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Der Klang der Nacht
Verfasst: 12 Apr 2025, 00:54
von Nathan Calresh
Sinnflutartier Regen prasselte auf die Straßen, tanzend und hüpfend auf dem Kopfsteinpflaster. Verzerrte Geräusche und verschwommene Sicht verschleierten den sonst klaren Klang der Nacht. Die zusäzliche Trübung der Umgebung bedeutete weitere Verborgenheit. Für einen kurzen Moment blitzte ein Lächeln auf dem Gesicht des Vampirs und enthüllte perlweiße Zähne.
Plötzlich blieb der Vampir stehen, sei es unbewusst oder durch eine unsichtbare Kraft. Etwas kryptisches ging von dem Ort aus, und doch geschickt zugleich: "Bareti's Taverne”. Er spürte die Gegenwart von etwas zutiefst Lebendigem.
Etwas trieb ihn dazu, eine Nachricht zu verfassen, er musste die Besitzerin treffen. Die ausgereifte Magie, die den Ort bewohnte, beunruhigte ihn, aber er hatte erst kürzlich Blut getrunken, und so war er auf dem Höhepunkt seiner Kräfte.
Kurz blitzte der blutrote Ring Kains im Mondlicht, dann begann er zu schreiben.

Re: Der Klang der Nacht
Verfasst: 12 Apr 2025, 10:26
von Bareti
Es war eine dunkle Nacht, eine ungemütliche Nacht. Der Regen hatte seit Stunden angehalten und fiel über den gesamten Landstrich. Die junge Magierin hatte das Gefühl, dass es mehr regnete als früher, wobei sie sich derzeit nicht bewusst war, wann früher genau war. Ihre Gedanken beschäftigten sich nur kurz über das Wetter, sie würde wohl beginnen müssen auch hierzu Aufzeichnungen anzufertigen, damit es nicht nur ein Gefühl sein könnte, sondern Fakten dies bestätigen oder verwerfen könnten.
Kurz schüttelte die Gelehrte, im Lichte einer großen Kerze an ihrem Arbeitsplatz im Obergeschoß ihrer Taverne sitzend den Kopf und versuchte ihre Gedanken wieder zu ihrer Arbeit zu lenken. Ausgebreitet auf dem großen Eichentisch lagen zahlreiche Aufzeichnungen und Berichte. Einige hatte sie selbst angefertigt, andere waren ihr zugetragen worden und weitere waren Notizen zu Gesprächen, die sie geführt hatte. Doch ging von allen der gleiche Kontext aus; irgendetwas geschah in der Welt, dieser seltsamen Welt, welche ihre Heimat geworden war.
Sie zog erneut ihren eigenen Bericht zu sich und überflog die Seiten. Vor einigen Tagen hatte die auffällige Frau eine Reise zu einem weit entfernten Tal unternommen, einem Landstrich, der unbewohnt und fast unberührt von der Zivilisation war. Sie hatte ihn schon oft besucht und die Ruhe und die Entspannung genossen, die von dem Ort ausging. Jetzt jedoch schien der Ort trist, lebloser als früher, weniger Vögel waren zu hören und kaum ein Tier wanderte durchs Unterholz. Bisher waren dies alles nur Gefühle, aber die Magierin hatte ein ungutes Gefühl, seit sie vor einigen Monden erwachte.
Bareti legte ihren Bericht zur Seite und nahm ein Schreiben von Celdion zur Hand. Dieser junge Mann hatte eine gute Zukunft vor sich und sie unterstützte sein handwerkliches Geschick und erfreute sich ihrer Gespräche. Sie hatte ihn dazu angehalten aufmerksam zu sein und ihr zu berichten, wenn ihm auch etwas auffallen würde und so fand sie eines Morgens eine Schriftrolle auf dem Tresen. Celdion hatte Bareti aufgesucht, sie jedoch nicht angetroffen und ihr ein Schreiben hinterlassen, in dem er schilderte, er wäre einem Mann begegnet, einem Sterndeuter, der ihm erläuterte, dass Sterne verschwanden. Etwas mit dem Auge im Osten und einer blutigen Krone. Leider erinnerte sich der Handwerker nicht mehr genau an die Sternbilder, weshalb die Gelehrte nicht genau wusste wonach sie suchen musste. Ihre umfangreiche Bibliothek enthielt zwar Werke zu den Sternbildern der Welt, jedoch waren es gewiss keine idealen Referenzwerke, noch erlaubte es ihr der Himmel sich selbst ein Bild zu machen.
Mit ihrer Schreibfeder machte die Magierin eine Notiz in ihrem aktuellen Reisebuch, sie würde ein besseres Teleskop benötigen und am besten einen reineren Blick zum Himmel. Beides wäre etwas für einen anderen Tag oder eine andere Nacht.
Plötzlich hielt die Frau in ihrem türkisen Kleid inne. Etwas hatte an ihren Schutzrunen der Taverne gezupft. Es war kein Angriff, kein unerwünschtes Eindringen, aber etwas Mächtiges hatte ihr Land gestreift. Sie war nicht ganz sicher, was es war, auch schien keine Bedrohung davon auszugehen, aber es wäre gewiss angebracht, dem nachzugehen.
Ohne übertriebene Eile verließ die Frau ihr Arbeitszimmer und nahm auf dem Weg nach unten einen Mantel aus ihrer Schneiderei mit. Als sie an der Tür ankam und sie öffnete, war sie für eine kurze Runde im Regen passend gekleidet. Ein Hauch Magie hielt den Rest der Regentropfen von ihr fern. während die Gelehrte zum Eingang ihres Anwesens schritt.
Hier hatte etwas ihren Schutz gestreift, aber in einer so dunklen Nacht war es ihr unmöglich zu erkennen, was dies gewesen sein könnte.
Auf dem Weg zurück zu ihrem Gasthaus hielt sie kurz an und blickte in die Truhe mit den Spenden für Bedürftige. Einige Sachen waren erneut verschwunden, was ein Lächeln auf ihre Lippen zauberte. Doch ein Schriftstück lag sauber eingeklemmt zwischen den anderen Waren. Es wirkte fast, als wäre es gezielt platziert worden. Vorsichtig griff die Gelehrte nach dem Pergament und las es, geschützt durch ihre Magie, noch vor Ort.
"Interessant, ein Schatten, hier? Und wer ist dieser Calresh?" die junge Magierin wandte sich um und ging zurück zu ihrem Haus. Sie würde eine Antwort verfassen müssen und irgendwie herausfinden wer dieser Mann war und wie sie ihn erreichen konnte. Ihre Neugierde war geweckt!