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Geschichten aus der Taverne ? Yon Essray

Verfasst: 08 Mai 2025, 15:32
von Bareti
Geschichten aus der Taverne ? Yon Essray

Die Taverne lag still im D?mmerlicht des fr?hen Abends. Nur das Knistern im Kamin und das ferne Rufen eines K?uzchens durchbrachen die Ruhe. Bareti stand hinter dem Tresen, ihr t?rkisfarbenes Notizbuch aufgeschlagen, den Federkiel in der Hand, als die T?r sich ?ffnete.

Nicht z?gerlich, sondern bestimmt.

Ein Reisender trat ein. Hochgewachsen, in dunklem Mantel, den Staub der Stra?e noch auf den Stiefeln. Die Kapuze lag tief im Gesicht, doch seine Bewegungen waren kontrolliert, bedacht. Er trat bis in den Schein des Herdfeuers, ehe er sprach.

?Ich such die Dame Bareti?

Sie legte den Federkiel zur Seite und l?chelte freundlich.
?Dann habt ihr sie gefunden!?

?Yon Essray. Ich suche Euch ? oder besser: den Ort, den man mit Euch verbindet. Man sagte mir, hier finde man nicht nur Ruhe, sondern auch Wegweiser.?


Ein stilles Nicken.
?Dann habt Ihr recht geh?rt. Willkommen.?

Sie deutete auf einen der Tische. Als er sich setzte, trat sie n?her.
?Wasser oder Tee??

Er schien kurz zu ?berlegen.
?Wasser w?re gut. Danke.?

Bareti verschwand in der K?che und kehrte mit einem Krug und einem einfachen Becher zur?ck. Sie stellte beides vor ihn, ohne Fragen.

Yon trank langsam, schweigend. Dann, nach einem Moment:
?Ich reiste bisweilen mit wenig Besitz. Was auch in Ordnung war ? doch treibt der Hunger ? und meine Beine sind m?de.?


Beim Wort Hunger fuhr Bareti fast ein wenig auf. Sie hatte den Blick gerade gesenkt, doch nun hob sie ihn scharf und musterte ihn neu.
?Ihr habt nichts gegessen?? fragte sie leiser.

Yon zuckte leicht mit den Schultern.
?Ich habe in meinem Leben nichts gelernt, was mir Einkommen bringen k?nnte.?
Er senkte den Blick, ein leises Seufzen entglitt ihm.

Ohne ein weiteres Wort verschwand Bareti erneut hinter dem Vorhang. Als sie zur?ckkam, trug sie einen Teller mit dunklem Brot, etwas K?se, ein St?ck getrocknetes Fleisch und ein paar eingelegte Wurzeln.
?Es ist keine Mahlzeit f?r K?nige, aber besser als Luft.?

Yon sah sie an, beinahe ?berrascht von der pl?tzlichen F?rsorge.
?Sehr aufmerksam von euch.?

?Ich lebe von G?sten. Und von dem, was sie erz?hlen ? oder verschweigen.?

Yon begann zu essen, ruhig und methodisch, wie jemand, der gelernt hat, weder zu hasten noch zu bitten. Als er fertig war, lehnte er sich leicht zur?ck.

Die beiden unterhielten sich eine Weile, sprachen von Verzicht und dem Leben. Schlie?lich schien die Zeit des Mannes zum gehen gekommen.

?Ich werde weiterziehen ? bald. Doch ehe ich gehe, br?uchte ich etwas.?
Er griff an den G?rtel, an dem nichts hing au?er einer kleinen Ledertasche.
?Etwas zum Schutz. Ich trage nichts mehr, das mir dient.?

Bareti nickte langsam, musterte ihn einen Moment, dann verschwand sie in den hinteren Raum. Als sie zur?ckkehrte, trug sie zwei Gegenst?nde:

Einen langen, dunklen Zweihandstab, schlicht, aber fest, mit Silberb?ndern am Griff ? ein Reisestab, den man nicht untersch?tzen sollte.

Und eine schwere Keule aus schimmerndem Verite, in festes Leder gewickelt.

?Der Stab tr?gt alte Wegzeichen in der Maserung. Er hilft beim Gehen. Die Keule... f?r das, was einem den Weg streitig machen will.?

Yon nahm beides entgegen, pr?fte den Stab, das Gewicht der Keule. Schlie?lich nickte er.
?Ihr habt nicht zu viel versprochen.?

Als er sich erhob und zur T?r ging, reichte Bareti ihm einen kleinen Beutel. Metall klirrte leise darin.

?Damit der n?chste Weg nicht gleich der letzte wird.?

Yon hielt kurz inne, dann nahm er den Beutel mit einem leichten Neigen des Kopfes entgegen.
?Ich schulde Euch mehr, als ich sagen kann. Vielleicht... sehen wir uns wieder.?

?Es war sch?n eure Bekanntschaft zu machen, ich bin sicher, wir h?ren wieder voneinander.? erwiderte die auff?llige Wirtin.

?Ebenso. Und bedenkt, ich zahle zur?ck.?

Und mit diesen Worten trat er hinaus in die Nacht ? leiser, als ein Mann mit Keule eigentlich gehen sollte.

Re: Geschichten aus der Taverne ? Yon Essray

Verfasst: 08 Mai 2025, 18:36
von Yon Essray
Die Stra?e danach ? Yons Gedanken

Die Nacht war k?hl, aber klar. Ich ging nicht schneller, als ich musste. Nicht aus M?digkeit, sondern weil etwas in mir noch verweilen wollte ? dort, wo Feuer knisterte und eine Fremde mir Brot reichte, ohne eine Schuld daraus zu machen.
Ich hatte nichts von Arachnan gesagt. Nicht ein Wort. Und doch schien er dort gewesen zu sein ? in der Art, wie sie mir begegnete.
Es ist der Verzicht, den er sch?tzt. Nicht aus Schw?che, nicht aus Mangel. Sondern weil er frei macht. Weil er den Blick nach innen wendet, wo Wahrheit wohnt.
Bareti lebt diesen Verzicht. Sie gibt, wo andere horten. Sie fragt nicht, wo andere pr?fen. Und in der Leere zwischen zwei Fragen findet sich ein Glaube, der st?rker ist als jeder Schwur.
Ich h?tte ihr von ihm erz?hlen k?nnen ? vom Leeren, vom Trennenden, vom Licht hinter dem Verlust. Aber vielleicht h?tte das mehr verschreckt als ge?ffnet. Sie muss ihn nicht kennen. Nicht beim Namen. Nur in der Stille.
Ich hatte das Gef?hl, dass sie nicht wirklich glaubte. Sie sprach von ?Verzicht?, ja, aber sie tat es als eine Art Philosophie, als eine pers?nliche Disziplin, die sie selbst gew?hlt hatte. Doch Verzicht war mehr als nur eine pers?nliche Entscheidung. Er war der Weg zu einer h?heren Wahrheit, einer, die durch den Glauben an Arachnan offenbart wurde. Dieser Glaube, der uns lehrt, dass alles, was wir brauchen, bereits in uns ist ? und dass wir nur loslassen m?ssen, um es zu finden.
Aber es war nicht der Moment, um sie zu dr?ngen. Nicht jetzt. Ich wusste, dass ich ihr nicht sagen konnte, was ich dachte, nicht sofort. Nicht, wenn ich sie wirklich erreichen wollte. Vielleicht war es die Art, wie sie mir Brot reichte, ohne einen Hauch von Erwartung. Vielleicht war es der Moment, als sie mir den Stab und die Keule gab, ohne ein Wort der Erkl?rung, als w?sste sie, dass ich sie brauchen w?rde. Ich konnte nicht einfach von einem Glauben sprechen, der so tief und kompliziert war, ohne dass sie bereit war, den gleichen Weg zu gehen.
Und doch nagte der Gedanke an mir.
Ich musste ihr zeigen, dass der wahre Weg, den sie suchte, mehr war als nur der Verzicht auf Magie. Es war der Verzicht auf alles, was uns bindet. Der Glaube an Arachnan, der uns nicht nur von allem Unn?tigen befreite, sondern uns auch den Weg zu uns selbst zeigte. Und w?hrend ich in der Dunkelheit ging, fragte ich mich, ob Bareti den Unterschied zwischen einem leeren Leben und einem von Arachnan gelebten Leben je begreifen w?rde. Denn f?r mich war es das, was mich antrieb: der Glaube, der uns nicht nur formt, sondern uns auch zeigt, was wir wirklich sind, hinter den Masken und den Schichten, die wir uns selbst auferlegen.
Vielleicht w?rde sie es irgendwann sehen. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber irgendwann. Ich konnte nicht anders, als an sie zu denken, an ihre Worte, an ihren Weg. Der Glaube an Arachnan war ein Ruf, der nicht leicht zu h?ren war ? und doch war es genau dieser Ruf, der in der Stille des Verzichts am lautesten ert?nte.
Ich fragte mich, ob sie den Ruf h?ren w?rde. Ich fragte mich, ob sie irgendwann den Glauben annehmen w?rde, der f?r mich alles bedeutete. Nicht aus Zwang, sondern aus der Erkenntnis, dass er uns Freiheit bringt ? wahre Freiheit.
Doch in diesem Moment wusste ich, dass es nicht meine Aufgabe war, sie zu dr?ngen. Ihre Zeit w?rde kommen, wenn sie bereit war. Und vielleicht, nur vielleicht, wenn der Winter kam und die Taverne still und leer war, w?rde sie an mich denken ? an den Mann, der mit wenig Gep?ck kam und doch mehr trug, als es auf den ersten Blick schien.
Ich w?rde nicht predigen. Ich w?rde nicht dr?ngen. Ich w?rde abwarten und beobachten, ob sie eines Tages den Weg finden w?rde ? den Weg, den auch ich gegangen war, als ich das erste Mal Arachnan in mein Leben lie?. Und vielleicht, wenn der Moment reif war, w?rde sie den gleichen Ruf h?ren.
Ich ging weiter. Die Stra?e war noch immer ruhig. Aber in mir war etwas, das sich bewegte, leise, aber fest. Der Glaube war nicht tot. Und vielleicht, wenn sie bereit war, w?rde er auch in Bareti erwachen.

Und das gen?gt. F?r jetzt.