Die Nacht war still. Alniira saß im Schneidersitz in der Mitte einer kleinen Lichtung, durchströmt von gleißendem, fast greifbarem Mondlicht. Ihr Körper war eine Statue der Ruhe – eine dunkle Silhouette vor dem silbernen Glanz des Grases. Ihre Augen geschlossen, der Atem ruhig und tief. Doch hinter den Lidern, in jenem inneren Raum der Stille, tobte ein Sturm.
Sie hatte sich vom Rudel gelöst – jener warmen, atmenden Masse aus schlafendem Fell und Vertrauen –, um diesem Sturm zu begegnen. Nicht mit ihren Füßen, sondern mit ihrer Seele. Um die Antworten zu finden, verborgen in der Stille ihres Herzens, so tief und kalt wie Erz in einem Berg.
Es war der Tanz einer Mutter, die über die Wiege ihres Kindes wacht, ein Tanz voller leiser, flehentlicher Bitten, die keine Stimme brauchten. Ihr imaginäres Schwert, das sie aus reiner Gewohnheit an ihrer Seite spürte, blieb unberührt. Eine Waffe hatte in diesem heiligen, zerbrechlichen Raum nichts zu suchen.
Alniira hat geschrieben:Das ist alles, was ich habe. Alles, was ich je wollte. Es ist so wenig und doch die ganze Welt. Wie kann etwas so Kostbares so zerbrechlich sein? Wie kann ein ganzes Universum aus Liebe und Frieden an einem einzigen, dünnen Faden hängen?
Doch der Faden zitterte. Die Gefahr, die stille Fäulnis, die am Rande des Waldes lauerte, war eine unsichtbare Kraft, ein kalter Hauch, der an ihm zerrte. Sie spürte, wie ihre schützenden Gesten ins Leere liefen. Ihre sanften Bewegungen waren nutzlos gegen eine Bedrohung, die keine Gnade kannte, die keine Bitten hörte.
Die Angst in ihr wich einer kalten, schrecklichen Erkenntnis, die sich wie Eiswasser in ihre Adern ergoss. Sie war machtlos. Ihre Liebe, so tief sie auch war, war kein Schild. Ihre Wachsamkeit war kein Wall. Der Faden würde reißen.
Alniira hat geschrieben:Ich kann es nicht beschützen, indem ich es verstecke. Ich kann es nicht bewahren, indem ich darum bete. Dieser seidene Faden... er wird reißen, wenn ich ihn nicht mit Stahl verstärke. Wenn ich ihn nicht mit meinem eigenen Blut salbe.
Der Tanz veränderte sich. Die sanften, weichen Bewegungen zerbrachen. Die Hände, die eben noch zärtlich um die Bilder gefleht hatten, ballten sich zu Fäusten.
Eine neue Energie durchfuhr ihren Körper, eine Energie, die aus den, dunkelsten Ecken ihrer Drow-Vergangenheit stammte. Die kalte, pragmatische Logik von Elashinn, die sie so sehr verabscheute, war in diesem Moment ihre einzige Rettung.
Sie zog ihr imaginäres Schwert. Seine Klinge war nicht kalt, sondern glühte mit der weißen Hitze ihrer aufkeimenden Entschlossenheit.
Ihr Tanz war nicht länger defensiv. Er wurde zu einem Angriff. Nicht gegen die Bilder, sondern für sie.
Jeder Hieb, jede Parade war ein Versprechen. Ein Schwur. Ihre Bewegungen waren nun nicht mehr die einer Mutter, sondern die einer Wächterin. Einer Kriegerin.
Die sanften Kurven ihres Tanzes wurden zu harten, unnachgiebigen Linien. Die fließenden Übergänge zu schnellen, tödlichen Positionen. Sie verstand, dass sie all das, was sie liebte, nur behalten durfte, wenn sie bereit war, dafür zu kämpfen. Wenn sie bereit war, die Dunkelheit in sich selbst nicht zu verleugnen, sondern sie als Waffe für das Licht einzusetzen.
Die Vision endete. Sie saß noch immer regungslos auf der Lichtung, doch der Sturm in ihr hatte sich gelegt. Zurück blieb eine schwere, aber klare Stille. Der Frieden war vorbei. Der Kampf hatte begonnen.
Die Erkenntnis aus der ersten Vision war wie ein kalter, harter Kern in Alniiras Brust. Die Akzeptanz des Kampfes hatte eine Tür geöffnet, doch dahinter lauerte ein älterer, ungelöster Konflikt, ein Krieg, der schon tobte, lange bevor sie Elashinn verlassen hatte. Kaum hatte sich der Nebel der ersten Vision gelichtet, verdunkelte er sich erneut, diesmal zu einem stürmischen, unheilvollen Grau, das nach Ruß und vergossenem Blut roch.
Die Entschlossenheit, für ihre neue Welt zu kämpfen, war da, aber die Frage blieb: Wer würde diesen Kampf führen? Die Dunkelelfe? Oder der Wolf?
Ein neuer Tänzer betrat die Bühne ihrer Vision. Er manifestierte sich nicht langsam, er explodierte aus ihrer eigenen aufgestauten Wut und ihrem tief vergrabenen Schmerz hervor.
Ein großer, schwarzer Wolf, dessen Augen nicht wie Bernstein leuchteten, sondern wie glühende Kohlen in einem sterbenden Feuer brannten. Sein Fell war nicht weich, sondern glich einem Mantel aus Eisenspänen, gesträubt und scharfkantig und verschluckte jedes Licht. Die Lefzen waren hochgezogen, um Reißzähne zu entblößen, die wie Obsidiansplitter glänzten, und aus seiner Kehle stieg ein tiefes, vibrierendes Knurren, das nicht von Wut, sondern von reinem, seelischem Schmerz zu künden schien. Er war die Verkörperung all des Hasses, den sie in Elashinn angesammelt hatte, all des Schmerzes, den sie erlitten hatte, all der Male, die sie sich selbst verleugnen musste, um zu überleben.
Ihr Tanz wurde zu einem erbitterten Duett des Hasses. Es gab keine Musik, nur das imaginäre Kreischen von Stahl auf Klauen und das Knurren zweier verletzter Seelen, die im selben Körper gefangen waren, ein Trommelfeuer aus Emotionen.
Sie kämpften gegeneinander, ein Wirbel aus Schatten und Silber, und die neblige Landschaft ihrer Vision reagierte auf ihren Konflikt. Der Boden unter ihren Füßen bekam Risse, und die Luft wurde so kalt, dass ihr Atem in sichtbaren Wolken gefror.
Die Drow in ihr war schnell, präzise, tödlich. Jeder Stoß ihres Schwertes war eine kalte, berechnende Bewegung, die auf eine Schwachstelle zielte – die Kehle, die Flanke, die Augen. Jede Parade war ein Meisterwerk der Verteidigung, eine eiserne Wand aus Disziplin und Training. Sie tanzte die Lehren von Elashinn, die Lehren der Effizienz, der Gnadenlosigkeit.
Doch der Wolf war stärker, unvorhersehbarer, eine Naturgewalt. Er wich nicht aus, er prallte gegen ihre Klinge, seine schiere, verzweifelte Kraft ließ ihre Arme erzittern und den Stahl singen. Seine Klauen rissen tiefe, brennende Furchen in ihre Haut, und sie spürte jeden Kratzer wie einen physischen Schmerz. Er kämpfte nicht mit Technik, sondern mit dem ganzen Gewicht seiner gequälten Seele.
Es war ein sinnloser, grausamer Krieg. Mit jedem Schlag, den sie dem Wolf versetzte, spürte sie den dumpfen, brechenden Schmerz in ihren eigenen Gliedern. Mit jedem Mal, wenn seine Klauen sie trafen, blutete ihre eigene Seele. Sie waren gefangen in einem endlosen, qualvollen Kreislauf der Selbstzerstörung, unfähig zu gewinnen, unfähig zu fliehen, dazu verdammt, sich gegenseitig zu zerreißen, bis nichts mehr übrig war.
Alniira hat geschrieben:Warum kämpfst du gegen mich? Ich bin nicht dein Feind! Ich will uns beide nur beschützen!
Das Knurren des Wolfes war ihre Antwort, ein Gedanke, der so klar und scharf war wie ein Mondsplitter in ihrem Herzen.
Der Wolf in ihr hat geschrieben:Du bist mein Käfig! Du bist die Kette, die mich bindet! Du willst mich zähmen, mich zu einem Werkzeug machen, so wie sie dich zu einem Werkleug gemacht haben! Du hasst meine Freiheit, weil du deine eigene fürchtest!
Erschöpft, am Ende ihrer Kräfte, stolperte Alniira zurück. Ihr Atem ging stoßweise, ihr visionärer Körper war mit Wunden übersät, die nicht heilten. Sie ließ ihr Schwert sinken. Die Spitze kratzte mit einem schmerzvollen Geräusch über den rissigen, nebligen Boden. Der Kampf war vorbei. Sie hatte verloren. Er hatte verloren. Sie hatten beide verloren.
Die Stille nach dem Kampf war lauter als jeder Schrei. Alniira stand da, die Schultern gebeugt, das Schwert eine nutzlose Last in ihrer Hand. Der Wolf ihr gegenüber hechelte, sein Körper zitterte vor Erschöpfung und aufgestauter Wut, doch das Feuer in seinen Augen war zu einer unsicheren, fragenden Glut verglommen. Sie sahen sich an, nicht mehr als Feinde, sondern als zwei Überlebende auf einem Schlachtfeld, das sie selbst geschaffen hatten.
Langsam, mit einer Anstrengung, die größer war als jeder Kampf zuvor, ließ Alniira ihr Schwert fallen. Es klirrte auf dem unsichtbaren Boden, ein Geräusch der endgültigen Kapitulation. Sie stand einfach nur da, verwundbar, die Arme leer an ihren Seiten, ihre Brust bebte von der Anstrengung. Sie war keine Kriegerin mehr, keine Drow, keine Schmiedin. Nur eine Seele, die nackt und zerbrochen vor ihrem eigenen Spiegelbild stand.
Anstatt den Todesstoß zu führen, hielt auch der Wolf inne, sichtlich verwirrt von der plötzlichen Stille, von dieser unerwarteten Geste der Wehrlosigkeit.
Langsam, zögerlich, streckte sie ihre leere Hand aus. Es war keine Geste der Unterwerfung. Es war eine Einladung. Eine Bitte. Sie kämpfte nicht mehr gegen ihn. Sie öffnete sich ihm.
Sie ließ die Bilder aus der ersten Vision wieder aufleben. Die schlafenden Welpen, ein unschuldiges Knäuel aus Fell und Vertrauen. Den stillen Wald, dessen Duft sie beide liebten. Rianon, dessen stille Stärke sie beide spürten. Die Bilder hingen noch immer an ihrem seidenen Faden, zitternd und zerbrechlich, aber diesmal schwebten sie zwischen ihr und dem Wolf. Sie zeigte sie ihm, nicht als etwas, das sie besaß, sondern als etwas, das sie beide liebten, als den wahren Grund ihres Schmerzes und ihrer Angst.
Alniira hat geschrieben:Sieh hin. Das ist nicht mein Kampf. Das ist unser Kampf. Dein Zorn... deine ungezügelte Wut... sie kommt aus der Angst, all das zu verlieren. Genau wie meine. Richte sie nicht gegen mich. Richte sie gegen jene, die unsere Welt bedrohen.
Ihre Stimme war nur ein Flüstern, aber es hallte in der Stille wider.
Alniira hat geschrieben:Deine Stärke ist keine Schande. Sie ist ein Geschenk. Deine Wildheit ist keine Schwäche. Sie ist Wahrheit. Ich will dich nicht zähmen. Ich will dich befreien. Aber ich kann es nicht ohne dich. Lass uns gemeinsam jagen. Nicht als Herrin und Bestie. Sondern als ein Rudel. Als eine Seele.
Sie lehrte dem Wolf nicht die Liebe, sie erinnerte ihn an die Liebe, die er bereits in sich trug. Sie zeigte ihm, dass seine wilde Kraft nicht nur Zerstörung, sondern auch Schutz bedeuten konnte.
Der Wolf senkte langsam den Kopf. Das Glimmen in seinen Augen erlosch und wich einem tiefen, verständnisvollen, fast melancholischen Leuchten. Er trat näher, zögerlich, jeder Schritt eine Frage. In der Vision legte er seine große, raue Schnauze in ihre ausgestreckte Hand.
Der Wolf in ihr hat geschrieben:Entfessel mich gegen unsere Feinde, ich werde über die Erde wandeln und mein Hunger wird keine Grenzen kennen
Alniira spürte den Kontakt nicht nur auf ihrer Haut. Sie spürte ihn in ihrer Seele. Es war nicht nur die Berührung von Fell, sondern ein Strom aus roher, lebendiger Energie, aus Wildheit, aus geteiltem Schmerz und aufkeimender Hoffnung.
Und in diesem Moment verschmolzen sie. Der getrennte Wolf löste sich nicht auf, er floss in sie zurück, füllte die leeren, kalten Stellen in ihrer Seele mit seiner wilden, ehrlichen Wärme. Es war keine Absorption, sondern eine Wiedervereinigung. Die scharfen Kanten ihrer beiden Naturen schliffen sich aneinander ab, bis sie perfekt ineinanderpassten.
Ihr Tanz war nun einer. Die Anmut der Drow, angetrieben von der unbändigen, aber nun fokussierten Kraft des Wolfes. Sie war nicht länger ein Wesen, das aus zwei Hälften bestand. Sie war ganz.
Die Vereinigung von Drow und Wolf war wie das letzte, perfekte Zusammenspiel von Feuer und Stahl in der Esse. Die Hitze der Wut und die Kälte der Disziplin waren zu einer neuen, unzerbrechlichen Legierung verschmolzen, stärker und schöner als jeder Teil für sich allein.
Als die beiden Hälften ihrer Seele eins wurden, wurde das Licht in ihrer Vision blendend. Der graue, stürmische Nebel lichtete sich, löste sich auf wie Morgennebel in der Sonne und enthüllte eine neue, atemberaubende Landschaft.
Sie tanzte nun auf einer Lichtung aus purem, festem Mondlicht. Der Boden unter ihren Füßen war ein Teppich aus gewebten Sternen, die bei jeder ihrer Berührungen sanft pulsierten. Die Bäume um sie herum waren Säulen aus schimmerndem, silbernem Licht, deren Äste sich zu einem unendlichen, leuchtenden Gewölbe verschlangen. Die Luft war erfüllt von einer stillen, unerhörten Musik, einer Harmonie, die nicht von Instrumenten, sondern von der reinen Essenz der Freude und des Friedens gespielt wurde. Dies war kein Wald mehr. Es war eine Kathedrale.
Eilistraee war da. Nicht als Tänzerin, die ihr den Weg wies, nicht als Lehrerin, die sie unterrichtete. Nur als eine stille, allumfassende, liebevolle Präsenz. Sie war das Licht, das sie umgab. Sie war die Musik, die sie hörte. Sie war der Boden, auf dem sie tanzte. Sie war die Luft, die sie atmete.
Der Tanz selbst veränderte sich ein letztes Mal. Er war nicht mehr von Angst oder von Wut geprägt. Er war ein reines, wortloses Gebet der Dankbarkeit, ein Ausdruck, der so tief war, dass er nur durch Bewegung vermittelt werden konnte. Tränen strömten über ihre Wangen, aber es waren keine Tränen der Trauer oder des Schmerzes. Es waren Tränen der Erlösung, der Heimkehr.
Jede Drehung war ein Dank für einen Tag im Wald. Jeder Sprung, angetrieben von der Kraft des Wolfes, war ein Dank für die Freude, die sie mit den Welpen geteilt hatte. Jeder Schwung ihres Schwertes, geführt von der Präzision der Drow, war ein Dank für die Stärke, die sie in sich gefunden hatte.
Sie tanzte die Erinnerung an die Dunkelheit, aber nun ohne Furcht. Sie umarmte die Schatten als Teil ihrer selbst, als den Kontrast, der das Licht erst so strahlend machte. Sie tanzte die Erinnerung an den Schmerz, aber nun ohne Bitterkeit. Sie erkannte ihn als den Hammer an, der ihre Seele geschmiedet hatte, der sie hart und widerstandsfähig gemacht hatte.
Alniira hat geschrieben:Ich danke dir für die Freiheit. Ich danke dir für die Liebe. Ich danke dir für die Familie. Aber am meisten danke ich dir für die Narben. Denn ohne sie wüsste ich nicht, was Heilung bedeutet.
Ihre Bewegungen waren ein Fest. Ein Fest der Sinne, die ihr zurückgegeben worden waren. Sie tanzte den Duft von feuchter Erde, die Wärme des Wolfsfells, den Anblick des Mondes. Sie war nicht länger eine Beobachterin in der Welt, sie war die Welt. Sie war das Blatt im Wind, der Tropfen im Regen, die Note in der unendlichen Symphonie.
Der Tanz war eine reine, unverfälschte Ekstase. Sie lachte, ein klares, helles Geräusch, das sich mit der stillen Musik ihrer Vision vermischte. Sie war nicht länger eine Drow oder ein Wolf. Sie war einfach nur Alniira. Und zum ersten Mal in ihrem Leben war das genug.
Die Ekstase des Tanzes, die überschäumende Freude der Wiedergeburt, begann langsam abzuflauen. Sie wich nicht der Leere, sondern einer tieferen, ruhigeren Strömung. Die laute, fröhliche Musik in ihrer Vision wurde leiser, verwandelte sich in eine sanfte, meditative Melodie. Der Tanz der Feier wurde zu einem Tanz des Verstehens.
Ihre Bewegungen verlangsamten sich. Jeder Schritt war nun bedächtig, jede Geste erfüllt von einer neuen, tiefen Bedeutung. Die Dankbarkeit für die Gaben – Freiheit, Liebe, Familie – war noch immer da, aber sie wurde überlagert von einer noch größeren Dankbarkeit. Der Dankbarkeit für die Weisheit, die hinter all diesen Gaben stand.
Sie verstand nun, dass Eilistraee ihr den Frieden nicht geschenkt hatte. Eine Göttin konnte keinen Frieden schenken, der von Dauer war. Das wäre nur eine andere Form der Abhängigkeit, eine andere Art von Kette. Stattdessen hatte sie ihr die Werkzeuge gegeben – den Hammer und den Amboss, das Feuer und den Stahl – und ihr beigebracht, wie sie den Frieden in der Esse ihrer eigenen Seele schmieden konnte.
Alniira hat geschrieben:Du hast mich nicht gerettet. Du hast mir nicht befohlen, was ich tun soll. Du hast mir nur geholfen, mich selbst zu verstehen. Du hast mir geholfen, die Drow und den Wolf nicht als Feinde zu sehen, die versöhnt werden müssen, sondern als Teile eines Ganzen. Als zwei Seiten derselben Klinge.
In ihrer Vision betrachtete sie ihre Hände. Die eine war die Hand der Schmiedin, voller Schwielen und Präzision, fähig, Stahl zu formen und Runen zu ätzen. Die andere war die Pfote des Wolfes, voller wilder Kraft und unfehlbarem Instinkt, fähig, zu jagen und zu schützen.
Sie waren nicht länger im Widerspruch. Sie gehörten zusammen. Die eine war der Stahl, die andere das Feuer. Beide waren nötig für eine starke, wahre Klinge.
Ihr Tanz war nun vollkommen im Einklang. Die Kraft des Wolfes, die Präzision der Schmiedin, die Anmut der Tänzerin und die Liebe der Frau verschmolzen zu einer einzigen, harmonischen Bewegung. Sie war nicht länger zerrissen. Sie war im Einklang.
Alniira hat geschrieben:Ich danke dir, dass du immer an meiner Seite stehst. Nicht vor mir, um mich zu führen, nicht hinter mir, um mich zu stoßen. Sondern neben mir. In mir. Als Freundin. Als Schwester. Als Teil meines eigenen Herzens. Du bist nicht nur die Göttin, zu der ich bete. Du bist die Weisheit, mit der ich denke, und die Liebe, mit der ich fühle.
Der Tanz verlangsamte sich, wurde sanfter, bis er in einer einzigen, ruhigen Pose endete. Das Schwert vor ihr, die Spitze zum Himmel gerichtet, eine Brücke zwischen der Erde und dem Mond, zwischen ihrer sterblichen Seele und der unendlichen Präsenz der Göttin. Es war kein Flehen mehr, keine Frage. Es war eine Feststellung. Eine Verbindung.
Die Vision verblasste langsam, sanft wie ein Sonnenuntergang, und ließ sie allein mit der Stille der Nacht.
Alniira öffnete ihre Augen. Sie saß noch immer im Schneidersitz auf der Lichtung im Yew Wald. Der Mond schien auf ihr Gesicht, und sie spürte die kühlen Spuren getrockneter Tränen auf ihren Wangen. In ihrem Herzen war kein Sturm mehr. Nur eine tiefe, unerschütterliche, friedliche Stille. Sie war bereit.