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Re: Das Zupfen an den Saiten der Harfe die die Welt ersch?ttern

Verfasst: 05 Jun 2025, 06:03
von Alniira Vrammyr
Ein Stern im Netz

Das Netz aus Kontakten, das Alniira so m?hsam gesponnen hatte, schien sich auszudehnen, selbst ohne ihr direktes Zutun. Doch nicht immer auf eine Weise, die ihr gefiel. Im Qu'ellar Ky'Alur brodelte es. Ger?chte krochen wie Spinnen aus den Schatten, ein leises Murmeln, das selbst die streng geh?teten Ohren der Jabressen Dartha zu erreichen schien. Die Ilharess Jhea'kryna Ky'Alur hatte einen Gast eingeladen. Einen Menschen. Ausgerechnet einen Aetherium von Finsterrode in die eisigen Tiefen ihres Hauses in Elashinn. Und der Anlass? Ein Stern am Himmel.
?Ein Mensch? Im Herzen unseres Hauses? Wegen eines Sterns? Welch eine Farce!?, spottete Alniiras innerer Monolog, ihre Lippen verzogen sich zu einem fast unsichtbaren, bitteren L?cheln. ?Die Ilharess von Ky'Alur, eine Matrone von Lolths gnadenlosem Willen, ist auf die primitive Weisheit eines Oberfl?chenbewohners angewiesen, um ein himmlisches Ph?nomen zu deuten? Lolth selbst w?rde vor Wut sch?umen, wenn sie dieses Zeichen der Schw?che s?he.?
Es war mehr als nur ein Riss in der Fassade, es war ein Bruch in der dogmatischen Reinheit, die die Drow so eifers?chtig h?teten. Die oberste Matrone, die ein Symbol f?r Lolths unersch?tterliche Kontrolle sein sollte, kniete vor dem Wissen eines Sterblichen. F?r Alniira war es ein offenkundiges Zeichen der Ineffizienz. Das gesamte Konstrukt, der ewige Kampf um die Gunst Lolths, der Verrat um des Verrats willen ? es war ein Gef?ngnis, das die Drow selbst schw?chte, indem es sie blind f?r die wahre Natur der Macht machte. Jhea'krynas Abh?ngigkeit von einem Menschen, einem Aetherium von Finsterrode, war der Dolch in ihrem R?cken.

Alniira selbst hatte pragmatische Beziehungen zu Menschen und anderen Oberfl?chenrassen aufgebaut. Sie nutzte ihre Talente und ihr Verm?gen, um F?den zu ihnen zu spinnen, Verbindungen zu schaffen, die ihr dienten. Aber sie war keine Priesterin, keine Verk?rperung von Lolths Willen. Ihre Interaktionen waren eine bewusste Strategie, um ihr eigenes Netz zu weben ? ein Netz, das von den starren Dogmen des Unterreichs losgel?st war. Doch eine Ilharess? Eine, die Lolth die Treue geschworen hatte? Das war ein Verrat, ein Zeichen verzweifelter Schw?che, die Alniira mit k?hler Am?siertheit betrachtete.

Ein k?hler Gedanke schoss ihr durch den Kopf, so verlockend wie ein Spinnenseidenfaden im Mondlicht.
?Ich k?nnte nach Menzoberranzan zur?ckkehren. Die Wahrheit ?ber Jhea'kryna Ky'Alurs Verrat an Lolth berichten ? ihre Schande, die sie durch diesen Aetherium von Finsterrode ?ber das Haus bringt. Haus Ky'Alur w?rde ausgel?scht, vielleicht sogar noch bevor die Sonne am Himmel aufgeht. Und meine Stellung? meine Stellung w?rde sich ?ber Nacht verbessern. Ich w?re die treue Dienerin, die die Schw?che eines rivalisierenden Hauses aufgedeckt und damit ihre Matrone und Lolth geehrt hat.?
Die Vorstellung war berauschend. Das kleinste Zeichen von Schw?che wurde im Unterreich gnadenlos ausgenutzt, und dieser Aetherium von Finsterrode war mehr als nur ein Zeichen; er war der offenstehende Hals.

Doch Alniira war nicht blind f?r die tiefere Spielart, das immerw?hrende Netz der Intrigen. Dieser Aetherium von Finsterrode, dieser Stern am Himmel ? sie waren nicht nur ein Zeichen von Jhea'krynas Schw?che. Sie waren auch eine Trumpfkarte. Ein Geheimnis, das sie ausspielen konnte, wenn der Zeitpunkt reif war, um ihr eigenes Netz zu st?rken, anstatt es f?r die kurzsichtigen Ziele Menzoberranzans oder die primitiven Intrigen anderer H?user zu opfern. Sie hatte ihre eigene Agenda, die weit ?ber das blo?e ?berleben oder die blinde Loyalit?t hinausging.

Sie schloss die Augen, ihr Geist raste, die F?den der M?glichkeiten zogen sich zusammen. Der Stern. Der Mensch. Die Ilharess. Alles miteinander verbunden, alles Teil eines gr??eren, komplexeren Geflechts. Sie war gekommen, um zu lernen, um zu ?berleben, um Macht zu weben. Und dieses unerwartete Ereignis war ein neuer Faden, dicker und st?rker als alles, was sie bisher in den H?nden gehalten hatte.
?Nein?, entschied Alniira, ihre Augen ?ffneten sich, dunkel und entschlossen. ?Ich werde nicht zur?ckkehren. Nicht jetzt. Dieses Spiel hat gerade erst begonnen ? und ich habe die besten Karten.?
Stattdessen w?rde sie beobachten. Sie w?rde jede Bewegung, jedes gefl?sterte Wort im Haus Ky'Alur verfolgen. Sie w?rde die Gespr?che belauschen, die Blicke deuten, die geheimen Treffen erschn?ffeln. Ihr Ziel war es, so viel wie m?glich ?ber diesen Stern und den Aetherium von Finsterrode zu erfahren. Das Wissen, das sie erlangen w?rde, w?re ihr wahres Werkzeug, um ihr Netz der Abh?ngigkeiten weiter auszubauen und zu verst?rken.


Apfelmost

Verfasst: 08 Jun 2025, 10:31
von Jhea'kryna Ky'Alur
Der Weg zur Oberfl?che war selten von Leichtigkeit gezeichnet, doch dieses Mal waren es nicht Feinde oder Magien, die Jhea'krynas Gedanken bereiteten. Es war vielmehr die Absonderlichkeit dieses Ortes, dieser Taverne, von der ihre Sp?herin berichtete. "Bareti" nannte sich die Wirtin, eine jener Oberfl?chlerinnen mit seltsam weicher Art. Jhea hatte sich entschlossen, ihre Einladung anzunehmen. Ein kleiner Ausflug, ein Spiel. Die Welt d?rstet nach Informationen, und auch Jhea konnte beobachten, wenn es n?tzlich war.

Sie war nicht allein gekommen. Wie stets war Veldriss Xurina ihr Schatten, messerscharf und voller Argwohn. Sorn begleitete sie wie ein lautloser Schatten. Und Tath'raen, loyal, bedacht, schweigsam. Ihre Anwesenheit hatte Gewicht. Als die Drow sich der Taverne n?herten, war es Xurina, die den ersten Schritt tat. Die T?r schwang auf, ein Blick gen Raum, ein Griff an die Waffen. Alles war sicher. Zumindest sicher genug.

Jhea'kryna trat ein wie ein Sturm aus tiefem Wasser: langsam, m?chtig, elegant. Die Luft im Raum ver?nderte sich mit ihrer Ankunft. Bareti, die Wirtin, versteifte sich, und die Bardame Nicoletta stellte ihr Lied ein. Ein Moment der Fremdheit, des Misstrauens lag in der Luft. Jhea'kryna genoss ihn, wie sie ein zartes Spiel aus Licht und Klinge genoss.

Mit gespielter H?flichkeit lie? sie sich nieder. Ihre Bewegungen kontrolliert, beinahe freundlich. Bareti, bem?ht um Contenance, reichte ihr ein Glas mit t?rkisfarbener Fl?ssigkeit. Apfelmost, sagte sie. Jhea'kryna hob den Kelch, schnupperte daran. Dann trank sie ihn in einem Zug. Kein Zucken, kein Laut. Nur ein winziger Lidschlag.

Der Geschmack war wie ein Echo aus Jahrhunderten: S??e wie aus der Kindheit, s?uerlich wie alte Intrigen, brennend wie Stolz. F?r einen Moment schien der Saal zu verblassen.

Sie sah sich selbst, jung, in der Arach-Tinilith. Die Stimmen ihrer Meisterinnen. Die Gesichter ihrer Opfer. Blut auf obsidianenem Stein. Ihre erste Opferung. Der Geruch von hei?em Eisen. Freude. Sieg. Verlust. Ein Name auf ihren Lippen, den niemand mehr sprach.

Als sie den Blick wieder hob, war sie dieselbe. Und doch nicht. Ihre Stimme messerscharf: "Der Most... wirkt. Wie erwartet."

Sp?ter, als Bareti sie fragte, wie sie den Trank nennen solle, antwortete sie wie nebenbei: "Thal'nyssa ? Trunk der versunkenen Stimmen."

Es war ein am?santes Spiel. Doch Jhea'kryna kam nicht nur zum Spielen. Ihre Gedanken kreisten um den gefallenen Stern. Um das, was Bareti berichtet hatte: ein Himmelsk?rper, der s?dlich von Moonglow ins Meer gest?rzt sei.

Sie hatte selbst davon gelesen. In den Archiven der Sorcere. Zelraun der Zerfaserte hatte es einst prophezeit. Ein wirrer Mann, gewiss. Doch vielleicht hatte er recht. Vielleicht war dieser Fall kein Zufall. Kein Naturph?nomen. Vielleicht war es eine Mahnung. Oder ein Zeichen.

Bareti berichtete ihr ausf?hrlich. Vielleicht war es die Art einer Frau, die wusste, dass sie auf d?nnem Eis stand. Und Jhea'kryna h?rte. Nahm auf.

Schlie?lich schlug sie vor, sich an der Akademie Ars Magica ad Moonglow einzufinden. Um nach diesem sogenannten "Sternengucker" zu suchen, von dem der Magus Aetherium von Finsterrode bereits gesprochen hatte.

Ein alter Name. Ein Magier, von dem viele sprachen, den wenige verstanden. Doch es war Jhea'kryna gleich. Sie wollte Antworten. Und wenn dieser Stern ein Vorbote war, wollte sie es wissen.

Der Abend zog weiter. Weitere G?ste trafen ein. Ein Barde mit zu langen Ohren, der versuchte, sich ihr Gesicht und Gestalt einzupr?gen. Sie schenkte ihm keinen weiteren Gedanken. Er war ein Schatten unter vielen, unwichtig, bereits vergessen.

Dann kam der Paladin des Mondes. Ein Zwerg, stolz und voller Zorn. An seinem Mantel das Zeichen des Gildenlords. Sein Blick war hart wie Stahl. Doch er schwieg. Nahm ihre Anwesenheit hin. Ein Versprechen an das er sich gebunden f?hlte. Frieden in Baretis Taverne. Er wusste dass Bareti Jhea'krynas Seite w?hlen w?rde, sollte Ihr Versprechen der Neutralit?t von Wert sein.
Es am?sierte Sie, ihn ohnm?chtig zu sehen, noch voller Zorn und voll Wunsch nach Vergeltung f?r all das, was Ihnen von den Drow bereits angetan wurde.

Jhea war entz?ckt. Als Sie die Taverne verlie?en, trat Sie nahe an ihn heran. Und dann, mit fast z?rtlicher Geste, legte Sie Ihre Hand auf seinen Arm. Streichelte sie seinen Arm, so wie man einen Hund loben w?rde. Der Zwerg versteifte sich. Der Raum hielt den Atem an.

Tath'raen beobachtete die Szene mit einem kurzen Zucken im Blick. Eifersucht? Vielleicht. Doch Jhea kannte ihn. Sie drehte sich um, trat an ihn heran und streifte mit einem Finger ?ber sein Kinn.

Ein dumpfes, fast zufriedenes Brummen war die Antwort. Genug. Das Gleichgewicht war wiederhergestellt.

Dann verlie?en sie die Taverne. Wie Schatten, die sich vom Feuer l?sen. Der Abend war ein Erfolg. Informationen gewonnen. Spuren aufgenommen. Ein neues Spielbrett ge?ffnet.

Jhea'kryna war zufrieden. Nicht gl?cklich ? Zufriedenheit war kein Gef?hl, sondern ein Zustand. Und dieser Zustand sagte ihr: Es kommt Bewegung in die Dinge. Der Stern war gefallen. Die alten Prophezeiungen lebten auf. Und Bareti... war ein n?tzliches St?ck im Spiel.

Der Trunk hallte noch in ihrem Inneren nach. Stimmen, Schatten, alte Lieder. Aber Jhea'kryna war nicht schwach. Sie war Ky'Alur. Ilharess.

Und Elashinn w?rde bald mehr brauchen als Apfelmost, um sich dem zu stellen, was da kam.

Sie trat aus der Taverne. Der Mond warf silbriges Licht auf die Landshaft. Ihre Silhouette war klar. Gef?hrlich. Erhaben.

Und die Dunkelheit nahm sie wieder auf.

Re: Das Zupfen an den Saiten der Harfe die die Welt ersch?ttern

Verfasst: 08 Jun 2025, 11:22
von Xurina Ky'Alur
Die Schatten der Oberfl?chenwelt waren anders. Flacher und doch vertraut genug, denn mit der Zeit kannte Sie jeden Winkel, jede Ecke, jedes Dorf und jede Fassade dieser Schattenwelt.
Sie war alt geworden f?r Ihresgleichen und doch war das Gesicht noch jung.
Xurina glitt als Erste durch die T?r, ihre Sinne gesch?rft, der Blick wie eine Klinge, die durch Schatten und Nebel schnitt. Jeder Muskel angespannt, die Hand am Griff ihrer Waffe, pr?fte sie den Raum. Menschen, Oberfl?chler, schwache Ger?che von Angst, Neugier, s??em Apfelmost in der Luft. Kein unmittelbarer Feind. Aber Sicherheit war eine Illusion, und Xurina verachtete Illusionen mindestens genauso wie Sie Portale hasste.
Als Jhea?kryna eintrat, sp?rte Xurina die Ver?nderung. Die Atmosph?re wurde dichter, elektrisiert von der Pr?senz ihrer malla Ilharess, wie Sie die jenige schon die letzten 400 Jahre nannte.
Xurina blieb einen Schritt zur?ck, seitlich, bereit, den Raum mit einem einzigen Befehl zu s?ubern. Ihr Blick glitt ?ber Bareti, die Wirtin ? zu freundlich, zu offen, zu verletzlich. Ein Ziel, kein Hindernis. Nicoletta, die Bardame, verstummte und Xurina l?chelte kalt.
Xurina beobachtete, wie Jhea?kryna sich setzte, jede Bewegung ein Schauspiel aus Kontrolle und Macht. Sie selbst blieb stehen, den R?cken zur Wand, die Augen nie still. Dann wies Sie dem Sargtlin an der rechten Seite von Ihrer Ilharess zu stehen, als jene sich setzte. Danach setzte sich die Veldriss zur Linken der Ilharess.
Ihre Finger trommelten leise auf dem h?lzernen Tisch.Sie musterte die Anwesenden, suchte nach versteckten Klingen, nach Blicken, die zu lange verweilten. Ihre Paranoia war grenzenlos und hungrig.
Als Bareti den Apfelmost reichte, funkelte Xurinas Blick. "Bwael der Sargtlin soll als erstes probieren!" Raunte die kr?ftige weibliche Drowstimme mit einer Dominanz und Abscheu, mit dem man h?tte St?mme oder K?pfe spalten k?nnen.
Oberfl?chler und ihre Getr?nke, zu harmlos, um wahr zu sein. Sie beobachtete zun?chst den Sargtlin wie er trank. Es schien nicht vergiftet. Schade eigentlich. Dann musterte Sie Jhea?kryna, wie sie trank, ohne Regung. Ein winziger Lidschlag, eine falsche Regung in ihren Gesichtsz?gen w?re genug gewesen ein Massaker anzurichten.Von jetzt auf gleich auf das: OLOTH PLYNN DOS zu wechseln, wie einen roten Schalter den man umlegt mit zwei Optionen:Vernichten oder T?ten!Aber es geschah nichts.Stattdessen lie? die Ilharess lasziv und unbeeindruckt ihren Blick durch den Schankraum gleiten. Xurina war einen Moment entt?uscht und atmete tief raunend durch. Vor ihrem geistigen Auge hatte Sie Bareti mit einem sauberen Hieb den Kopf abgetrennt und die Bardame mit ihren eigenen Ged?rmen erw?rgt. Ein typischer drowischer und normaler Tagtraum einer Psychopathin die aus Spa? ins Schattenreich wanderte, wenn Ihr langweilig war.
In der Fremde war Xurina der Schatten, die Klinge, das zwischen den Welten schnitt. Loyal, argw?hnisch, bereit. Ein leises, gef?hrliches L?cheln zuckte ?ber ihre Lippen. Die Oberfl?chenwelt mochte freundlich wirken, doch Xurina wusste: Freundlichkeit war nur eine andere Form von Schw?che. Und Schw?che war etwas, das Sie neben den Portalen am meisten hasste.

In den Archiven [Sternenfall 2]

Verfasst: 08 Jun 2025, 19:46
von Jhea'kryna Ky'Alur
Das Buch war alt.
Nicht nur in seinem Geruch, nicht nur in den br?chigen Seiten aus Dunkeleibenpergament,
sondern in der Art, wie es atmete.
Wie etwas, das ?ber Jahrhunderte in dunklen Nischen geschwiegen hatte ? und nun nicht fl?sterte, sondern wartete.

Zelraun der Zerfaserte.
Ein Name, den man an der Sorcere nur mit einem abf?lligen Naser?mpfen erw?hnte. Ein Ketzer, ein Wirrkopf, ein Schw?rmer. Aber auch ? das war Jhea'kryna nie entgangen einer der wenigen, die bis zuletzt frei gedacht hatten.

Sie schlug das Buch auf. Die Tinte war stellenweise verblasst, doch die Schrift blieb schneidend wie Glas.

?Wenn die Sterne fallen, so f?llt mit ihnen das Ma? der Ordnung.
Denn sie sind die Anker im Gewebe.
Und was f?llt, f?llt nicht nur vom Himmel ?
sondern aus der Zeit.?

Jhea'kryna schnaubte leise.
Dramatisch wie ein angebrannter Barde.
Aber nicht ohne Muster.
Denn weiter unten hie? es:

?Es gibt kein Feuer, das allein verbrennt. Ein jeder Brand, der am Firmament geboren wird, entz?ndet auch die Gedanken jener, die zu nahe stehen.
Magie ist Ged?chtnis ? und das Ged?chtnis ist ein Netz.?

Sie hatte den Satz zweimal gelesen. Dann ein drittes Mal. Magie ist Ged?chtnis. Das Arkane als Erinnerung der Welt.

Was, wenn ein Stern dieses Ged?chtnis verbrannte? Nicht die Zauber selbst ? sondern das Verst?ndnis von Ursache und Wirkung, von Struktur und Ordnung?

In der Randnotiz eines sp?teren Kapitels ? kaum leserlich, offenbar mit zitternder Hand geschrieben ? fand sich ein letzter Hinweis:

?Ich sah ihn fallen, sah das Netz zucken,
sah mich selbst aus vielen Augen.
Und keine war die meine.
Wenn dies geschieht, flieh nicht.
Halte dich fest an deinem Namen.
Denn das Ich wird zersplittern,
ehe der Himmel es tut.?

Jhea'kryna schloss das Buch langsam. Nicht mit Erschrecken ? aber mit einem Gedanken, der kalt an ihrem Geist nagte.

Vielleicht war Zelraun kein Wahnsinniger.
Vielleicht war er nur zu fr?h.

Sie warf einen Blick zur Seite, wo sich ihre Sachen f?r den Aufbruch zur Akademie sammelten.
Der Magier Aetherium hatte seine Visionen, Moonglow hatte den Himmel ? aber nur sie hatte den Schatten, den dieses Buch warf.

Sie trat ans Fenster Ihres Arbeitszimmers.
Der Nebel ?ber den s?dlichen Wassern war ungew?hnlich dick an diesem Tag.
Ein Vorzeichen?
Oder ein Echo?


Die Kunde vom zweiten Einschlag erreicht Jhea'kryna nicht als lautes Ereignis ? sondern als ein leises, inneres Zerrei?en.
Noch bevor ein Bote hastig durch die G?nge eilt, noch bevor die Berichte die Schatten erreichen, sp?rt sie es.

Ein kaum h?rbarer Riss zieht sich durch das Gewebe der Realit?t ? nicht mit dem Ton eines zerrei?enden Tuchs, sondern wie das Verstummen einer vertrauten Melodie mitten im letzten Takt.

Ihre Schritte durch das steinerne Atrium verharren.
Die flackernden Runen, die sich eben noch in der Luft ?ber einer Kristall-Kugel gesammelt hatten, verlieren pl?tzlich ihre Form, sinken wie sterbende Gl?hw?rmchen zu Boden.
Ihr Blick hebt sich ? aber er sieht nicht.
Nicht wirklich.

Dann kommt die Welle.
Nicht k?rperlich. Nicht sichtbar.
Aber das Arkane selbst? zittert.
Es ist kein Schmerz mehr, wie beim ersten Einschlag ? dieser Schlag ist tiefer. Stiller.
Nicht wie ein Nadelstich ins Hirn ? sondern wie das Gef?hl, dass einem jemand den Boden unter den F??en wegrei?t, aber der Fall niemals endet.

Sie keucht nicht. Sie bricht nicht ein. Sie steht. Bleibt stehen. Weil man von ihr erwartet, dass sie steht.

Aber ihre H?nde zittern leicht.
So wenig, dass selbst Xurina es kaum bemerken w?rde.
So sehr, dass sie es selbst nicht mehr ignorieren kann.

Und dann? kommen die Stimmen.

Nicht laut, nicht greifbar.
Fl?sternd ? nicht im Ohr, sondern in der Erinnerung.
Ihre Mutter. Ihre fr?here Lehrmeisterin.
Ein Bruder, den sie nie hatte ? oder doch?
Ihre Schwester, die verschwunden war.
Ein Kampf, den sie nicht k?mpfte.
Ein Triumph, der nie stattfand.
Ein Tod, an den sie sich erinnert, aber den sie nicht kennt. Nicht kennen kann.

Zwei Wahrheiten. Zwei Vergangenheiten. Und sie beide stimmen.
Sie atmet langsam aus, w?hrend ein Funke von Zorn in ihrer Brust auflodert.
Nicht ?ber den Komet. Nicht ?ber das Netz.
?ber die Anma?ung.
Dass etwas, irgendetwas, es wage, in ihr Innerstes zu greifen.
Ihre Erinnerung zu beflecken. Ihre Entscheidungen zu verwischen.
Jhea'kryna Ky?Alur vergisst nicht. Und sie l?sst sich nicht ver?ndern.

?Veldriss!?, ruft sie scharf. Die Schatten in den S?ulen regen sich, Xurina ist sofort da.
?Bereitet alles vor. Der Sternenw?chter muss sofort gefunden werden.?
Ihr Blick ist nun wie geh?rteter Stahl.
?Wir reisen heute.?

Tath?raen tritt an ihre Seite, das Gesicht wachsam, pr?fend.
Er sieht den starren Blick, das Vibrieren der Luft um ihre Gestalt.
Er wei?: Was eben noch Entschlossenheit war, ist nun eine Kriegserkl?rung.

Nicht gegen Moonglow. Nicht gegen die Akademie.
Nicht einmal gegen den Stern selbst.

Sondern gegen das Unbekannte, das es wagt, an Jhea'krynas Wirklichkeit zu r?hren.