Ein Auftrag von Lady Bareti
Verfasst: 16 Mai 2025, 13:56
Folgegeschichte auf Die Geschichte von Bareti:
Episode IX
„Pläne, Pfeifenrauch & ein Platz zum Bleiben – oder: Wie ich einen Hof teilte, bevor ich ihn verstand“
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Der Auftrag
Lirael wandelte durch die uralten Wälder von Moonglow, getrieben von einem Gemisch aus Pflicht und einer ungewohnten Sehnsucht, ihrer Schwester Ehre zu erweisen. Ihre Schritte waren geschmeidig wie die eines Luchses, und doch spürte sie in ihrem Innern eine Schwere, als trüge sie eine unsichtbare Last. Ihr Geist schweifte ab, fern der umgebenden Wildnis, sodass sie beinahe über hervorstehende Wurzeln gestolpert wäre.
Bareti hatte sie um Hilfe ersucht.
Ein Auftrag war ihr anvertraut worden, und jemand setzte seine Hoffnung in sie. Diese Empfindung lag so lange zurück, dass sie sie fast überforderte. Die Freude, die sich leise in ihrem Herzen regte, wagte sie kaum zuzulassen. Doch Bareti war ihre Schwester – so hatte sie es gesagt. War es nicht das natürliche Recht und zugleich die Pflicht zwischen Schwestern, einander beizustehen? Doch warum dann diese Aufregung über eine solch einfache Bitte?
Diese Gedanken umwoben sie wie ein unsichtbares Netz, während sie das Unterholz durchstreifte. Es war, als könnten die Antworten auf ihre Zweifel unter den morschen Blättern oder hinter knorrigen Stämmen verborgen liegen. Plötzlich durchbrach ein schriller, kreischender Schrei die Stille des Waldes und riss sie aus ihren Gedanken. Sofort wurden ihre Sinne wachsam wie die einer Jägerin. Ihre Hand glitt in die lederne Tasche, aus der sie das Pergament hervorholte, das Bareti ihr im Vertrauen überlassen hatte. Obwohl sie die Worte des Schreibens in- und auswendig kannte, suchte sie instinktiv den Trost des vertrauten Papiers, als könne sie so die Nähe ihrer Schwester spüren.
„Ich brauche Informationen. Über Junker Hagrobald von Erlengrund. Seine Bewegungen, seine Verbündeten, seine Wege. Nichts Offenes. Nur ein Bild,“ hatte Bareti gesagt.
Lirael kannte diesen Junker nicht, und ehrlich gesagt interessierte er sie kaum. Doch wenn es für Bareti von Bedeutung war, so war es auch für sie von höchster Wichtigkeit. Sie dachte an das gestrige Treffen mit ihrer Schwester. Bareti wirkte bewegt, nicht besorgt oder verzagt, doch eine Unruhe lag in ihren Augen, die Lirael nicht einzuordnen wusste. Obwohl sie ihre Schwester erst kurz kannte, fiel ihr jede noch so kleine Regung auf, und diese Erkenntnis füllte sie mit einer stillen Hoffnung auf Verbundenheit.
Ein Rascheln im Augenwinkel brachte Lirael abrupt zurück in die Gegenwart. Ihre Muskeln spannten sich augenblicklich an, doch ebenso schnell entspannte sie sich, als sie den Ursprung der Bewegung erkannte: Eine schwarze Amsel hatte sich auf einen tief hängenden Ast gesetzt. Lirael atmete tief durch, ihr Blick wurde schärfer, und sie setzte ihren Weg mit neuer Konzentration fort. Bald schon erblickte sie durch das wirre Blattwerk der uralten Bäume ein rosafarbenes Mauerwerk, das in der Ferne schimmerte. Fremdartige Laute, wie von eingesperrten Kreaturen, erreichten ihre Ohren und ließen sie innehalten.
Mit der Geschicklichkeit, die sie in unzähligen Jahren des Überlebens in der Wildnis erlangt hatte, kletterte sie auf eine schlanke Hainbuche, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Von ihrem neuen Standpunkt aus konnte sie das Anwesen erkennen – ein großes Gebäude, das von hohen Mauern umgeben war. Die Mauern selbst schienen wie eine Beleidigung an den Wald zu grenzen, zerschnitten sie doch das Gewebe der Natur, als wollten sie den Willen der Erde brechen. Efeu kletterte mutig an den Wänden empor, doch Lirael wusste, dass die Klingen der Menschen dem Triumph des Grüns Einhalt gebieten würden.
Mit einem Satz sprang sie auf einen mächtigen Eichenbaum, dessen ausladende Krone ihr einen besseren Blick auf die Szenerie ermöglichte. Der Park zwischen der Mauer und dem herrschaftlichen Anwesen war in strenge geometrische Formen gezwungen, ein Bild, das Lirael unweigerlich die Nase rümpfen ließ. Doch es waren die Kreaturen, die innerhalb dieser Grenzen eingesperrt waren, die ihren Zorn weckten. Ihr Blick fiel auf einen schwarzen Panther, der nervös an einer Umzäunung entlang patrouillierte. Wut und Trauer durchfluteten sie, als ihr das Unrecht dieser Gefangenschaft bewusst wurde.
Noch bevor sie näher heran klettern konnte, drangen Stimmen an ihr Ohr. Zwei Männer näherten sich auf einem Pfad aus südlicher Richtung. Der eine war in grelle, beinahe unnatürlich wirkende Farben gekleidet, während der andere einen Zylinder trug und ein Buch in schwarzem Ledereinband in der Hand hielt. Sie verschwanden bald hinter der Mauer, doch ihre Worte, getragen von der Stille des Waldes, drangen bis zu Lirael.
„… es wird schwierig sein, diese Vorwürfe zu begründen…“, sagte der eine mit einem unterdrückten Seufzer.
„… wir müssen einen Weg finden, das sind wir unserem Partner schuldig…“, antwortete der andere mit drängender Stimme.
Die Unterhaltung schien sich zu intensivieren, doch die beiden Männer entfernten sich, und Lirael konnte ihre Worte nicht mehr klar verstehen. Sie blieb für einen Moment auf ihrem Ast hocken, grübelnd über die Bruchstücke, die sie gehört hatte. Doch bevor sie zu einem Schluss kommen konnte, durchbrach das verzweifelte Aufschreien eines Tieres ihre Gedanken. Ihr Blick fiel wieder auf den Park, auf die leidenden Kreaturen, und ihre Brust zog sich vor Trauer und Zorn zusammen.
Sie musste Bareti informieren. Diese Gräueltat durfte nicht ungehört bleiben. Mit einem eleganten Schwung glitt sie von den Bäumen herab und rannte lautlos durch die Wälder, ihre Schritte schneller, als es die Wut und die Empörung in ihrem Herzen zuließen. Das Bild der eingesperrten Wesen blieb ihr vor Augen, und die wenigen Worte der Männer hallten in ihrem Geist wider. Doch all dies schien unwichtig angesichts des Unrechts, das sie gerade erlebt hatte.
Bareti würde wissen, was zu tun war. Sie musste es wissen. Und so rannte Lirael, getrieben von einer Mischung aus Pflicht und unbändiger Entschlossenheit, dem warmen Licht von Baretis Taverne entgegen.
Episode IX
„Pläne, Pfeifenrauch & ein Platz zum Bleiben – oder: Wie ich einen Hof teilte, bevor ich ihn verstand“
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Der Auftrag
Lirael wandelte durch die uralten Wälder von Moonglow, getrieben von einem Gemisch aus Pflicht und einer ungewohnten Sehnsucht, ihrer Schwester Ehre zu erweisen. Ihre Schritte waren geschmeidig wie die eines Luchses, und doch spürte sie in ihrem Innern eine Schwere, als trüge sie eine unsichtbare Last. Ihr Geist schweifte ab, fern der umgebenden Wildnis, sodass sie beinahe über hervorstehende Wurzeln gestolpert wäre.
Bareti hatte sie um Hilfe ersucht.
Ein Auftrag war ihr anvertraut worden, und jemand setzte seine Hoffnung in sie. Diese Empfindung lag so lange zurück, dass sie sie fast überforderte. Die Freude, die sich leise in ihrem Herzen regte, wagte sie kaum zuzulassen. Doch Bareti war ihre Schwester – so hatte sie es gesagt. War es nicht das natürliche Recht und zugleich die Pflicht zwischen Schwestern, einander beizustehen? Doch warum dann diese Aufregung über eine solch einfache Bitte?
Diese Gedanken umwoben sie wie ein unsichtbares Netz, während sie das Unterholz durchstreifte. Es war, als könnten die Antworten auf ihre Zweifel unter den morschen Blättern oder hinter knorrigen Stämmen verborgen liegen. Plötzlich durchbrach ein schriller, kreischender Schrei die Stille des Waldes und riss sie aus ihren Gedanken. Sofort wurden ihre Sinne wachsam wie die einer Jägerin. Ihre Hand glitt in die lederne Tasche, aus der sie das Pergament hervorholte, das Bareti ihr im Vertrauen überlassen hatte. Obwohl sie die Worte des Schreibens in- und auswendig kannte, suchte sie instinktiv den Trost des vertrauten Papiers, als könne sie so die Nähe ihrer Schwester spüren.
„Ich brauche Informationen. Über Junker Hagrobald von Erlengrund. Seine Bewegungen, seine Verbündeten, seine Wege. Nichts Offenes. Nur ein Bild,“ hatte Bareti gesagt.
Lirael kannte diesen Junker nicht, und ehrlich gesagt interessierte er sie kaum. Doch wenn es für Bareti von Bedeutung war, so war es auch für sie von höchster Wichtigkeit. Sie dachte an das gestrige Treffen mit ihrer Schwester. Bareti wirkte bewegt, nicht besorgt oder verzagt, doch eine Unruhe lag in ihren Augen, die Lirael nicht einzuordnen wusste. Obwohl sie ihre Schwester erst kurz kannte, fiel ihr jede noch so kleine Regung auf, und diese Erkenntnis füllte sie mit einer stillen Hoffnung auf Verbundenheit.
Ein Rascheln im Augenwinkel brachte Lirael abrupt zurück in die Gegenwart. Ihre Muskeln spannten sich augenblicklich an, doch ebenso schnell entspannte sie sich, als sie den Ursprung der Bewegung erkannte: Eine schwarze Amsel hatte sich auf einen tief hängenden Ast gesetzt. Lirael atmete tief durch, ihr Blick wurde schärfer, und sie setzte ihren Weg mit neuer Konzentration fort. Bald schon erblickte sie durch das wirre Blattwerk der uralten Bäume ein rosafarbenes Mauerwerk, das in der Ferne schimmerte. Fremdartige Laute, wie von eingesperrten Kreaturen, erreichten ihre Ohren und ließen sie innehalten.
Mit der Geschicklichkeit, die sie in unzähligen Jahren des Überlebens in der Wildnis erlangt hatte, kletterte sie auf eine schlanke Hainbuche, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Von ihrem neuen Standpunkt aus konnte sie das Anwesen erkennen – ein großes Gebäude, das von hohen Mauern umgeben war. Die Mauern selbst schienen wie eine Beleidigung an den Wald zu grenzen, zerschnitten sie doch das Gewebe der Natur, als wollten sie den Willen der Erde brechen. Efeu kletterte mutig an den Wänden empor, doch Lirael wusste, dass die Klingen der Menschen dem Triumph des Grüns Einhalt gebieten würden.
Mit einem Satz sprang sie auf einen mächtigen Eichenbaum, dessen ausladende Krone ihr einen besseren Blick auf die Szenerie ermöglichte. Der Park zwischen der Mauer und dem herrschaftlichen Anwesen war in strenge geometrische Formen gezwungen, ein Bild, das Lirael unweigerlich die Nase rümpfen ließ. Doch es waren die Kreaturen, die innerhalb dieser Grenzen eingesperrt waren, die ihren Zorn weckten. Ihr Blick fiel auf einen schwarzen Panther, der nervös an einer Umzäunung entlang patrouillierte. Wut und Trauer durchfluteten sie, als ihr das Unrecht dieser Gefangenschaft bewusst wurde.
Noch bevor sie näher heran klettern konnte, drangen Stimmen an ihr Ohr. Zwei Männer näherten sich auf einem Pfad aus südlicher Richtung. Der eine war in grelle, beinahe unnatürlich wirkende Farben gekleidet, während der andere einen Zylinder trug und ein Buch in schwarzem Ledereinband in der Hand hielt. Sie verschwanden bald hinter der Mauer, doch ihre Worte, getragen von der Stille des Waldes, drangen bis zu Lirael.
„… es wird schwierig sein, diese Vorwürfe zu begründen…“, sagte der eine mit einem unterdrückten Seufzer.
„… wir müssen einen Weg finden, das sind wir unserem Partner schuldig…“, antwortete der andere mit drängender Stimme.
Die Unterhaltung schien sich zu intensivieren, doch die beiden Männer entfernten sich, und Lirael konnte ihre Worte nicht mehr klar verstehen. Sie blieb für einen Moment auf ihrem Ast hocken, grübelnd über die Bruchstücke, die sie gehört hatte. Doch bevor sie zu einem Schluss kommen konnte, durchbrach das verzweifelte Aufschreien eines Tieres ihre Gedanken. Ihr Blick fiel wieder auf den Park, auf die leidenden Kreaturen, und ihre Brust zog sich vor Trauer und Zorn zusammen.
Sie musste Bareti informieren. Diese Gräueltat durfte nicht ungehört bleiben. Mit einem eleganten Schwung glitt sie von den Bäumen herab und rannte lautlos durch die Wälder, ihre Schritte schneller, als es die Wut und die Empörung in ihrem Herzen zuließen. Das Bild der eingesperrten Wesen blieb ihr vor Augen, und die wenigen Worte der Männer hallten in ihrem Geist wider. Doch all dies schien unwichtig angesichts des Unrechts, das sie gerade erlebt hatte.
Bareti würde wissen, was zu tun war. Sie musste es wissen. Und so rannte Lirael, getrieben von einer Mischung aus Pflicht und unbändiger Entschlossenheit, dem warmen Licht von Baretis Taverne entgegen.