Alniiras Abendlied

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Alniira Vrammyr
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Re: Alniiras Abendlied

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Der Anruf der Mondgöttin - Gebet und Lied

Die Nächte im tiefen Yew Wald waren anders. Die Stille war tiefer, der Mond schien heller, und die Luft war erfüllt von einer uralten, unberührten Kraft. Alniira hatte einen neuen Rhythmus gefunden, weit entfernt von der fieberhaften Angst Elashinns und der rohen Wildheit ihres ersten Exils. Es war ein Rhythmus des Friedens, der Akzeptanz. Und in dieser Nacht, auf einer moosbewachsenen Lichtung, die von uralten Bäumen wie von den Säulen eines Tempels umstanden war, spürte sie einen überwältigenden Drang in sich. Es war keine Bitte aus Verzweiflung, sondern ein Bedürfnis aus Dankbarkeit.

Sie zog ihr Schwert nicht. Stattdessen kniete sie weich ins Moos, ihre Hände legte sie mit den Handflächen nach oben auf ihre Knie, eine Geste der vollkommenen Offenheit und Hingabe. Sie schloss die Augen, hob ihr Gesicht zum unsichtbaren Blätterdach und ließ die Worte aus ihrem Herzen fließen, leise und doch klar in der nächtlichen Stille.
Alniira hat geschrieben:Herrin des Mondes, Tänzerin zwischen den Sternen. Ich knie nicht als Bittstellerin, sondern als dein Kind, das nach Hause gefunden hat. Du hast mich aus einer Dunkelheit geführt, die ich für mein Schicksal hielt. Du hast mir gezeigt, dass mein Herz nicht aus Stein ist, sondern aus Fleisch, das fühlen kann. Du hast mir die Gabe der Tränen zurückgegeben, die Gabe des Lachens, das Geschenk der Treue und die Wärme der Liebe. Du hast die Bestie in mir nicht getötet, du hast mir nicht befohlen, sie zu unterwerfen. Du hast mir beigebracht, mit ihr zu tanzen, ihre Stärke als meine eigene anzunehmen und ihren Zorn in Leidenschaft zu verwandeln. Für diese Geschenke... für diesen Ausweg... für dieses Leben... fehlen mir die Worte des Danks.
Die gesprochenen Worte versiegten, denn sie fühlten sich unzureichend an, zu klein für die überwältigende Flut der Dankbarkeit, die sie durchströmte. Und so trat an ihre Stelle, was immer dann kam, wenn Worte nicht mehr reichten: eine Melodie.

Zuerst war ihre Stimme nur ein brüchiges, zögerliches Summen. Eine Melodie, die sie nie zuvor gehört hatte, die aber in ihrer Seele zu schlummern schien. Dann, als ihre Zuversicht wuchs, formten sich Worte, einfach und rein.

Wo Schatten war, ist nun dein Licht,
Wo Hass regiert', dein Angesicht.
Die Kette ward zu Silberstaub,
Dein Lied erweckt das trockne Laub.

Ihre Stimme, einst nur für Befehle oder verächtliches Schweigen genutzt, wurde klarer, kräftiger. Sie legte den Kopf in den Nacken und ließ das Lied frei in den Wald hinausströmen. Der Wolf in ihr heulte nicht mit. Er summte mit, eine tiefe, resonante Vibration in ihrer Brust, die dem klaren Gesang ihrer Drow-Stimme eine wilde, erdige Harmonie verlieh. Es war ein Duett, der Gesang zweier Seelen in einem Körper, vereint in einem einzigen, reinen Gefühl.

Als der letzte Ton ihres Liedes verklang, hinterließ er eine dichte, erwartungsvolle Stille. Alniira verharrte, kniend, lauschend, ihr Herz und ihre Seele weit geöffnet für die Antwort, die sie zu rufen gewagt hatte.

Die Stille, die auf Alniiras Lied folgte, war nicht leer. Sie war gefüllt mit einer lauschenden Präsenz. Zuerst war es nur ein Gefühl, ein sanftes Kribbeln auf ihrer Haut. Doch dann geschah es.

Ganz leise, wie von den Blättern selbst gesummt, erwiderte der Wald ihre Melodie. Es war kein bloßes Echo. Der Wind, der durch die Wipfel der Yew-Bäume strich, schien die Töne zu tragen, das leise Plätschern eines nahen Baches nahm den Rhythmus auf, und selbst das ferne Heulen eines Wolfes schien sich für einen Moment in die Harmonie einzufügen. Es war die Antwort. Elistraee hatte sie gehört.

Tränen der Dankbarkeit und der Erleichterung stiegen in Alniiras Augen auf. Langsam, mit einer neuen, unerschütterlichen Anmut, stand sie auf. Sie zog ihr Schwert, und die Mondrunen auf der Klinge leuchteten mit einer klaren, pulsierenden Intensität auf, als würden sie im Takt der Waldmelodie schlagen. Dies war der Moment, ihre Dankbarkeit in eine Tat zu verwandeln. In einen Eid.

Ihr Tanz begann mit einer scharfen, endgültigen Bewegung. Sie vollführte eine schnelle, aggressive Drehung, die in einem tiefen, stampfenden Ausfallschritt endete – eine direkte, verächtliche Geste in die Richtung des fernen Elashinn. Ihr Schwert schnitt mit einem zischenden Laut durch die Luft.
Alniira hat geschrieben:Die Zeit des Stiefelleckens ist vorbei! Die Zeit der verlogenen Demut vor einer feigen Ilharess ist beendet!
Jede Bewegung war nun ein Akt der Befreiung. Sie tanzte die starren, unterwürfigen Posen ihres alten Lebens, nur um sie mit einem schnellen, befreienden Hieb ihres Schwertes zu zerschmettern. Die unterwürfige Verneigung wurde zu einem Sprung in die Luft, die gebückte Haltung zu einer aufrechten, stolzen Pose. Es war ein wilder, freudiger Tanz, der die Ketten sprengte, die sie so lange getragen hatte.

Dann, als die Wut der Erinnerung verflogen war, wurde der Tanz weicher, fließender. Die Melodie des Waldes wurde zu ihrem Leitfaden. Ihre Bewegungen wurden zu den weiten, kreisenden Formen, die sie in den letzten Tagen geübt hatte. Sie tanzte die Freiheit. Ihr Schwert malte weite, silberne Bögen in die Luft, die die unendliche Weite des Himmels symbolisierten. Ihre Füße bewegten sich in einem leichten, fast schwebenden Rhythmus über das Moos, ein Ausdruck der Leichtigkeit, die ihr Herz erfüllte. Der Wolf in ihr tanzte mit, nicht als Bestie, sondern als freier Geist, seine Freude spiegelte sich in der wilden Anmut ihrer Sprünge wider.

Auf dem Höhepunkt dieser Freude sank sie langsam auf ein Knie. Der Tanz wurde zu einem feierlichen, heiligen Eid. Sie hob das Schwert, die leuchtenden Runen erhellten ihr Gesicht, und richtete die Spitze zuerst auf ihr eigenes Herz.
Alniira hat geschrieben:Ich, Alniira, einst Schmiedin des Hauses Ky'Alur, stelle mein Herz, meine Hand und meine Klinge in deinen ewigen Dienst. Mein Leben, das du mir zurückgegeben hast, gehört nun dir.
Langsam und bedächtig hob sie das Schwert und richtete die Spitze zum Mond, der durch die Blätter schien.
Alniira hat geschrieben:Ich schwöre bei deinem silbernen Licht, deine Wege zu gehen. Ich schwöre, die Schönheit zu ehren, die Freiheit zu verteidigen und jenen Hoffnung zu bringen, die in der Dunkelheit gefangen sind. Ich bin deine Klinge. Ich bin dein Lied. Ich bin deine Tänzerin, von diesem Tag an bis zu meinem letzten Atemzug.
Zuletzt ließ sie die Spitze des Schwertes sinken und richtete sie in die Tiefe des Waldes, in die Richtung, in der sie Rianon vermutete. Ihre Stimme wurde zu einem leisen, flehentlichen Flüstern.
Alniira hat geschrieben:Und ich bitte dich, Herrin... wache über ihn. Beschütze ihn in dieser gefährlichen Zeit, die ich über ihn gebracht habe. Gib ihm Frieden, bis ich stark genug bin, ihm selbst welchen zu bringen.
Mit diesem letzten Gelübde stieß sie die Klinge sanft in die Erde vor sich. Sie verharrte in dieser knienden Position, den Kopf gesenkt, und spürte, wie die Melodie des Waldes langsam verklang. Zurück blieb nicht Leere, sondern eine tiefe, erfüllende Stille. Der Eid war geleistet. Ihr Weg hatte gerade erst begonnen.

Nachdem der Eid gesprochen war und die Klinge in der Erde ruhte, blieb Alniira für einen langen Moment knien. Doch es war keine Haltung der Unterwerfung mehr, sondern eine des Innehaltens, des Aufnehmens. Eine Welle der reinen, ungetrübten Freude durchströmte sie, so kraftvoll und unerwartet, dass sie ihr den Atem raubte. Es war, als hätte sie jahrelang nur Wasser aus einem staubigen, bitteren Brunnen getrunken und nun zum ersten Mal eine klare, kühle Quelle gefunden.

Langsam zog sie das Schwert aus dem Moos. Die Runen leuchteten nun nicht mehr nur, sie schienen zu singen, ein stilles, silbernes Lied. Sie erhob sich, und ein Lächeln, echt und ungezwungen, erhellte ihr Gesicht. Es war Zeit für das Loblied.

Der Tanz begann nicht mit einem Schritt, sondern mit einem Lachen. Einem klaren, befreiten Lachen, das von den Bäumen widerhallte.

Ihr Körper explodierte in Bewegung, aber es war keine Gewalt darin, keine Wut. Es war die pure, kinetische Energie der Freude. Sie sprang hoch in die Luft, ihre Beine angezogen, und landete so weich wie fallendes Laub. Sie wirbelte auf der Stelle, ihr Umhang flog um sie herum wie die Flügel eines Nachtfalters, ihr Haar eine dunkle Wolke im Mondlicht. Ihr Schwert war kein Werkzeug mehr, sondern ein Partner. Sie führte es nicht, sie tanzte mit ihm. Die Klinge focht nicht gegen unsichtbare Feinde, sondern spielte mit den silbernen Strahlen des Mondes, focht ein scherzhaftes Duell mit den tanzenden Schatten und malte fröhliche, vergängliche Spiralen in die Luft.

Dies war der Tanz der Umarmung des Lebens. Ihre Bewegungen ahmten die Welt nach, die sie nun als ihre eigene ansah. Sie tanzte das langsame, würdevolle Wiegen der alten Yew-Bäume im Wind, ihre Arme und das Schwert eine einzige, fließende Linie. Sie tanzte das schnelle, zitternde Entfalten eines Farnblattes im Frühling, eine Serie von schnellen, kleinen Bewegungen, die in einer offenen, einladenden Geste endeten. Sie tanzte den Flug eines Vogels, der sich in die Lüfte schwingt, ihr Körper leicht und schwerelos.

Und sie tanzte die Freundschaft. In ihrer Vorstellung war sie nicht allein. Sie war umgeben von ihrem Rudel. Sie vollführte die spielerischen, tollpatschigen Sprünge, mit denen sich die Wölfe gegenseitig herausforderten. Sie duckte sich und schnellte vor, ein Scheinangriff, der in einem fröhlichen Wirbel endete. Der Wolf in ihr war nicht länger nur ein Teil von ihr, er war die Quelle dieser Freude. Seine wilde, ungezähmte Natur war nicht mehr Zorn, sondern pure, unverfälschte Lebenslust.
Alniira hat geschrieben:Ich bin nicht allein! Ich bin Teil des Waldes, Teil des Rudels, Teil deines Liedes, Herrin!
Der Tanz endete nicht in einem erschöpften Zusammenbruch oder einer angespannten Stille. Er floss sanft aus. Ihre Bewegungen wurden langsamer, weicher, bis sie schließlich in der Mitte der Lichtung stillstand, das Schwert locker in der Hand, ihr Atem ruhig, ihr Herz erfüllt von einer Wärme, die sie nie für möglich gehalten hätte.

Sie blickte zum Mond auf, und die Tränen, die nun über ihre Wangen liefen, waren keine Tränen der Trauer oder der Verzweiflung. Es waren Tränen der reinen, überwältigenden Freude. Sie hatte nicht nur überlebt. Sie hatte angefangen zu leben.

Die Tränen der Freude trockneten auf Alniiras Wangen, und die Wärme in ihrer Brust wich einem sanften, ziehenden Gefühl. Einer Sehnsucht. Nicht nach einer verlorenen Vergangenheit, sondern nach einer gefundenen Gegenwart. Sie steckte ihr Schwert in die Scheide, doch anstatt den Rückweg zu ihrem einsamen Lager anzutreten, wandte sie sich in eine andere Richtung. Es war Zeit, nach Hause zu gehen.

Sie schloss die Augen und ließ die Veränderung zu. Es war kein Kampf mehr, kein schmerzhaftes Zerren an Knochen und Muskeln. Es war ein sanftes, willentliches Fließen, ein Nachgeben. Sie sank auf alle Viere, spürte, wie ihr Körper sich streckte, wie Fell aus ihrer Haut spross und ihre Sinne sich zu der scharfen, klaren Wahrnehmung eines Wolfes erweiterten. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie die Welt nicht mehr als Drow, sondern als Jägerin der Nacht.

Ihr Lauf durch den Yew Wald war ein Lied ohne Töne. Ihre Pfoten berührten den Boden kaum, sie glitt durch das Unterholz, ein grauer Schatten, der mit der Dunkelheit verschmolz. Jeder Geruch erzählte eine Geschichte, jedes Geräusch war eine klare Botschaft. Sie folgte dem vertrauten Pfad, der nicht von Füßen, sondern von Pfoten getreten worden war, bis sie den schwachen, erdigen Geruch des Rudels wahrnahm.

Sie verlangsamte ihren Schritt, als sie sich dem Lager der Wölfe näherte, eine Geste des Respekts. Der alte Leitwolf hob den Kopf, seine bernsteinfarbenen Augen musterten sie ohne Argwohn. Er begrüßte sie mit einem leisen Schnauben und einem sanften Stupser seiner Nase gegen ihre Schulter. Sie war akzeptiert. Sie gehörte dazu.

Als die Welpen müde wurden und sich einer nach dem anderen an ihre Seite kuschelten, um in den Schlaf zu sinken, legte Alniira ihren Kopf auf die Pfoten und schloss die Augen. Die wilde Freude des Tages wich einer tiefen, zufriedenen Ruhe. Sie lauschte dem gleichmäßigen Atmen ihrer neuen Familie, spürte die Wärme ihrer Körper neben sich und fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben vollkommen geborgen.

In diesem Moment der vollkommenen Stille geschah etwas.

Das sanfte Mondlicht, das durch das Blätterdach fiel, schien sich zu verdichten. Es wurde zu einer greifbaren, silbernen Decke, die sich nicht nur über Alniira, sondern über das gesamte schlafende Rudel legte. Es war kein grelles, sondern ein weiches, atmendes Licht, das die Kälte der Nacht vertrieb und eine tiefe, göttliche Ruhe ausstrahlte. Es war ein stiller Segen, eine schützende Umarmung.

Im Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen, eingehüllt in dieses heilige Licht, glaubte Alniira, eine Stimme zu hören. Sie kam nicht von außen, sondern erklang sanft in ihrem Geist, klar wie eine Mondnacht und warm wie das Herzfeuer einer Esse.
Elistraee hat geschrieben:Du musst dir keine Sorgen machen, mein Kind. Alles nimmt seinen Lauf. Alles ist gut, so wie es ist. Ich werde über dich wachen. Und ich werde über Rianon wachen. Finde deinen Frieden.
Eine letzte, schwere Last fiel von ihrer Seele. Mit dem Versprechen der Göttin in ihrem Herzen löste sich der letzte Knoten der Angst, der sich um ihr Herz geschlungen hatte. Die Sorge um Rianon, die Ungewissheit der Zukunft, die Echos der Vergangenheit – all das wurde von der sanften Stimme und dem silbernen Licht weggewaschen.

Sie war umgeben von den schlafenden Körpern ihres Rudels, geborgen im Licht ihrer Herrin. Und zum ersten Mal seit einer unendlich langen Zeit war sie nicht nur glücklich. Sie war im Frieden.

Doch die eigentliche Begrüßung kam erst noch. Ein aufgeregtes, hohes Fiepen ertönte, und im nächsten Moment stürmten drei kleine, pelzige Energiebündel aus der Höhle. Die Welpen. Sie hatten sie schon erwartet. Sie umringten sie, kletterten über ihren Rücken, zerrten spielerisch an ihrem Fell und überschütteten sie mit stürmischen, ungestümen Liebesbeweisen.

Alniira ließ sich auf den Boden fallen und gab sich dem Chaos hin. Ein tiefes, gutturales Schnurren, das dem Lachen eines Wolfes am nächsten kam, vibrierte in ihrer Brust. Sie rollte sich auf den Rücken, stupste die Welpen sanft mit ihrer Schnauze und ließ sie über sich purzeln. Sie spielten, sie tobten, ein wildes, unschuldiges Knäuel aus Fell und Freude.

In diesem Moment gab es keine Vergangenheit und keine Zukunft. Es gab keine Schuld, keine Angst und keine komplizierten Gedanken. Es gab nur die weichen Körper der Welpen, die sich an sie schmiegten, das Gefühl von Zugehörigkeit und die unkomplizierte, bedingungslose Zuneigung einer Familie. Einer Familie, die sie nicht nach ihrem Blut oder ihrem Rang beurteilte, sondern nur nach dem Herzschlag, den sie teilten.

Als die Welpen müde wurden und sich einer nach dem anderen an ihre Seite kuschelten, um in den Schlaf zu sinken, legte sie ihren Kopf wieder auf die Pfoten und schloss die Augen. Sie war umgeben von den schlafenden Körpern ihres Rudels. Und sie war glücklich.
Alniira Vrammyr
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Re: Alniiras Abendlied

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Ein Tag im Rudel
Die Sonne stand hoch am Himmel, ihr Licht fiel in warmen, goldenen Flecken durch das dichte Blätterdach des Yew Waldes. Für Alniira war es kein Tag, der von Glocken oder Befehlen bestimmt wurde, sondern vom Knurren ihres Magens und dem Ruf der Wildnis. Sie war ein Wolf unter Wölfen, und der Tag begann, wie so viele Tage zuvor, mit der Jagd.

Es war ein instinktiver Tanz, eine Symphonie aus stiller Kommunikation und perfekter Koordination. Der alte Leitwolf gab mit einem kaum merklichen Nicken das Zeichen, und das Rudel fächerte lautlos aus, jeder kannte seine Position. Alniira, deren Sinne eine Mischung aus Drow-Intelligenz und Wolfsinstinkt waren, war eine unschätzbare Jägerin. Sie spürte die kleinste Veränderung im Wind, las die Spuren im Boden wie die Zeilen eines Buches.
Gemeinsam trieben sie einen stattlichen Hirsch in die Enge. Es gab keinen sinnlosen Zorn, keine Grausamkeit. Nur den sauberen, ehrlichen Kreislauf des Lebens und des Todes.
Das Fleisch wurde geteilt, nicht nach Rang oder Intrige, sondern nach Notwendigkeit. Die Welpen und die säugenden Fähen fraßen zuerst, dann der Rest des Rudels. Es gab keine Gier, kein Misstrauen. Nur die einfache, unumstößliche Wahrheit, dass das Überleben des Einzelnen vom Überleben aller abhing.

Der Rest des Tages war ein Geschenk. Eine Zeit des Spiels und der Ruhe. Die Welpen, die sie nun als eine Art große, seltsame Tante betrachteten, kletterten über sie, zerrten an ihrem Fell und forderten sie zu tollpatschigen Jagdspielen heraus. Alniira gab sich der Freude hin, rollte sich mit ihnen im Laub, stupste sie sanft mit ihrer Schnauze und spürte eine Form der Zuneigung, die so rein und bedingungslos war, wie sie es nie für möglich gehalten hätte.

Als die Dämmerung hereinbrach und das Rudel sich zur Ruhe legte, zog sie sich zu ihrer Lichtung zurück. Die Verwandlung zurück in ihre Drow-Gestalt war nun ein vertrautes, sanftes Gefühl. Sie kniete nicht nieder, um zu kämpfen oder zu bitten. Sie setzte sich einfach ins Moos, legte ihr Schwert neben sich und blickte zum aufsteigenden Mond auf. Ihr abendliches Ritual war kein Tanz mehr, sondern ein stilles, herzliches Gespräch.
Alniira hat geschrieben:Herrin, ich habe heute wieder so viel gelernt. Ich habe gelernt, dass Stärke nicht im Nehmen, sondern im Teilen liegt. Ich habe gelernt, dass Freude nicht in der Macht über andere, sondern im Spiel mit ihnen zu finden ist. Ich habe die Treue meines Rudels gespürt, eine Liebe, die keine Worte braucht. Ich danke dir für diese Einfachheit. Ich danke dir für diese Ruhe. Ich danke dir für diese Freiheit. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber heute... heute war ein guter Tag.
Sie verharrte lange in der Stille, lauschte den Geräuschen des Waldes, der nun ihre einzige Kathedrale war. Der Schmerz war nicht verschwunden, aber er war ein leises Echo geworden, übertönt von der lauten, klaren Melodie ihres neuen Lebens
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Rianon
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Ein Tag im Rudel doch aus einer anderen Sicht

Beitrag von Rianon »

Die Sonne stand hoch am Himmel, ihr Licht drang in warmen, flimmernden Flecken durch die Baumkronen des Yew Waldes. Rianon lief mit federnden Schritten über das weiche Moos, die Muskeln unter seinem grünen Fell arbeiteten im Rhythmus des Rudels. Der Geruch von Erde, Laub und nahender Beute lag dicht in der Luft, und obwohl sein Herz mit dem Drang zur Jagd pochte, fühlte er sich seltsam beobachtet. Der alte Leitwolf, ein massiger, grauer Rüde mit Augen wie das tiefe Wasser eines Sees, hatte ihn seit Beginn des Tages im Blick. Als das Rudel sich in einem weiten Bogen um den Hirsch verteilte, kam der Leitwolf wortlos zu ihm. Er stellte sich ihm in den Weg, senkte leicht den Kopf und hielt Rianon mit einem festen Blick an Ort und Stelle. Ein tiefes, vibrierendes Brummen drang aus seiner Kehle – kein Drohen, eher eine ruhige Aufforderung. Dann drehte er sich um und schritt langsam nach hinten. Rianon zögerte, doch der graue Rüde sah sich über die Schulter nach ihm um, fixierte ihn mit einem Blick, der keine Widerrede zuließ, und wartete, bis er folgte.
Hinten im Rudel spürte Rianon die Unruhe in sich. Er sah die kräftigen Jäger vor sich, die den Hirsch umzingelten, und fühlte, wie sein Instinkt ihn nach vorne zog. Doch der Leitwolf blieb am Ende der Formation, Schritt für Schritt, und seine Haltung sprach eine klare Sprache: Hier ist der Platz, von dem aus man alles sieht. Mit einem kaum merklichen Ohrenspiel deutete der Alte auf die anderen. Rianon folgte seinem Blick: ein jüngerer Wolf, der unaufmerksam geworden war und beinahe das Rudel verlor; eine ältere Fähe, die mit Mühe Schritt hielt. Der Leitwolf glitt näher an sie heran, stupste sie mit der Schnauze und wartete, bis sie wieder im Rhythmus war. Dann sah er Rianon direkt an. Keine Worte, nur ein Blick, der sagte: Als Alpha läufst du nicht vorne, um zu glänzen. Du läufst hinten, damit niemand zurückbleibt.
Als der Hirsch schließlich gestellt und erlegt wurde, trat der Leitwolf zurück. Er saß ruhig am Rand und wartete, bis die Welpen und säugenden Fähen fraßen, dann die Jäger. Erst, als für alle gesorgt war, schritt er vor und nahm ein paar knappe Bissen, nicht mehr. Währenddessen traf sein Blick erneut Rianons. Diesmal lag darin keine Aufforderung, sondern die stille Frage: Verstehst du jetzt? Später, als die Sonne tiefer stand und das Rudel auf der Lichtung ruhte, setzte sich der Alte neben ihn. Ohne ihn anzusehen, schwenkte er die Schnauze zu den Welpen, die im Laub tollten. Ein winziges, fast unhörbares Winseln entglitt ihm – ein Laut, den Rianon erst nicht einordnen konnte. Dann verstand er: Sie sind die Schwächsten. Wenn wir sie nicht beschützen, verliert das Rudel seine Zukunft. Rianon beobachtete, wie einer der Welpen stolperte und quiekend im Laub verschwand. Sofort sprangen zwei ältere Wölfinnen herbei, hoben ihn sanft wieder hoch und brachten ihn zurück in den Kreis der Geschwister. Kein Knurren, keine Strafe – nur Sicherheit, Wärme und Geduld. Der Leitwolf blickte Rianon an und hielt den Blick lange. Das Rudel ist nur so stark wie die, die am wenigsten stark sind.
Als die Dämmerung sich wie ein weicher Schleier über den Yew Wald legte, zog sich Alniira leise zurück. Rianon erhob sich, doch diesmal ließ er die Welpen, die ihn spielerisch anstupsten, nicht unbeachtet zurück. Er stupste jeden mit der Schnauze an, sah ihnen nach, bis sie in Sicherheit waren, und folgte dann den Spuren seiner Gefährtin. Er fand sie auf einer kleinen Lichtung, wo das Mondlicht wie ein stilles Band durch das dichte Blätterdach fiel. Sie hatte sich in ihre Drow-Gestalt zurückverwandelt, saß im Moos und sprach leise, Worte, die nicht für ihn bestimmt waren. Rianon legte sich in einiger Entfernung ins Gras, spürte den kühlen Boden unter seinem Fell und lauschte, während sie betete. Die Augen des Leitwolfs schienen daber immernoch auf ihm zu ruhen. Ein Alpha führt von hinten. Er achtet darauf, dass niemand verloren geht.
Rianon schloss die Augen. Der Geruch von Moos, Erde und Alniiras ruhiger Gegenwart hüllte ihn ein. Er hatte heute eine Lektion gelernt und viele werden noch filgen. Doch zunächst, in dieser Stille, fühlte er sich ein Stück mehr mit dem Wolf in ihm in Balance. Und so schlief er, ohne dass er es merkte, leise neben Alniira ein, während sie zum Mond sprach.

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Alniira Vrammyr
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Re: Alniiras Abendlied

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Der Tanz im Silberregen

Die Nacht war eine Leinwand aus flüssiger Dunkelheit. Ein starker, unerbittlicher Regen prasselte auf das Blätterdach des Yew Waldes, jeder Tropfen ein leiser Trommelschlag auf der Haut der Welt. Doch der Himmel war nicht vollständig schwarz. Hinter den ziehenden Wolken kämpfte sich der Mond hindurch, sein Licht brach sich in den unzähligen fallenden Tropfen und verwandelte den Regen in einen Vorhang aus flimmerndem, flüssigem Silber.

Alniira stand in der Mitte ihrer Lichtung, unbewegt, und ließ den Regen auf sich herabströmen. Er wusch den Duft des Tages von ihrer Haut und kühlte sie ab. Es war kein unangenehmes Wetter. Es war eine Reinigung. Langsam, mit einer fast zeremoniellen Geste, zog sie ihr Schwert. Die Mondrunen auf der Klinge erwachten und schienen das silberne Licht des Regens in sich aufzusaugen, bis sie mit einer sanften, ruhigen Intensität glühten.

Sie schloss die Augen. Die Welt um sie herum verschwand, ersetzt durch die Dunkelheit hinter ihren Lidern. Und in dieser Dunkelheit war sie nicht allein. Eine Gestalt aus reinem, sanftem Licht trat an ihre Seite. Es war nicht die ferne, majestätische Göttin, die sie in der Schmiede geführt hatte. Diese Gestalt war anders. Näher. Es war eine Freundin, deren Lächeln sie spüren konnte, auch ohne es zu sehen.

Der Tanz begann.

Es war kein Tanz des Kampfes oder der Trauer. Es war ein Spiel. Ihre ersten Bewegungen waren unendlich langsam. Sie hob das Schwert, und vor ihrem geistigen Auge tat ihre silberne Partnerin es ihr gleich. Die Welt schien den Atem anzuhalten. Die Zeit selbst dehnte sich, wurde zähflüssig wie Harz. Jeder fallende Regentropfen wurde zu einem funkelnden Diamanten, der in Zeitlupe an ihnen vorbeischwebte.
Alniira führte ihre Klinge in einer sanften, geschwungenen Bewegung durch die Luft. Der leuchtende Stahl berührte die Tropfen nicht, doch sein bloßes Vorbeigleiten schien ihre Flugbahn zu verändern. Ein einzelner, perfekter Tropfen, der auf ihre Wange gefallen wäre, wurde von der unsichtbaren Aura der Klinge erfasst und in eine sanfte Spirale um ihren Kopf gelenkt, bevor er weiter zu Boden sank. In ihrer Vision tanzte die silberne Gestalt mit ihr, ihre Bewegungen eine perfekte Harmonie, und gemeinsam begannen sie, mit dem Regen zu spielen.

Sie wurden zu Weberinnen des Sturms. Mit weiten, kreisenden Bewegungen ihres Schwerter malten sie Muster in die Luft. Die Regentropfen folgten diesen unsichtbaren Linien. Sie schufen einen Tunnel aus wirbelnden, leuchtenden Wassertropfen, durch den sie tanzten. Sie ließen einen Vorhang aus Silberperlen vor sich entstehen, nur um ihn mit einer sanften, synchronen Bewegung ihrer Klingen zu teilen. Es war ein Tanz von unglaublicher Schönheit und Intimität, ein stilles Gespräch, das nur durch die Bewegung der Körper und das Spiel mit dem Licht geführt wurde.

Der Wolf in ihr war wach, aber er war nicht wild. Er war fasziniert. Seine Sinne waren nicht auf Gefahr, sondern auf die reine, kindliche Freude dieses Moments ausgerichtet. Er spürte die Kühle des Regens, sah das Funkeln jedes einzelnen Tropfens und fühlte die tiefe, unerschütterliche Verbundenheit zu der leuchtenden Gestalt, die mit seiner Alniira tanzte.

Auf dem Höhepunkt des Tanzes, als sie Seite an Seite standen, umgeben von einem Kokon aus schwebenden, leuchtenden Wassertropfen, die sich weigerten zu fallen, wandte sich die silberne Gestalt in Alniiras Geist ihr zu. Sie lächelte, und ihre Stimme war kein göttlicher Befehl, sondern das warme, vertraute Flüstern einer Freundin.
Die Stimme hat geschrieben:Du hast mich als Herrin angerufen, als Göttin angebetet. Aber in diesem Tanz, hier und jetzt, bin ich einfach nur Eilistraee.
Der Name war keine Offenbarung, die Alniira erschütterte. Es war eine Bestätigung. Eine Bestätigung für die Freundschaft, die sie in diesem Moment spürte. Eine Welle der Wärme durchströmte sie, die nichts mit der Kühle des Regens zu tun hatte.

Der Tanz endete nicht abrupt. Er floss sanft aus. Ihre Bewegungen wurden langsamer, die manipulierten Regentropfen sanken einer nach dem anderen zu Boden, bis nur noch der normale, stetige Regen auf sie herabfiel. Sie standen noch einen Moment still, die Vision von Eilistraee und sie selbst, bevor die leuchtende Gestalt langsam verblasste und Alniira wieder allein mit dem Geräusch des Regens war.
Sie öffnete die Augen. Sie war durchnässt, aber ihr war nicht kalt. Sie war allein, aber sie fühlte sich nicht einsam. Sie senkte ihr Schwert, und das Leuchten der Runen erlosch. Der Regen wusch die Welt sauber, und in ihrem Herzen war ein Gefühl des Friedens und einer tiefen, unzerbrechlichen Freundschaft, das wärmer war als jedes Feuer.

Gemeinsam im Regen

​Als der letzte Hauch der göttlichen Präsenz verblasste, stand Alniira allein im unablässigen, silbernen Regen. Sie war durchnässt, aber ihr war nicht kalt. Sie war allein, aber sie fühlte sich nicht einsam. Ein Lächeln verweilte auf ihren Lippen, ein stilles Echo der Freude und der tiefen, unzerbrechlichen Freundschaft, die sie gerade erfahren hatte.

​Langsam, ohne Eile, ließ sie die Veränderung zu. Die Tränen der Freude, die noch auf ihren Wangen gelegen hatten, waren mit der Verwandlung verschwunden, weggewaschen von der Magie, die ihren Körper umformte. Es war ein sanftes, willentliches Fließen.

Sie sank auf alle Viere, spürte, wie ihr Körper sich streckte, wie graues Fell aus ihrer Haut spross und ihre Sinne sich zu der scharfen, klaren Wahrnehmung eines Wolfes erweiterten. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie die Welt nicht mehr als Drow, sondern als Jägerin der Nacht.

​Sie schüttelte das Wasser aus ihrem dichten Fell und wandte sich dem Lager des Rudels zu. Doch sie war nicht allein. Ein zweiter Schatten löste sich von den Bäumen und trat an ihre Seite. Ein großer, grünlich schimmernder Wolf, dessen bernsteinfarbene Augen sie mit einer stillen Vertrautheit ansahen. Rianon. Er war da. Es bedurfte keiner Worte, keiner Gesten. Ihre Seelen erkannten sich, und für diesen Moment war das genug.

​Gemeinsam traten sie den Weg zum Rudel an. Der alte Leitwolf begrüßte sie mit einem tiefen Brummen, das sowohl Rianon als auch sie einschloss. Sie waren Teil dieses Kreises.

​Und dann begann die Wanderung.

Es war keine Jagd, kein zielgerichteter Marsch. Es war ein stilles Genießen der Welt, so wie sie war. Das gesamte Rudel setzte sich in Bewegung, eine fließende Masse aus grauen und grünen Schatten, die sich durch den regennassen Wald bewegte.
Sie genossen das Gefühl der kühlen Tropfen auf ihrem Fell, das sanfte Plätschern, das die einzige Musik der Nacht war, und das Leuchten des Mondes, das die Welt in ein magisches Licht tauchte.

​Selbst die kleinen Welpen waren dabei. Um sie zu schützen, bewegte sich das Rudel in einer kreisenden, fließenden Formation. Die erfahrenen Jäger bildeten den äußeren Ring, wachsam und stark. Alniira und Rianon fanden ihren Platz in diesem schützenden Kreis, Seite an Seite. In der Mitte, sicher und geborgen, tollten die Welpen, sprangen über nasse Wurzeln und jagten Regentropfen, die von den Blättern fielen.

​Alniira lief neben Rianon, ihre Schultern berührten sich bei jedem Schritt. Sie blickte zu ihm, sah das Mondlicht, das sich in seinem feuchten, grünlichen Fell spiegelte, und spürte eine tiefe, ruhige Verbundenheit. Der Schmerz der Schuld war einer leisen, hoffnungsvollen Melancholie gewichen.

Sie waren zusammen, zwei Seelen, die versuchten, einen neuen Weg zu finden. Und um sie herum war Alniiras Familie, die sie beschützte und akzeptierte.
​Es war keine laute Freude wie im Tanz zuvor. Es war etwas Tieferes. Ein stilles, unerschütterliches Glück, das sich aus dem einfachen Akt des gemeinsamen Seins speiste. Und während sie so durch die regnerische, mondbeschienene Nacht streiften, wusste Alniira, dass sie genau da war, wo sie hingehörte.
Alniira Vrammyr
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Re: Alniiras Abendlied

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu, und das Licht im Yew Wald wurde weich und golden. Alniira streifte nicht allein durch das Unterholz. An ihrer Seite, mit der unbändigen Neugier eines Heranwachsenden, tapste einer der jüngsten Wölfe des Rudels. Sein Fell war noch weich und zottelig, seine Pfoten schienen noch ein wenig zu groß für seinen Körper, und er blieb immer wieder stehen, um an einer Wurzel zu schnüffeln oder einem Schmetterling mit den Augen zu folgen.

Alniira hatte eine besondere Verbindung zu ihm. Er war der erste gewesen, der nach ihrer Ankunft ohne Furcht auf sie zugekommen war. Sie verlangsamte ihre Schritte, um seinem Tempo gerecht zu werden, und begann leise zu sprechen, mehr zu sich selbst als zu ihm, doch ihre Stimme war erfüllt von einer sanften, lehrenden Wärme.
Alniira hat geschrieben:Siehst du das, Kleiner?
Sie deutete auf ein dickes Polster aus smaragdgrünem Moos, das einen alten Felsen überzog. Der junge Wolf folgte ihrer Geste, stupste neugierig mit seiner Nase dagegen und nieste geräuschvoll, als einige Sporen aufstiegen. Er schüttelte den Kopf und blickte sie mit einem fast komisch verwirrten Ausdruck an. Alniira lächelte.
Alniira hat geschrieben:Die Welt der Zweibeiner ist ein lautes, grelles Chaos. Sie errichten Tempel aus kaltem Stein, um ihre Götter einzusperren. Aber das hier... das ist ein wahrer Altar. Er wächst, er atmet, er ist am Leben.
Sie gingen weiter, der junge Wolf nun dicht an ihrer Seite, als würde er an ihren Worten hängen. Er verstand die Worte nicht, aber er spürte die ruhige Ehrfurcht in ihrer Stimme.
Alniira hat geschrieben:Sie schreiben ihre Wahrheiten in verstaubte Bücher, binden sie in Leder und glauben, die Weisheit damit gefangen zu haben.
Sie blieb stehen und hob ein einzelnes, perfekt geformtes Blatt vom Boden auf. Der Wolf schnupperte daran, bevor sie es zwischen ihren Fingern drehte.
Alniira hat geschrieben:Aber das hier ist eine heiligere Schrift. Sie erzählt die Geschichte des Sommers, des Regens, der Sonne und des unvermeidlichen Abschieds im Herbst. Jede Ader ist eine Zeile in einem Gedicht, das niemand aufschreiben muss, um es zu verstehen.
Sie erreichten eine kleine Lichtung, in deren Mitte ein gewaltiger, uralter Yew-Baum lag, vor langer Zeit von einem Sturm gefällt. Seine Wurzeln ragten wie die knochigen Finger eines Riesen in den Himmel, und sein Stamm war so dick, dass drei Drow ihn nicht hätten umfassen können. Es war kein Bild des Todes, sondern eines der Verwandlung. Aus dem toten Holz spross neues Leben – Pilze in leuchtenden Farben, junge Farne und sogar ein kleiner neuer Baum, der sich aus einer Spalte im alten Holz emporreckte.
Alniira setzte sich auf den umgestürzten Stamm. Der junge Wolf zögerte einen Moment, dann sprang er mit einem ungelenken Satz neben sie und legte seinen Kopf auf ihre Knie, seine Augen blickten sie erwartungsvoll an. Sie kraulte ihn sanft hinter den Ohren.
Alniira hat geschrieben:Ich habe so lange nach ihr gesucht, Kleiner. In der Dunkelheit, im Kampf, im Schmerz. Ich dachte, sie wäre eine ferne Göttin im Mondlicht, die man anrufen muss.
Der Wolf stieß ein leises, zufriedenes Brummen aus, als ihre Finger die richtige Stelle fanden. Er schloss die Augen und genoss die Berührung und die sanfte, melodische Schwingung ihrer Stimme..
Alniira hat geschrieben:Was für eine Närrin ich war. Sie ist nicht nur im Mond. Sie ist die Bewegung in allem. Sie ist der Wind, der gerade durch dein Fell streicht. Sie ist das Wasser im Bach, das wir vorhin getrunken haben. Sie ist das Blut, das in unseren Adern tanzt.
Ihre Augen glitten über den riesigen, umgestürzten Baum. Ihr Blick blieb an einem bestimmten Ast hängen. Er war dick und kräftig, aber über die Jahre vom Wetter geformt und von der Natur poliert worden. Er hatte eine sanfte, ergonomische Biegung, und das Holz schien eine tiefe, reiche Farbe zu haben, fast schwarz im Kern, mit einer helleren, honigfarbenen Schicht darunter.
Alniira hat geschrieben:Siehst du das?
Ihre Stimme war nun ein leises Flüstern, als würde sie ihm ein Geheimnis anvertrauen. Der Wolf hob den Kopf, seine Ohren gespitzt, und folgte ihrem Blick.
Alniira hat geschrieben:Das ist nicht nur Holz. Das ist Stärke. Das ist Geduld. Das ist die Geschichte dieses Waldes in einer einzigen, perfekten Form.
Sie stand auf, zog ihr Jagdmesser und begann, mit der geübten Präzision einer Handwerkerin an dem Ast zu arbeiten. Der junge Wolf beobachtete sie, den Kopf schiefgelegt, fasziniert von dem rhythmischen Geräusch der Klinge, die ins Holz schnitt. Es dauerte eine Weile, doch schließlich löste sie ein großes, handliches Stück aus dem Stamm. Es lag schwer und gut in ihrer Hand, perfekt ausbalanciert.

Sie hielt es hoch, betrachtete die Maserung im schwindenden Licht. Der junge Wolf stand auf und stupste es neugierig mit der Nase an, als wolle er seine Zustimmung geben.
Alniira hat geschrieben:Mein altes Schwert wurde aus Wut und Angst geschmiedet. Sein Griff war kalt und hart. Aber das hier...
Sie strich über das glatte Holz.
Alniira hat geschrieben:Das wird der neue Griff für meine Klinge. Ein Griff aus dem Herzen des Waldes, aus dem Herzen meines neuen Zuhauses. Und vielleicht... vielleicht bleibt ein kleines Stück übrig. Für ein Amulett. Eine Erinnerung daran, dass der wahre Tempel keine Mauern hat.
Sie steckte das kostbare Stück Holz sorgfältig in ihre Tasche, ein Versprechen für die Zukunft.
Mit einer letzten, sanften Berührung für den jungen Wolf an ihrer Seite, machten sie sich auf den Rückweg zum Lager des Rudels. Die Dämmerung war nun vollständig der Nacht gewichen, und der Mond, der sich von den letzten Wolkenschleiern befreit hatte, tauchte den Yew Wald in ein völlig neues Licht.

Die Welt war nicht mehr golden und weich, sondern aus Silber und Samt gewebt. Jeder Tautropfen auf den Farnen funkelte wie ein winziger Stern, die weißen Stämme der Birken leuchteten wie Geister zwischen den dunklen Eichen, und der Waldboden war ein Mosaik aus scharfen Schatten und gleißendem Licht. Der junge Wolf blieb stehen, den Kopf gehoben, und blinzelte in die plötzliche, magische Helligkeit.
Alniira kniete sich neben ihn, ihre Stimme nur ein Flüstern, um die heilige Stille nicht zu brechen.
Alniira hat geschrieben:Siehst du das, Kleiner? Das ist ihr wahres Gesicht. Das ist ihr Tempel, wenn die Sonne schläft.
Der Wolf stieß ein leises, fragendes Winseln aus und stupste ihre Hand mit seiner Nase
.
Alniira hat geschrieben:Du spürst ihn in mir, nicht wahr? Den anderen Wolf. Die Saat, die in meinem Blut wächst.
Sie strich ihm über den Kopf, ihre Finger zeichneten die Form seiner Ohren nach. Der junge Wolf leckte ihre Hand als Antwort, eine Geste des reinen Vertrauens.
Alniira hat geschrieben:Lange Zeit war er nur Zorn. Ein Feuer, das alles in mir verbrennen wollte. Er hasste die Drow in mir, er hasste die Enge der Stadt, die Lügen, die Kälte. Und ich... ich hasste ihn dafür. Ich habe versucht, ihn zu unterwerfen, ihn in einen Käfig aus Disziplin zu sperren. Aber je härter ich kämpfte, desto lauter wurde sein Heulen in meiner Seele.
Sie standen auf und gingen langsam weiter, Seite an Seite durch das silberne Licht.
Alniira hat geschrieben:Aber dann habe ich ihr zugehört. Der Göttin, deren Licht uns gerade den Weg zeigt. Sie ist Eilistraee. Die Göttin des Mondes, ja. Aber sie ist mehr als das. Sie ist die Göttin der Schönheit.
Sie deutete mit einem Nicken auf ein Spinnennetz, das zwischen zwei Ästen gespannt war und im Mondlicht wie ein Schmuckstück aus Diamanten und Silberfäden funkelte. Der junge Wolf folgte ihrem Blick, seine Augen weiteten sich vor dem stillen Wunder.
Alniira hat geschrieben:Sie hat mir nicht befohlen, den Wolf zu töten. Sie hat mir beigebracht, die Schönheit in seiner Wildheit zu sehen. Sie hat mir gezeigt, dass sein Zorn nur eine verdrehte Form von Leidenschaft ist. Seine Wut nur ein Schrei nach Freiheit. Sie hat mir nicht gesagt, ich soll ihn unterwerfen. Sie hat mir beigebracht, mit ihm zu tanzen.
Alniira blieb stehen und vollführte eine einzige, langsame, fließende Drehung, ihre Hand malte eine Spirale in die Luft, die die Bewegung des Mondes am Himmel nachahmte. Der junge Wolf beobachtete sie, den Kopf schiefgelegt, fasziniert von der stillen Anmut.
Alniira hat geschrieben:Sie lehrt mich, dass in allem ein Lied steckt. Im Heulen des Wolfes genauso wie im Gesang eines Vogels. Dass in allem ein Tanz ist. Im Sprung eines Jägers genauso wie im Wiegen einer Blume im Wind. Sie hilft mir, den Hass in meinem Herzen in etwas anderes zu verwandeln. In Treue zu meinem Rudel. In Liebe zu diesem Wald. Und in Frieden mit mir selbst.
Sie kniete sich wieder hin und blickte dem jungen Wolf direkt in die Augen.
Alniira hat geschrieben:Sie hilft mir, die beiden Hälften meiner Seele – die Drow und den Wolf – zu einer Einheit zu schmieden. So wie ich aus kaltem Erz und heißem Feuer eine Klinge forme. Es ist ein langer, schwerer Weg, Kleiner. Aber zum ersten Mal... zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass es möglich ist.
Der junge Wolf verstand die Worte nicht, aber er verstand den Frieden in ihrer Stimme, die Wärme in ihren Augen und die ruhige Sicherheit ihrer Berührung. Er stieß ein leises, zufriedenes Jaulen aus und schmiegte seinen Kopf an ihre Schulter. Gemeinsam blickten sie in den mondbeschienenen Wald, zwei verschiedene Wesen, vereint in der stillen Schönheit der Nacht und unter dem wachsamen Auge der Göttin, die sie beide ihr Zuhause nannten.

Sie kehrten zum Lager des Rudels zurück, als der Mond seinen höchsten Punkt am Himmel erreichte. Der junge Wolf, müde von den Abenteuern des Abends, trottete direkt zu seiner Mutter und kuschelte sich in das warme Nest aus schlafenden Geschwistern.
Alniira jedoch war erfüllt von einer klaren, ruhigen Energie. Der Schlaf konnte warten. Eine andere, wichtigere Arbeit rief nach ihr.
Sie verabschiedete sich mit einer leisen Geste vom Leitwolf und machte sich auf den Weg zu ihrer eigenen kleinen Lichtung bei den Ruinen. Das Feuer, das sie am Morgen entzündet hatte, war zu einer schwelenden, rot glühenden Glut heruntergebrannt, die eine sanfte Wärme ausstrahlte.
Es war der perfekte Platz für die Arbeit, die vor ihr lag.
Vorsichtig holte sie das Stück Yew-Holz aus ihrer Tasche. Es fühlte sich in ihren Händen warm und lebendig an, als würde der Puls des Waldes noch immer darin schlagen. Sie setzte sich in den Schneidersitz vor die Glut, legte das Holz auf einen flachen Stein vor sich und breitete ihre feinsten Schnitzwerkzeuge aus.

Dies war keine Arbeit der Gewalt, kein Hämmern und kein Zischen. Es war eine Arbeit der Geduld, der Überzeugung.
Ihre ersten Schnitte waren zögerlich, fast ehrfürchtig. Sie entfernte die äußere, raue Rinde, um die reiche, dunkle Maserung darunter freizulegen. Mit jedem Span, der zu Boden fiel, fühlte es sich an, als würde sie nicht nur Holz, sondern auch ihre eigene Vergangenheit bearbeiten.
Alniira hat geschrieben:Die raue Rinde... das war meine Rüstung in Elashinn. Hart, schützend, aber ohne Schönheit. Sie muss weichen, damit das wahre Herz sichtbar wird.
Ihre Hände bewegten sich nun mit der sicheren, instinktiven Präzision, die sie über Jahre perfektioniert hatte. Sie begann, die Form des Griffes herauszuarbeiten, ihre Klinge folgte der natürlichen Biegung des Holzes. Es war ein Gespräch. Das Holz schien ihr zu sagen, wo es stark war, wo es nachgeben wollte. Sie zwang ihm nicht ihren Willen auf; sie half ihm nur, die Form zu finden, die bereits in ihm schlummerte.

Der Wolf in ihr, der bei der groben Arbeit des Schmiedens oft unruhig wurde, war vollkommen still. Er beobachtete durch ihre Augen, fasziniert von der filigranen, konzentrierten Arbeit. Er verstand, dass dies eine andere Art der Jagd war – eine Jagd nach der perfekten Form, nach der Seele, die im Holz verborgen lag.
Stunden vergingen. Der Mond wanderte über den Himmel. Alniira bemerkte es nicht. Sie war verloren in ihrem Handwerk, in einem Zustand fließender Meditation. Sie schnitzte nicht nur einen Griff. Sie webte die Geschichte ihres neuen Lebens hinein.

Sie formte sanfte Rillen für ihre Finger, die sich anfühlten wie die Furchen in der Rinde eines alten Baumes. Sie polierte die Oberfläche, bis sie glatt und warm war wie ein vom Wasser geschliffener Kiesel. Und dann begann sie mit der feinsten Arbeit. Mit der Spitze eines winzigen Messers begann sie, die Symbole ihrer Göttin in den Griff zu schnitzen.

Es waren nicht die aggressiven, leuchtenden Runen ihrer Klinge. Es waren subtile, fast unsichtbare Zeichen. Eine winzige Spirale am Knauf, die den ewigen Tanz symbolisierte. Ein geschwungener Bogen, der die Sichel des Mondes darstellte. Und entlang des gesamten Griffs eine feine, wellenförmige Linie, die den Fluss des Lebens und die Melodie des Waldes darstellte.

Als die ersten zarten Farben der Morgendämmerung den östlichen Himmel färbten, war sie fertig. Sie hielt den fertigen Griff in ihren Händen. Er war perfekt. Er war nicht nur ein Stück Holz. Er war ein Teil des Waldes, ein Teil von ihr, ein Teil ihres Glaubens.

Sie nahm die Klinge ihres neuen Schwertes und begann, den alten, provisorischen Griff zu entfernen. Mit der gleichen Geduld und Präzision passte sie den neuen Griff an, befestigte ihn, bis er eins mit dem Stahl wurde.

Als sie das fertige Schwert zum ersten Mal in die Hand nahm, war das Gefühl unbeschreiblich. Der kalte, unpersönliche Stahl der Klinge und das warme, lebendige Holz des Griffs waren in perfekter Harmonie. Es war keine Waffe mehr. Es war ein Zepter. Ein heiliges Instrument.
Sie stand auf, die Glieder steif von der langen Nacht, und vollführte eine einzige, langsame Drehung. Das Schwert fühlte sich an, als wäre es immer ein Teil von ihr gewesen. Es war die perfekte Vereinigung der Drow-Schmiedin und der Wolfsfrau, von Disziplin und Wildheit, von Stahl und Holz.

Mit einem Lächeln blickte sie in den aufsteigenden Tag. Sie hatte nicht nur einen Griff geschmiedet. Sie hatte sich selbst ein Stück weiter geheilt.

Die ersten Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach brachen, malten goldene Streifen auf den Waldboden und kündeten vom neuen Tag.

Alniira stand da, das fertige Schwert in der Hand, und eine Welle der Erschöpfung durchfuhr sie, so tief und umfassend, dass ihre Knie weich wurden. Die lange, konzentrierte Arbeit der Nacht hatte ihren Tribut gefordert. Ihr kleiner, selbstgebauter Unterstand schien plötzlich weit entfernt und unpersönlich. Ihre Augen wanderten in die Richtung des Wolfslagers. Ein tiefes, instinktives Bedürfnis nach Wärme und Nähe zog sie dorthin.

Mit zögernden Schritten verließ sie ihre Lichtung. Sie bewegte sich leise durch den Wald, das Herz hämmerte ihr unsicher gegen die Rippen. Es war eine Sache, als Wolf unter Wölfen zu schlafen. Aber so? Als Drow? Mit ihrer glatten Haut, ihrem aufrechten Gang, dem Geruch von Rauch und Metall, der noch immer an ihr haftete?

Sie erreichte den Eingang zur Höhle, dem Herzen des Rudels. Der alte Leitwolf, der draußen Wache hielt, hob den Kopf. Seine bernsteinfarbenen Augen musterten sie, nahmen ihre Drow-Gestalt wahr, die fremde Form, die sie nun trug. Er blinzelte langsam, ohne jede Spur von Aggression oder Angst. Dann stieß er ein leises, tiefes Brummen aus – kein Knurren, sondern ein Laut der Anerkennung – und legte den Kopf wieder auf die Pfoten. Die Botschaft war klar: Du bist eine von uns, egal welche Haut du trägst.

Ermutigt von dieser stillen Geste, kroch Alniira in die warme, erdige Dunkelheit der Höhle. Die schlafenden Körper der erwachsenen Wölfe rührten sich kaum. Doch aus einer Nische drang ein leises Fiepen und Rascheln. Die Welpen.
Sie kroch näher. Einer der kleinen Wölfe hob den Kopf, seine Augen noch verschlafen. Er sah sie, die seltsame, zweibeinige Kreatur, die er sonst nur als große, graue Wölfin kannte. Er zögerte einen Moment, schnupperte in ihre Richtung, und dann schien ein Licht des Erkennens in seinen Augen aufzugehen. Mit einem freudigen Winseln tapste er auf sie zu und stupste ihre Hand mit seiner feuchten Nase an. Seine Geschwister folgten ihm, nicht mit der stürmischen Energie des Spiels, sondern mit einer sanften, schläfrigen Neugier.

Alniira ließ sich langsam auf dem weichen, trockenen Laub nieder. Die Welpen, ohne ein weiteres Zögern, kuschelten sich an sie. Sie legten ihre kleinen Köpfe auf ihre Beine, rollten sich an ihrer Seite zusammen und suchten die Wärme ihres Körpers. Ihre kleinen, rhythmischen Atemzüge waren das beruhigendste Geräusch, das Alniira je gehört hatte.

Sie schloss die Augen, überwältigt von der Einfachheit dieser Akzeptanz. Kein Misstrauen. Keine Fragen. Keine Angst vor dem, was anders war. Diese wilden Tiere, so dachte sie, besaßen mehr Anstand, mehr Weisheit und ein größeres Herz als die meisten zivilisierten Völker, die sie je gekannt hatte.

Eingehüllt in die Wärme der Welpen, bewacht von der stillen Stärke des Rudels, glitt Alniira in den tiefsten und friedlichsten Schlaf, den sie seit ihrer Flucht aus Elashinn gehabt hatte.
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Rianon
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Re: Alniiras Abendlied

Beitrag von Rianon »

Rianon lag im Schatten der Höhle, sein grünes Fell verschmolz beinahe mit der feuchten, erdigen Dunkelheit. Neben ihm lag der alte Leitwolf, dessen ruhige Präsenz wie ein Fels inmitten des stetigen Stroms von Eindrücken wirkte. Als Alniira den Eingang erreichte, als Drow und nicht als Wölfin, hob der Alte nur den Kopf, seine Augen prüfend und doch ohne Härte. Das leise Brummen, das er ihr schenkte, vibrierte noch immer in Rianons Brust. „Du bist eine von uns.“ Die Botschaft war so klar wie Mondlicht. Rianons Blick folgte ihr, wie sie auf leisen Schritten in die Höhle glitt. Das vertraute Ziehen in seiner Brust wurde stärker, als er die Welpen sah, die sich, erst vorsichtig und dann voller instinktiver Gewissheit, an ihre Beine kuschelten. Das weiche Winseln, das Rascheln kleiner Pfoten im Laub – es war wie ein Lied des Vertrauens, und Alniira war nun Teil davon.
Seine Gedanken wanderten zurück zu jener Nacht im Regen, als sie Seite an Seite durch den Wald gezogen waren. Das Rudel war damals ein Kreis aus schützenden Körpern gewesen, jeder Wolf ein Glied in einer lebendigen Kette, und Alniira hatte neben ihm ihren Platz gefunden. Er erinnerte sich, wie sich ihre Schultern bei jedem Schritt berührten, wie das Mondlicht sich in ihrem nassen schwarzen Fell verfing, und wie sich ihr Schmerz in dieser stillen Einheit gelöst hatte.
Er verstand jetzt, was der Alte ihm in jener Nacht hatte zeigen wollen: Führen hieß nicht, voranzuschreiten, sondern zurückzubleiben. Sicherzugehen, dass niemand verloren ging. Dass selbst die Kleinsten, Schwächsten und Andersartigen ihren Platz fanden.
Rianons bernsteinfarbenen Augen ruhten auf Alniira, die nun mitten unter den Welpen saß, ihre weißen Haare wie ein helles Band im Dunkel der Höhle. Sie schloss die Augen, und er konnte sehen, wie sich ihre Brust in einem tiefen, ruhigen Atemzug hob. Die Welpen hatten sie angenommen, so wie das Rudel sie angenommen hatte – ohne Fragen, ohne Bedingungen. Rianon legte den Kopf wieder auf die Pfoten, so wie der Alte es getan hatte. Ein leiser Laut entwich ihm, ein kaum hörbares Summen. Er dachte an das Gefühl ihrer Schulter an seiner, an den Regen, an die Mondnacht. Daran, wie vollständig es sich angefühlt hatte, nicht allein zu sein. Und während er sie jetzt beobachtete, umgeben von Leben und Wärme, schwor er sich leise, dass er immer dort sein würde, wo sie war. Nicht als Schatten, nicht als Wächter von oben, sondern als das, was ein Alpha sein sollte: Der, der darauf achtet, dass niemand verloren geht. Neben ihm atmete der alte Leitwolf tief und gleichmäßig, und Rianon wusste, dass auch er verstanden hatte.

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Alniira Vrammyr
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Re: Alniiras Abendlied

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Der stille Marsch
Der Frieden war ein flüchtiges Geschenk. Er zerbrach in dem Moment, als Rianon wie ein Geist aus den Bäumen trat, seine sonst so ruhigen Züge von einer tiefen, unnatürlichen Sorge gezeichnet. Alniira, die gerade mit den Welpen im weichen Moos getollt hatte, spürte die Veränderung in der Luft, noch bevor er ein Wort sprach. Der Wolf in ihr hob den Kopf, die Ohren gespitzt, und ein leises, warnendes Knurren vibrierte in ihrer Brust. Die Luft roch plötzlich falsch. Kalt. Tot.
Rianon hat geschrieben:Alniira. Etwas ist im Wald. Etwas Falsches
Das Wort hing in der Luft, schwer und kalt wie ein Grabstein. Ihre erste, instinktive Reaktion war nicht Angst um sich selbst, sondern eine Welle eiskalter Furcht, die ihr Herz umklammerte. Das Rudel. Die Welpen. Dieser Wald war nicht länger nur eine Zuflucht; er war ihr Zuhause, ihre Familie.
Alniira hat geschrieben:Wie viele? Woher kommen sie?
Ihre Stimme war scharf, präzise, die Stimme der Schmiedin, die ein Problem analysiert. Doch darunter lauerte die aufkeimende Panik der Mutter, die ihre Jungen bedroht sieht.

Die Drow in ihr erwachte, die Logik von Elashinn, die sie so verzweifelt versucht hatte abzulegen. Eine Logik, die besagte, dass man eine Krankheit ausbrennen muss, bevor sie das Herz erreicht.
Alniira hat geschrieben:Sollen wir warten, bis diese Fäulnis unser Lager erreicht? Sollen wir fliehen und unser Territorium aufgeben? Oder ist ein schneller, gezielter Angriff nicht die beste Verteidigung? Wir kennen den Wald. Wir sind die Schatten. Wir könnten diese Abscheulichkeiten vernichten, bevor sie überhaupt wissen, dass sie gejagt werden.
Sie blickte Rianon an, eine fieberhafte Intensität in ihren Augen. Doch bevor er antworten konnte, schüttelte sie den Kopf, als wolle sie ihre eigenen, gewalttätigen Gedanken vertreiben.
Alniira hat geschrieben:Ich... ich muss nachdenken. Ich muss tanzen.
Sie ließ einen verwirrten Rianon zurück und eilte zu ihrer Lichtung. Die Luft hier schien nicht mehr friedlich, sondern spannungsgeladen, erwartungsvoll. Sie zog ihr Schwert, und die Mondrunen leuchteten mit einem unruhigen, flackernden Licht auf.
Ihr Tanz begann nicht mit Anmut oder Trauer. Er begann mit dem kalten, tödlichen Fokus einer Kriegerin, die sich einem unnatürlichen Feind stellt.

Es war ein Tanz der Taktik, ein Gebet um Klarheit im Angesicht der Verderbnis.
Ihre Bewegungen waren eine visuelle Darstellung eines Schlachtplans. Sie vollführte schnelle, ausweichende Schritte – das Umgehen einer Gruppe von schlurfenden Gestalten. Ihr Schwert stieß in schnelle, präzise Sequenzen in verschiedene Richtungen – die Zerstörung der wandelnden Toten. Jeder Stoß war gezielt auf verwundbare Punkte: Kopf, Wirbelsäule. Die leuchtenden Runen malten keine Kreise mehr, sondern scharfe, eckige Vektoren des Angriffs.

Doch dann veränderte sich der Tanz. Die aggressive Taktik wich einem flehentlichen Bitten. Sie sank auf die Knie, das Schwert vor sich in die Erde gerammt, eine Geste der Unterwerfung, nicht vor einem Feind, sondern vor ihrer Göttin.
Alniira hat geschrieben:Herrin des Mondes, Tänzerin des Lebens. Ein Schatten fällt auf unser Zuhause. Mein Herz ist zerrissen. Der Wolf in mir schreit danach, diese unheilige Störung zu zerfetzen. Die Drow in mir flüstert von Präventivschlägen und der kalten Logik des Krieges. Aber du... du hast mich die Schönheit gelehrt. Du hast mich den Frieden gelehrt. Ist es dein Wille, dass ich diese Klinge, die ich zu deiner Ehre geschmiedet habe, nun mit der Essenz des Todes beflecke?
Sie hob ihr Gesicht zum Himmel, die Augen geschlossen, als würde sie auf eine Antwort lauschen.
Alniira hat geschrieben:Ich bitte dich nicht um Stärke für den Kampf. Ich bitte dich um Weisheit, um zu wissen, ob der Kampf richtig ist. Und wenn... wenn es sein muss... dann bitte ich um deinen Segen. Nicht für den Sieg, sondern für die Reinigung dieses Waldes. Für den Schutz der Unschuldigen. Für die Welpen. Für mein Rudel. Für dieses Leben.
Sie verharrte in dieser Position, eine Kriegerin, die um Erlaubnis bittet, eine Gläubige, die mit dem Pfad der Gewalt ringt. Ihr Schwert steckte vor ihr in der Erde, ein leuchtendes Fragezeichen in der Dämmerung. Die Entscheidung war nicht getroffen. Alles hing von dem Wort ab, das Rianon sprechen würde, wenn sie zu ihm zurückkehrte.
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Rianon
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Re: Alniiras Abendlied

Beitrag von Rianon »

Rianons Entscheidung findet sich hier: viewtopic.php?p=1524#p1524
Alniira Vrammyr
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Der Tanz der Schatten und Sorgen

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Der Tanz der Schatten und Sorgen

Die Begegnung hatte einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen, eine Kälte, die sich tief in Alniiras Seele festgesetzt hatte. Nachdem sie sich von Koda und Naya am Rande des Lagers verabschiedet hatte, suchte sie nicht ihre übliche Lichtung auf. Sie brauchte mehr als nur Raum zum Tanzen; sie brauchte Einsamkeit. Eine absolute, ungestörte Stille, um den Knoten der Gedanken und Gefühle in ihrem Inneren zu entwirren. Sie schlug sich tiefer in den Yew Wald, bis sie eine kleine, von dichten Dornenbüschen umschlossene Senke fand, ein verborgenes, fast vergessenes Heiligtum.

Hier, im Schutz der Dunkelheit, ließ sie die Erinnerungen des Tages zu. Lyr'sa. Eine weitere Dunkelelfe, eine weitere Seele, gefangen im unbarmherzigen Netz von Elashinn und den Launen einer grausamen Göttin. In ihren Augen hatte Alniira die gleiche Dunkelheit gesehen, aus der sie selbst geflohen war, doch vermischt mit einer eisernen, fast zerbrechlichen Entschlossenheit, die Alniira zutiefst beunruhigte.
Alniira hat geschrieben:Sie trägt ihre Ketten wie eine Rüstung... Sie glaubt, ihre Loyalität sei Stärke, aber sie dient nur einem Schatten.
Die Warnung, die Lyr'sa überbracht hatte, war wie ein vergiftetes Geschenk. Sie hatte von von den Plänen des Hauses Ky'Alur gesprochen. Doch wie passte das zusammen? Wie konnten die kalte, gedankenlose Fäulnis der Untoten und die berechnende, intrigante Bosheit der Drow dieselbe Bedrohung für diesen Wald sein? Es war ein Rätsel, dessen Teile nicht zueinander passen wollten, und die Ungewissheit legte sich wie ein bleierner Schleier auf ihr Herz.

Sie zog ihr Schwert. Die Mondrunen leuchteten nur schwach, ihr Licht schien von der Schwere der Luft gedämpft zu werden. Der heutige Tanz war kein Gebet der Freude oder des Kampfes. Es war ein Tanz der Trauer.
Ihre Bewegungen waren langsam, schleppend, als würde sie durch tiefes Wasser waten.
Es gab keine Pirouetten, sondern nur schwere, melancholische Drehungen auf der Stelle. Das Schwert malte keine Lichtbögen in die Luft; seine Spitze zog traurige, tiefe Linien in die feuchte Erde, als würde sie die Gräber für Hoffnungen ausheben, die sie einst gehegt hatte. Es war ein Tanz, der mehr ein Wiegen im Takt des Kummers war, eine körperliche Manifestation der Fragen, die in ihrem Kopf kreisten.

Sie tanzte die Last von Lyr'sas Existenz, ihre Schultern gebeugt unter dem Gewicht eines Lebens in Knechtschaft der Spinne. Sie tanzte die Verwirrung, ihre Bewegungen ziellos und unentschlossen, die Klinge zitterte in ihrer Hand. Und sie tanzte die Sorge, die sich wie Ranken um ihr Herz schlang.

Auf dem Höhepunkt ihrer Trauer sank sie auf die Knie, das Schwert fest umklammert, die leuchtenden Runen warfen ein zitterndes Licht auf ihr schmerzverzerrtes Gesicht. Ihr Gebet war kein Flüstern, sondern ein stummer Schrei ihrer Seele.
Alniira hat geschrieben:Eilistraee, Licht im Schatten, Lied in der Stille... mein Herz ist so schwer. Ich bitte nicht um Schutz für mich. Ich habe meinen Weg gewählt. Aber ich bitte für jene, die keine Wahl haben.
Sie schloss die Augen, und die Bilder ihrer Lieben stiegen vor ihr auf.
Alniira hat geschrieben:Lege deinen schützenden Mantel um mein Rudel, das tief im Walde schläft. Wache über den hitzigen, treuen Koda und die weise, alte Naya. Sie sind die Familie, die ich gefunden habe. Lass nicht zu, dass die Fäulnis sie erreicht.
Ihr Griff um das Schwert wurde fester.
Alniira hat geschrieben:Und ich bitte dich... für Lyr'sa. Sie ist verloren in einer Dunkelheit, die sie für Licht hält. Sie tanzt für eine stille Göttin und hört ihre Musik nicht. Schenke ihr ein Lied, Herrin. Nur eine einzige, leise Strophe der Hoffnung in ihrer stillen, kalten Welt. Zeige ihr, dass es einen anderen Weg gibt.
Sie verharrte lange in dieser knienden Position, eine einsame Gestalt in einem vergessenen Heiligtum. Der Tanz hatte keine Antworten gebracht, nur die Fragen klarer gemacht. Die Trauer war nicht gewichen, aber sie hatte sie geteilt. Und in der tiefen, bedrückenden Stille der Nacht hoffte sie, dass ihre Göttin zugehört hatte
Alniira Vrammyr
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Der Tanz der zwei Wahrheiten[/b]

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Der Tanz der zwei Wahrheiten

Die Nacht im Yew Wald war eine Leinwand aus tiefem Samt, bestickt mit dem Silber des Mondes. Die Luft war kühl und roch nach feuchter Erde und dem Versprechen von Tau. Alniira stand in der Mitte ihrer Lichtung, das Schwert locker in der Hand. Die Bedrohung, die am Rande ihres neuen Zuhauses lauerte, war eine kalte, schwere Last in ihrem Herzen. Sie war nicht hier, um Antworten zu finden. Sie war hier, um sich an die Lektionen zu erinnern, die ihr ihre Göttin in stillen, getanzten Gebeten gelehrt hatte.
Sie schloss die Augen. Ihr Tanz begann nicht mit einer Bewegung, sondern mit einem Bild in ihrem Kopf. Das Bild des Waldes. Das Bild des Rudels, das friedlich schläft. Das Bild von Rianons ruhiger Präsenz.
Alniira hat geschrieben:Einst, als mein Herz nur ein kalter Stein war, hast du mir die erste Wahrheit gezeigt, Herrin. Du hast mir beigebracht, sie zu sehen.
Ihre Bewegungen waren sanft, fast zärtlich. Sie führte das Schwert in weiten, schützenden Bögen um sich herum, als würde sie eine unsichtbare, zerbrechliche Kugel aus Licht umarmen. Jeder Schritt war leise, eine liebkosende Berührung auf dem weichen Moos. Es war der Tanz einer Gärtnerin, die ihre kostbarste Blüte hegt.
Alniira hat geschrieben:Siehe: Dies ist Schönheit. Und ich weiß nun: Schönheit lebt von Liebe. Davon, dass man sie betrachtet und mit Silbertränen streichelt...
Ihr Tanz wurde zu einem stillen Zwiegespräch mit ihrer Umgebung. Sie verneigte sich vor einem einzelnen Farn, der sich im Mondlicht entrollte. Ihre Klinge strich sanft über die Oberfläche eines Tautropfens auf einem Blatt, ohne ihn zu zerteilen, und ließ ihn für einen Moment wie einen gefangenen Stern funkeln.
Alniira hat geschrieben:...ihr mit Kinderzungen schmeichelt und sie wie das eig'ne Leben achtet.
Sie dachte an die Welpen, an ihr unschuldiges, tollpatschiges Spiel. Eine Welle der Wärme durchströmte sie, und ihr Tanz wurde für einen Moment fröhlicher, leichter. Doch dann spürte sie die alte, kalte Angst in sich aufsteigen – die Angst zu verlieren, was sie liebte. Die Drow in ihr flüsterte von Präventivschlägen, von Gewalt als einziger Antwort. Doch die Lehre der Göttin war stärker.
Alniira hat geschrieben:Und so lenke ich meiner Ängste Hiebe nicht auf seine Torheit. Ich werde diese Schönheit nicht aus Furcht zerstören.
Der Tanz veränderte sich. Die sanfte, fließende Bewegung gefror. Eine neue, harte und kalte Energie durchfuhr ihren Körper. Sie dachte an Elashinn. An die Gesichter voller Misstrauen, an die Herzen voller Furcht.
Alniira hat geschrieben:Und du hast mir auch die zweite Wahrheit gezeigt. Die Dunkelheit, aus der ich komme.
Ihre Bewegungen wurden scharf, eckig, nach innen gekehrt. Sie stieß mit dem Schwert nicht nach außen, sondern in ihre eigene Mitte, stoppte die Klinge nur einen Hauch vor ihrer Brust. Es war der Tanz eines Gefangenen in einer unsichtbaren Zelle.
Alniira hat geschrieben:Siehe: Dies ist Feigheit. Und ich weiß nun: Feigheit wird durch Angst genährt. Durch Augen, die vor Wahrheit flieh'n und Tränen, die nach innen fließen...
Ihr Tanz wurde zu einer schmerzhaften Pantomime der Einsamkeit. Sie drehte sich von imaginären Freunden weg, stieß helfende Hände fort, ihre Bewegungen voller Abweisung und selbstzerstörerischem Stolz.
Alniira hat geschrieben:...niemandem den Raum mehr ließen, in dein Leben einzuzieh'n. Denn wer sich selbst den Rücken kehrt, säht Tod in sich und Einsamkeit.
Sie sah Lyr'sa vor sich, gefangen in ihrer Loyalität zu einem Schatten. Sie sah die Ilharess, gefangen in ihrer eigenen Paranoia. Sie sah die Drow, die den Tod in sich säten, weil sie sich weigerten, an das Leben zu glauben. Und sie verstand die Verbindung zu den Untoten. Sie waren nur die äußerste Konsequenz dieser inneren Fäulnis.
Alniira hat geschrieben:Und wer diesen Tod in sich trägt... trägt alle nun zu Grabe.
Der Tanz erstarrte. Alniira stand da, das Schwert gegen ihre eigene Brust gerichtet, eine perfekte Allegorie ihrer Vergangenheit. Doch dann, langsam, mit einer unendlichen Anstrengung, die mehr geistig als körperlich war, senkte sie die Klinge.
Sie begann erneut zu tanzen. Aber diesmal war es anders. Sie verband die beiden Wahrheiten. Die sanften, schützenden Bögen der Schönheit vermischten sich mit den scharfen, präzisen Stößen des Kampfes. Sie verstand.
Sie würde kämpfen. Sie würde die Hiebe führen, die sie in der Dunkelheit gelernt hatte. Aber nicht aus Feigheit, nicht aus Angst. Sie würde kämpfen, um die Schönheit zu schützen. Sie würde die Klinge erheben, um das Leben zu verteidigen, das sie lieben gelernt hatte.
Ihr Tanz endete in einer einzigen, ruhigen Pose. Das Schwert vor sich, die Spitze zum Himmel gerichtet, eine Brücke zwischen der Erde und dem Mond. Sie hatte ihre Antwort gefunden. Sie war bereit.
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