Der Ruf der Freiheit

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Konrad Kaltenbach
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Registriert: 13 Mai 2025, 17:47
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Der Ruf der Freiheit

Beitrag von Konrad Kaltenbach »

Konrad Kaltenbach – Der Ruf des Lichts und der Freiheit


Der Bach rauschte an jenem Morgen etwas lauter als gewöhnlich. Vielleicht war es der Regen der Nacht, vielleicht ein Zeichen der Götter. Bruder Henricus, ein greiser Kleriker des Tyrael-Ordens, beugte sich über das Geländer der kleinen Steinbrücke, auf der er oft stand, um zu beten. Da sah er ihn – einen Weidenkorb, sanft schaukelnd auf den Wellen, zwischen Ästen und Blättern treibend. Als er ihn herauszog, hörte er das erste Mal das leise Weinen eines Neugeborenen. In Leinentücher gehüllt, mit einem einfachen Holzkreuz um den Hals – weiter nichts. Kein Name, kein Zeichen, keine Herkunft.

„Konrad soll er heißen“, sprach Henricus, „nach dem alten Ordensgründer. Und Kaltenbach… denn dort hat Tyrael ihn uns gesandt.“


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Jahre der Ordnung und Pflicht

Das Kloster St. Almarin war kein Ort der Trägheit. Die Mauern, aus hellem Kalkstein, erhoben sich scharf und klar gegen den Himmel – Symbol für Disziplin, Klarheit und Ordnung. Konrad wuchs in diesen Mauern auf. Er lernte früh zu gehorchen: zur sechsten Stunde Beten, zur siebten Wasser holen, danach Küchendienst. Mit neun Jahren war er schon verantwortlich für das Kräuterbeet hinter dem Nordflügel – und für jedes vergessene Blatt Unkraut gab es einen scharfen Blick vom Prior.

„Nicht jeder ist zum Dienst an Tyrael geboren“, sagte man ihm, „aber jeder hat seine Pflicht zu erfüllen.“ Und so hämmerte er Nägel, reinigte Latrinen, flickte zerschlissene Kutten. Wenn andere Kinder unterwiesen wurden in Liturgie, lernte Konrad, wie man Mauerrisse mit Lehm stopfte. Wenn die Novizen Psalmen rezitierten, trug er das Brennholz in den Saal.

Es waren die kleinen Momente, die sich in seine Seele brannten:
– Der Tag, an dem er in der Bibliothek Bücher tragen musste und über eine aufgeschlagene Seite stolperte, in der von einem „wandernden Licht“ die Rede war, das jenseits aller Ordnung leuchtet.
– Der kalte Morgen, an dem er allein im Glockenturm den Reif auf dem Feld glänzen sah – so still, so grenzenlos weit.
– Die verbotenen Gespräche mit dem alten Bruder Aegidius, der heimlich Geschichten von anderen Völkern und anderen Göttern sammelte und ihm zuflüsterte: „Nicht jeder Lichtstrahl fällt durch das gleiche Fenster.“


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Gefangenschaft hinter Mauern

Konrad fühlte sich nie zugehörig. Die strenge Ordnung, das endlose Wiederholen derselben Rituale – alles schien darauf ausgelegt, jede Regung, jede Frage zu unterdrücken. Der Glaube, wie er ihm gelehrt wurde, war eine Mauer aus Regeln, nicht ein Quell lebendiger Wahrheit.

In der siebten Woche jedes Jahres gab es einen Tag der Stille – kein Wort durfte gesprochen werden. Für viele Brüder war es ein Tag der Andacht. Für Konrad war es Folter. Die Gedanken schrien in ihm, rüttelten an den Ketten seines Geistes. Er fragte sich, warum ein Gott, der das Licht brachte, mit so viel Dunkelheit, Dogmen und Zwang im Herzen verehrt werden sollte.

„Bin ich denn falsch?“, fragte er sich oft. Doch da war niemand, der antwortete.


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Erste Zeichen – der Ruf Ryonars

Mit etwa zwanzig Jahren, während eines besonders strengen Winters, wurde Konrad aufgetragen, das Dach der Vorratskammer freizuschaufeln. Der Frost biss in seine Finger, der Wind peitschte sein Gesicht. Doch als er innehielt, um Kraft zu schöpfen, sah er am Himmel einen einzelnen Greifvogel kreisen – weit über den Türmen des Klosters.

„Adun‘…“, flüsterte er plötzlich. Er wusste nicht, woher das Wort kam. Kein Mönch hatte es ihn gelehrt. Und doch fühlte es sich an wie ein Ruf – ein Versprechen.

In den folgenden Monaten wiederholte sich dieses Gefühl. Immer wieder. Wenn er allein war. Wenn der Wind durch die Gänge strich. Wenn das Sonnenlicht in die Kapelle fiel und sich golden über den kalten Stein legte. Etwas – jemand – sprach zu ihm, nicht mit Worten, sondern mit Freiheit.

Er hörte, was andere nicht hörten. Der Klang des Bachs, an dem er gefunden worden war, wurde für ihn zum Lied. Eine Melodie, die ihn erinnerte: „Du gehörst nicht hierher. Du bist mehr als ein Werkzeug. Du bist berufen. Frei sollst du sein."


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Der Gott, der ihn sah

Es war in der Nacht vor dem Fest des strahlenden Lichts, als Konrad träumte. Er stand auf einem weiten Feld, barfuß, umgeben von Nebel. Und aus dem Nebel trat eine Gestalt – nicht klar zu erkennen, nur Licht und Bewegung. Keine Krone, kein Zepter. Nur Gegenwart. Freiheit. Und eine Stimme sprach in sein Innerstes:

„Du hast mich nicht gesucht. Doch ich habe dich gesehen. Du bist nicht gemacht für Ketten. Du wirst wandeln. Du wirst führen. Du wirst frei sein.“

Als er erwachte, war alles klar. Der Glaube hatte ihn gefunden. Ryonar, der Gott des freien Lichts, hatte ihn erwählt. Nicht durch ein Buch, nicht durch ein Ritual. Sondern durch das, was er immer war – ein Mensch, der sich sehnte.


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Der Aufbruch

Zwei Jahrzehnte lang diente Konrad noch dem Kloster. Seine Hände waren rau wie Baumrinde, sein Rücken von Arbeit gezeichnet. Doch sein Blick blieb jung, sein Herz ungebrochen. Und irgendwann wurde der Ruf in ihm zu laut.

In einer mondlosen Nacht, als der Wind durch die Zypressensträucher pfiff und kein Bruder wachte, schlich sich Konrad durch den Hinterhof, nahm ein grob geschnürtes Bündel – einen alten Umhang, ein Stück Brot, das Holzkreuz, das ihm einst umgelegt worden war – und trat durch das Haupttor. Niemand hielt ihn auf. Es war, als hätte das Kloster selbst verstanden, dass seine Zeit dort vorbei war.

Er wanderte tagelang. Durch Wälder, über Hügel, vorbei an Dörfern, wo ihn niemand kannte. Und in ihm sang ein neues Lied – eines von Wind, Licht, Weite und Freiheit. Die Worte „Adun’“ und „Ryonar“ wurden sein tägliches Gebet.


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Heute

Nun ist Konrad 42 Jahre alt. Seine Erscheinung schlicht, aber würdevoll. Er trägt keinen Prunk, nur den Blick eines Mannes, der Ketten gesprengt hat – Ketten der Pflicht, der Unterdrückung, der Enttäuschung. Er sieht sich nicht als Heiliger, sondern als Werkzeug Ryonars. Jemand, der anderen zeigen will, dass Freiheit heilig ist, dass Mitgefühl und Fürsorge mehr wert sind, als strenge Dogmen und Regeln.

Und dass Licht nicht geordnet sein muss, um zu strahlen.
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