Der Geruch von kaltem Stahl, dem scharfen Biss von Schleifstaub und dem allgegenwärtigen, süßlich-fauligen Spinnweihrauch hing schwer in den Korridoren des Quellar Ky'Alur. Es war eine olfaktorische Signatur der Unterdrückung, eine ständige, erstickende Erinnerung an die Herrschaft der Spinnengöttin. In Alniiras kleiner, fensterloser Kammer, die mehr einer Zelle als einem Raum glich, mischte sich dieser Gestank mit dem metallischen Beigeschmack von Angst und dem Ruß ihrer persönlichen Schmiede. Ein langer Tag unter den wachsamen, wertenden Augen der Priesterinnen Lolths lag hinter ihr. Ihre Hände, deren Schwielen von unzähligen Stunden am Amboss zeugten, zitterten nun unmerklich – eine Schwäche, die sie tagsüber mit eiserner Disziplin unterdrückt hatte. Unter der steinernen Fassade der gehorsamen Schmiedin brodelte ein Sturm aus aufgestauter Wut und Verzweiflung. Ein vertrautes Kribbeln unter der Haut, beginnend im Nacken und sich wie kaltes Feuer ausbreitend, kündigte das Erwachen einer anderen Natur an. Es war der Wolf, der an seinen inneren Ketten zerrte, hungrig nach dem fernen, unsichtbaren Mond.
Alniira hat geschrieben:Nur noch ein paar Stunden durchhalten. Atmen. Den Hammer spüren, nicht den Zorn. Nur nicht die Kontrolle verlieren. Nicht hier. Nicht jetzt.
Es war Zeit.
Sie zog den dunklen, schweren Umhang enger um sich, dessen Falten den Griff ihres Schwertes verbargen. Es war ihre eigene Schöpfung, geschmiedet in gestohlenen Nachtstunden, ein Langschwert aus massivem Blackrock. In die dunkle, matte Klinge, die das Licht zu schlucken schien, hatte sie heimlich die feinen, geschwungenen Runen Elistraees eingraviert – ein Akt des Glaubens, der in dieser Stadt einem Todesurteil gleichkam. Es war ihr Meisterstück und ihr größtes Geheimnis. Lautlos wie ein Geist glitt sie aus ihrer Kammer. Jeder Schatten in den verwinkelten Gängen von Elashinn war ein potenzielles Versteck, aber auch ein potenzieller Verräter. Ihr Weg führte sie nicht zu den belebten Plätzen, sondern zu einem geheimen, kaum genutzten Ausgang. Das Risiko, erwischt zu werden, war enorm, aber in der erstickenden Heiligkeit Lolths zu bleiben, war eine langsamere, aber ebenso sichere Art zu sterben. Lautlos schlüpfte sie hinaus in die wahre, kalte Dunkelheit der Nacht und ließ die Stadt hinter sich. Ihr Ziel war der Yew Wald, ein Ort, der von den meisten Drow als unheilvoll gemieden wurde.
Für sie war er eine Zuflucht.
Sie bewegte sich schnell und instinktiv durch das dichte Unterholz, bis sie die kleine, versteckte Lichtung erreichte. Hier, umgeben von den knorrigen, alten Yew Bäumen, deren Blätterdach das Mondlicht schluckten, war sie allein. Das Licht des Mondes fiel hier an der Lichtung, die sie erreichte, klar und unverfälscht durch die Äste und malte zitternde, geisterhafte Muster auf den feuchten, moosbewachsenen Boden. Dies war ihr Heiligtum. Ihr Kampfplatz.
Sie trat in die Mitte der Lichtung, zog das Blackrock-Schwert mit einem leisen Zischen aus der Scheide und atmete tief die kühle, saubere Waldluft ein, die ihre Lungen von dem Gestank der Stadt reinigte. Als die ersten silbernen Strahlen die Klinge berührten, erwachten die eingravierten Runen zum Leben und begannen mit einem sanften, silbernen Licht zu glühen, das sich auf ihrem ernsten Gesicht spiegelte.
Ihr Abendlied begann ohne ein Wort.
Zuerst waren ihre Bewegungen steif und kontrolliert. Sie führte das schwere Schwert in langsamen, präzisen Bögen durch die Luft, die einstudierten Formen einer Tänzerin, die ihre Kunst übt. Die glühenden Runen zogen leuchtende, elegante Bänder durch die Dunkelheit, eine visuelle Manifestation ihrer Disziplin, ein verzweifelter Versuch, die Ordnung zu wahren. Doch schnell brach die Fassade. Die Anmut wurde brüchig. Ihre Bewegungen wurden zu einem zornigen Stampfen auf dem weichen Waldboden, das Laub unter ihren Stiefeln aufwirbelnd. Die Melodie auf ihren Lippen war kein Summen, sondern ein gepresstes, zischendes Flehen, das sich durch ihre zusammengebissenen Zähne zwängte.
Alniira hat geschrieben:Dunkle Maid, sieh mich an. Gib mir die Kraft, dies zu ertragen, ohne zu zerbrechen.
Das wilde Blut des Wolfes explodierte in ihr. Der Tanz wurde zu einem gewalttätigen, verzweifelten Kampf. Die kontrollierten Formen zerfielen in einen chaotischen, brutalen Wirbel. Das Schwert war nicht länger ein Werkzeug der Disziplin, sondern eine Verlängerung ihrer unbändigen Wut. Sie hieb auf unsichtbare Feinde ein, die sie in den tanzenden Schatten der Bäume sah – die verächtlichen Gesichter der Priesterinnen, die grausamen Wachen, die sie selbst war. Die Klinge pfiff durch die Luft und die leuchtenden Runen malten aggressive, zackige Blitze in die Nacht. Sie drehte sich in rasenden Pirouetten, so schnell, dass das silberne Licht der Runen und ihr dunkler Umhang zu einem einzigen, verschwommenen Schatten verschmolzen. Es war kein Tanz mehr, sondern ein Anfall. In einem Moment der Selbstverachtung schlug sie mit der flachen Seite der Klinge gegen ihre eigenen gepanzerten Schienbeine, ein Akt der Selbstbestrafung, der einen lauten, metallischen Klirren und einen stechenden Schmerz verursachte, um den inneren Schmerz mit einem äußeren zu übertönen.
Alniira hat geschrieben:Nein! Ich lasse dich nicht gewinnen! Herrin, hilf mir!
Ihr Tanz war ein Krieg. Die disziplinierte Drow kämpfte mit einstudierten Paraden, die Klinge ein silberner Schutzschild, gegen die blinde Wut des Wolfes, die sich in unkontrollierten, brutalen Hieben äußerte, die ganze Büsche zerteilten. Ihre Sprünge waren unberechenbar, ihre Landungen hart und stolpernd, nur das schwere Gegengewicht des Schwertes bewahrte sie vor dem Fall. In diesem Moment war sie nicht Alniira, die Schmiedin. Sie war eine zerrissene Seele, die darum bettelte, nicht unterzugehen. Mit einem letzten, markerschütternden Schrei, der eher von einem Wolf als von einer Drow zu stammen schien, stieß sie das Langschwert mit der ganzen Kraft ihres Körpers bis zum Griff in die feuchte Erde der Lichtung. Das Glühen der Runen erlosch schlagartig, als wären sie von der Erde selbst erstickt worden.
Völlig erschöpft brach sie daneben zusammen, ihre Hände zitterten unkontrolliert von der Anstrengung, den Griff zu halten. Sie lag keuchend auf dem feuchten Moos, Schweiß und Tränen mischten sich auf ihrem Gesicht, den Blick auf die schmale Mondsichel gerichtet, während die Klinge neben ihr wie ein dunkler, stiller Grabstein aus der Erde ragte. Die Wut war nicht verschwunden, nur für den Moment gebannt, gefangen im kalten Stahl und der geduldigen Erde. An ihre Stelle trat keine Ruhe, sondern eine brüchige, angespannte Stille, in der jeder knackende Ast wie ein herannahender Feind klang. Ein Waffenstillstand, kein Frieden.
Sie hatte ihr Abendlied gekämpft. Sie hatte ihren Schmerz und ihren Zorn vor ihre Göttin geworfen und um Kraft gebettelt. Ob sie angenommen wurde, wusste sie nicht. Sie spürte nur die kühle Nachtluft auf ihrer erhitzten Haut und das schmerzhafte Pochen ihres eigenen Herzens. Mit letzter Kraft zog sie ihr Schwert aus dem Boden, reinigte die anhaftende Erde sorgfältig von der Klinge und begann den gefährlichen, langen Rückweg in die Finsternis von Elashinn, betend, dass sie ungesehen zurückkehren und die Kraft für den nächsten Tag haben würde.