Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb
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Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb
Jhea'kryna Ky'Alur saß im schwach beleuchteten Obergeschoss des Tempels, den Blick auf die flackernden Schatten gerichtet, die die Opferschalen an die geschwärzten Wände warfen. Die letzten Stunden hatten Spuren hinterlassen: nicht an ihrem makellosen Äußeren, wohl aber in der Starrheit, mit der sie sich bewegte, und der Kälte in ihren Augen, die selbst dem geweihten Stein unter ihren Füßen etwas von seiner alten Wärme nahm. Ihre Gedanken waren längst nicht mehr im Raum. Sie tasteten über den Plan wie über das gewebte Muster eines Spinnennetzes, das sich zwischen den Häusern, Ruinen und dunklen Herzen Yews spannte. Und in dessen Mitte: Arencia Dorn-Fernol.
Sie erinnerte sich nur vage an das Mädchen, das einst ihren Befehlen gehorchte – eine schmale Gestalt mit abgewetztem Gewand und wachsamem Blick, stets einen Schritt zu weit entfernt, um in Vergessenheit zu geraten, aber nie nahe genug, um wahrhaftig als Teil des Hauses Ky'Alur zu gelten. Der Tod hatte daran nichts geändert. Oder vielleicht doch. Denn aus der armseligen Dienerin war ein Konstrukt geworden – ein wandelndes Skelett, in dessen geborstenen Brustkorb nun mehr schlummerte als bloß blinder Gehorsam. Eine Drachenseele. Eingekerkert in einem Kristall, verborgen im Leib eines harmlosen Stofftieres. Ein Witz. Eine Ironie. Und zugleich eine Waffe.
Jhea’kryna wusste, dass sie den Drachen nicht einfach nehmen konnte. Der Kristall war mehr als ein Gefäß – er war ein Anker. Solange das Wesen in ihm nicht geschwächt war, würde jeder Versuch, ihn zu lösen, mit Chaos enden. Deshalb brauchte sie eine Ablenkung. Einen Sturm, der so groß war, dass selbst ein uraltes Wesen wie dieser Drache wankte. Und wer könnte einen Sturm besser entfesseln als Arencia selbst? Wenn man sie nur glauben ließ, dass sie für etwas Größeres kämpfte.
Sie erinnerte sich an die Noquar. Schatten eines Hauses, vertrieben in den Tiefen einer Intrige, aber nicht vergessen. Nicht von Arencia. Jhea'kryna war sich sicher, dass ein Teil ihrer alten Bindung an jene Namen und Legenden noch lebte – vielleicht sogar stärker als alles, was Arencia je für das Haus Ky'Alur empfunden hatte. Es war ein Spiel mit falscher Hoffnung. Und es begann mit einer Lüge.
Sie stand auf, glitt lautlos die steinerne Treppe hinunter und ließ ihre Gedanken kreisen. Wenn sie Arencia glauben machen konnte, dass es noch Überlebende der Noquar gab – gequälte Seelen, gefangen unter den Wurzeln Yews, verzweifelt und verraten –, dann würde das Skelett handeln. Nicht für Ruhm. Nicht für Macht. Sondern aus Schuld und Loyalität. Eine falsche Wahrheit, die ausreichte, um sie zu binden.
Doch der Plan brauchte mehr als Worte. Er brauchte Beweise. Etwas Greifbares. Etwas, das Arencia sehen und fühlen konnte. Eine Rüstung. Alt, beschädigt, aber erkennbar. Und vor allem: mit den Runen der Noquar versehen. Jhea'kryna wandte sich um, während ihre Schritte durch den Korridor hallten. Ihr Ziel war klar.
„Holt mir Lyr’sa“, befahl sie knapp, als sie einen der Wächter passierte. Der Drow verneigte sich wortlos und verschwand. Es dauerte keine halbe Stunde, bis die Drow mit den rußverzierten Händen und dem nervösen Blick vor ihr stand. Ihre Kleidung trug Spuren der Werkstatt – Asche, Öl, ein Hauch geschmolzenen Metalls. Jhea'rkyna musterte sie einen Moment lang, ehe sie mit ruhiger Stimme sprach.
„Ich benötige deine Fähigkeiten. Eine Schmiedearbeit. Aber keine gewöhnliche.“ Sie machte eine kurze Geste, woraufhin einer der Wächter ein grob zusammengeflicktes Kettenhemd brachte. „Nimm dies. Überarbeite es. Lass es aussehen, als stamme es aus den letzten Tagen des Hauses Noquar. Zerkratzt, geschwärzt, aber mit ihren Runen versehen. Du weißt, welche ich meine.“
Lyr’sa nahm das Hemd vorsichtig entgegen, und ihre Pupillen weiteten sich leicht, als sie den Befehl begriff. Ihre Stimme war leise, beinahe zittrig, als sie zu sprechen wagte: „Malla Ilharess… die Runen des Hauses Noquar sind verboten. Der Hohe Tempel hat ihre Verwendung unter Bann gestellt – wegen der, der… Symbole. Schon das Gravieren dieser Zeichen könnte als Blasphemie gelten.“
Die Worte hallten kurz nach. Die Luft im Raum schien sich zu verdichten. Jhea'kryna drehte sich langsam zu ihr um, ihre Augen schmal. Sie trat einen Schritt näher, hob eine Hand – nicht schnell, nicht wild, sondern mit der Präzision eines Richters – und schlug Lyr’sa mit der flachen Hand so heftig ins Gesicht, dass Sie einen Schritt zur Seite taumelte.
„Wage es nie wieder, mir zu widersprechen“, sagte Jhea'kryna mit leiser, schneidender Stimme. Kein Schrei, keine Drohung – nur eine Feststellung, so kalt wie das Gestein des Tempels. „Du dienst mir. Und du wirst tun, was ich verlange. Die Runen werden nicht wahrhaftig gesprochen. Sie werden geschrieben, eingeritzt in rostiges Eisen. Niemand außer uns wird sie je sehen. Und wenn doch – wird niemand leben, um es weiterzuerzählen.“
Lyr’sa hielt sich die Wange, die nun gerötet war. Ihre Augen flackerten zwischen Furcht und Trotz, doch letztlich neigte sie den Kopf. Ihre Stimme war kaum hörbar: „Wie ihr wünscht, malla Ilharess.“
Zufrieden wandte sich Jhea'kryna ab. Der erste Schritt war getan. Die Rüstung würde Arencia erreichen – vielleicht verborgen unter den Lumpen eines gefangenen Elfen oder als Fundstück aus den angeblichen Katakomben von Yew. Und Arencia, gebrochen wie sie war, würde den Köder schlucken. Sie würde glauben, dass ihre ehemaligen Herren noch existierten, dass ihre Vergangenheit gerettet werden konnte – wenn sie nur bereit war, noch einmal zu kämpfen.
Und kämpfen würde sie. Mit all der Macht, die ihr nun innewohnte. Jhea’kryna brauchte diesen Kampf. Sie brauchte das Chaos. Denn nur inmitten eines tobenden Schlachtfeldes, wenn die Grenzen zwischen Leben und Tod zerflossen, würde der Drache schwach genug werden, um ihn zu greifen. Um den Kristall an sich zu reißen. Um die uralte Macht aus dem Griff einer Puppe zu entreißen, die zu lange geglaubt hatte, dass sie Herrin ihres eigenen Willens sei.
Doch das war sie nie gewesen. Nicht unter Ky'Alur. Nicht unter Jhea’kryna. Und schon bald – nicht einmal unter sich selbst.
Sie erinnerte sich nur vage an das Mädchen, das einst ihren Befehlen gehorchte – eine schmale Gestalt mit abgewetztem Gewand und wachsamem Blick, stets einen Schritt zu weit entfernt, um in Vergessenheit zu geraten, aber nie nahe genug, um wahrhaftig als Teil des Hauses Ky'Alur zu gelten. Der Tod hatte daran nichts geändert. Oder vielleicht doch. Denn aus der armseligen Dienerin war ein Konstrukt geworden – ein wandelndes Skelett, in dessen geborstenen Brustkorb nun mehr schlummerte als bloß blinder Gehorsam. Eine Drachenseele. Eingekerkert in einem Kristall, verborgen im Leib eines harmlosen Stofftieres. Ein Witz. Eine Ironie. Und zugleich eine Waffe.
Jhea’kryna wusste, dass sie den Drachen nicht einfach nehmen konnte. Der Kristall war mehr als ein Gefäß – er war ein Anker. Solange das Wesen in ihm nicht geschwächt war, würde jeder Versuch, ihn zu lösen, mit Chaos enden. Deshalb brauchte sie eine Ablenkung. Einen Sturm, der so groß war, dass selbst ein uraltes Wesen wie dieser Drache wankte. Und wer könnte einen Sturm besser entfesseln als Arencia selbst? Wenn man sie nur glauben ließ, dass sie für etwas Größeres kämpfte.
Sie erinnerte sich an die Noquar. Schatten eines Hauses, vertrieben in den Tiefen einer Intrige, aber nicht vergessen. Nicht von Arencia. Jhea'kryna war sich sicher, dass ein Teil ihrer alten Bindung an jene Namen und Legenden noch lebte – vielleicht sogar stärker als alles, was Arencia je für das Haus Ky'Alur empfunden hatte. Es war ein Spiel mit falscher Hoffnung. Und es begann mit einer Lüge.
Sie stand auf, glitt lautlos die steinerne Treppe hinunter und ließ ihre Gedanken kreisen. Wenn sie Arencia glauben machen konnte, dass es noch Überlebende der Noquar gab – gequälte Seelen, gefangen unter den Wurzeln Yews, verzweifelt und verraten –, dann würde das Skelett handeln. Nicht für Ruhm. Nicht für Macht. Sondern aus Schuld und Loyalität. Eine falsche Wahrheit, die ausreichte, um sie zu binden.
Doch der Plan brauchte mehr als Worte. Er brauchte Beweise. Etwas Greifbares. Etwas, das Arencia sehen und fühlen konnte. Eine Rüstung. Alt, beschädigt, aber erkennbar. Und vor allem: mit den Runen der Noquar versehen. Jhea'kryna wandte sich um, während ihre Schritte durch den Korridor hallten. Ihr Ziel war klar.
„Holt mir Lyr’sa“, befahl sie knapp, als sie einen der Wächter passierte. Der Drow verneigte sich wortlos und verschwand. Es dauerte keine halbe Stunde, bis die Drow mit den rußverzierten Händen und dem nervösen Blick vor ihr stand. Ihre Kleidung trug Spuren der Werkstatt – Asche, Öl, ein Hauch geschmolzenen Metalls. Jhea'rkyna musterte sie einen Moment lang, ehe sie mit ruhiger Stimme sprach.
„Ich benötige deine Fähigkeiten. Eine Schmiedearbeit. Aber keine gewöhnliche.“ Sie machte eine kurze Geste, woraufhin einer der Wächter ein grob zusammengeflicktes Kettenhemd brachte. „Nimm dies. Überarbeite es. Lass es aussehen, als stamme es aus den letzten Tagen des Hauses Noquar. Zerkratzt, geschwärzt, aber mit ihren Runen versehen. Du weißt, welche ich meine.“
Lyr’sa nahm das Hemd vorsichtig entgegen, und ihre Pupillen weiteten sich leicht, als sie den Befehl begriff. Ihre Stimme war leise, beinahe zittrig, als sie zu sprechen wagte: „Malla Ilharess… die Runen des Hauses Noquar sind verboten. Der Hohe Tempel hat ihre Verwendung unter Bann gestellt – wegen der, der… Symbole. Schon das Gravieren dieser Zeichen könnte als Blasphemie gelten.“
Die Worte hallten kurz nach. Die Luft im Raum schien sich zu verdichten. Jhea'kryna drehte sich langsam zu ihr um, ihre Augen schmal. Sie trat einen Schritt näher, hob eine Hand – nicht schnell, nicht wild, sondern mit der Präzision eines Richters – und schlug Lyr’sa mit der flachen Hand so heftig ins Gesicht, dass Sie einen Schritt zur Seite taumelte.
„Wage es nie wieder, mir zu widersprechen“, sagte Jhea'kryna mit leiser, schneidender Stimme. Kein Schrei, keine Drohung – nur eine Feststellung, so kalt wie das Gestein des Tempels. „Du dienst mir. Und du wirst tun, was ich verlange. Die Runen werden nicht wahrhaftig gesprochen. Sie werden geschrieben, eingeritzt in rostiges Eisen. Niemand außer uns wird sie je sehen. Und wenn doch – wird niemand leben, um es weiterzuerzählen.“
Lyr’sa hielt sich die Wange, die nun gerötet war. Ihre Augen flackerten zwischen Furcht und Trotz, doch letztlich neigte sie den Kopf. Ihre Stimme war kaum hörbar: „Wie ihr wünscht, malla Ilharess.“
Zufrieden wandte sich Jhea'kryna ab. Der erste Schritt war getan. Die Rüstung würde Arencia erreichen – vielleicht verborgen unter den Lumpen eines gefangenen Elfen oder als Fundstück aus den angeblichen Katakomben von Yew. Und Arencia, gebrochen wie sie war, würde den Köder schlucken. Sie würde glauben, dass ihre ehemaligen Herren noch existierten, dass ihre Vergangenheit gerettet werden konnte – wenn sie nur bereit war, noch einmal zu kämpfen.
Und kämpfen würde sie. Mit all der Macht, die ihr nun innewohnte. Jhea’kryna brauchte diesen Kampf. Sie brauchte das Chaos. Denn nur inmitten eines tobenden Schlachtfeldes, wenn die Grenzen zwischen Leben und Tod zerflossen, würde der Drache schwach genug werden, um ihn zu greifen. Um den Kristall an sich zu reißen. Um die uralte Macht aus dem Griff einer Puppe zu entreißen, die zu lange geglaubt hatte, dass sie Herrin ihres eigenen Willens sei.
Doch das war sie nie gewesen. Nicht unter Ky'Alur. Nicht unter Jhea’kryna. Und schon bald – nicht einmal unter sich selbst.
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- Registriert: 31 Mai 2025, 10:17
Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb
In ihrer abgedunkelten Werkstatt, tief im Inneren von Elashinn, saß Lyr’sa auf einem Hocker aus schwarzem Holz, umgeben von metallischem Staub, rußverschmierten Folianten und dem flackernden Schein einer einzeln brennenden Alchemistenlampe. Die Ilharess hatte ihr Bücher bringen lassen – alte, verbotene Werke, in schwarzes Tuch gehüllt und mit unheiligen Siegeln verschlossen, die sie nur mit einem eigens gravierten Schlüssel öffnen konnte. Niemand sollte wissen, dass sie diese Schriften las, und am allerwenigsten Arencia, die sich in der Nähe aufhielt wie ein zersplitterter Schatten aus Knochengerassel und misstrauischen Blicken. Lyr’sa hatte seit dem Befehl der Ilharess ein flaues Gefühl in der Magengrube, das sie nicht loswurde – das Wissen, dass sie Symbole zu Metall bringen sollte, die einst in Blut getränkt worden waren, lastete schwerer auf ihr als jedes Stück Adamant.
Doch sie gehorchte. Denn sie lebte.
Behutsam hatte sie eine einzelne Schulterplatte vom Kettenhemd getrennt – ein grob geschmiedetes, kaum zusammengehaltenes Relikt, das die Ilharess ihr übergeben hatte. Es bestand aus schwarzem Adamant, angelaufen, von der Zeit gezeichnet, aber noch zu jung, um glaubwürdig alt zu wirken. Auf ihrem Werkbankstein lagen bereits mehrere kleine gravierte Splitter – Teststücke, in die sie mit verschiedenen Hämmern, Sticheln und säuregetränkten Gravurnadeln Symbole eingeritzt hatte. Manche waren zu klar, zu frisch. Andere zerflossen in der Oxidation. Sie musste den perfekten Mittelweg finden: alt, aber lesbar. Verfallen, aber noch erkennbar.
Sie atmete tief ein und begann, mit einem schmalen, gekrümmten Gravierwerkzeug die erste Linie zu ziehen – eine elegante Schlaufe, gefolgt von einem spitzen Winkel, dann ein spiraliger Abschluss. Es war das Zeichen der Vorkriegsschmiede der Noquar – ein stilisiertes Spinnennetz, das eine Flamme umschloss. In einer späteren Zeit verboten, verflucht, ausgelöscht. Doch sie hatte es in den Manuskripten gesehen, auf vergilbtem Pergament, in den Worten eines Magisters, der das Qu’ellar Noquar einst als das „Feuer unter den Steinen“ bezeichnet hatte. Es war beunruhigend schön. Und gefährlich.
Das Adamant unter ihren Fingern vibrierte leise bei jedem Schlag, jeder Einkerbung. Mit ruhiger, beinahe zeremonieller Präzision folgte sie dem Muster, das sie auswendig gelernt hatte, ihre Hände schwitzten trotz der Kühle in der Werkstatt. Nachdem die Gravur abgeschlossen war, beugte sie sich darüber, pustete den Eisenstaub beiseite und betrachtete das Ergebnis. Es war gelungen – nicht zu tief, nicht zu frisch. Und doch würde jeder, der die Runen kannte, erkennen, was sie darstellten.
Um dem Stück den Anschein von Alter zu geben, griff sie zu einem kleinen Eimer, gefüllt mit einer Mixtur aus eisenhaltigem Wasser, Asche, Torfschlamm und einem Tropfen alchemistischer Oxidationsflüssigkeit, die sie heimlich aus Ly’saars Vorräten entwendet hatte. Sie versenkte die Schulterplatte darin und ließ sie für drei Tage im Schatten des alten Schmelzofens ruhen – ein Ort, der warm, feucht und durchdrungen von altem Rostgeruch war. Als sie das Stück schließlich herausnahm, war die Gravur stumpf geworden, feine Spuren von Grünspan und rötlichem Gammel zogen sich durch die Ritzen, ohne das Muster zu verdecken. Der Stahl wirkte nun, als sei er aus den Ruinen selbst gezogen worden.
Sie polierte nur leicht, damit die Struktur des Metalls erhalten blieb, band das Kettenhemd mit der reparierten Schulterplatte sorgfältig in ein Leinentuch, das sie mit Staub und Flecken von Maschinenöl einrieb, und trat dann den Gang zum Thronsaal an – allein, mit gesenktem Blick, das Bündel wie ein Brandopfer tragend.
Als sie die Schwelle überschritt und die Ilharess auf dem erhöhten Sitz aus schwarzem Stein erblickte, kniete sie sofort nieder und streckte das in Tuch gehüllte Stück mit zitternden Händen vor sich aus. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch: „Es ist… wie ihr befohlen habt. Die Runen – sie sind alt. Nicht lebendig. Doch sie werden glauben, was ihr wollt.“
Jhea’kryna antwortete nicht sofort. Ihre goldenen Augen lagen wie scharfe Klingen auf dem Tuch, bevor sie mit einer einzigen, beiläufigen Geste das Leinen zurückzog. Ihre Lippen verzogen sich leicht – nicht zu einem Lächeln, eher zu einem Ausdruck stiller Anerkennung. Sie hob das Stück an, wog es in der Hand, ließ die Gravur im Licht ihrer Aura aufblitzen. Dann sprach sie leise, beinahe wie zu sich selbst:
„Alt genug, um zu erinnern. Und gerade jung genug, um noch zu verletzen.“
Lyr’sa hob nicht den Blick. Sie wusste, dass das Urteil der Ilharess gefallen war. Und dass der nächste Schritt folgen würde – ein Sturm, ausgelöst von einer Fälschung, geschmiedet in Schweigen und Schuld.
Doch sie gehorchte. Denn sie lebte.
Behutsam hatte sie eine einzelne Schulterplatte vom Kettenhemd getrennt – ein grob geschmiedetes, kaum zusammengehaltenes Relikt, das die Ilharess ihr übergeben hatte. Es bestand aus schwarzem Adamant, angelaufen, von der Zeit gezeichnet, aber noch zu jung, um glaubwürdig alt zu wirken. Auf ihrem Werkbankstein lagen bereits mehrere kleine gravierte Splitter – Teststücke, in die sie mit verschiedenen Hämmern, Sticheln und säuregetränkten Gravurnadeln Symbole eingeritzt hatte. Manche waren zu klar, zu frisch. Andere zerflossen in der Oxidation. Sie musste den perfekten Mittelweg finden: alt, aber lesbar. Verfallen, aber noch erkennbar.
Sie atmete tief ein und begann, mit einem schmalen, gekrümmten Gravierwerkzeug die erste Linie zu ziehen – eine elegante Schlaufe, gefolgt von einem spitzen Winkel, dann ein spiraliger Abschluss. Es war das Zeichen der Vorkriegsschmiede der Noquar – ein stilisiertes Spinnennetz, das eine Flamme umschloss. In einer späteren Zeit verboten, verflucht, ausgelöscht. Doch sie hatte es in den Manuskripten gesehen, auf vergilbtem Pergament, in den Worten eines Magisters, der das Qu’ellar Noquar einst als das „Feuer unter den Steinen“ bezeichnet hatte. Es war beunruhigend schön. Und gefährlich.
Das Adamant unter ihren Fingern vibrierte leise bei jedem Schlag, jeder Einkerbung. Mit ruhiger, beinahe zeremonieller Präzision folgte sie dem Muster, das sie auswendig gelernt hatte, ihre Hände schwitzten trotz der Kühle in der Werkstatt. Nachdem die Gravur abgeschlossen war, beugte sie sich darüber, pustete den Eisenstaub beiseite und betrachtete das Ergebnis. Es war gelungen – nicht zu tief, nicht zu frisch. Und doch würde jeder, der die Runen kannte, erkennen, was sie darstellten.
Um dem Stück den Anschein von Alter zu geben, griff sie zu einem kleinen Eimer, gefüllt mit einer Mixtur aus eisenhaltigem Wasser, Asche, Torfschlamm und einem Tropfen alchemistischer Oxidationsflüssigkeit, die sie heimlich aus Ly’saars Vorräten entwendet hatte. Sie versenkte die Schulterplatte darin und ließ sie für drei Tage im Schatten des alten Schmelzofens ruhen – ein Ort, der warm, feucht und durchdrungen von altem Rostgeruch war. Als sie das Stück schließlich herausnahm, war die Gravur stumpf geworden, feine Spuren von Grünspan und rötlichem Gammel zogen sich durch die Ritzen, ohne das Muster zu verdecken. Der Stahl wirkte nun, als sei er aus den Ruinen selbst gezogen worden.
Sie polierte nur leicht, damit die Struktur des Metalls erhalten blieb, band das Kettenhemd mit der reparierten Schulterplatte sorgfältig in ein Leinentuch, das sie mit Staub und Flecken von Maschinenöl einrieb, und trat dann den Gang zum Thronsaal an – allein, mit gesenktem Blick, das Bündel wie ein Brandopfer tragend.
Als sie die Schwelle überschritt und die Ilharess auf dem erhöhten Sitz aus schwarzem Stein erblickte, kniete sie sofort nieder und streckte das in Tuch gehüllte Stück mit zitternden Händen vor sich aus. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch: „Es ist… wie ihr befohlen habt. Die Runen – sie sind alt. Nicht lebendig. Doch sie werden glauben, was ihr wollt.“
Jhea’kryna antwortete nicht sofort. Ihre goldenen Augen lagen wie scharfe Klingen auf dem Tuch, bevor sie mit einer einzigen, beiläufigen Geste das Leinen zurückzog. Ihre Lippen verzogen sich leicht – nicht zu einem Lächeln, eher zu einem Ausdruck stiller Anerkennung. Sie hob das Stück an, wog es in der Hand, ließ die Gravur im Licht ihrer Aura aufblitzen. Dann sprach sie leise, beinahe wie zu sich selbst:
„Alt genug, um zu erinnern. Und gerade jung genug, um noch zu verletzen.“
Lyr’sa hob nicht den Blick. Sie wusste, dass das Urteil der Ilharess gefallen war. Und dass der nächste Schritt folgen würde – ein Sturm, ausgelöst von einer Fälschung, geschmiedet in Schweigen und Schuld.
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- Registriert: 07 Mai 2025, 17:45
Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb
Das Klackern war ein trockener, spröder Puls im Herzen der Finsternis. Knochen auf Obsidian, ein Geräusch, so alt und müde wie der Stein selbst. Es war der einzige Beweis ihrer Existenz, während Arencia durch die erstickende Stille des Quellar Ky'Alur schritt. Draußen, jenseits der Mauern, atmete Elashin. Ein Pesthauch aus Intrigen, der durch die gewaltigen Kavernen kroch, getränkt vom fernen Echo eines Schreis, der in einer Folterkammer erstickte, und dem allgegenwärtigen, süßlichen Geruch von Verfall und vergossenem Blut.
Die Luft in den Korridoren war kalt und schwer, sie schmeckte nach feuchtem Stein und dem kalten Eisen der Gitterstäbe, die dunkle Nischen wie die Mäuler gefräßiger Bestien bewachten. An den Wänden hingen keine kunstvollen Teppiche, sondern die seidenen, staubbedeckten Banner des Hauses, deren gestickte Spinnen auf schwarzem Grund im fahlen Licht phosphoreszierender Pilze zu lauern schienen. Dies war ihr Leben gewesen, und dies war ihr Tod. Als Mensch hatte sie hier gedient, mit gesenktem Blick und zitternden Händen, immer in Furcht vor dem beiläufigen Zorn ihrer Herren. Die Wärme eines Feuers war ein Luxus gewesen, der Duft von Brot eine ferne, unerreichbare Verheißung. Diese Fetzen eines Lebens waren keine Erinnerungen mehr. Es waren Narben auf einer Seele, die zu Staub zerfallen war.
Ihre knöchernen Finger strichen über ein Basaltrelief, das eine Szene sadistischer Unterwerfung zeigte – eine Kunstform der Drow. Sie registrierte die scharfen Kanten und die kalte Glätte, doch sie fühlte nichts. Keine Abscheu, keinen Schmerz, keine Resonanz. Es war nur eine Form, eine Textur in der unendlichen Monotonie ihrer Existenz. Sie hatte sich geopfert, um dieser Hölle zu entkommen. Ein letzter, verzweifelter Akt der Rebellion. Welch grausamer Scherz des Schicksals. Der Tod hatte sie nicht befreit, er hatte sie nur fester an diesen Ort geschmiedet, ihre Ketten aus Fleisch gegen solche aus Leere getauscht.
Sie trat an eine breite Balustrade, die den Blick auf einen Teil von Elashin freigab. Unter ihr erstreckte sich eine Stadt aus Albträumen. Gezackte Türme, aus dem Fels der Höhlendecke geschlagen, ragten wie die Zähne eines Leviathans in die ewige Dämmerung. Fahles, violettes und giftgrünes Licht pulsierte von magischen Quellen und Pilzwäldern, malte tanzende, verzerrte Schatten auf die gewundenen Straßen, auf denen sich Gestalten bewegten, deren Bosheit man selbst aus dieser Ferne spüren konnte. Früher hätte dieser Anblick sie mit Terror erfüllt. Jetzt war es nur ein Muster. Ein komplexes, bedeutungsloses Arrangement von Licht und Dunkelheit. Sie war kein Teil davon, nicht mehr Dienerin, nicht mehr Opfer. Sie war nur noch Kulisse. Ein Skelett, das im fahlen Licht einer sterbenden Stadt steht und darauf wartet, dass seine Knochen endlich zu Staub zerfallen. Doch der Zerfall kam nicht. Nur das nächste, leise Klackern, als sie sich umwandte und tiefer in die Schatten des Hauses zurückkehrte.
In der knöchernen Mulde ihrer Hand, dort, wo einst eine Handfläche gewesen war, ruhte eine kleine, grob gefertigte Puppe aus dunklem Leinen. Zwei ungleiche Knöpfe dienten als Augen, der Fadenmund war zu einem neutralen Strich verzogen. Für jeden anderen wäre es ein weggeworfenes Kinderspielzeug gewesen. Für Arencia war es Gesellschaft. Ein Gefängnis in ihrem Gefängnis. In dem unscheinbaren Objekt wohnte eine Präsenz, so alt und gewaltig, dass ihre eigene Nicht-Existenz daneben wie ein Wimpernschlag wirkte. Ein leises Rauschen begann in ihrem Schädel, eine Stimme, die nicht aus Klang, sondern aus Druck und uraltem Willen bestand.
Der endlose Marsch durch die Dunkelheit wurde jäh unterbrochen. Nicht durch einen Befehl oder ein Hindernis, sondern durch ein Geräusch, das so fremd in den Hallen von Ky'Alur war, dass es die Stille zerriss wie fauliges Leinen: Aufregung. Zwei Wachen des Hauses, ihre Rüstungen aus schwarzen Adamant klapperten hastig, kamen ihr aus einem Seitenkorridor entgegen. Ihre Stimmen waren gedämpfte, aber fieberhafte Zischlaute.
"...unglaublich. Direkt aus Yew geborgen..." "Die Matrone wird außer sich sein. Ein solches Zeichen..." "Beeil dich! Bring es in die Waffenkammer, bevor es noch jemand sieht."
Die Worte waren nur Fragmente, doch ihre Energie war eine Anomalie. Eine Störung in der ewigen, grausamen Monotonie.
Ihre knochige Hand hob sich, langsam, unaufhaltsam. Die Finger, nichts als polierter Knochen, legten sich auf die stählerne Schulterplatte einer der Wachen. Es war keine Berührung von Kraft, sondern eine von absoluter Kälte, ein Hauch des Grabes inmitten der lebendigen Welt.
Die Wache zuckte zusammen, als hätte sie ein Geist berührt – was der Wahrheit erschreckend nahekam. Er wirbelte herum, sein Gesicht eine Maske aus plötzlichem Entsetzen, als er in die leeren Augenhöhlen von Arencia blickte. Auch die zweite Wache wich erschrocken zurück. Sie kannten sie. Jeder im Quellar kannte das wandelnde Skelett. Aber die Konfrontation mit dem Tod selbst verlor nie ihren Schrecken.
Der Weg war frei.
Ihr Blick fiel auf das Objekt auf dem Tisch. Es war keine vollständige Rüstung, sondern eine einzelne, massive Schulterplatte aus tiefschwarzem Adamant, das selbst das spärliche Licht zu verschlingen schien. Doch es war nicht das seltene Metall, das sie traf. Es war die Gravur, die sich über die polierte Oberfläche zog: eine elegante Schlaufe, die in einen spitzen Winkel überging und in einem spiraligen Abschluss endete. Das Zeichen der Schmiede der Noquar – ein stilisiertes Spinnennetz, das eine Flamme umschloss.
Ein Schlag. Kein physischer Hieb, sondern eine Erschütterung, die tief in ihrem Inneren widerhallte, dort, wo einst eine Seele gewesen war. Eine Welle aus... etwas. Ein Echo. Eine Erinnerung, so scharf und schneidend wie eine Glasscherbe.
Die Wachen hatten sich unbemerkt zurückgezogen und ließen sie allein mit dem stummen Zeugen einer ausgelöschten Zeit. Arencias knöcherne Finger schwebten über dem kalten Adamant, ohne es zu berühren. Das Symbol der Noquar schien in den leeren Augenhöhlen nachzuglühen, ein Funke in der tiefsten Dunkelheit.
Das Bild, das sich in Mytraxors Bewusstsein formte, war von ohrenbetäubendem Lärm und blendendem Licht erfüllt. Despise. Auf der einen Seite stand eine Phalanx aus strahlenden Kriegern in weißen Rüstungen, auf deren Bannern der Paladine des Mondes prangte. Ihnen gegenüber, gehüllt in Schatten und lodernde Netherflammen, stand die Elite des Hauses Noquar.
Da war Belgos, der uralte Erzmagier, dessen Robe wie gefrorener Rauch im magischen Wind wehte, während arkane Blitze von seinen knorrigen Fingern zuckten. Neben ihm kämpfte Lelith, die Veldriss, ihre Klingen ein wirbelnder Tanz aus Tod und Präzision. Und an der Spitze, Felyndiira, die Ilharess, deren dunkle Schönheit nur von der tödlichen Macht übertroffen wurde, die sie befehligte. Sogar Nadal war dort, sein Gesicht eine grimmige Maske der Konzentration. Und sie selbst, Arencia, damals noch aus Fleisch und Blut, stand nicht abseits, sondern mitten im Sturm und wirkte Schutzzauber, ihre Hände leuchteten vor Energie.
Während diese Erinnerung durch sie hindurchfloss, geschah etwas Seltsames. Ein leises, elektrisches Knistern begann, ihre knöchernen Hände zu umgeben. Zuerst kaum wahrnehmbar, dann lauter werdend, sprühten winzige, violette Funken von ihren Fingerknochen in die kalte Luft der Waffenkammer. Sie erlebte die Magie von damals nicht nur neu, sie manifestierte ein Echo davon.
Und mit diesem Gefühl kam die Flut.
Ein Schmerz, so fremd und überwältigend, dass er die Grundfesten ihrer Untoten-Existenz erschütterte. Wehmut. Ein tiefes, nagendes Gefühl des Verlustes, das sie seit ihrem Tod nicht mehr gekannt hatte. Es war eine unkontrollierbare Sturmflut, die durch ihre leere Hülle raste, eine emotionale Qual, für die sie keine Ventile mehr besaß. Ihre knöchernen Finger krallten sich in die steinerne Tischplatte, und ein lautloses Kreischen hallte in ihrem Schädel wider.
Die Luft in den Korridoren war kalt und schwer, sie schmeckte nach feuchtem Stein und dem kalten Eisen der Gitterstäbe, die dunkle Nischen wie die Mäuler gefräßiger Bestien bewachten. An den Wänden hingen keine kunstvollen Teppiche, sondern die seidenen, staubbedeckten Banner des Hauses, deren gestickte Spinnen auf schwarzem Grund im fahlen Licht phosphoreszierender Pilze zu lauern schienen. Dies war ihr Leben gewesen, und dies war ihr Tod. Als Mensch hatte sie hier gedient, mit gesenktem Blick und zitternden Händen, immer in Furcht vor dem beiläufigen Zorn ihrer Herren. Die Wärme eines Feuers war ein Luxus gewesen, der Duft von Brot eine ferne, unerreichbare Verheißung. Diese Fetzen eines Lebens waren keine Erinnerungen mehr. Es waren Narben auf einer Seele, die zu Staub zerfallen war.
Ihre knöchernen Finger strichen über ein Basaltrelief, das eine Szene sadistischer Unterwerfung zeigte – eine Kunstform der Drow. Sie registrierte die scharfen Kanten und die kalte Glätte, doch sie fühlte nichts. Keine Abscheu, keinen Schmerz, keine Resonanz. Es war nur eine Form, eine Textur in der unendlichen Monotonie ihrer Existenz. Sie hatte sich geopfert, um dieser Hölle zu entkommen. Ein letzter, verzweifelter Akt der Rebellion. Welch grausamer Scherz des Schicksals. Der Tod hatte sie nicht befreit, er hatte sie nur fester an diesen Ort geschmiedet, ihre Ketten aus Fleisch gegen solche aus Leere getauscht.
Sie trat an eine breite Balustrade, die den Blick auf einen Teil von Elashin freigab. Unter ihr erstreckte sich eine Stadt aus Albträumen. Gezackte Türme, aus dem Fels der Höhlendecke geschlagen, ragten wie die Zähne eines Leviathans in die ewige Dämmerung. Fahles, violettes und giftgrünes Licht pulsierte von magischen Quellen und Pilzwäldern, malte tanzende, verzerrte Schatten auf die gewundenen Straßen, auf denen sich Gestalten bewegten, deren Bosheit man selbst aus dieser Ferne spüren konnte. Früher hätte dieser Anblick sie mit Terror erfüllt. Jetzt war es nur ein Muster. Ein komplexes, bedeutungsloses Arrangement von Licht und Dunkelheit. Sie war kein Teil davon, nicht mehr Dienerin, nicht mehr Opfer. Sie war nur noch Kulisse. Ein Skelett, das im fahlen Licht einer sterbenden Stadt steht und darauf wartet, dass seine Knochen endlich zu Staub zerfallen. Doch der Zerfall kam nicht. Nur das nächste, leise Klackern, als sie sich umwandte und tiefer in die Schatten des Hauses zurückkehrte.
In der knöchernen Mulde ihrer Hand, dort, wo einst eine Handfläche gewesen war, ruhte eine kleine, grob gefertigte Puppe aus dunklem Leinen. Zwei ungleiche Knöpfe dienten als Augen, der Fadenmund war zu einem neutralen Strich verzogen. Für jeden anderen wäre es ein weggeworfenes Kinderspielzeug gewesen. Für Arencia war es Gesellschaft. Ein Gefängnis in ihrem Gefängnis. In dem unscheinbaren Objekt wohnte eine Präsenz, so alt und gewaltig, dass ihre eigene Nicht-Existenz daneben wie ein Wimpernschlag wirkte. Ein leises Rauschen begann in ihrem Schädel, eine Stimme, die nicht aus Klang, sondern aus Druck und uraltem Willen bestand.
Die Antwort formte sich in Arencias Geist, ohne Anstrengung, ohne Gefühl. Es war ein reiner Transfer von Information, so wie Regen in eine Pfütze fällt.Mytraxor hat geschrieben:Wieder dieser Anblick. Diese Stadt ist ein Geschwür, das im Fleisch der Welt wuchert. Warum verweilst du hier, Arencia? Was hält dich an diesem Ort des Eiters?
Sie ging weiter, vorbei an den Quartieren der Priesterinnen, aus denen ein leises, rhythmisches Peitschen zu hören war. Ein Gebet an ihre grausame Göttin.Arencia hat geschrieben:Gewohnheit. Meine Füße kennen diesen Weg. Meine Knochen kennen diese Hallen. Es gibt keinen anderen Ort für mich.
Ein tiefes, geistiges Grollen, das wie das Mahlen von Kontinentalplatten wirkte, war Mytraxors Antwort.Arencia hat geschrieben:Das ist der Klang ihrer Frömmigkeit. Sie glauben, Schmerz bringe sie ihrer Göttin näher.
Arencia blieb stehen. Ihr leerer Blick fiel auf eine Blutlache, die unter einer Tür hervorquoll und auf dem polierten Boden zu gerinnen begann. Ein alltäglicher Anblick.Mytraxor hat geschrieben:Götter... Ich habe die Götter dieser Welt kommen und sterben sehen. Sie sind nur mächtigere Parasiten, die sich von der Furcht der Schwachen nähren. Dein ehemaliger Meister, der Lichelord, verstand das. Diese Dunkelelfen sind kurzsichtig in ihrer Grausamkeit.
Arencia hat geschrieben:Sie nennen es Macht. Sie verraten, morden und foltern dafür. Sie glauben, es mache sie stark.
Und so setzte sie ihren Weg fort. Ein Skelett und ein gefangener Drachen, zwei Gefangene, die durch die Dunkelheit wanderten. Das leise Klackern ihrer Schritte war die einzige Antwort, die sie der Finsternis gaben.Mytraxor hat geschrieben:Nein. Es macht sie nur zu besseren Sklaven ihrer eigenen niederen Instinkte. Eine amüsante, wenn auch ermüdende Vorstellung. Zeig mir mehr von diesem lächerlichen Theater, kleine Hülle.
Der endlose Marsch durch die Dunkelheit wurde jäh unterbrochen. Nicht durch einen Befehl oder ein Hindernis, sondern durch ein Geräusch, das so fremd in den Hallen von Ky'Alur war, dass es die Stille zerriss wie fauliges Leinen: Aufregung. Zwei Wachen des Hauses, ihre Rüstungen aus schwarzen Adamant klapperten hastig, kamen ihr aus einem Seitenkorridor entgegen. Ihre Stimmen waren gedämpfte, aber fieberhafte Zischlaute.
"...unglaublich. Direkt aus Yew geborgen..." "Die Matrone wird außer sich sein. Ein solches Zeichen..." "Beeil dich! Bring es in die Waffenkammer, bevor es noch jemand sieht."
Die Worte waren nur Fragmente, doch ihre Energie war eine Anomalie. Eine Störung in der ewigen, grausamen Monotonie.
Arencias leerer Blick folgte den beiden sich entfernenden Gestalten. Neu. Das Wort hallte in der Stille ihres Schädels wider. Es war kein Gefühl, keine Neugier im menschlichen Sinne. Es war eine Abweichung vom Muster. Und Muster waren alles, was ihr geblieben war. Ohne einen bewussten Entschluss zu fassen, änderten ihre Füße die Richtung. Das leise Klackern ihrer Knochen folgte dem hastigen Klirren des Stahls.Mytraxor hat geschrieben:Hörst du das, kleine Hülle? Ein Riss im Gefüge ihrer ach so subtilen Brutalität. Ein Kieselstein in ihrem stillen Teich des Hasses. Das ist neu.
Arencia hat geschrieben:Sie verbergen etwas. Aufregung bedeutet Geheimnisse. Geheimnisse bedeuten Macht.
Der Weg führte sie in die Waffenkammer, einen Ort, der nach kaltem Metall, Öl und dem Schweiß der Kämpfer roch. Die beiden Wachen standen mit dem Rücken zu ihr, ihre breiten Schultern verdeckten, was auch immer sie auf einen langen Steintisch gelegt hatten. Arencia trat lautlos näher, bis ihr Schatten mit ihren verschmolz. Sie konnte nichts sehen.Mytraxor hat geschrieben:Oder Schwäche. Folge ihnen. Dieses Theater beginnt, mich zu amüsieren.
Ihre knochige Hand hob sich, langsam, unaufhaltsam. Die Finger, nichts als polierter Knochen, legten sich auf die stählerne Schulterplatte einer der Wachen. Es war keine Berührung von Kraft, sondern eine von absoluter Kälte, ein Hauch des Grabes inmitten der lebendigen Welt.
Die Wache zuckte zusammen, als hätte sie ein Geist berührt – was der Wahrheit erschreckend nahekam. Er wirbelte herum, sein Gesicht eine Maske aus plötzlichem Entsetzen, als er in die leeren Augenhöhlen von Arencia blickte. Auch die zweite Wache wich erschrocken zurück. Sie kannten sie. Jeder im Quellar kannte das wandelnde Skelett. Aber die Konfrontation mit dem Tod selbst verlor nie ihren Schrecken.
Der Weg war frei.
Ihr Blick fiel auf das Objekt auf dem Tisch. Es war keine vollständige Rüstung, sondern eine einzelne, massive Schulterplatte aus tiefschwarzem Adamant, das selbst das spärliche Licht zu verschlingen schien. Doch es war nicht das seltene Metall, das sie traf. Es war die Gravur, die sich über die polierte Oberfläche zog: eine elegante Schlaufe, die in einen spitzen Winkel überging und in einem spiraligen Abschluss endete. Das Zeichen der Schmiede der Noquar – ein stilisiertes Spinnennetz, das eine Flamme umschloss.
Ein Schlag. Kein physischer Hieb, sondern eine Erschütterung, die tief in ihrem Inneren widerhallte, dort, wo einst eine Seele gewesen war. Eine Welle aus... etwas. Ein Echo. Eine Erinnerung, so scharf und schneidend wie eine Glasscherbe.
Die Antwort kam langsam, geformt aus den verstaubten Fragmenten einer längst begrabenen Identität.Mytraxor hat geschrieben:Dieses Stück Metall... es bedeutet dir etwas. Ich spüre es. Eine Vibration in deinem Nichts. Sprich, Arencia. Was ist das?
Arencia hat geschrieben:Noquar... Das ist das Zeichen des Quellar Noquar. Mein... Haus.
Mytraxor hat geschrieben:Dein Haus? Ich dachte, du wärst eine Kreatur dieses Ortes.
Sie suchte nach einem Wort, das sie längst verloren hatte.Arencia hat geschrieben:Ich wurde entführt. Vor langer, langer Zeit. Als ich noch ein Kind war, von der Oberwelt. Ich wuchs im Hause Noquar auf. Ich war eine Dienerin, ja, aber... ich stieg auf. Ich wurde die persönliche Dienerin der Ilharess, Felyndiira Noquar. Sie... es war...
Zum ersten Mal seit ihrem Tod blickte Arencia auf etwas und sah mehr als nur eine Form. Sie sah ein Grab. Und das Echo eines Lebens, das man ihr gestohlen hatte.Arencia hat geschrieben:Es war meine Familie. Die einzige, die ich je kannte. Und dieses Haus, Ky'Alur, hat sie ausgelöscht. In einer einzigen Nacht aus Feuer und Verrat. Sie haben alles niedergebrannt, jeden getötet. Und mich... mich haben sie mitgenommen. Als Teil der Beute.
Die Wachen hatten sich unbemerkt zurückgezogen und ließen sie allein mit dem stummen Zeugen einer ausgelöschten Zeit. Arencias knöcherne Finger schwebten über dem kalten Adamant, ohne es zu berühren. Das Symbol der Noquar schien in den leeren Augenhöhlen nachzuglühen, ein Funke in der tiefsten Dunkelheit.
Arencia schloss die Augen, eine bedeutungslose Geste für ein Wesen ohne Lider. Doch in ihrem Inneren öffnete sich ein Tor. Sie zog den unsterblichen Drachengeist mit sich in die Strudel der Vergangenheit.Mytraxor hat geschrieben:Familie... Kriegsbeute... Diese Worte sind schwerer als die Steine dieses verfluchten Ortes. Zeig es mir. Zeig mir, was diese Echos bedeuten, die an den Wänden deines Schädels kratzen.
Das Bild, das sich in Mytraxors Bewusstsein formte, war von ohrenbetäubendem Lärm und blendendem Licht erfüllt. Despise. Auf der einen Seite stand eine Phalanx aus strahlenden Kriegern in weißen Rüstungen, auf deren Bannern der Paladine des Mondes prangte. Ihnen gegenüber, gehüllt in Schatten und lodernde Netherflammen, stand die Elite des Hauses Noquar.
Da war Belgos, der uralte Erzmagier, dessen Robe wie gefrorener Rauch im magischen Wind wehte, während arkane Blitze von seinen knorrigen Fingern zuckten. Neben ihm kämpfte Lelith, die Veldriss, ihre Klingen ein wirbelnder Tanz aus Tod und Präzision. Und an der Spitze, Felyndiira, die Ilharess, deren dunkle Schönheit nur von der tödlichen Macht übertroffen wurde, die sie befehligte. Sogar Nadal war dort, sein Gesicht eine grimmige Maske der Konzentration. Und sie selbst, Arencia, damals noch aus Fleisch und Blut, stand nicht abseits, sondern mitten im Sturm und wirkte Schutzzauber, ihre Hände leuchteten vor Energie.
Während diese Erinnerung durch sie hindurchfloss, geschah etwas Seltsames. Ein leises, elektrisches Knistern begann, ihre knöchernen Hände zu umgeben. Zuerst kaum wahrnehmbar, dann lauter werdend, sprühten winzige, violette Funken von ihren Fingerknochen in die kalte Luft der Waffenkammer. Sie erlebte die Magie von damals nicht nur neu, sie manifestierte ein Echo davon.
Die Szene wechselte. Die Gewalt der Schlacht wich der stillen Konzentration eines hohen, einsamen Turmes – dem Drowhort. Das Bild zeigte einen Raum voller alchemistischer Gerätschaften, blubbernder Kolben und Regale, die mit Folianten und seltsamen Zutaten gefüllt waren. Der alte Belgos stand neben einer jungen Arencia, seine Hand führte ihre, während sie lernte, die komplexen Runen für einen Zauber nachzuzeichnen. Er lehrte sie nicht nur das Dienen, er lehrte sie die Macht. Die Erinnerung war erfüllt von dem Geruch alter Kräuter, dem leisen Summen der Magie und einem Gefühl von... Sicherheit. Von Wertschätzung.Mytraxor hat geschrieben:Faszinierend. Die Erinnerung allein genügt, um die Magie zu wecken. Du warst mehr als nur eine Dienerin.
Und mit diesem Gefühl kam die Flut.
Ein Schmerz, so fremd und überwältigend, dass er die Grundfesten ihrer Untoten-Existenz erschütterte. Wehmut. Ein tiefes, nagendes Gefühl des Verlustes, das sie seit ihrem Tod nicht mehr gekannt hatte. Es war eine unkontrollierbare Sturmflut, die durch ihre leere Hülle raste, eine emotionale Qual, für die sie keine Ventile mehr besaß. Ihre knöchernen Finger krallten sich in die steinerne Tischplatte, und ein lautloses Kreischen hallte in ihrem Schädel wider.
Ein letztes Bild drängte sich auf, ungebeten und brutal. Ein anderer Turm, nahe Britain, umgeben von grünen Feldern unter einem blauen Himmel. Junge, menschliche Krieger, die im Hof trainierten. Dann der Angriff. Die Schatten der Noquar, die über sie hereinbrachen. Sie selbst war dabei, ein Teil der Invasion, ein Werkzeug der Zerstörung. Das Bild war verwirrend, eine Mischung aus der Loyalität zu ihrem Haus und dem Schrecken in den Augen der jungen Menschen, die fielen.Arencia hat geschrieben:Es tut weh... Warum...? Ich sollte das nicht fühlen...
Die Stimme des Drachen war kein Befehl, sondern ein Anker. Ein Fels in der tobenden Seele.Mytraxor hat geschrieben:Sei still.
Mytraxor hat geschrieben:Diese Rüstung hat nicht nur ein Echo geweckt. Sie hat einen Riss in deinem Gefängnis verursacht. Diese... Gefühle... sind die ersten Tropfen, die durchsickern. Du bist nicht mehr nur eine leere Hülle, kleines Knochengerüst. Du beginnst, dich zu erinnern, wer du warst.
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb
Die Flut der Emotionen ebbte ab und hinterließ eine seltsame, schmerzhafte Klarheit in der Leere. Die Wehmut war ein brennendes Gift, wo zuvor nur Kälte gewesen war. Das Knistern der Magie an ihren Fingern erlosch, doch die Erinnerungen brannten weiter. Mit einer entschlossenen, mechanischen Bewegung, die im Widerspruch zu dem Chaos in ihrem Inneren stand, nahm Arencia die Adamant-Schulterkette vom Tisch. Das kalte, schwere Metall fühlte sich in ihrer Hand... real an. Ein Anker in einer Existenz, die gerade ihre grundlegendsten Gesetze verloren hatte.
Sie wandte sich um und verließ die Waffenkammer. Ihre Schritte waren nicht mehr das ziellose, schleifende Klackern von zuvor. In ihnen lag eine Richtung. Ein Ziel.
Auf dem Thron aus poliertem Obsidian, der wie ein monströses Insekt auf einem Podest kauerte, saß sie. Jhea'kryna Ky'Alur. Die Ilharess. Ihr langes, weißes Haar fiel wie ein Wasserfall über ihr tiefschwarzes Kleid. Ihr Gesicht war von zeitloser, grausamer Schönheit, und ihre Augen, zwei Splitter glühender Kohle, musterten träge einen Bericht, den ihr ein verängstigter Gargoyle ihr reichte.
Das wandelnde Skelett. Das stille Relikt des Hauses. Es hatte noch nie von sich aus das Wort ergriffen.
Arencia ging weiter, bis sie am Fuße des Throns stand. Sie verbeugte sich nicht. Sie hob einfach die Schulterkette hoch, das Symbol der Noquar gut sichtbar im Licht.
Sie wandte sich um und verließ die Waffenkammer. Ihre Schritte waren nicht mehr das ziellose, schleifende Klackern von zuvor. In ihnen lag eine Richtung. Ein Ziel.
Arencias Antwort war keine bewusste Erwiderung, sondern der erste Gedanke, der sich aus dem neuen Schmerz formte.Mytraxor hat geschrieben:Was tust du, kleines Knochengerüst? Dein Geist ist ein zersplittertes Gefäß, das kaum die Tropfen dieser wiedergefundenen Gefühle halten kann. Jeder weitere Riss könnte dich zerbrechen lassen. Wirf das Ding weg. Kehre zurück in deine Leere. Sie war sicher.
Ihr Weg führte sie unweigerlich zum Herzen des Quellar Ky'Alur, zum Thronsaal. Eine gewaltige Kammer, deren Wände mit den Trophäen unzähliger Siege und Verrätereien geschmückt waren. Waffen von gefallenen Feinden und in Seide gesponnene Seelensteine blickten aus den Schatten. Normalerweise war der Raum leer, ein stilles Monument der Macht. Doch heute war es anders.Arencia hat geschrieben:Sicherheit ist eine Illusion. Ich war sicher in meinem Tod. Aber ich war nicht frei. Diese... Gefühle... sie sind Qual. Aber sie sind mein.
Auf dem Thron aus poliertem Obsidian, der wie ein monströses Insekt auf einem Podest kauerte, saß sie. Jhea'kryna Ky'Alur. Die Ilharess. Ihr langes, weißes Haar fiel wie ein Wasserfall über ihr tiefschwarzes Kleid. Ihr Gesicht war von zeitloser, grausamer Schönheit, und ihre Augen, zwei Splitter glühender Kohle, musterten träge einen Bericht, den ihr ein verängstigter Gargoyle ihr reichte.
Mytraxor hat geschrieben:Wahnsinn. Du gehst geradewegs ins Zentrum des Netzes. Diese Kreatur ernährt sich von den Hoffnungen anderer, bevor sie sie tötet. Sie wird dich für diese Frage zermahlen.
Arencia zögerte nicht. Sie trat aus den Schatten in das fahle Licht, das von der Decke fiel. Ihre knöchernen Füße machten auf dem polierten Boden kaum ein Geräusch, doch die Augen der Ilharess schossen sofort zu ihr. Ein Hauch von Verärgerung über die Störung huschte über ihr Gesicht, gefolgt von einem Anflug belustigter Neugier.Arencia hat geschrieben:Sie hat die Antworten. Wenn es welche gibt.
Das wandelnde Skelett. Das stille Relikt des Hauses. Es hatte noch nie von sich aus das Wort ergriffen.
Arencia ging weiter, bis sie am Fuße des Throns stand. Sie verbeugte sich nicht. Sie hob einfach die Schulterkette hoch, das Symbol der Noquar gut sichtbar im Licht.
Ihre Stimme war ein trockenes, knirschendes Geräusch, als würde Staub über alte Knochen rieseln.Arencia hat geschrieben:Malla Ilharess.
Sie machte eine Pause, ließ das Gewicht ihrer Worte und des Objekts in der Stille des Saales hängen.Arencia hat geschrieben:Dieses Stück wurde gefunden. Es trägt das Zeichen des Quellar Noquar.
Arencia hat geschrieben:Ihr habt den Krieg geführt. Ihr habt sie vernichtet. Sagt mir... wisst Ihr, woher es kommt? Gibt es... könnte es Überlebende geben?
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Kein Licht in Yew
Der Thronsaal lag in kaltem, halb verhülltem Licht, das sich durch die ziselierten Glasfenster in diffuse Schleier aufspaltete, wie ein Netz aus Spinnenseide, das sich über die monumentale Halle legte – still, regungslos, als hielte selbst die Dunkelheit den Atem an. Jhea'kryna Ky'Alur saß auf dem Thron aus schwarzem Obsidian, ihre Finger ruhten wie schlafende Messer auf den Armlehnen, während sie scheinbar unbeteiligt einen Bericht studierte, der ihr von einem Gargoyle gereicht worden war. Doch in Wahrheit hatte sie den Klang gehört, das leise, kaum wahrnehmbare Kratzen von Knochen auf poliertem Stein – und noch ehe der Schatten sich näherte, wusste sie, wer da kam.
Arencia Dorn-Fernol, das tote Wanre, das wandelnde Mahnmal, das stumme Monument eines Hauses, das längst vergangen war – und zugleich der Schlüssel zu etwas, das noch geboren werden sollte. Ihre knochige Gestalt trat ins Licht, nicht zögerlich, nicht stolz, sondern mit jener kalten Entschlossenheit, die nur jenen zueigen ist, die nicht mehr zu verlieren haben. Und in ihren skelettierten Händen hielt sie das, worauf Jhea'kryna gewartet hatte: die Schulterplatte. Graviert mit den verbotenen Runen der Noquar, überzogen von der Zeit, geschwärzt, gealtert, scheinbar wahrhaftig.
Arencia sprach mit ihrer knirschenden Stimme, und der Klang der alten Namen, das Gewicht der Vergangenheit, hallte durch den Saal wie ein Echo aus einer Gruft. Jhea’kryna neigte leicht den Kopf, die Augen halb geschlossen, ein undeutbares Lächeln auf den Lippen, das weder Zustimmung noch Spott war. Sie ließ die Stille zwischen ihnen wachsen, ließ Arencia den Moment kosten, in dem Hoffnung sich in die Tiefe ihres nicht mehr schlagenden Herzens schlich.
„Du erinnerst dich noch an ihren Klang“, sagte sie leise, beinahe zärtlich, als spreche sie über eine alte Melodie, nicht über ein ausgelöschtes Haus. „Noquar... ein schönes Wort. Bitter auf der Zunge, wie alter Wein. Du trägst es noch in dir, nicht wahr?“
Sie stand langsam auf, ihre Bewegungen geschmeidig wie von Schatten gelenkt, und schritt auf Arencia zu, das lange Kleid raschelte wie ein Schleier aus schwarzem Nebel über den Boden. Ihre Hand streckte sich aus, nicht um die Schulterplatte zu nehmen, sondern um sie nur anzusehen – als reiche der Blick allein, um ihre Geschichte zu lesen.
„Ich habe den Krieg nicht begonnen. Aber ich habe ihn beendet. Und ich habe ihn nicht geführt wie ein Feldherr, nein... ich habe ihn geführt wie eine Jägerin. Geduldig. Methodisch. Ohne Hast. Und weißt du, was man tut, wenn man ein gefährliches Tier jagt?“
Sie senkte ihre Stimme, trat näher an Arencia heran, bis ihre Worte wie ein Hauch über den Kieferknochen der Toten fuhren. „Man lässt ihm einen Weg offen. Immer. Einen schmalen Spalt, durch den es entkommen kann – oder glaubt, entkommen zu können. Denn wenn man es in die Enge treibt, wenn man ihm jede Hoffnung nimmt... dann kämpft es mit einer Wildheit, die selbst den Jäger töten kann.“
Sie trat zurück, betrachtete Arencia wie eine Skulptur, deren Bedeutung sich gerade erst offenbarte. „Natürlich habe ich ein paar dieser Auswege geschaffen. Korridore. Tunnel. Ein paar Flüchtlinge, verwundet, gebrochen, aber am Leben gelassen. Nicht aus Gnade – sondern aus Weitsicht.“
Ein kaltes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie langsam um Arencia herumging. „Nicht alle von ihnen haben es zurückgeschafft. Viele sind verendet. Aber einige... ja, einige könnten überlebt haben. Vermutlich im Wald von Yew, im Wurzelwerk, oder in alten Krypten, wo kein Licht und keine Gebete sie erreichen. Ich stelle mir vor, wie sie dort kauern. Mich dort verfluchen. Und sich dort... erinnern.“
Sie machte eine Geste, fast beiläufig, doch in der Tiefe ihrer Augen loderte für einen Augenblick etwas auf – ein Funke, der mehr mit Berechnung als mit Wahrheit zu tun hatte. „Du möchtest wissen, woher das kommt?“
Sie wies mit einer flüchtigen Bewegung auf die Schulterplatte. „Ich habe jemanden, der es fand. Einen Sargtlin. Er war dort. Er hat die Rüstung gefunden. Er kann dir berichten was er gesehen hat, ob sich dort deine Hoffnung verbirgt.“
Sie klatschte einmal in die Hände – kein lautes Geräusch, eher ein Ritual. Dann wandte sie sich um und schritt zurück zum Thron, ohne Arencia aus den Augen zu lassen. Ihre Stimme war nun ruhiger, fast geschäftsmäßig. „Warte hier. Ich will, dass du ihn selbst hörst. Dass du seine Worte nimmst und dein Urteil fällst. Vielleicht... findest du deinen Weg. Oder deinen Tod. Oder beides.“
Die Türen des Thronsaals öffneten sich langsam, begleitet vom kratzenden Geräusch metallischer Stiefel auf Stein. Ein Wächter trat ein – hochgewachsen, mit Narben im Gesicht und dem zerschlissenen Wappen des Hauses Ky’Alur auf der Brust. In seiner Hand hielt er ein kleines, mit Schlamm verkrustetes Bündel aus grobem Tuch – das Gegenstück zur Rüstung, die Arencia trug.
Er blieb auf ein stummes Nicken der Ilharess hin stehen, verneigte sich kurz und hob den Blick zu Arencia.
„Malla Ilharess wünscht, dass ich berichte, wo ich dieses Stück gefunden habe“, sagte er, seine Stimme tief, aber fest.
Arencia Dorn-Fernol, das tote Wanre, das wandelnde Mahnmal, das stumme Monument eines Hauses, das längst vergangen war – und zugleich der Schlüssel zu etwas, das noch geboren werden sollte. Ihre knochige Gestalt trat ins Licht, nicht zögerlich, nicht stolz, sondern mit jener kalten Entschlossenheit, die nur jenen zueigen ist, die nicht mehr zu verlieren haben. Und in ihren skelettierten Händen hielt sie das, worauf Jhea'kryna gewartet hatte: die Schulterplatte. Graviert mit den verbotenen Runen der Noquar, überzogen von der Zeit, geschwärzt, gealtert, scheinbar wahrhaftig.
Arencia sprach mit ihrer knirschenden Stimme, und der Klang der alten Namen, das Gewicht der Vergangenheit, hallte durch den Saal wie ein Echo aus einer Gruft. Jhea’kryna neigte leicht den Kopf, die Augen halb geschlossen, ein undeutbares Lächeln auf den Lippen, das weder Zustimmung noch Spott war. Sie ließ die Stille zwischen ihnen wachsen, ließ Arencia den Moment kosten, in dem Hoffnung sich in die Tiefe ihres nicht mehr schlagenden Herzens schlich.
„Du erinnerst dich noch an ihren Klang“, sagte sie leise, beinahe zärtlich, als spreche sie über eine alte Melodie, nicht über ein ausgelöschtes Haus. „Noquar... ein schönes Wort. Bitter auf der Zunge, wie alter Wein. Du trägst es noch in dir, nicht wahr?“
Sie stand langsam auf, ihre Bewegungen geschmeidig wie von Schatten gelenkt, und schritt auf Arencia zu, das lange Kleid raschelte wie ein Schleier aus schwarzem Nebel über den Boden. Ihre Hand streckte sich aus, nicht um die Schulterplatte zu nehmen, sondern um sie nur anzusehen – als reiche der Blick allein, um ihre Geschichte zu lesen.
„Ich habe den Krieg nicht begonnen. Aber ich habe ihn beendet. Und ich habe ihn nicht geführt wie ein Feldherr, nein... ich habe ihn geführt wie eine Jägerin. Geduldig. Methodisch. Ohne Hast. Und weißt du, was man tut, wenn man ein gefährliches Tier jagt?“
Sie senkte ihre Stimme, trat näher an Arencia heran, bis ihre Worte wie ein Hauch über den Kieferknochen der Toten fuhren. „Man lässt ihm einen Weg offen. Immer. Einen schmalen Spalt, durch den es entkommen kann – oder glaubt, entkommen zu können. Denn wenn man es in die Enge treibt, wenn man ihm jede Hoffnung nimmt... dann kämpft es mit einer Wildheit, die selbst den Jäger töten kann.“
Sie trat zurück, betrachtete Arencia wie eine Skulptur, deren Bedeutung sich gerade erst offenbarte. „Natürlich habe ich ein paar dieser Auswege geschaffen. Korridore. Tunnel. Ein paar Flüchtlinge, verwundet, gebrochen, aber am Leben gelassen. Nicht aus Gnade – sondern aus Weitsicht.“
Ein kaltes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie langsam um Arencia herumging. „Nicht alle von ihnen haben es zurückgeschafft. Viele sind verendet. Aber einige... ja, einige könnten überlebt haben. Vermutlich im Wald von Yew, im Wurzelwerk, oder in alten Krypten, wo kein Licht und keine Gebete sie erreichen. Ich stelle mir vor, wie sie dort kauern. Mich dort verfluchen. Und sich dort... erinnern.“
Sie machte eine Geste, fast beiläufig, doch in der Tiefe ihrer Augen loderte für einen Augenblick etwas auf – ein Funke, der mehr mit Berechnung als mit Wahrheit zu tun hatte. „Du möchtest wissen, woher das kommt?“
Sie wies mit einer flüchtigen Bewegung auf die Schulterplatte. „Ich habe jemanden, der es fand. Einen Sargtlin. Er war dort. Er hat die Rüstung gefunden. Er kann dir berichten was er gesehen hat, ob sich dort deine Hoffnung verbirgt.“
Sie klatschte einmal in die Hände – kein lautes Geräusch, eher ein Ritual. Dann wandte sie sich um und schritt zurück zum Thron, ohne Arencia aus den Augen zu lassen. Ihre Stimme war nun ruhiger, fast geschäftsmäßig. „Warte hier. Ich will, dass du ihn selbst hörst. Dass du seine Worte nimmst und dein Urteil fällst. Vielleicht... findest du deinen Weg. Oder deinen Tod. Oder beides.“
Die Türen des Thronsaals öffneten sich langsam, begleitet vom kratzenden Geräusch metallischer Stiefel auf Stein. Ein Wächter trat ein – hochgewachsen, mit Narben im Gesicht und dem zerschlissenen Wappen des Hauses Ky’Alur auf der Brust. In seiner Hand hielt er ein kleines, mit Schlamm verkrustetes Bündel aus grobem Tuch – das Gegenstück zur Rüstung, die Arencia trug.
Er blieb auf ein stummes Nicken der Ilharess hin stehen, verneigte sich kurz und hob den Blick zu Arencia.
„Malla Ilharess wünscht, dass ich berichte, wo ich dieses Stück gefunden habe“, sagte er, seine Stimme tief, aber fest.
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- Registriert: 07 Mai 2025, 09:46
Erinnerungen, die nie waren
Stunden zuvor, verborgen vor den Blicken der Dienerschaft, hatte sich eine andere Szene abgespielt – eine, die tief im Unterbau des Tempels stattfand, in einem von Pechfackeln beleuchteten Ritualraum, dessen Wände mit abgeschabten Versen in uralter Sprache bedeckt waren. Dort, in der Mitte eines aus Silber und schwarzem Sand gezogenen Zirkels, lag der Sargtlin, bewusstlos gemacht und mit schweren Ketten an den Boden gebunden. Sein Körper war entbehrlich – stark, aber nicht besonders, loyal, aber nicht unersetzlich. Genau das, was Jhea’kryna in diesem Moment brauchte. Kein Held. Kein Blutverwandter. Nur ein Stück Fleisch mit Erinnerungen, die man ihm einpflanzen konnte.
Sie hatte ihn umkreist wie ein Raubtier, das seine Beute prüfte, doch in ihren Schritten lag kein Blutdurst – nur kalte Präzision. Ihre Stimme war leise gewesen, fast sanft, als sie die Geschichte sprach, die er glauben sollte: von einem alten, halbverfallenen Heiligtum im Wurzelwerk von Yew, verborgen zwischen moosbedeckten Steinen und dem Wispern der Geister. Dort, so flüsterte sie ihm zu, hatte er die Schulterplatte gefunden. Dort hatte er die Zeichen der Noquar gesehen, tief eingeritzt in die Knochen eines verrotteten Brunnens, bewacht von Schatten, die keine Namen trugen.
Ly’saar war anwesend gewesen, schweigsam und konzentriert, in eine weite Robe gekleidet und seine Seidenpantoffeln an den Füßen, während seine Hände über den Schädel des gefesselten Kriegers glitten. Magische Zeichen leuchteten auf – keine strahlenden Glyphen, sondern dunkle, pulsierende Fragmente, die sich in das Fleisch brannten und tiefer, viel tiefer, in den Geist drangen. Der Magier sprach keine Worte; er dachte sie. Und seine Gedanken wurden zu Dornen, die sich in die Wahrnehmung des Sargtlin bohrten. Die Bilder, die Jhea'kryna geformt hatte, wurden von Ly’saars Macht verankert, wiederholt, geschliffen, eingebrannt. Immer und immer wieder.
Der Krieger wand sich, zuckte, murmelte. Dann verstummte er. Sein Geist – ein Spiegel, der nur noch das eine zeigte: die Vision des Ortes, an dem das Artefakt gefunden worden war. Ein Trugbild, aber ein vollkommenes.
Jhea'kryna hatte Ly’saar nicht danken müssen. Ihre Blicke hatten genügt. Beide wussten, was auf dem Spiel stand. Arencia würde Fragen stellen. Vielleicht durch Worte, vielleicht durch Gewalt, vielleicht durch jene dunkle Berührung, die sie selbst kaum verstand. Und wenn sie tief genug grub, würde sie die Bilder finden, die Jhea'kryna dort hatte pflanzen lassen.
Sie rechnete nicht mit Überleben. Der Sargtlin war kein Opfer, aber auch kein Auserwählter. Er war ein Werkzeug. Und wie alle Werkzeuge konnte er stumpf werden – oder zerbrechen. Deshalb war es nicht einer der besten gewesen, nicht einer der Getreuen aus den inneren Reihen, sondern jemand, dessen Verschwinden keine Wellen schlagen würde. Nur ein Name in einer langen Liste.
Der Plan war nun vollständig.
Sie hatte ihn umkreist wie ein Raubtier, das seine Beute prüfte, doch in ihren Schritten lag kein Blutdurst – nur kalte Präzision. Ihre Stimme war leise gewesen, fast sanft, als sie die Geschichte sprach, die er glauben sollte: von einem alten, halbverfallenen Heiligtum im Wurzelwerk von Yew, verborgen zwischen moosbedeckten Steinen und dem Wispern der Geister. Dort, so flüsterte sie ihm zu, hatte er die Schulterplatte gefunden. Dort hatte er die Zeichen der Noquar gesehen, tief eingeritzt in die Knochen eines verrotteten Brunnens, bewacht von Schatten, die keine Namen trugen.
Ly’saar war anwesend gewesen, schweigsam und konzentriert, in eine weite Robe gekleidet und seine Seidenpantoffeln an den Füßen, während seine Hände über den Schädel des gefesselten Kriegers glitten. Magische Zeichen leuchteten auf – keine strahlenden Glyphen, sondern dunkle, pulsierende Fragmente, die sich in das Fleisch brannten und tiefer, viel tiefer, in den Geist drangen. Der Magier sprach keine Worte; er dachte sie. Und seine Gedanken wurden zu Dornen, die sich in die Wahrnehmung des Sargtlin bohrten. Die Bilder, die Jhea'kryna geformt hatte, wurden von Ly’saars Macht verankert, wiederholt, geschliffen, eingebrannt. Immer und immer wieder.
Der Krieger wand sich, zuckte, murmelte. Dann verstummte er. Sein Geist – ein Spiegel, der nur noch das eine zeigte: die Vision des Ortes, an dem das Artefakt gefunden worden war. Ein Trugbild, aber ein vollkommenes.
Jhea'kryna hatte Ly’saar nicht danken müssen. Ihre Blicke hatten genügt. Beide wussten, was auf dem Spiel stand. Arencia würde Fragen stellen. Vielleicht durch Worte, vielleicht durch Gewalt, vielleicht durch jene dunkle Berührung, die sie selbst kaum verstand. Und wenn sie tief genug grub, würde sie die Bilder finden, die Jhea'kryna dort hatte pflanzen lassen.
Sie rechnete nicht mit Überleben. Der Sargtlin war kein Opfer, aber auch kein Auserwählter. Er war ein Werkzeug. Und wie alle Werkzeuge konnte er stumpf werden – oder zerbrechen. Deshalb war es nicht einer der besten gewesen, nicht einer der Getreuen aus den inneren Reihen, sondern jemand, dessen Verschwinden keine Wellen schlagen würde. Nur ein Name in einer langen Liste.
Der Plan war nun vollständig.
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb
Es war 02:00 Uhr morgens irgendwo im Qu’ellar. Seelenruhig schnarchte Durgul in seinem Bett als er plötzlich einen kalten Gegenstand an seinem Hals spürte. Zu seinem Glück schreckte Durgul nicht hoch sondern öffnete nur langsam seine Augen, was den Träger des Dolches bitter enttäuschte. Ein sauberer Schnitt und er wäre diesen widerlichen kleinen Drecksack endlich los gewesen. „Aufstehen, du überheblicher fauler kleiner Fettsack“ zischte Tath’raen „Es gibt Arbeit für Dich“. Tath’raen nahm seinen Dolch von Durguls Hals und richtete sich langsam auf. „Die Ilharess hat angeordnet das Waffen- und Rüstungsarsenal für das kommende Vorhaben auf den neusten Stand zu bringen“. „Alles?“ frage Durgul. „Alles! hauchte Tath’raen mit einem finsteren Grinsen.
“ Das komplette Qu’ellar wird marschieren und alle werden bis an die Zähne bewaffnet sein“. „Da Alniira derzeit abwesend ist, liegt alles in Deiner Verantwortung und jetzt schwing Deinen Hintern in die Schmiede oder mein Dolch bekommt doch noch Arbeit“. „Wo wird es hingehen?“ fragte Durgul. „Sei still und fang an zu arbeiten“. Durgul protestierte ärgerlich in seinen Bart. Doch dann kam Durgul etwas in den Sinn und sein Gesicht erhellte sich. Dies würde eine wunderbare Gelegenheit sein, seine Künste unter Beweis zu stellen. Waffen und Rüstungen mit Durguls Insignien. Händereibend mit einem finsteren Grinsen verschwand Durgul in Richtung der Schmiede und ward für mehrere Tage nicht mehr gesehen.
“ Das komplette Qu’ellar wird marschieren und alle werden bis an die Zähne bewaffnet sein“. „Da Alniira derzeit abwesend ist, liegt alles in Deiner Verantwortung und jetzt schwing Deinen Hintern in die Schmiede oder mein Dolch bekommt doch noch Arbeit“. „Wo wird es hingehen?“ fragte Durgul. „Sei still und fang an zu arbeiten“. Durgul protestierte ärgerlich in seinen Bart. Doch dann kam Durgul etwas in den Sinn und sein Gesicht erhellte sich. Dies würde eine wunderbare Gelegenheit sein, seine Künste unter Beweis zu stellen. Waffen und Rüstungen mit Durguls Insignien. Händereibend mit einem finsteren Grinsen verschwand Durgul in Richtung der Schmiede und ward für mehrere Tage nicht mehr gesehen.
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb
Tief unter den geschwungenen Bögen der Garnison, dort wo der kalte Stein nie ganz trocken war und das Echo der Ketten an den Waffenständern wie ferne Donnerschläge in der Finsternis hallte, saß Tath’raen auf einer Bank aus altem Eisenholz. Das Licht der Fackeln flackerte schwach, warf zuckende Schatten über seine Stirn, während seine Finger sich um das Leder eines umwickelten Stiels schlossen – alt, glattpoliert vom Schweiß zahlloser Hände, doch was daran hing, war neu.
Vor ihm ruhte der Streitkolben. Nicht irgendein Werkzeug des Krieges, kein bloßes Stück Eisen für dumpfe Gewalt, sondern eine abartige, monströse Konstruktion, deren bloße Silhouette schon den Atem schwerer machte. Der Schaft war so dick wie sein Unterarm, gefertigt aus schwarzem Stahl, durchzogen von eingravierten Runen, die wie Narben wirkten, nicht wie Zier. Am Kopf ragten sechs scharfkantige Blätter aus verdunkeltem Metall nach außen – gezackt, wie zerbrochene Schuppen eines uralten Dämons – und in der Mitte: ein Kern aus gegossenem Obsidian, wie ein schwarzes Herz, das sich nach Blut verzehrte.
Die Nachricht hatte ihn vor wenigen Augenblicken erreicht – durch ein kurzes Gespräch am Rande der Wachrotation, beiläufig wie ein Gerücht, doch aus dem Mund eines Schülers von Ly’saar, dessen Augen stets zu viel sahen. Ein Vorstoß war geplant. Nicht groß. Nicht offiziell. Aber gezielt. Der Name Arencia war gefallen, wie ein schwarzer Tropfen in klares Wasser, und mit ihm der Ort: der Rand von Yew. Und noch drei andere Namen, kaum mehr als Spucke auf der Zunge, die sich in seinem Gedächtnis einnisteten wie ein Schwarm Hornissen: Lirael. Yaranel. Rianon. Er lächelte nicht. Es war mehr ein Verziehen der Lippen, langsam, kontrolliert, wie das Entblößen eines Messers, das lange unbenutzt in der Scheide lag. Sein Blick wanderte zu dem Kolben, und er stellte sich vor, wie er ihn schwang. Wie ein Künstler, der nicht malt, sondern zerschmettert.
Er legte die Handfläche gegen das Eisen des Kolbens, spürte das kühle, trägen Pulsieren, das von seinem Zentrum ausging, als hätte irgendetwas in diesem Metall das Flüstern des Krieges vernommen und sich bereit gemacht. Der Gedanke, diesen drei Waldelfen gegenüberzustehen – sie zu sehen, wie ihre Augen erst überrascht, dann panisch, dann gebrochen auf ihn blicken, während der Kolben sich in ihre Schädel senkt – war ein Vergnügen, das er sich nicht oft erlaubte. Und gerade deshalb war es so süß. In seiner Vorstellung zersplitterten Knochen. Es war kein lauter Klang. Es war ein sattes, endgültiges Bersten, wie wenn feuchtes Holz unter zu viel Druck reißt. Er stellte sich das Geräusch vor, immer wieder. Nicht, weil er es brauchte – sondern weil es ihm gehörte. Der Kolben ruhte jetzt auf seinem Oberschenkel. Schwer. Fast zu schwer. Ein Ding, das nicht für Menschenhände geschaffen worden war, sondern für Schlachtfelder, die mit Altären gepflastert waren. Für Opferungen, die nie gesprochen wurden.
Tath’raen schloss die Augen. Und das Lächeln kehrte zurück. Ganz, ganz langsam. Bald. Er wusste nicht, wann genau der Angriff kommen würde. Aber das war auch nicht wichtig. Wichtig war nur: Er würde dort sein. Mit dem Kolben. Und mit all den Gedanken, die nie ausgesprochen werden mussten. Denn wenn der Schädel kracht, spricht niemand mehr.
Vor ihm ruhte der Streitkolben. Nicht irgendein Werkzeug des Krieges, kein bloßes Stück Eisen für dumpfe Gewalt, sondern eine abartige, monströse Konstruktion, deren bloße Silhouette schon den Atem schwerer machte. Der Schaft war so dick wie sein Unterarm, gefertigt aus schwarzem Stahl, durchzogen von eingravierten Runen, die wie Narben wirkten, nicht wie Zier. Am Kopf ragten sechs scharfkantige Blätter aus verdunkeltem Metall nach außen – gezackt, wie zerbrochene Schuppen eines uralten Dämons – und in der Mitte: ein Kern aus gegossenem Obsidian, wie ein schwarzes Herz, das sich nach Blut verzehrte.
Die Nachricht hatte ihn vor wenigen Augenblicken erreicht – durch ein kurzes Gespräch am Rande der Wachrotation, beiläufig wie ein Gerücht, doch aus dem Mund eines Schülers von Ly’saar, dessen Augen stets zu viel sahen. Ein Vorstoß war geplant. Nicht groß. Nicht offiziell. Aber gezielt. Der Name Arencia war gefallen, wie ein schwarzer Tropfen in klares Wasser, und mit ihm der Ort: der Rand von Yew. Und noch drei andere Namen, kaum mehr als Spucke auf der Zunge, die sich in seinem Gedächtnis einnisteten wie ein Schwarm Hornissen: Lirael. Yaranel. Rianon. Er lächelte nicht. Es war mehr ein Verziehen der Lippen, langsam, kontrolliert, wie das Entblößen eines Messers, das lange unbenutzt in der Scheide lag. Sein Blick wanderte zu dem Kolben, und er stellte sich vor, wie er ihn schwang. Wie ein Künstler, der nicht malt, sondern zerschmettert.
Er legte die Handfläche gegen das Eisen des Kolbens, spürte das kühle, trägen Pulsieren, das von seinem Zentrum ausging, als hätte irgendetwas in diesem Metall das Flüstern des Krieges vernommen und sich bereit gemacht. Der Gedanke, diesen drei Waldelfen gegenüberzustehen – sie zu sehen, wie ihre Augen erst überrascht, dann panisch, dann gebrochen auf ihn blicken, während der Kolben sich in ihre Schädel senkt – war ein Vergnügen, das er sich nicht oft erlaubte. Und gerade deshalb war es so süß. In seiner Vorstellung zersplitterten Knochen. Es war kein lauter Klang. Es war ein sattes, endgültiges Bersten, wie wenn feuchtes Holz unter zu viel Druck reißt. Er stellte sich das Geräusch vor, immer wieder. Nicht, weil er es brauchte – sondern weil es ihm gehörte. Der Kolben ruhte jetzt auf seinem Oberschenkel. Schwer. Fast zu schwer. Ein Ding, das nicht für Menschenhände geschaffen worden war, sondern für Schlachtfelder, die mit Altären gepflastert waren. Für Opferungen, die nie gesprochen wurden.
Tath’raen schloss die Augen. Und das Lächeln kehrte zurück. Ganz, ganz langsam. Bald. Er wusste nicht, wann genau der Angriff kommen würde. Aber das war auch nicht wichtig. Wichtig war nur: Er würde dort sein. Mit dem Kolben. Und mit all den Gedanken, die nie ausgesprochen werden mussten. Denn wenn der Schädel kracht, spricht niemand mehr.
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb
Der Sargtlin trat vor, seine Augen leer und doch seltsam fokussiert, als wären sie auf eine ferne, unsichtbare Bühne gerichtet. Er öffnete den Mund, und die ersten Silben der eingepflanzten Lüge krochen wie giftiger Efeu in die Stille des Thronsaals. Doch Arencia hörte ihn nicht mehr. Die Worte der Ilharess – „einige könnten überlebt haben“ – hatten sich wie glühende Haken in die Reste ihres Bewusstseins gekrallt und rissen alles auf, was sie für immer versiegelt geglaubt hatte.
Die Leere, die so lange ihr stiller Begleiter gewesen war, zerbarst. An ihre Stelle trat ein ohrenbetäubender Sturm. Hoffnung war keine sanfte Flamme, sondern ein sengendes Feuer, das durch ihre knöchernen Glieder jagte und einen Phantomschmerz in einem Herzen verursachte, das nicht mehr schlug. Schuld war eine physische Last, die ihre Wirbelsäule zu zermahlen drohte, eine Erinnerung an jede Sekunde, in der sie als Sklavin gedient hatte, während ihre wahre Familie ausgelöscht wurde. Und Wut, eine kalte, klare Wut, kristallisierte sich aus dem Chaos – eine Wut auf Ky'Alur, eine Wut auf die Welt, die ihnen das angetan hatte, und eine alles verzehrende, hasserfüllte Wut auf die Waldelfen von Yew.
Ihr Weg führte sie durch die düsteren, gewundenen Gänge von Elashin, weg vom Zentrum der Macht, hin zu den vergessenen Außenbezirken, und weiter zur Skelettfestung.
Arencia blieb in der Mitte der Halle stehen. Die emotionale Flut hatte sich zu einer kalten, harten Entschlossenheit verfestigt.
Arencia schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie streckte ihren eigenen, neu entfachten Willen aus, nicht wie ein schreiender Befehl, sondern wie ein kalter, unaufhaltsamer Nebel, der in die leeren Schädel der beiden Obsidian-Skelette sickerte. Sie suchte nach den Ankerpunkten ihrer Existenz, den letzten Echos der Befehle des Lichelords, und begann, sie mit ihrer eigenen, schmerzgetränkten Entschlossenheit zu überschreiben. Ein leises, unheilvolles Knirschen war zu hören, als die beiden Gestalten sich langsam aufrichteten, ihre Köpfe wie auf ein unsichtbares Kommando hin zu ihr drehten. In ihren Augenhöhlen entzündete sich dasselbe violette Glimmen, das auch in Arencias eigenem Schädel loderte.
Arencia trat hinaus und kniete nieder. Ihre knochige Hand senkte sich und berührte das weiche, grüne Gras. In dem Moment, als ihre Finger den Boden berührten, geschah es. Das Gras unter ihrer Hand wurde schwarz, welkte und zerfiel zu Asche. Ein Kreis der Fäulnis breitete sich langsam von ihr aus. Ihr Geist, befeuert von Mytraxors Essenz, schoss in die Erde. Er war kein sanftes Suchen mehr, sondern ein gewaltsames Wühlen. Er durchdrang den Boden, riss sich durch Wurzelwerk und Gestein, hinab in die Dunkelheit, wo die Toten schliefen. Sie spürte sie. Hunderte von ihnen. Gefallene Krieger, vergessene Magier, unschuldige Opfer. Und tiefer, unter dem Friedhof, spürte sie die kalte, steinerne Präsenz der Yew Krypta.
Ihre Lippen, die sie nicht mehr besaß, formten ein einziges, leises Wort, das jedoch über den ganzen Friedhof zu hallen schien.
Arencia erhob sich langsam. Ihre Augen glühten nun so hell wie zwei violette Sonnen.
Sie sah alles gleichzeitig. Sie sah durch die Augen eines Skelettkriegers, wie er seine verrostete Axt aus dem Lehm zog. Sie blickte durch die trüben Linsen eines frisch erweckten Zombies, dessen Blick auf die ersten Bäume des Waldes fiel. Sie spürte den kalten Zorn in jedem von ihnen, einen Zorn, der ihr eigener war, multipliziert und in zig Gefäßen gegossen. Mit einem bloßen Gedanken befahl sie ihnen, sich zu formieren. Die chaotische Masse aus Knochen und verrottendem Fleisch bewegte sich wie ein einziger, monströser Organismus, eine geordnete Welle des Todes, die sich auf den Waldrand zubewegte. Sie war nicht länger Arencia. Sie war eine Legion.
Doch von außen bot sich ein anderes Bild. Während ihr Geist triumphierte, zerfiel ihr Körper. Die Oberfläche ihrer einst glatten, bleichen Knochen wurde rissig und spröde, wie ausgetrocknete Erde. An ihren Gelenken und entlang ihres Rückgrats begannen winzige Partikel abzublättern, nicht größer als Sandkörner. Sie fielen jedoch nicht zu Boden. Stattdessen wurden sie von einem schwachen, violetten Schein, einem sichtbaren Ausfluss von Mytraxors Magie, in der Luft gehalten und umkreisten ihren Körper wie ein makabrer Heiligenschein aus ihrem eigenen Zerfall.
Der Kristall, den sie vom Lichelord gestohlen und in die Stoffpuppe eingenäht hatte. Er pulsierte nicht mehr sanft, sondern zuckte in unregelmäßigen, fieberhaften Stößen. Mit jedem Puls schien er dunkler zu werden, als würde das Licht in seinem Inneren von einer unersättlichen Finsternis verschlungen.
Arencia bemerkte nichts davon. Sie gab den Befehl.
Die Armee der Toten setzte sich in Bewegung. Ein Teppich aus klappernden Knochen und schlurfendem Fleisch ergoss sich in den Wald von Yew, ein unheiliger Kreuzzug gegen das Leben selbst. Ihr Ziel: Chaos säen, die Verteidiger binden, den Wald in einen Friedhof verwandeln.
Arencia selbst aber wandte sich ab. Ihr Blick, oder vielmehr der Fokus ihres allsehenden Bewusstseins, richtete sich auf ein einziges Ziel. Gefolgt von ihren beiden Obsidian-Leibwächtern, deren Schritte nun schwer und bedeutungsvoll waren, machte sie sich auf den Weg. Ihr Gang war steif, ungelenk, jeder Schritt eine sichtbare Anstrengung. Sie bewegte sich nicht mehr auf die Krypta zu. Sie zerfiel auf sie zu.
Die Leere, die so lange ihr stiller Begleiter gewesen war, zerbarst. An ihre Stelle trat ein ohrenbetäubender Sturm. Hoffnung war keine sanfte Flamme, sondern ein sengendes Feuer, das durch ihre knöchernen Glieder jagte und einen Phantomschmerz in einem Herzen verursachte, das nicht mehr schlug. Schuld war eine physische Last, die ihre Wirbelsäule zu zermahlen drohte, eine Erinnerung an jede Sekunde, in der sie als Sklavin gedient hatte, während ihre wahre Familie ausgelöscht wurde. Und Wut, eine kalte, klare Wut, kristallisierte sich aus dem Chaos – eine Wut auf Ky'Alur, eine Wut auf die Welt, die ihnen das angetan hatte, und eine alles verzehrende, hasserfüllte Wut auf die Waldelfen von Yew.
Seine Stimme war ein Anker aus Vernunft in einem Ozean des Wahnsinns, doch sie konnte ihn nicht halten. Die Bilder in ihrem Kopf waren lauter, brutaler, realer als die kalte Logik eines unsterblichen Drachen. Sie sah die Yew Krypta vor sich, nicht als einen Ort aus Stein, sondern als ein lebendiges Grab aus Wurzeln und feuchter Erde. Sie sah Felyndiira, die stolze Ilharess, deren Hände von dornigen Ranken gefesselt waren, die bei jeder Bewegung tiefer ins Fleisch schnitten. Sie sah Belgos, den weisen Erzmagier, dem man die Zunge herausgeschnitten hatte, damit er keine Worte der Macht mehr formen konnte, seine Augen leer und gebrochen. Sie sah Lelith und Nadal, gefangen in ewiger Dämmerung, gezwungen, dem endlosen, sanften Gesang der Bäume zu lauschen – eine Folter der Schönheit für Seelen, die in der Dunkelheit geboren wurden.Mytraxor hat geschrieben:Halt ein. Atme, auch wenn du keine Lungen mehr hast. Spürst du es nicht? Die Luft hier ist dick vom Geruch der Täuschung. Der Geist dieses Kriegers ist... falsch. Er wurde poliert wie ein Stein, seine Erinnerungen sind nicht gewachsen, sie wurden eingraviert. Die Ilharess hat dieses Schauspiel für dich inszeniert. Nur für dich.
Ohne ein weiteres Wort, ohne den Sargtlin eines Blickes zu würdigen, dessen Lügen nun ungehört verhallten, wandte sich Arencia um. Sie ließ die Schulterplatte auf den kalten Steinboden fallen, wo sie mit einem leisen, metallischen Klirren liegen blieb. Das Symbol war nicht mehr wichtig. Nur die Tat zählte. Mit schnellen, klackernden Schritten, die eine neue, fieberhafte Dringlichkeit besaßen, verließ sie den Thronsaal.Arencia hat geschrieben:Ich höre dich nicht... Ich kann nicht. Sie sind dort. Sie warten. Sie leiden. Jede Sekunde, die ich hier stehe, ist eine weitere Narbe auf ihren Seelen.
Ihr Weg führte sie durch die düsteren, gewundenen Gänge von Elashin, weg vom Zentrum der Macht, hin zu den vergessenen Außenbezirken, und weiter zur Skelettfestung.
Mytraxor hat geschrieben:Du bist eine Armbrust, die sich selbst gegen ihren Träger richtet. Jhea'kryna hat dich aufgezogen und zielt nun mit dir auf ein Ziel, das nur sie kennt. Dein Schmerz ist der Druck auf dem Abzug. Begreifst du das nicht? Für sie bist du nur ein Werkzeug!
Sie durchschritt das gewaltige Tor aus Rippenbögen und trat in die große Halle der Skelettfestung. Hier herrschte eine andere Art von Stille. Keine lauernde, intrigante Stille wie im Quellar, sondern eine tote, absolute Stille. Eine Anzahl an dunklen Skelettkriegern standen regungslos an den Wänden, ihre leeren Augenhöhlen starrten ins Nichts, ihre verrosteten Waffen schweigend an ihrer Seite. Sie waren eine Armee des Todes, die auf einen Willen wartete.Arencia hat geschrieben:Dann bin ich eben ein Werkzeug! Aber ich werde das Werkzeug meiner eigenen Rache sein, nicht ihrer Intrige! Du verstehst das nicht, Mytraxor. Du hast Äonen überdauert, hast Sterne kollabieren sehen. Was weißt du von Loyalität? Von Familie? Von dem Gefühl, alles verraten zu haben, was dir je etwas bedeutet hat? Ich habe sie einmal im Stich gelassen, als ich starb. Ich werde es nicht wieder tun.
Arencia blieb in der Mitte der Halle stehen. Die emotionale Flut hatte sich zu einer kalten, harten Entschlossenheit verfestigt.
Arencia hat geschrieben:Ich werde sie befreien. Ich werde die Yew Krypta dem Erdboden gleichmachen und jeden einzelnen dieser baumkuschelnden Abscheulichkeiten zu Staub zermahlen.
Arencia hob langsam ihren knöchernen Kopf. Ein unheilvolles, violettes Licht begann, tief in ihren Augenhöhlen zu pulsieren, ein Echo der Macht, die sie einst besaß, nun genährt von der gewaltigen Präsenz in ihrem Inneren.Mytraxor hat geschrieben:Und wie, kleine Strategin? Willst du mit deinen klappernden Soldaten gegen die lebende Magie eines ganzen Waldes anrennen? Gegen Wächter, die mit jedem Baum und jedem Blatt verbunden sind? Sie werden euch spüren, bevor ihr den ersten Schritt getan habt. Sie werden euch in Ranken ersticken, eure Knochen mit Wurzeln zermahlen und eure Armee als Dünger verwenden. Das ist kein Plan. Das ist ein Gemetzel. Dein Gemetzel.
Ihre mentale Stimme war kein Flüstern mehr, sondern ein Befehl.Arencia hat geschrieben:Du hast Recht. Es ist kein Plan. Es ist eine Notwendigkeit. Und du hast etwas übersehen.
Ihr Blick wanderte durch die Reihen der stillstehenden Toten und blieb an zwei Gestalten hängen, die sich von den anderen unterschieden. Sie standen nicht in Reih und Glied, sondern lehnten lässig an den tragenden Säulen der Halle, als würde selbst der Tod ihren Stolz nicht brechen. Ihre Knochen waren nicht von jenem vergilbten Weiß der gewöhnlichen Skelette, sondern tiefschwarz, glatt und glänzend wie polierter Obsidian. Es waren Relikte aus einer dunkleren, glorreicheren Zeit – der Elite des Lichelords, geschmiedet in den Feuern seines Krieges gegen die „Fleischsäcke“. Sie waren mehr als nur Knochen; sie waren Gefäße reiner, bösartiger Willenskraft.Arencia hat geschrieben:Sie mögen die Magie des Waldes haben. Aber ich... ich habe einen Drachen.
Arencia schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie streckte ihren eigenen, neu entfachten Willen aus, nicht wie ein schreiender Befehl, sondern wie ein kalter, unaufhaltsamer Nebel, der in die leeren Schädel der beiden Obsidian-Skelette sickerte. Sie suchte nach den Ankerpunkten ihrer Existenz, den letzten Echos der Befehle des Lichelords, und begann, sie mit ihrer eigenen, schmerzgetränkten Entschlossenheit zu überschreiben. Ein leises, unheilvolles Knirschen war zu hören, als die beiden Gestalten sich langsam aufrichteten, ihre Köpfe wie auf ein unsichtbares Kommando hin zu ihr drehten. In ihren Augenhöhlen entzündete sich dasselbe violette Glimmen, das auch in Arencias eigenem Schädel loderte.
Ein scharfes, fast spöttisches Gefühl schoss von Arencia zurück.Mytraxor hat geschrieben:Vorsicht. Diese beiden... sie sind anders. Ihre Seelen sind nicht leer. Sie sind mit dem Willen deines alten Meisters versiegelt. Um sie zu kontrollieren, musst du seinen Willen brechen und durch deinen ersetzen. Das kostet Kraft, Arencia. Mehr Kraft, als du ahnst.
Sie wandte sich um und schritt auf einen kaum benutzten Seitengang zu, der zu den alten Tunneln führte. Die beiden Obsidian-Krieger folgten ihr ohne ein Geräusch, ihre Bewegungen nicht mehr die eines Automaten, sondern die geschmeidiger Raubtiere. Der Tunnel war eng und roch nach feuchter Erde und alter Magie. Er war eine direkte Verbindung von der Festung zum Friedhof von Yew – ein Weg, den der Lichelord einst für seine eigenen, finsteren Zwecke hatte graben lassen.Arencia hat geschrieben:Kraft ist das Einzige, was ich noch habe. Was nützt sie mir, wenn ich sie nicht einsetze? Diese beiden werden meine Herolde sein. Sie werden meine Armee in die Schlacht führen.
Mytraxor hat geschrieben:Du bist im Wahn. Du spürst die Anstrengung nicht, weil der Schmerz deiner Seele sie überdeckt. Aber ich spüre es. Ich spüre, wie du an meiner Essenz zehrst, um diese beiden an dich zu binden. Du kratzt an der Oberfläche einer Macht, die du nicht kontrollieren kannst.
Sie erreichten das Ende des Tunnels. Ein Gitter aus verrostetem Eisen versperrte den Weg, doch mit einer beiläufigen Geste ihrer Hand zerfiel es zu Staub. Das fahle Licht des Waldes von Yew fiel herein. Sie standen am Rande des alten Friedhofs. Grabsteine, von Moos und Efeu überwuchert, ragten wie krumme Zähne aus dem Boden.Arencia hat geschrieben:Kontrolle ist eine Illusion für die, die Zeit haben. Ich habe keine Zeit. Ich habe nur ein Ziel.
Arencia trat hinaus und kniete nieder. Ihre knochige Hand senkte sich und berührte das weiche, grüne Gras. In dem Moment, als ihre Finger den Boden berührten, geschah es. Das Gras unter ihrer Hand wurde schwarz, welkte und zerfiel zu Asche. Ein Kreis der Fäulnis breitete sich langsam von ihr aus. Ihr Geist, befeuert von Mytraxors Essenz, schoss in die Erde. Er war kein sanftes Suchen mehr, sondern ein gewaltsames Wühlen. Er durchdrang den Boden, riss sich durch Wurzelwerk und Gestein, hinab in die Dunkelheit, wo die Toten schliefen. Sie spürte sie. Hunderte von ihnen. Gefallene Krieger, vergessene Magier, unschuldige Opfer. Und tiefer, unter dem Friedhof, spürte sie die kalte, steinerne Präsenz der Yew Krypta.
Ihre Lippen, die sie nicht mehr besaß, formten ein einziges, leises Wort, das jedoch über den ganzen Friedhof zu hallen schien.
Ein Blitz aus purer, unkontrollierter Macht schoss aus ihr heraus. Es war nicht mehr nur ihre Kraft, es war die rohe, ungebändigte Essenz des Drachen, die sie wie durch ein offenes Schleusentor in die Erde pumpte. Der Boden erbebte. Grabsteine kippten um, die Erde auf den Gräbern riss auf.Arencia hat geschrieben:...Arise...
Doch seine verzweifelte Warnung erreichte sie nicht mehr. Sie war eins mit dem Sturm. Aus den aufgerissenen Gräbern krochen knöcherne Hände, verrottete Arme. Skelette und Zombies, gehüllt in die Fetzen ihrer Grabtücher, zogen sich ächzend und stöhnend aus der Erde.Mytraxor hat geschrieben:ARENCIA, NEIN! HÖR AUF! DU TÖTEST UNS BEIDE! ICH BIN NICHT MEHR DER, DER ICH WAR! IN DIESER HÜLLE BIN ICH NUR EIN BRUCHTEIL! DIESE MACHT... SIE WIRD DICH ZERREISSEN!
Arencia erhob sich langsam. Ihre Augen glühten nun so hell wie zwei violette Sonnen.
Ihre mentale Stimme war nun ein Donnern, das selbst Mytraxors Protest erstickte.Arencia hat geschrieben:Die Toten erheben sich, um noch einmal zu dienen.
Die Welt um Arencia verschwand. Der Friedhof, die Bäume, das fahle Licht – all das wurde zu einem fernen, unbedeutenden Rauschen. Ihr Bewusstsein war nicht mehr in ihrem knöchernen Schädel gefangen, sondern expandierte in einen unendlichen, dunklen Raum in ihrem Inneren. Um sie herum manifestierten sich Fenster, tausende von ihnen, die in der Schwärze schwebten wie die Scherben eines zerborstenen Universums. Jedes Fenster war ein Portal, ein Blick durch die Augenhöhlen eines der Untoten, die sich aus der Erde von Yew erhoben.Arencia hat geschrieben:Mir zu dienen. UNS zu dienen!
Sie sah alles gleichzeitig. Sie sah durch die Augen eines Skelettkriegers, wie er seine verrostete Axt aus dem Lehm zog. Sie blickte durch die trüben Linsen eines frisch erweckten Zombies, dessen Blick auf die ersten Bäume des Waldes fiel. Sie spürte den kalten Zorn in jedem von ihnen, einen Zorn, der ihr eigener war, multipliziert und in zig Gefäßen gegossen. Mit einem bloßen Gedanken befahl sie ihnen, sich zu formieren. Die chaotische Masse aus Knochen und verrottendem Fleisch bewegte sich wie ein einziger, monströser Organismus, eine geordnete Welle des Todes, die sich auf den Waldrand zubewegte. Sie war nicht länger Arencia. Sie war eine Legion.
Seine Stimme war kein Grollen mehr, sondern ein gequältes, verzerrtes Kreischen in ihrem Geist. Er spürte, wie seine uralte Kraft, die selbst in diesem winzigen Kristallgefängnis noch gewaltig war, unkontrolliert aus ihm herausgesaugt wurde. Es war, als würde man versuchen, einen Ozean durch ein Nadelöhr zu pressen. Die Anstrengung war so immens, dass sie Risse in seinem eigenen, geistigen Wesen verursachte. Angst, ein Gefühl, das er seit Jahrtausenden nicht mehr gekannt hatte, ergriff ihn. Es war nicht die Angst vor dem eigenen Ende, sondern die Angst davor, mitzuerleben, wie dieses zerbrechliche, starrsinnige Wesen vor seinen Augen zu Staub zerfiel.Mytraxor hat geschrieben:Es zerreißt mich... Arencia, bei den vergessenen Göttern, du saugst die Essenz aus meinem Kern! Jedes dieser Fenster... jeder Geist, den du an dich bindest... es ist ein weiterer Nagel in unserem gemeinsamen Sarg! Du musst aufhören!
Ihr Wahn ließ keinen Raum für Vernunft. Sie war die Dirigentin eines Orchesters des Todes, und die Symphonie, die sie spielte, war berauschend.Arencia hat geschrieben:Siehst du nicht, wie glorreich das ist? Das ist wahre Macht! Nicht das lauernde Intrigenspiel der Drow. Das ist reiner, unverfälschter Wille, der die Welt formt! Meine Familie wird frei sein!
Doch von außen bot sich ein anderes Bild. Während ihr Geist triumphierte, zerfiel ihr Körper. Die Oberfläche ihrer einst glatten, bleichen Knochen wurde rissig und spröde, wie ausgetrocknete Erde. An ihren Gelenken und entlang ihres Rückgrats begannen winzige Partikel abzublättern, nicht größer als Sandkörner. Sie fielen jedoch nicht zu Boden. Stattdessen wurden sie von einem schwachen, violetten Schein, einem sichtbaren Ausfluss von Mytraxors Magie, in der Luft gehalten und umkreisten ihren Körper wie ein makabrer Heiligenschein aus ihrem eigenen Zerfall.
Der Kristall, den sie vom Lichelord gestohlen und in die Stoffpuppe eingenäht hatte. Er pulsierte nicht mehr sanft, sondern zuckte in unregelmäßigen, fieberhaften Stößen. Mit jedem Puls schien er dunkler zu werden, als würde das Licht in seinem Inneren von einer unersättlichen Finsternis verschlungen.
Arencia bemerkte nichts davon. Sie gab den Befehl.
Die Armee der Toten setzte sich in Bewegung. Ein Teppich aus klappernden Knochen und schlurfendem Fleisch ergoss sich in den Wald von Yew, ein unheiliger Kreuzzug gegen das Leben selbst. Ihr Ziel: Chaos säen, die Verteidiger binden, den Wald in einen Friedhof verwandeln.
Arencia selbst aber wandte sich ab. Ihr Blick, oder vielmehr der Fokus ihres allsehenden Bewusstseins, richtete sich auf ein einziges Ziel. Gefolgt von ihren beiden Obsidian-Leibwächtern, deren Schritte nun schwer und bedeutungsvoll waren, machte sie sich auf den Weg. Ihr Gang war steif, ungelenk, jeder Schritt eine sichtbare Anstrengung. Sie bewegte sich nicht mehr auf die Krypta zu. Sie zerfiel auf sie zu.
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Im Netz regt sich das Zittern
Arencia war gegangen.
Nicht zögerlich, nicht gebrochen, nicht einmal verbittert – sondern mit einer Entschlossenheit, die aus dem Schmerz geboren war. Ihre Silhouette hatte sich in den Gängen verloren, ein klapperndes Echo von Knochen, getragen von einem Willen, den Jhea’kryna selbst mit Respekt betrachtete – oder zumindest mit der Illusion davon.
Die Türen des Thronsaals schlossen sich leise hinter ihr. Kein Wind wehte. Kein Wort fiel. Nur Stille.
Dann, langsam, hob Jhea’kryna ihre rechte Hand und strich sich eine einzelne, silberne Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Augen glommen schwach – nicht von Magie, sondern von jenem glimmenden Restgenuss, den nur echte Täuschung hinterließ. Sie lehnte sich zurück, wiegte den Kopf sacht zur Seite und betrachtete den Kelch, der neben ihr auf dem Thronpodest stand. Blutroter Wein, schwer wie Schuld, spiegelte das Licht der Kristallkronen in träger Bewegung.
Ein leises Lachen stieg aus ihrer Kehle, erst wie ein Säuseln, dann dunkler, tiefer – schließlich lachte sie offen, genüsslich, mit einem Unterton, der in keiner Kehle der Oberfläche hätte existieren dürfen. Es war ein Laut, der jenseits von Freude war – ein Triumph, der nicht nach Sieg, sondern nach Kontrolle schmeckte.
„Sie glaubt es wirklich“, flüsterte sie, mehr zu sich selbst als zu jemand anderem, während ihre Finger die dünne Stielkante des Kelches umspielten. „Sie glaubt, sie habe etwas gefunden. Etwas... Wahres.“
Sie nahm den Kelch, hob ihn leicht an und prostete ins Leere – vielleicht dem Spiegelbild der Arencia, das noch für einen Wimpernschlag in ihrem Geist nachglomm. Dann trank sie. Langsam. Schluck für Schluck. Und mit jedem Schluck schien ihre Zufriedenheit tiefer in die Schatten zu sickern, die sich um den Thron legten.
Während sie trank, regte sich etwas im Raum. Kein Geräusch, kein Wort – doch sie wusste, was geschah. Die Diener hatten den Befehl bereits erhalten, bevor Arencia überhaupt aufgebrochen war. Der Hof des Hauses Ky’Alur verwandelte sich.
Sie erhob sich mit anmutiger Bewegung, ließ das Gewand an ihrer Seite gleiten wie flüssige Dunkelheit, und schritt in die oberen Galerien des Thronsaals. Von hier aus überblickte sie den großen Hof. Dort standen Krieger. Nicht in Paradeformation, nicht zum Schein. Dies waren jene, die töteten, nicht redeten. Ihre Bewegungen waren präzise, die Befehle knapp. Sklaven liefen zwischen ihnen umher, legten Waffen bereit, brachten Rüstungen, versorgten die Reittiere der Unterwelt.
In der Ferne sah sie Lyr’sa, bleich, mit rußgeschwärztem Gesicht, wie sie mit nervösen Händen Bolzen zählte. Ein Mechanismus lag auf ihrer Werkbank – eine neue Armbrust vielleicht, oder ein Ersatzteil für die Belagerungsgeräte. Sie hatte keine Ahnung, dass das Ziel bereits auserkoren war. Dass der Sturm nicht mehr verhindert werden konnte.
Jhea ließ ihre Hand über das steinerne Geländer gleiten, und für einen Moment wünschte sie sich fast, Arencia könnte das sehen. Nicht um sie zu erschrecken. Nicht aus Hass. Sondern um ihr zu zeigen, wie wenig ihre Entscheidung eigentlich bedeutete. Der Zug war längst gemacht worden.
Ein Schatten trat hinter sie – Ly’saar, schweigend, seine Robe in purpurnen Falten, mit den Seidenpantoffeln, das Gesicht halb in der Kapuze verborgen. Er sprach kein Wort, doch seine Anwesenheit bestätigte, was sie bereits wusste: Die Illusion saß. Der Plan lief.
„Behalte sie im Blick“, sagte sie leise, ohne ihn anzusehen. „Aber greife nicht ein. Noch nicht. Ich will wissen, wie weit sie geht, bevor der Kristall bricht.“
Ly’saar nickte stumm, verschwand wieder – ein Geist unter vielen. Die Ilharess blieb allein auf der Galerie, den Blick auf das pulsierende Herz ihres Hauses gerichtet.
Sie lächelte. Nicht kalt. Nicht grausam. Sondern zufrieden – wie eine Spinne, die weiß, dass das Zittern des Netzes bald in Beute übergeht. Sie trank schweigend. Denn die Zeit der Worte war vorbei. Nun sprachen nur noch Taten.
Nicht zögerlich, nicht gebrochen, nicht einmal verbittert – sondern mit einer Entschlossenheit, die aus dem Schmerz geboren war. Ihre Silhouette hatte sich in den Gängen verloren, ein klapperndes Echo von Knochen, getragen von einem Willen, den Jhea’kryna selbst mit Respekt betrachtete – oder zumindest mit der Illusion davon.
Die Türen des Thronsaals schlossen sich leise hinter ihr. Kein Wind wehte. Kein Wort fiel. Nur Stille.
Dann, langsam, hob Jhea’kryna ihre rechte Hand und strich sich eine einzelne, silberne Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Augen glommen schwach – nicht von Magie, sondern von jenem glimmenden Restgenuss, den nur echte Täuschung hinterließ. Sie lehnte sich zurück, wiegte den Kopf sacht zur Seite und betrachtete den Kelch, der neben ihr auf dem Thronpodest stand. Blutroter Wein, schwer wie Schuld, spiegelte das Licht der Kristallkronen in träger Bewegung.
Ein leises Lachen stieg aus ihrer Kehle, erst wie ein Säuseln, dann dunkler, tiefer – schließlich lachte sie offen, genüsslich, mit einem Unterton, der in keiner Kehle der Oberfläche hätte existieren dürfen. Es war ein Laut, der jenseits von Freude war – ein Triumph, der nicht nach Sieg, sondern nach Kontrolle schmeckte.
„Sie glaubt es wirklich“, flüsterte sie, mehr zu sich selbst als zu jemand anderem, während ihre Finger die dünne Stielkante des Kelches umspielten. „Sie glaubt, sie habe etwas gefunden. Etwas... Wahres.“
Sie nahm den Kelch, hob ihn leicht an und prostete ins Leere – vielleicht dem Spiegelbild der Arencia, das noch für einen Wimpernschlag in ihrem Geist nachglomm. Dann trank sie. Langsam. Schluck für Schluck. Und mit jedem Schluck schien ihre Zufriedenheit tiefer in die Schatten zu sickern, die sich um den Thron legten.
Während sie trank, regte sich etwas im Raum. Kein Geräusch, kein Wort – doch sie wusste, was geschah. Die Diener hatten den Befehl bereits erhalten, bevor Arencia überhaupt aufgebrochen war. Der Hof des Hauses Ky’Alur verwandelte sich.
Sie erhob sich mit anmutiger Bewegung, ließ das Gewand an ihrer Seite gleiten wie flüssige Dunkelheit, und schritt in die oberen Galerien des Thronsaals. Von hier aus überblickte sie den großen Hof. Dort standen Krieger. Nicht in Paradeformation, nicht zum Schein. Dies waren jene, die töteten, nicht redeten. Ihre Bewegungen waren präzise, die Befehle knapp. Sklaven liefen zwischen ihnen umher, legten Waffen bereit, brachten Rüstungen, versorgten die Reittiere der Unterwelt.
In der Ferne sah sie Lyr’sa, bleich, mit rußgeschwärztem Gesicht, wie sie mit nervösen Händen Bolzen zählte. Ein Mechanismus lag auf ihrer Werkbank – eine neue Armbrust vielleicht, oder ein Ersatzteil für die Belagerungsgeräte. Sie hatte keine Ahnung, dass das Ziel bereits auserkoren war. Dass der Sturm nicht mehr verhindert werden konnte.
Jhea ließ ihre Hand über das steinerne Geländer gleiten, und für einen Moment wünschte sie sich fast, Arencia könnte das sehen. Nicht um sie zu erschrecken. Nicht aus Hass. Sondern um ihr zu zeigen, wie wenig ihre Entscheidung eigentlich bedeutete. Der Zug war längst gemacht worden.
Ein Schatten trat hinter sie – Ly’saar, schweigend, seine Robe in purpurnen Falten, mit den Seidenpantoffeln, das Gesicht halb in der Kapuze verborgen. Er sprach kein Wort, doch seine Anwesenheit bestätigte, was sie bereits wusste: Die Illusion saß. Der Plan lief.
„Behalte sie im Blick“, sagte sie leise, ohne ihn anzusehen. „Aber greife nicht ein. Noch nicht. Ich will wissen, wie weit sie geht, bevor der Kristall bricht.“
Ly’saar nickte stumm, verschwand wieder – ein Geist unter vielen. Die Ilharess blieb allein auf der Galerie, den Blick auf das pulsierende Herz ihres Hauses gerichtet.
Sie lächelte. Nicht kalt. Nicht grausam. Sondern zufrieden – wie eine Spinne, die weiß, dass das Zittern des Netzes bald in Beute übergeht. Sie trank schweigend. Denn die Zeit der Worte war vorbei. Nun sprachen nur noch Taten.
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