden Vorsicht, die denen eigen war, die Seltenes sehen. Der Älteste von ihnen, ein Mann mit wettergegerbtem Gesicht und grauen Schläfen, trat schließlich einen Schritt vor. Seine Bewegungen waren langsam, überlegt, und seine Augen glitten prüfend über Rianons Gestalt, den langen Umhang, das bleiche Haar, das in der Brise wehte, und schließlich die smaragdgrünen Augen, in denen das Licht des Waldes schimmerte. „Ein seltener Anblick,“ sagte der Mann schließlich, und seine Stimme war rau, vom Staub der Felder getragen. „Ein Waldelf, so nah an Britain. Die meisten von euch meiden unsere Straßen und unsere Höfe.“
Rianon neigte leicht den Kopf, ein stummer Gruß, und erwiderte ruhig: „Meine Pfade führen selten aus dem Schatten der Bäume. Doch manchmal verlangt das Leben, dass man andere Wege geht.“ Seine Stimme war wie immer und dennoch klang etwas Ungewohntes darin; eine Müdigkeit, die er nicht ganz verbergen konnte. Der Mann nickte langsam, als würde er den Satz abwägen, ehe er mit einer beiläufigen Geste auf die Felder zeigte, in denen dunkle Erdschollen in gleichmäßigen Reihen aufgebrochen waren. „Ihr kommt aus dem Wald, Elfenfreund, und ihr liebt ihn, das sieht man. Aber hier, außerhalb eurer grünen Hallen, lebt man anders. Wir schneiden das Land auf, wir teilen es, wir pflügen, säen, ernten. Ohne das – keine Häuser, keine Familien, kein Leben.“ Seine Stimme gewann an Gewicht, erklärend, wie jemand, der einen uralten Streit schon zu oft geführt hat. „Die Bäume geben viel, das weiß ich. Holz, Früchte, Wild. Aber sie geben nicht genug für so viele. Ein Wald nährt keine Familie, ernährt kein Dorf, kein Heer.“
Rianon lauschte schweigend, sein Blick ruhte auf den umgepflügten Reihen, deren strenge Ordnung so fremd wirkte neben dem Chaos, das er liebte. Hier war nichts dem Zufall überlassen, keine Pflanze, die wachsen durfte, wo sie wollte, keine Wurzel, die sich frei ihren Weg suchte. Es war, als hätten die Menschen dem Land selbst einen Willen aufgezwungen, eine Form, die der Natur fremd war. In ihm regte sich Widerstand, der Wolf knurrte leise, wollte zurück in das Gewirr aus Farn und Moos, dorthin, wo der Atem der Welt ungezähmt war, der Adler wollte in die Baumkronen zurückfliegen.
Doch er schwieg und fragte schließlich leise: „Und was sagt das Land dazu?“ Der Mann sah ihn an, blinzelte, als hätte er die Frage nicht verstanden. Dann kratzte er sich mit rauen Fingern am Kinn und meinte: „Das Land? Das Land ist, was wir daraus machen. Wir geben ihm Samen, es gibt uns Brot. Wir bauen Mauern, und es trägt unsere Häuser. Das Land kennt keinen Willen, Waldelf, nur die Hände derer, die es bearbeiten.“
Diese Antwort hallte in Rianon nach, und während der Mann sprach, glitten seine Gedanken wie Schatten durch die Erinnerungen an den Wald. Er dachte an den Yewbaum, dessen uralte Seele um Hilfe gefleht hatte, an das Wispern der Wurzeln, wenn der Wind durch die Kronen fuhr, an das Knarren der Äste, das er manchmal wie Stimmen hörte. Für ihn war das Land lebendig, atmend, sprechend, und der Gedanke, es sei nur Erde und Stein, war ihm fremd. Und doch … er sah die Felder, sah das kräftige Getreide, das in ordentlichen Reihen spross, sah die robusten Pferde, die die Pflüge zogen, und er wusste, dass die Menschen überlebt hatten, weil sie diesen Weg gingen. Es war ihm fremd, aber nicht ohne Logik.
„Ihr zwingt dem Boden eure Ordnung auf,“ sagte er schließlich, langsam, als würde er das Bild in Worte tasten. „Und ihr nehmt, was er gibt, ohne mehr zu fragen.“ Der Bauer nickte, ohne Zorn, vielleicht sogar mit einem Anflug von Stolz. „So ist es. Wenn wir das nicht täten, würde der Wald alles zurückholen, und die Ebenen würden ihn nicht lange aufhalten.“ Er sah auf Rianons bleiches Haar und fügte leiser hinzu: „Wir wissen, was wir riskieren, wenn wir den Bäumen zu nahe kommen. Eure Art hat uns das oft genug gezeigt.“
Für einen langen Moment stand Rianon schweigend am Feldrand, ließ den Blick über die weite Ebene schweifen, die bis an die Tore Britains reichte, deren Mauern im fahlen Licht des späten Tages wie gewaltige Schatten über das Land ragten. Er spürte das leise Drängen des Wolfes, das ihn zurück in die Deckung des Waldes ziehen wollte, und zugleich den leichten Sog des Adlers, der ihn weitertrieb, hinaus, fort, in die Höhe, in die Ferne. Schließlich nickte er dem Mann knapp zu. „Danke,“ sagte er nur, und die Bauern erwiderten den Gruß mit einem stillen Neigen der Köpfe, bevor sie wieder zu ihrer Arbeit zurückkehrten.
Rianon wandte sich ab, und seine Schritte führten ihn weiter über die offenen Felder, das Gewicht der Worte des Bauern noch wie Tau auf seiner Haut. Britain lag vor ihm, die Tore sichtbar im Dunst, und mit jedem Schritt, den er näherkam, fühlte er die Spannung zwischen Wald und Stadt, zwischen Instinkt und Entscheidung. Die Luft roch nach Rauch, nach Feuer und Leben. Er atmete tief ein, richtete den Blick auf die Mauern und setzte seinen Weg fort.
[size=150]3 - Bauernweisheiten[/size]
Die Ebene lag weit und still vor ihm, nur das leise Rauschen des Windes, der durch die sanft gewellten Hügel strich, begleitete seinen Schritt. Unter seinen Stiefeln knirschte der trockene Boden, von dünnem, gelbem Gras bedeckt, das unter dem Grau des Himmels wie fahles Fell wirkte. Anders als im Wald, wo jeder Laut gedämpft wurde, breiteten sich Geräusche hier weiter aus, getragen von der Weite, und Rianon spürte, wie fremd ihm dieser offene Raum war. Der Wolf in ihm murrte unruhig, mochte keine Ebenen, keine Orte ohne Deckung, ohne Schatten, und jeder Atemzug trug Gerüche von Erde, Rauch und Mensch in sein Bewusstsein, die ihn daran erinnerten, dass er die Grenze seines Reiches längst überschritten hatte.
Fern zeichnete sich ein Gehöft gegen den Himmel ab, eine Ansammlung schlichter Holzbauten, von denen Rauch in dünnen Fahnen aufstieg, und davor eine Reihe niedriger Felder, in denen Gestalten arbeiteten. Rianon verlangsamte den Schritt, ließ den Wind seine Sinne tragen, bevor er sich näherte. Der Geruch von Schweiß, Heu, nassem Leder und Pferden lag hier schwerer, gemischt mit dem unverwechselbaren Geruch von Feuerstellen und dem feinen Duft nach frisch umgegrabener Erde. Für ihn war dieser Geruch fremd, nicht unangenehm, doch ungewohnt, wie eine Sprache, die er hörte, ohne sie ganz zu verstehen.
Als er den Feldrand erreichte, bemerkte er, wie die Menschen inne hielten. Drei Bauern standen nahe beieinander, zwei Männer und eine Frau, die Schaufeln in den Händen, die sie nun achtlos in den Boden stießen. Ihre Kleidung war schlicht, erdfarben, von harter Arbeit gezeichnet, und ihre Gesichter trugen das Rot der Sonne und das Grau des Windes. Sie musterten ihn offen, nicht feindselig, doch mit dieser zurückhaltenden Vorsicht, die denen eigen war, die Seltenes sehen. Der Älteste von ihnen, ein Mann mit wettergegerbtem Gesicht und grauen Schläfen, trat schließlich einen Schritt vor. Seine Bewegungen waren langsam, überlegt, und seine Augen glitten prüfend über Rianons Gestalt, den langen Umhang, das bleiche Haar, das in der Brise wehte, und schließlich die smaragdgrünen Augen, in denen das Licht des Waldes schimmerte. „Ein seltener Anblick,“ sagte der Mann schließlich, und seine Stimme war rau, vom Staub der Felder getragen. „Ein Waldelf, so nah an Britain. Die meisten von euch meiden unsere Straßen und unsere Höfe.“
Rianon neigte leicht den Kopf, ein stummer Gruß, und erwiderte ruhig: „Meine Pfade führen selten aus dem Schatten der Bäume. Doch manchmal verlangt das Leben, dass man andere Wege geht.“ Seine Stimme war wie immer und dennoch klang etwas Ungewohntes darin; eine Müdigkeit, die er nicht ganz verbergen konnte. Der Mann nickte langsam, als würde er den Satz abwägen, ehe er mit einer beiläufigen Geste auf die Felder zeigte, in denen dunkle Erdschollen in gleichmäßigen Reihen aufgebrochen waren. „Ihr kommt aus dem Wald, Elfenfreund, und ihr liebt ihn, das sieht man. Aber hier, außerhalb eurer grünen Hallen, lebt man anders. Wir schneiden das Land auf, wir teilen es, wir pflügen, säen, ernten. Ohne das – keine Häuser, keine Familien, kein Leben.“ Seine Stimme gewann an Gewicht, erklärend, wie jemand, der einen uralten Streit schon zu oft geführt hat. „Die Bäume geben viel, das weiß ich. Holz, Früchte, Wild. Aber sie geben nicht genug für so viele. Ein Wald nährt keine Familie, ernährt kein Dorf, kein Heer.“
Rianon lauschte schweigend, sein Blick ruhte auf den umgepflügten Reihen, deren strenge Ordnung so fremd wirkte neben dem Chaos, das er liebte. Hier war nichts dem Zufall überlassen, keine Pflanze, die wachsen durfte, wo sie wollte, keine Wurzel, die sich frei ihren Weg suchte. Es war, als hätten die Menschen dem Land selbst einen Willen aufgezwungen, eine Form, die der Natur fremd war. In ihm regte sich Widerstand, der Wolf knurrte leise, wollte zurück in das Gewirr aus Farn und Moos, dorthin, wo der Atem der Welt ungezähmt war, der Adler wollte in die Baumkronen zurückfliegen.
Doch er schwieg und fragte schließlich leise: „Und was sagt das Land dazu?“ Der Mann sah ihn an, blinzelte, als hätte er die Frage nicht verstanden. Dann kratzte er sich mit rauen Fingern am Kinn und meinte: „Das Land? Das Land ist, was wir daraus machen. Wir geben ihm Samen, es gibt uns Brot. Wir bauen Mauern, und es trägt unsere Häuser. Das Land kennt keinen Willen, Waldelf, nur die Hände derer, die es bearbeiten.“
Diese Antwort hallte in Rianon nach, und während der Mann sprach, glitten seine Gedanken wie Schatten durch die Erinnerungen an den Wald. Er dachte an den Yewbaum, dessen uralte Seele um Hilfe gefleht hatte, an das Wispern der Wurzeln, wenn der Wind durch die Kronen fuhr, an das Knarren der Äste, das er manchmal wie Stimmen hörte. Für ihn war das Land lebendig, atmend, sprechend, und der Gedanke, es sei nur Erde und Stein, war ihm fremd. Und doch … er sah die Felder, sah das kräftige Getreide, das in ordentlichen Reihen spross, sah die robusten Pferde, die die Pflüge zogen, und er wusste, dass die Menschen überlebt hatten, weil sie diesen Weg gingen. Es war ihm fremd, aber nicht ohne Logik.
„Ihr zwingt dem Boden eure Ordnung auf,“ sagte er schließlich, langsam, als würde er das Bild in Worte tasten. „Und ihr nehmt, was er gibt, ohne mehr zu fragen.“ Der Bauer nickte, ohne Zorn, vielleicht sogar mit einem Anflug von Stolz. „So ist es. Wenn wir das nicht täten, würde der Wald alles zurückholen, und die Ebenen würden ihn nicht lange aufhalten.“ Er sah auf Rianons bleiches Haar und fügte leiser hinzu: „Wir wissen, was wir riskieren, wenn wir den Bäumen zu nahe kommen. Eure Art hat uns das oft genug gezeigt.“
Für einen langen Moment stand Rianon schweigend am Feldrand, ließ den Blick über die weite Ebene schweifen, die bis an die Tore Britains reichte, deren Mauern im fahlen Licht des späten Tages wie gewaltige Schatten über das Land ragten. Er spürte das leise Drängen des Wolfes, das ihn zurück in die Deckung des Waldes ziehen wollte, und zugleich den leichten Sog des Adlers, der ihn weitertrieb, hinaus, fort, in die Höhe, in die Ferne. Schließlich nickte er dem Mann knapp zu. „Danke,“ sagte er nur, und die Bauern erwiderten den Gruß mit einem stillen Neigen der Köpfe, bevor sie wieder zu ihrer Arbeit zurückkehrten.
Rianon wandte sich ab, und seine Schritte führten ihn weiter über die offenen Felder, das Gewicht der Worte des Bauern noch wie Tau auf seiner Haut. Britain lag vor ihm, die Tore sichtbar im Dunst, und mit jedem Schritt, den er näherkam, fühlte er die Spannung zwischen Wald und Stadt, zwischen Instinkt und Entscheidung. Die Luft roch nach Rauch, nach Feuer und Leben. Er atmete tief ein, richtete den Blick auf die Mauern und setzte seinen Weg fort.