Zwei Schmiede, ein Funke, kein Verstand [Umbau am Wegekreuz]

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Pyrian
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Zwei Schmiede, ein Funke, kein Verstand [Umbau am Wegekreuz]

Beitrag von Pyrian »

Das Wegekreuz war nicht irgendeine Taverne an der alten Handelsstraße. Im Wegekreuz wurden Geschichten erzählt, lange bevor der erste Krug gezapft wurde. Rasine, die Wirtin, herrschte dort mit jener ruhigen Autorität, die nur Menschen besitzen, die alles schon einmal gesehen haben – und die wissen, dass es selten besser wird, wenn jemand „halt mal mein Bier“ sagt.

An einem grauen Vormittag, als der Wind durch die hölzernen Schindeln pfiff und der Schankraum bereits vom Klang klappernder Krüge erfüllt war, reifte im Obergeschoss ein Plan – oder, genauer gesagt, ein Unheil.
Stevan, der Schmied mit den breiten Schultern und der dünnen Geduld, beugte sich über den Geländerbalken des Schauraums. Neben ihm stand Almanda, seine Partnerin in Arbeit und Tatendrang, mit rußigen Händen und glänzenden Augen.

„Hörst du das?“ fragte Stevan und deutete nach unten. „Schon wieder! Ein Reisender sucht einen einfachen Dolch, ein anderer fragt nach Hufeisen. Wenn wir hier oben eine kleine Esse hätten – wir wären reiche Leute, Almanda!“
Almanda verschränkte die Arme. „In Rasines Schauraum? Zwischen Teppichen und Vasen?“
„Kleinigkeiten!“ rief Stevan. „Ich hab noch den kleinen Amboss aus dem Wagen. Wir stellen ihn in die Ecke dort, nahe dem Fenster. Niemand wird etwas merken.“
Niemand würde etwas merken.

Es sind jene Worte, die in Gasthäusern stets kurz vor dem Chaos fallen.
Zwei Stunden später war der Schauraum kaum wiederzuerkennen. Der Amboss thronte stolz auf einem Holzbock, Funkenfänger aus Blech waren notdürftig an die Wand genagelt, und eine improvisierte Esse, aus einem halben Fass gezimmert, rauchte bereits schwach.

„Ein kleines Feuer nur zum Test,“ murmelte Stevan, während Almanda eifrig den Blasebalg trat.

Ein kleines Feuer, sagten sie – und doch zeigte die Esse bald, dass sie zu Größerem berufen war.

Binnen Minuten zog dichter Rauch über den Boden. Schwarze Schwaden krochen wie Gespenster unter die Tür, schlichen die Treppe hinauf und hinunter, und noch ehe die beiden Schmiede wussten, was geschah, hörte man aus der zweiten Etage das erste Geschrei.
„Feuer! Das Wegekreuz brennt!“

Ein Reisender stürzte in Unterhosen auf den Flur, stolperte über seinen Stiefel, und eine ältere Dame mit Lockenwicklern riss das Fenster auf und rief um Hilfe. Unten im Schankraum sprang ein Hund bellend auf einen Tisch, während ein Händler verzweifelt versuchte, seine Weinvorräte zu retten.
Rasine, die Wirtin, war gerade dabei, ein Tablett mit dampfenden Eintöpfen auszugeben, als die ersten Rauchfahnen von der Decke krochen. Sie blinzelte, roch den beißenden Duft von verbranntem Pech – und wusste sofort, dass kein Kamin, sondern menschlicher Unsinn dahintersteckte.

„Bei allen guten Göttern,“ murmelte sie und griff sich einen Besen wie ein Schwert. „Nicht schon wieder!“
Mit der Entschlossenheit einer Kommandantin auf dem Schlachtfeld stürmte sie die Treppe hinauf. Auf der ersten Etage fand sie, was man nur als rußgeschwärztes Desaster bezeichnen konnte: Stevan, mit Schweiß auf der Stirn, pumpte noch immer Luft in die Esse, während Almanda mit einem Lappen hektisch wedelte. Der Rauch war so dicht, dass man kaum atmen konnte.

„Stevan! Almanda! Was in aller Heiligen Namen tut ihr da?!“

Beide erstarrten wie ertappte Kinder. Stevan senkte langsam den Blasebalg. „Äh… Werbung?“

„Für Brandstiftung?“ donnerte Rasine, schnappte die beiden am Ohr – und ihre Hände waren schneller, als jeder Schmiedehammer jemals gewesen war.

Wie zwei schuldbewusste Kinder wurden sie durch die Treppe hinabgezogen, während Gäste beiseitetraten und einige kichernd Beifall klatschten.

„Eine Esse! Im Schauraum! Zwischen Teppichen und Gardinen! Ihr habt den Verstand verloren!“

„Wir dachten nur…“, begann Almanda kleinlaut, doch Rasine schnitt ihr das Wort ab.

„Ihr dachtet? Das möchte ich sehen! Wenn Denken Rauch macht, habt ihr beide ein Fegefeuer im Kopf!“

Die Leute im Schankraum lachten – vorsichtig, versteht sich – denn Rasine war nicht nur streng, sondern auch die einzige, die wusste, wer am nächsten Tag Frühstück bekam.
Nachdem das Feuer gelöscht, der Rauch verzogen und der letzte Gast wieder atmete, ließ Rasine die beiden vor sich antreten. Beide standen mit gesenkten Köpfen, rußverschmierten Gesichtern und dem Ausdruck von Hunden, die zugeben mussten, dass der Braten eben doch zu verlockend gerochen hatte.

„Ich sollte euch beide hochkant hinauswerfen,“ begann Rasine, die Arme verschränkt. „Aber ich bin zu alt, um neue Schmiede zu suchen. Und zu klug, um einen guten Geschäftssinn zu bestrafen.“
Stevan und Almanda blickten auf, Hoffnung in den Augen.

„Ihr bekommt euer Schmiedefeuer,“ fuhr sie fort, „aber draußen, an der Ostseite. Da, wo der Wind zieht und keine Gardinen hängen. Ich dulde kein weiteres Feuer im Haus, habt ihr mich verstanden?“

„Ja, Rasine,“ sagten beide im Chor.

„Und jetzt,“ fügte sie mit gefährlichem Funkeln hinzu, „putzt ihr den Schauraum. Alles. Jede Ecke, jedes Brett, jeden Fleck Ruß, bis es glänzt wie der Hintern eines Zwerges nach dem Bad!“

Noch ehe sie widersprechen konnten, drückte Rasine ihnen Eimer, Lappen und Bürsten in die Hand. Und so sah man sie bald, auf allen Vieren, kriechend, hustend, reumütig – während die Gäste unten ihr Bier tranken und immer wieder lachten, wenn von oben das Klatschen nasser Lappen zu hören war.
Am Abend stand Rasine vor der Tür und sah, wie die beiden draußen an der Ostwand begannen, einen kleinen Unterstand zu errichten – bescheiden, windschief, aber sicher. Ein schmaler Rauchfaden stieg auf, sauber und gezähmt.

Sie lächelte. „Wenn sie’s diesmal schaffen, ohne die Taverne zu verkohlen, soll’s mir recht sein.“

Dann drehte sie sich um, wischte sich die Hände an der Schürze ab und murmelte:
„Manche lernen durch Erfahrung. Andere durch Feuer. Und wieder andere – durch beides.“

Draußen hämmerte Stevan zufrieden auf den Amboss, während Almanda die Glut schürte. Kein Rauch, keine Panik, kein Geschrei. Nur das rhythmische Klingen des Hammers, das fortan zum neuen Klang des Wegekreuzes wurde.

Und im Schauraum, frisch geschrubbt und blitzblank, hing seither ein kleines Schild an der Wand:

„Feuer verboten. Außer in Herzen und Herdstellen.“

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Danke an Skadi die das Nebengebäude fix gebaut hatte. Dürfte mit dem nächsten MUL patch im Spiel zu sehen sein ;)

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