(Ein Erfahrungsbericht zwischen Peitsche, Panik und Politur)
06:00 Uhr – Erwachen mit Stil
Manche Völker erwachen mit Sonnenlicht, Vogelgesang oder dem Duft frisch gebackenen Brotes. Ich hingegen erwache durch einen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht und einem gutturalen Befehl von dem, was man nur als „die Stimme mit der Klinge“ bezeichnen kann. Es ist ein Ritual der Zuneigung – glaube ich. Oder der Einschüchterung. Oder beides. Ich habe es aufgegeben, mir die Bedeutungen der täglichen Misshandlungen zu erklären. Jedenfalls bin ich wach. Und nass. Und zitternd.
Anschließend folgt eine rasche Inspektion meiner Gliedmaßen. Nicht aus medizinischem Interesse, sondern um sicherzustellen, dass ich alles noch beisammenhabe, was für die Arbeit des Tages gebraucht wird. Finger? Alle dran. Zunge? Nützlich für’s Lügen. Rückgrat? Nur metaphorisch noch vorhanden. Es kann losgehen.
06:30 Uhr – Andacht im Tempel der acht Augen
In einer Ecke knien. Nicht bewegen. Nicht atmen. Den Göttern nicht ins Gesicht sehen. Den Priesterinnen noch weniger. Die Große Matriarchin spricht Worte, deren Klang mir Tränen in die Augen treibt – entweder vor Ehrfurcht oder weil der Rauch der Opfergaben direkt in meine Nasenhöhle zieht. Niemand sagt es, aber wir alle wissen: wer zuerst niest, wird später an die Spinnen verfüttert.
Neben mir bricht ein anderer Diener leise zusammen. Er hatte eine Stunde vorher einen Fehler gemacht – er nannte eine der Hoheiten „Gnädige“. Sie hatte gelächelt. Dann gelacht. Dann ihren Dolch gezogen. Jetzt kniet er nicht mehr. Ich aber schon. Ich darf stolz sein! Oder so.
07:30 Uhr – Frühstück servieren
Der Speisesaal der Herrschaften ist eine Halle der Dunkelheit, geprägt von leuchtenden Kristallen, blutrotem Glas und einer seltsamen Aura ständiger Beurteilung. Ich balanciere ein Tablett mit einer so perfekten Pilz-Terrine, dass mein Zittern fast als Ausdruck künstlerischer Intention durchgeht. Bloß nicht tropfen. Bloß nicht starren. Bloß nicht atmen, wenn die Herrin der Schatten gerade ihren Tee schwenkt. Der Tee hat mehr Rechte als ich.
Mein eigenes Frühstück besteht aus einem missmutigen Blick, den ich mir von der Brotmagd ergaunere. Und einem halben Wurm, den ich auf dem Weg zur Latrine finde. Ich nenne ihn „Mittag“. Er war zäh, aber wenigstens hat er nicht gebissen – im Gegensatz zur Zuckerkralle der zweiten Tochter des Hauses. Deren Haustier. Nicht die Tochter. Obwohl... da bin ich mir auch nicht mehr sicher.
10:00 Uhr – Die tägliche Peitschenlektion
Dienstag ist Peitschentag. Genau wie Montag. Und Mittwoch. Und eigentlich jeder Tag außer dem Tag der stillen Wunde – aber den haben sie aus dem Kalender gestrichen, weil es zu wenig Blut gab. Die heutige Begründung für das Zerfleischen meiner ohnehin kaum vorhandenen Rückenhaut war mein angeblich unpassender Blick auf eine Vase. Die Vase war beleidigt. Die Oberste ließ mich dafür siebenmal durch den Staub ziehen. Ohne Vase.
Während der Prozedur höre ich den rhythmischen Klang der neunschwänzigen Disziplin, begleitet von den feierlichen Kommentaren der Beobachterin der Reinheit. „Er zuckt zu viel. Vielleicht haben wir ihn verwöhnt?“ Ich nicke stumm. Dann erinnere ich mich, dass Nicken als Provokation gilt. Fehler. Weitere Hiebe. Ich bin so lernresistent wie nützlich. Das rettet mich oft.
12:00 Uhr – Politur des Throns der Erhabenheit
Der Thron ist nicht einfach nur ein Sitzmöbel. Er ist ein Testament der Herrschaft, mit Dornen aus schwarzem Adamant und eingebetteten Schädeln jener, die versuchten, sich eine Meinung zu bilden. Meine Aufgabe ist es, ihn zu polieren – mit einer Mischung aus zeremonieller Spucke, Spinnenöl und meinen eigenen Tränen. Die Tränen sind besonders effektiv. Ich habe genug Vorrat.
Während ich mit dem Zahn eines ehemaligen Aufständischen einen eingetrockneten Blutfleck entferne, spüre ich die Blicke der Leibgarde auf mir. Einer flüstert: „Wenn er noch ein Mal quietscht, landet er im Spiegelkeller.“ Ich kenne den Spiegelkeller. Dort werden einem die Ängste gezeigt. Letztes Mal sah ich mich selbst... fröhlich. Es war entsetzlich.
14:00 Uhr – Freiwilliger Alchemieversuch
Die Alchemistin des Hauses, auch bekannt als „Die mit dem Lächeln, das stirbt“, ruft mich. Ich bin die Freiwillige. Sie hat ein neues Serum entwickelt, das angeblich Bewusstsein, Mut und Fügsamkeit erhöht. Sie sagt, ich sei ideal. Ich glaube, sie meint „entbehrlich“. Ich nicke. Fehler. Wieder.
Der Trank schmeckt wie Schuldgefühle, brennender Hass und ein Hauch von Lavendel. Kurz darauf sehe ich Klänge und höre Farben. Die Alchemistin ist begeistert. Ich lalle eine Hymne an den obsidianenen Löffel in meiner Hand. Danach tanze ich mit einem Wandteppich. Der Wandteppich gewinnt.
17:00 Uhr – Höfisches Turnier der Kleiderwahl
Die Hohe Herrin steht vor fünfzig Gewändern, die sich alle in der Farbe „tödliches Schwarz“ unterscheiden. Ich darf eins halten. Eine große Ehre. Eine große Verantwortung. Ich entscheide mich für das mit den wenigsten Blutperlen. Sie sagt nichts. Ich darf leben. Ich nenne es einen Erfolg.
Als Belohnung darf ich die restlichen neunundvierzig Gewänder wieder einräumen. Natürlich nach Reihenfolge der Fädenanzahl pro Quadratzoll, sortiert nach abnehmender Opferanzahl der Weber. Ich verfluche mein Gedächtnis. Ich verfluche meine Geburt. Ich verfluche alles – außer den Wandteppich. Der war nett.
20:00 Uhr – Opferzeremonie (ohne mich!)
Die Nacht naht und mit ihr die Töne der Tempelglocken. Ein Opfer wird gebracht. Heute bin ich es nicht. Ich atme auf – leise, vorsichtig. Es ist die erste gute Nachricht des Tages. Während Blut über die Stufen des Altars rinnt, kehre ich still den Hof. Ich murmle ein Dankgebet an die Gottheit der Unsichtbaren.
Ein Schatten streift mich. Die Großpriesterin mustert mich. Ich senke den Blick. Zu spät. „Morgen du.“ sagt sie. Ich nicke. Ich habe heute wirklich nichts gelernt.
22:00 Uhr – Ruhepause (vor dem nächsten Albtraum)
Ich krieche in meinen Winkel hinter der Spinnenbrutkammer. Dort ist es warm. Feucht. Lebendig. Aber immerhin ruhig – sofern man Spinnengekrabbel als beruhigend empfindet. Ich ziehe mir eine Decke aus Fetzen über den Kopf und flüstere dem Wandteppich Gute Nacht.
In der Ferne höre ich die Peitsche knallen. Ich zucke zusammen. Routine. Ich beginne zu zählen, wie viele Stunden ich heute überlebt habe. Dann schlafe ich ein – mit einem Lächeln. Ich wurde nicht geopfert. Noch nicht.
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Ja das war ein Tag im Leben einer Drow-Dienerin. So erzähle ich es fast jeden Tag in den Tavernen.
Wenn ihr mehr über den Peitschendienstag erfahren wollt, so meldet euch doch bei der hohen Herrin!
Heute bin ich frei. Wurde rausgeworfen, weil ich erblindet bin. Aber ja, meine guten Freunde so war das damals...
Wenn ihr mehr hören wollt, dann gebt mir doch einen aus.
Ein Tag im Leben einer Drow-Dienerin
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- Registriert: 07 Mai 2025, 09:46
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