von Jhea'kryna Ky'Alur » 08 Dez 2025, 18:07
Der Weg zum Königspalast war mühselig und nur etwas, dem sich die Rivvin hingeben würden. Das Qu’ellar kannte jedoch einen wesentlich eleganteren Weg zu dieser Audienz, wie diese Farce genannt wird. Ein Portal, direkt vor den angeblichen Palast.
Zuerst sprangen Tath’raen und Sarkul, die Sargtline, wie Raubtiere aus dem Portal. Hinter ihnen, etwas zurückgesetzt, schritt Jhea’kryna hindurch – kleiner an Gestalt als die meisten Menschen um sie herum, dafür umso größer an Präsenz. Ihr Qu’ellar bildete einen lebendigen Schutzwall, der neugierige Blicke, allzu aufdringliche Fragen und unbedachte Annäherungen im Keim erstickte.
Als sie vor dem äußeren Tor des Palastes standen, bremste die Kolonne abrupt. Der gepflasterte Platz war sauber – zumindest für menschliche Verhältnisse – doch direkt vor dem Tor, mitten im Weg, glitzerte ein frischer Pferdeapfel in der Sonne.
Jhea’kryna blieb stehen und verzog angewidert das Gesicht. „Zieht eure Tiere besser an den Rand, wenn eure Herrin hier vorfährt,“ murmelte sie auf Gemeinsprache, leise, aber scharf genug, dass die nächststehenden Wächter zusammenzuckten. Dann, etwas lauter: „Ihr,“ sie deutete mit einem eleganten Finger auf einen Paladin in poliertem Harnisch, „werdet mir den Weg weisen. Ich setze meinen Fuß nicht in diesen Dreck.“
Der Mann seufzte, fing sich jedoch schnell und trat einen Schritt vor. Mit einer Höflichkeit, die beinahe altmodisch wirkte, verneigte er sich leicht und bot ihr seinen Arm.
„Wenn Ihr mir die Ehre gewähren würdet, teuerste.“ Bevor sie antworten konnte, reagierte bereits einer der menschlichen Wachmänner. In auffallendem Übereifer löste er seinen Umhang von der Schulter, warf ihn hastig vor den Pferdeapfel und breitete ihn glatt auf dem Pflaster aus – als wollte er jeden Makel aus der Welt bügeln.
Jhea’kryna legte ihre Hand leicht auf den Arm des Paladins, trat mit einem eleganten Schritt über den provisorischen Teppich und schenkte dem Wachmann nicht einmal einen Blick. „So viel Mühe,“ bemerkte sie trocken, „für etwas, das bei uns im Qu’ellar mit einem Peitschenhieb erledigt wäre.“ Hinter ihr knurrte Tath’raen leise seine Zustimmung.
Der Einlass verlief weniger glatt. Am Tor wurde diskutiert, geprüft, geflüstert. Wer darf hinauf, wer muss unten bleiben. Doch am Ende setzte sich die Einladung der Krone durch – und das unbestreitbare Gewicht der Tatsache, dass eine Ilharess der Drow sich nicht ewig an einer Tür aufhalten ließ.
Die Audienz fand nicht in einem geschlossenen Saal statt, sondern auf einer erhöhten Empore auf dem Schlossplatz – ein Bühnenbild aus Holz, geschaffen für Inszenierung und Machtdemonstration. Vorne, auf dem Podest, thronte Königin Ereteria Victoria, flankiert von Gardisten, Hofmagiern und den anwesenden Grafen: die Gräfin Wolfenreich, der Graf Rothenstein, die Gräfin Schwarztann. Goldene Stickereien, Wappen, Banner – alles sorgfältig arrangiert. Jhea’kryna hatte ein Auge für Inszenierung. Und für Verschwendung.
Ihr Qu’ellar führte sie genau vor die Bühne. Sie war hier die wichtigste Person, sie selbst wusste es. Der sie begleitende Paladin wusste es. Nur an den Adligen auf der Bühne ging diese Tatsache vorbei. Dunkle Rüstungen, Speere, Klingen – die Dunkelelfen stellten sich instinktiv so auf, dass niemand unbemerkt an die Ilharess herankam. Neugierige Bürger drängten, tuschelten, starrten. Einige machten instinktiv Platz, als sich die Schatten des Qu’ellars in ihre Nähe schoben.
Die Königin erhob sich und begann zu sprechen. Von der Schwere der Zeiten. Von Verantwortung und Pflichten. Von der Notwendigkeit, dass alle Völker zusammenstehen müssten. Jhea’kryna hörte jenen ersten Sätze aufmerksam zu – dann verengte sich ihr Blick. Es dauerte nicht lange, bis die Rede in das bekannte Klein-Klein der Tagespolitik abglitt: Verwaltungsfragen, Grenzstreitigkeiten, Aufteilungen von Zuständigkeiten. „Irregularitäten“, wie es die Königin nannte.
Während vom Himmel noch der Staub des Sternenfalls fiel und im Ettintal eine Bedrohung wuchs, die die Sterblichen nicht fassen konnten.
Jhea’kryna seufzte leise.
„Il cas noamuth wun sidlorut xund rena l'tresk'ri flamgrae. ,“ murmelte sie auf Drowisch. (*)
„Malla Ilharess?“ fragte Sarkul leise.
„Naubol. Fridj vok. Mayoe nixm'io inbau ulu l'mon'tu Llharei'vi.“ (**)
Der Punkt kam nicht. Stattdessen weitere Worte, weitere höfische Floskeln. Jhea’kryna hob schließlich den Kopf und mischte sich ein: Sie korrigierte die Königin da, wo deren Darstellung der Lage zu weichgezeichnet war, lenkte das Gespräch immer wieder zurück auf das Wesentliche: auf das Ettintal, auf den Sternenfall, auf den Boten der Verdammnis, der den Sterblichen verkündet hatte, sie sollten niederknien, denn das Ende sei gekommen. „Ihr sprecht von Sitzungen, während die Erde selbst aufgerissen wird,“ sagte sie kühl. „Ich war im Ettintal. Ich habe gesehen, was dort lauert. Ihr dagegen pflegt eure Lehen wie ein Kind ein lästiges Haustierpflegt... gerade so viel, dass es nicht stirbt – aber niemals genug, um es mit Stolz vorzeigen zu können.“ Als die anwesenden Adligen die Wichtigkeit ihrer eigenen Beiträge betonten – ihrer „Berichte“, „Sitzungen“ und „Kommissionen“ – lachte sie leise, ohne jede Freude.
Ein Raunen ging durch die Menge. Einige der Adligen wurden rot vor Zorn, andere bleich. Im Volk blitzten kurze, heimliche Grinsen auf; manche lachten offen, andere hinter vorgehaltener Hand.
Als man ihr offiziell das Wort erteilte, machte sie keine Anstalten, von unten hinauf zur Königin zu sprechen. Sie sah es nicht ein, im wahrsten Sinne des Wortes „unter“ den Menschen zu stehen. Sie war hier die einzige mit einem echten Adelstitel, diese Schauspieler auf der Bühne waren von 'sonstwo' gekommen und maßten sich an hier Adel zu spielen.
Als sich in der Sicherheit der Wachen eine winzige Lücke auftat – ein unachtsamer Schritt, ein halbseitiger Blick – nutzte sie den Moment. Sie glitt an zwei Gardisten vorbei, setzte den Fuß auf die Stufen zur Empore und stieg hinauf.
Tath’raen spannte sich sichtbar an, folgte hinauf – die Rolle des Schildes war ihm klar. Die Wachen zögerten, unsicher, ob sie einschreiten sollten. Vielleicht war es Nachlässigkeit. Vielleicht gezielte Untätigkeit.
Oben, fast auf Augenhöhe mit der Königin, blieb Jhea’kryna stehen. „Wenn Ihr wollt, dass ich für euch spreche,“ sagte sie ruhig, „dann spreche ich nicht aus der Menge heraus. Ich bin keine Bittstellerin.“ Sie begann, die Lage darzulegen. Sprach vom Sternenfall, vom Boten der Verdammnis, von der Bedrohung jenseits des menschlichen Begreifens. Sie umriss die Gefahr, die im Ettintal wuchs, und machte unmissverständlich klar, dass höfische Spielereien und Ranggehabe diese Bedrohung nicht aufhalten würden.
Da trat der Hauptmann der Wache vor, das Gesicht angespannt. „Ihr... müsst die Bühne verlassen. Der Platz hier ist der Königin vorbehalten.“ Jhea’kryna wandte den Kopf, musterte ihn wie ein Insekt, das zu laut geworden war. „Ich spreche hier auf Geheiß eurer Königin,“ erwiderte sie scharf. „Ihr habt zu schweigen, solange ich versuche, euer insignifanktes Reich zu retten.“ Doch die Königin selbst erhob nun die Stimme. „Ihr habt meinen Willen vernommen. Kehrt zu euren Leuten zurück. Die Ordnung des Hofes ist einzuhalten.“
Einen Moment lang stand Jhea’kryna reglos da, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Dann wandt sie sich ab. Sie hatte kaum die Hälfte der Stufen hinabgestiegen, als es geschah. Ein greller Blitz, aus heiterem Himmel, zerriss die Luft. Der Donner folgte beinahe unmittelbar, ein gellender Schlag, der über den Platz rollte. Schreie, ein Aufschrecken, Unordnung. Für einen Herzschlag wusste niemand, woher der Schlag gekommen war – ein Angriff? Ein Schutzzauber der Hofmagier? Ein Zeichen?
Jhea’krynas Qu’ellar reagierte als erstes. Tath’raen brüllte einen Befehl, stürzte zu ihr. „Inbau harl Ilharess!“ (***), rief er und packte die Ilharess kräftig an der Schulter und zog sie die Stufen hinab, während Sarkul und die anderen Drow eine enge Formation schlossen und sie mit ihren Körpern abschirmten. „Rührt sie nicht an!“ fauchte Tath’raen, als ein menschlicher Wachmann zu nahe kam. „Sie steht unter meinem Schutz.“
Jhea’kryna ließ sich ziehen, aber nicht ohne noch Anweisungen zu geben. „Istrugar“, stieß sie hervor, „der zwergische Gildenlord der Paladine – er erhält freies Geleit nach Moonglow. Er allein hat hier für mich gesprochen, als ihr Adel versuchte, mich niederzubrüllen. Er scheint der Einzige zu sein, dem an dieser Welt liegt.“ „Verstanden, malla Ilharess,“ antwortete Sarkul, während sie den Rand des Platzes erreichten.
Am Haupttor, inmitten von panischer Bewegung und aufgeregten Rufen, fühlte Jhea’kryna es plötzlich: ein feines, kaum wahrnehmbares Flirren in der Luft. Die magische Abschirmung des königlichen Palastes – sie war beschädigt. Oder manipuliert.
Verrat!
Ein scharfes Lächeln huschte über ihre Lippen. Wenn die Schutzzauber geschwächt waren, dann nicht nur für den Feind. „Baat'leb,“ befahl sie auf Drowisch. „Nau uss sultha.“ (****) Die Drow stellten sich enger. Jhea’kryna hob die Hände, spürte das dünne, zitternde Gewebe der Magie, das hier nicht so dicht war, wie es sein sollte. Eine Gelegenheit, die sie nicht ungenutzt lassen würde. Ihre Stimme schnitt durch das Chaos wie eine Klinge: „Balbau uns’aa zhennur helothannin – VAS REL POR.“ (5*) Die Luft vor ihr verdichtete sich, Magie floss zusammen, ein Riss entstand im Raum, der sich in ein Portal nach Moonglow öffnete. Eine Rune blitzte auf, als sie den Übergang markierte – ein Ankerpunkt für zukünftige Reisen. „Areion l'videnn ,“ befahl sie ruhig. „Udos inbal kyorl vel'bol udos doer ulu“ (6*)
Einer nach dem anderen verschwanden die Schatten ihres Qu’ellars im wirbelnden Licht. Jhea’kryna trat als Letzte hindurch, ohne sich noch einmal umzusehen. Hinter ihr blieb ein Palast zurück, dessen Schutz magisch unterwandert war, dessen Königin sich in Nebensächlichkeiten verloren hatte und dessen Adlige sich noch nicht im Geringsten bewusst waren, wie nahe das Ende bereits an ihre polierten Stiefel herangerückt war.
⊱⋅ ───────── ༻ 𝔎𝔶'𝔄𝔩𝔲𝔯 ༺ ───────── ⋅⊰
(*) Sie verliert sich in Papierkram, während die Welt brennt.
(**)Nichts. Hört nur zu. Vielleicht kommt sie irgendwann noch zum Punkt.
(***) Get down Ilharess/Mrs President
(****) Haltet den Kreis! Niemand tritt ein.
(5*) Gewähre mir eine größere Reise
(6*) Durch das Tor, wir haben gesehen, was wir sehen wollten [?]
Der Weg zum Königspalast war mühselig und nur etwas, dem sich die Rivvin hingeben würden. Das Qu’ellar kannte jedoch einen wesentlich eleganteren Weg zu dieser Audienz, wie diese Farce genannt wird. Ein Portal, direkt vor den angeblichen Palast.
Zuerst sprangen Tath’raen und Sarkul, die Sargtline, wie Raubtiere aus dem Portal. Hinter ihnen, etwas zurückgesetzt, schritt Jhea’kryna hindurch – kleiner an Gestalt als die meisten Menschen um sie herum, dafür umso größer an Präsenz. Ihr Qu’ellar bildete einen lebendigen Schutzwall, der neugierige Blicke, allzu aufdringliche Fragen und unbedachte Annäherungen im Keim erstickte.
Als sie vor dem äußeren Tor des Palastes standen, bremste die Kolonne abrupt. Der gepflasterte Platz war sauber – zumindest für menschliche Verhältnisse – doch direkt vor dem Tor, mitten im Weg, glitzerte ein frischer Pferdeapfel in der Sonne.
Jhea’kryna blieb stehen und verzog angewidert das Gesicht. „Zieht eure Tiere besser an den Rand, wenn eure Herrin hier vorfährt,“ murmelte sie auf Gemeinsprache, leise, aber scharf genug, dass die nächststehenden Wächter zusammenzuckten. Dann, etwas lauter: „Ihr,“ sie deutete mit einem eleganten Finger auf einen Paladin in poliertem Harnisch, „werdet mir den Weg weisen. Ich setze meinen Fuß nicht in diesen Dreck.“
Der Mann seufzte, fing sich jedoch schnell und trat einen Schritt vor. Mit einer Höflichkeit, die beinahe altmodisch wirkte, verneigte er sich leicht und bot ihr seinen Arm.
„Wenn Ihr mir die Ehre gewähren würdet, teuerste.“ Bevor sie antworten konnte, reagierte bereits einer der menschlichen Wachmänner. In auffallendem Übereifer löste er seinen Umhang von der Schulter, warf ihn hastig vor den Pferdeapfel und breitete ihn glatt auf dem Pflaster aus – als wollte er jeden Makel aus der Welt bügeln.
Jhea’kryna legte ihre Hand leicht auf den Arm des Paladins, trat mit einem eleganten Schritt über den provisorischen Teppich und schenkte dem Wachmann nicht einmal einen Blick. „So viel Mühe,“ bemerkte sie trocken, „für etwas, das bei uns im Qu’ellar mit einem Peitschenhieb erledigt wäre.“ Hinter ihr knurrte Tath’raen leise seine Zustimmung.
Der Einlass verlief weniger glatt. Am Tor wurde diskutiert, geprüft, geflüstert. Wer darf hinauf, wer muss unten bleiben. Doch am Ende setzte sich die Einladung der Krone durch – und das unbestreitbare Gewicht der Tatsache, dass eine Ilharess der Drow sich nicht ewig an einer Tür aufhalten ließ.
Die Audienz fand nicht in einem geschlossenen Saal statt, sondern auf einer erhöhten Empore auf dem Schlossplatz – ein Bühnenbild aus Holz, geschaffen für Inszenierung und Machtdemonstration. Vorne, auf dem Podest, thronte Königin Ereteria Victoria, flankiert von Gardisten, Hofmagiern und den anwesenden Grafen: die Gräfin Wolfenreich, der Graf Rothenstein, die Gräfin Schwarztann. Goldene Stickereien, Wappen, Banner – alles sorgfältig arrangiert. Jhea’kryna hatte ein Auge für Inszenierung. Und für Verschwendung.
Ihr Qu’ellar führte sie genau vor die Bühne. Sie war hier die wichtigste Person, sie selbst wusste es. Der sie begleitende Paladin wusste es. Nur an den Adligen auf der Bühne ging diese Tatsache vorbei. Dunkle Rüstungen, Speere, Klingen – die Dunkelelfen stellten sich instinktiv so auf, dass niemand unbemerkt an die Ilharess herankam. Neugierige Bürger drängten, tuschelten, starrten. Einige machten instinktiv Platz, als sich die Schatten des Qu’ellars in ihre Nähe schoben.
Die Königin erhob sich und begann zu sprechen. Von der Schwere der Zeiten. Von Verantwortung und Pflichten. Von der Notwendigkeit, dass alle Völker zusammenstehen müssten. Jhea’kryna hörte jenen ersten Sätze aufmerksam zu – dann verengte sich ihr Blick. Es dauerte nicht lange, bis die Rede in das bekannte Klein-Klein der Tagespolitik abglitt: Verwaltungsfragen, Grenzstreitigkeiten, Aufteilungen von Zuständigkeiten. „Irregularitäten“, wie es die Königin nannte.
Während vom Himmel noch der Staub des Sternenfalls fiel und im Ettintal eine Bedrohung wuchs, die die Sterblichen nicht fassen konnten.
Jhea’kryna seufzte leise.
„Il cas noamuth wun sidlorut xund rena l'tresk'ri flamgrae. ,“ murmelte sie auf Drowisch. (*)
„Malla Ilharess?“ fragte Sarkul leise.
„Naubol. Fridj vok. Mayoe nixm'io inbau ulu l'mon'tu Llharei'vi.“ (**)
Der Punkt kam nicht. Stattdessen weitere Worte, weitere höfische Floskeln. Jhea’kryna hob schließlich den Kopf und mischte sich ein: Sie korrigierte die Königin da, wo deren Darstellung der Lage zu weichgezeichnet war, lenkte das Gespräch immer wieder zurück auf das Wesentliche: auf das Ettintal, auf den Sternenfall, auf den Boten der Verdammnis, der den Sterblichen verkündet hatte, sie sollten niederknien, denn das Ende sei gekommen. „Ihr sprecht von Sitzungen, während die Erde selbst aufgerissen wird,“ sagte sie kühl. „Ich war im Ettintal. Ich habe gesehen, was dort lauert. Ihr dagegen pflegt eure Lehen wie ein Kind ein lästiges Haustierpflegt... gerade so viel, dass es nicht stirbt – aber niemals genug, um es mit Stolz vorzeigen zu können.“ Als die anwesenden Adligen die Wichtigkeit ihrer eigenen Beiträge betonten – ihrer „Berichte“, „Sitzungen“ und „Kommissionen“ – lachte sie leise, ohne jede Freude.
Ein Raunen ging durch die Menge. Einige der Adligen wurden rot vor Zorn, andere bleich. Im Volk blitzten kurze, heimliche Grinsen auf; manche lachten offen, andere hinter vorgehaltener Hand.
Als man ihr offiziell das Wort erteilte, machte sie keine Anstalten, von unten hinauf zur Königin zu sprechen. Sie sah es nicht ein, im wahrsten Sinne des Wortes „unter“ den Menschen zu stehen. Sie war hier die einzige mit einem echten Adelstitel, diese Schauspieler auf der Bühne waren von 'sonstwo' gekommen und maßten sich an hier Adel zu spielen.
Als sich in der Sicherheit der Wachen eine winzige Lücke auftat – ein unachtsamer Schritt, ein halbseitiger Blick – nutzte sie den Moment. Sie glitt an zwei Gardisten vorbei, setzte den Fuß auf die Stufen zur Empore und stieg hinauf.
Tath’raen spannte sich sichtbar an, folgte hinauf – die Rolle des Schildes war ihm klar. Die Wachen zögerten, unsicher, ob sie einschreiten sollten. Vielleicht war es Nachlässigkeit. Vielleicht gezielte Untätigkeit.
Oben, fast auf Augenhöhe mit der Königin, blieb Jhea’kryna stehen. „Wenn Ihr wollt, dass ich für euch spreche,“ sagte sie ruhig, „dann spreche ich nicht aus der Menge heraus. Ich bin keine Bittstellerin.“ Sie begann, die Lage darzulegen. Sprach vom Sternenfall, vom Boten der Verdammnis, von der Bedrohung jenseits des menschlichen Begreifens. Sie umriss die Gefahr, die im Ettintal wuchs, und machte unmissverständlich klar, dass höfische Spielereien und Ranggehabe diese Bedrohung nicht aufhalten würden.
Da trat der Hauptmann der Wache vor, das Gesicht angespannt. „Ihr... müsst die Bühne verlassen. Der Platz hier ist der Königin vorbehalten.“ Jhea’kryna wandte den Kopf, musterte ihn wie ein Insekt, das zu laut geworden war. „Ich spreche hier auf Geheiß eurer Königin,“ erwiderte sie scharf. „Ihr habt zu schweigen, solange ich versuche, euer insignifanktes Reich zu retten.“ Doch die Königin selbst erhob nun die Stimme. „Ihr habt meinen Willen vernommen. Kehrt zu euren Leuten zurück. Die Ordnung des Hofes ist einzuhalten.“
Einen Moment lang stand Jhea’kryna reglos da, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Dann wandt sie sich ab. Sie hatte kaum die Hälfte der Stufen hinabgestiegen, als es geschah. Ein greller Blitz, aus heiterem Himmel, zerriss die Luft. Der Donner folgte beinahe unmittelbar, ein gellender Schlag, der über den Platz rollte. Schreie, ein Aufschrecken, Unordnung. Für einen Herzschlag wusste niemand, woher der Schlag gekommen war – ein Angriff? Ein Schutzzauber der Hofmagier? Ein Zeichen?
Jhea’krynas Qu’ellar reagierte als erstes. Tath’raen brüllte einen Befehl, stürzte zu ihr. „Inbau harl Ilharess!“ (***), rief er und packte die Ilharess kräftig an der Schulter und zog sie die Stufen hinab, während Sarkul und die anderen Drow eine enge Formation schlossen und sie mit ihren Körpern abschirmten. „Rührt sie nicht an!“ fauchte Tath’raen, als ein menschlicher Wachmann zu nahe kam. „Sie steht unter meinem Schutz.“
Jhea’kryna ließ sich ziehen, aber nicht ohne noch Anweisungen zu geben. „Istrugar“, stieß sie hervor, „der zwergische Gildenlord der Paladine – er erhält freies Geleit nach Moonglow. Er allein hat hier für mich gesprochen, als ihr Adel versuchte, mich niederzubrüllen. Er scheint der Einzige zu sein, dem an dieser Welt liegt.“ „Verstanden, malla Ilharess,“ antwortete Sarkul, während sie den Rand des Platzes erreichten.
Am Haupttor, inmitten von panischer Bewegung und aufgeregten Rufen, fühlte Jhea’kryna es plötzlich: ein feines, kaum wahrnehmbares Flirren in der Luft. Die magische Abschirmung des königlichen Palastes – sie war beschädigt. Oder manipuliert.
Verrat!
Ein scharfes Lächeln huschte über ihre Lippen. Wenn die Schutzzauber geschwächt waren, dann nicht nur für den Feind. „Baat'leb,“ befahl sie auf Drowisch. „Nau uss sultha.“ (****) Die Drow stellten sich enger. Jhea’kryna hob die Hände, spürte das dünne, zitternde Gewebe der Magie, das hier nicht so dicht war, wie es sein sollte. Eine Gelegenheit, die sie nicht ungenutzt lassen würde. Ihre Stimme schnitt durch das Chaos wie eine Klinge: „Balbau uns’aa zhennur helothannin – VAS REL POR.“ (5*) Die Luft vor ihr verdichtete sich, Magie floss zusammen, ein Riss entstand im Raum, der sich in ein Portal nach Moonglow öffnete. Eine Rune blitzte auf, als sie den Übergang markierte – ein Ankerpunkt für zukünftige Reisen. „Areion l'videnn ,“ befahl sie ruhig. „Udos inbal kyorl vel'bol udos doer ulu“ (6*)
Einer nach dem anderen verschwanden die Schatten ihres Qu’ellars im wirbelnden Licht. Jhea’kryna trat als Letzte hindurch, ohne sich noch einmal umzusehen. Hinter ihr blieb ein Palast zurück, dessen Schutz magisch unterwandert war, dessen Königin sich in Nebensächlichkeiten verloren hatte und dessen Adlige sich noch nicht im Geringsten bewusst waren, wie nahe das Ende bereits an ihre polierten Stiefel herangerückt war.
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(*) Sie verliert sich in Papierkram, während die Welt brennt.
(**)Nichts. Hört nur zu. Vielleicht kommt sie irgendwann noch zum Punkt.
(***) Get down Ilharess/Mrs President
(****) Haltet den Kreis! Niemand tritt ein.
(5*) Gewähre mir eine größere Reise
(6*) Durch das Tor, wir haben gesehen, was wir sehen wollten [?]