Der Tag verstrich, wie unz?hlige zuvor, in der Stille des Turms und abgeschottet von der Welt war der Nekromant tief in seine Studien versunken. Die Sonne, eine l?stige Erinnerung an das Leben, schmolz hinter den schwarzen Zinnen des Gem?uers, w?hrend der Turm selbst wie ein vernarbter Finger in den dunkler werdenden Himmel ragte. Shezar hob nicht einmal den Blick, als die Schatten l?nger wurden. Seine Feder kratzte unbeirrt ?ber Pergament, alte Formeln erg?nzend, Seelenmatrizen berechnend, Anrufungsstrukturen neu ordnend. Er wartete. Nicht auf eine Person, nicht auf ein Ereignis ? sondern auf die Dunkelheit. Als der letzte blutrote Streifen am Horizont verging, erhob er sich. Seine Schritte hallten ged?mpft auf den kalten Steinplatten, als er nacheinander jede einzelne Fackel im oberen Turm l?schte. Er tat es mit der gleichen methodischen Ruhe, mit der ein Gelehrter eine Seite wendet: ohne Hast, ohne Z?gern. Eine letzte Lampe, deren gebrochenes Glas ein mattes Leuchten auf seinen Arbeitstisch warf, erstickte er mit einem kurzen Sto? seines Atems. Finsternis umh?llte den Turm. Schwer. Vollst?ndig. So, wie es sich geh?rte. Leise ?ffnete Shezar eine verborgene T?r im Mauerwerk ? eine schwarze Linie in der Wand, die nur jenen bekannt war, die sie geschaffen hatten. Dahinter f?hrte eine schmale Wendeltreppe aus rauem Stein hinab. Ohne Z?gern stieg er tiefer in die Erde. Die T?r schloss sich hinter ihm, und der letzte Rest der Welt, wie andere sie kannten, blieb drau?en zur?ck.
Fackeln an eisernen Halterungen warfen ein schmutziges, flackerndes Licht auf die rauen W?nde. Die Flammen zuckten tr?ge, als f?rchteten sie sich vor dem, was sie beleuchten mussten. Der Geruch war schwer: kaltes Eisen, altes Blut, der scharfe Dunst von Konservierungsd?mpfen, durchsetzt mit dem s??lichen Moder verwesender Haut. Die Halle war lang und schmal. An den Seiten standen steinerne Tische, glattgeschliffen von jahrzehntelanger Arbeit. Darauf lagen K?rper in verschiedenen Stadien der ?ffnung: Rippen aufgebogen, Sch?del entfernt, Muskeln aufgeschlitzt und mit runenverzierten Nadeln fixiert. Entlang der W?nde reihten sich schwere Glaszylinder aneinander, gef?llt mit tr?bem Konservierungsfluidum. Darin schwebten Herzen, Lungen, Lebern und Hirnfragmente ? sorgf?ltig pr?pariert, beschriftet und versiegelt. Shezar trat an einen freien Arbeitstisch, auf dem neue Gef??e warteten. Die Ausbeute der letzten N?chte, ordentlich verpackt in schwarzen Holzkisten, lag bereit. Er ?ffnete die erste Kiste. Mit der pr?zisen Ruhe eines Mannes, der keine Fehler duldet, hob er das erste Organ heraus: ein Herz, kr?ftig, von feinen Adern durchzogen, noch von Resten arkaner Energie erf?llt. Er tauchte es langsam in ein vorbereitetes Glas, f?llte die Konservierungsfl?ssigkeit nach und versiegelte es sorgf?ltig mit Wachs und Runen.
Herz, Zustand: Frisch. So lautete die Beschriftung, klar und ordentlich auf Pergamentstreifen vermerkt. Dann folgten Lungen, Nieren, ein gesprenkeltes St?ck R?ckenmark. Jede Entnahme dokumentierte Shezar mit derselben kalten Pr?zision. Kein Chaos. Keine Hast. Nur Arbeit. W?hrend seine H?nde mechanisch die Arbeit vollendeten, schweifte sein Blick gelegentlich ?ber die gef?llten Glasgef??e. Sie waren keine Beute. Keine Troph?en. Sie waren notwendiges Forschungsmaterial. Fragmente einer gr??eren Wahrheit. Die Luft war schwer von Metall und altem Blut. Das Licht der wenigen brennenden Fackeln spiegelte sich stumpf auf dem Glas, lie? die schwebenden Organe geisterhaft schimmern. Shezar pr?fte die Siegel, kontrollierte die Dichtungen und vermerkte Korrekturen in einem schwarzen Buch. Es durfte kein Fehler geschehen. Die Materialien waren zu wertvoll. Als die letzte Probe beschriftet und versiegelt war, trat er in die Mitte der Halle und atmete die abgestandene Luft ein. Hier unten gab es keine Eile, kein L?rm, kein Z?gern. Nur Ordnung. Nur Stille. Nur die unver?nderliche Struktur des Todes, die er selbst geformt hatte. Seine Gedanken streiften kurz die vergangene Nacht. Er erinnerte sich an den Magierorden von Krehl, an die hilflosen Blicke jener, die nicht begreifen konnten, was sie erwartete. Wie ein Schatten war er durch ihre Reihen gegangen, unbeirrbar, methodisch, kalt. Einer nach dem anderen fiel unter seinen Zaubern, hilflose Versuche zu fliehen oder sich zu wehren erstickte er im Keim. Sie hatten keine Chance. Die Magier dort waren Archivare, Forscher, keine K?mpfer. Krehl war nicht aus Groll gew?hlt worden. Es war nicht pers?nlich gewesen. Kein Hass, keine Wut war dabei im Spiel. Es war einfach. Die K?rper hatten das geliefert, was er brauchte; Organe durchdrungen von arkaner Energie. Er betrachtete die Reihe der versiegelten Gl?ser. In jedem schwebte ein Teil alter Macht, konserviert, bereit f?r weitere Untersuchungen. Die Arbeit war nicht beendet. Sie hatte kaum begonnen. Bald w?rde er die ersten Versuche starten. Die Resonanzen pr?fen. Die Erinnerungen extrahieren. Die Grenzen von Leben und Tod weiter verschieben.
Alles war vorbereitet. Alles stand bereit.
Shezar l?schte eine der Fackeln. Die Dunkelheit kroch tiefer in die Halle.
Dann wandte er sich ab und verschwand lautlos zwischen den Schatten, leise wie ein Gedanke, der sich endg?ltig vom Licht abkehrt.
Das kalte Erbe von Krehl
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