Auszug aus der "Autobiographie des Piraten Halblang", bei welches es sich weder um eine Autobiographie, noch um das Werk eines Piraten handelt. Dieser Meeres-Romantik-Schinken wurde von einem Fl??er verfasst, der immer wieder langatmige Kapitel zu realen Themen der Schifffahrt hatte einflie?en lassen.
Mit, unter Anspannung bebendem Busen stand die Dame Aria am Kl?verbaum. Sie trug noch immer das zerrissene Gewand vom Sturm der letzten Nacht. Der Wind trug die sch?umende Gischt zu ihr empor und die Tropfen sammelten sich wie feine Perlen eines berauschenden Sekts auf ihrer schneewei?en Haut. Immer wieder rannen sie daran hinab, ihre weiblichen Formen umschmeichelnd.
Doch der Kapit?n hatte keinen Blick f?r diese Sch?nheit. Er gab immer wieder knappe Befehle an die Mannschaft und dirigierte das Suchmuster nach ihrem verschollenen Mann. Zun?chst hatten sie kurz nachdem er ?ber Bord ging, eine behelfsm??ige Boje ins Wasser gelassen. Sie hatten schon drei Schenkel der Sektoren zu je zweimal 120? Steuerbord abgefahren und erreichten erneut die Boje. Nun galt es von der Boje aus 30? nach Steuerbord zu versetzen und mit weiteren drei Schenkeln die bisherigen toten Winkel zu pr?fen.
Falls dies nicht zum Erfolg f?hrte, musste Rossini weiter abgetrieben sein, als erwartet. Dann galt es in den sauren Apfel zu bei?en und in einer sich stets erweiternden Spirale zu suchen. Von der Boje aus, m?sse man dann eine Sichtweite nach Norden lenken, dann 90? nach Steuerbord und nach je zwei solcher Schenkel galt es die Distanz um einen weiteren Teil Sichtweite zu verl?ngern. So gab er die Befehle erneut die Geschwindigkeit messen zu lassen und als er vom Kompass aufblickte, sp?rte er, wie Aria sich an ihn geschmiegt hatte und ihm zart ins Ohr hauchte
"Werden wir meinen Geliebten je wiederfinden?"
Als Kapit?n war er es gewohnt, dass sich eine jede Frau, der er begegnete...
Sanft massierte sich Cassius die Schl?fen. Dies war nicht der Schreibstil, den er sich erhofft hatte. Aber er konnte es dem Autor auch nicht verdenken, tief in die Trickkiste zu greifen. Vielleicht konnte so ja doch jemand ?berzeugt werden, wider seines Willens etwas zu lernen. Und Cassius fiel es nicht schwer die Prosa zu ?berfliegen und das Wesentliche zu erfassen. Es kostet ihn nur unn?tige Zeit und Nerven.
Nach einigen Gespr?chen am heutigen Vormittag mit angeblichen Augenzeugen konnte er nur grobe Richtungen ausmachen, in denen kleinere Lichter sich von dem glei?enden gel?st haben sollen. Hinzu kam, dass ein dichter Wald die Sicht nicht gerade beg?nstigte und der Kompass, den er auf die Schnelle beschaffen konnte, recht klein war. In der Theorie war das vielversprechendste Suchmuster schnell ausgearbeitet aber bereits kleine Ungenauigkeiten bei den Geraden oder Hindernisse, die B?ume, Felsen, Gr?ben oder B?che w?rden die Angelegenheit verkomplizieren. Eine grobe Karte hatte er sich besorgt, mehr wollte er seinem Budgetplan nicht aufb?rden. Wenn er sehr genau Protokoll ?ber jedes Ausweichen f?hren w?rde, m?sste es ihm doch gelingen, das System nicht zu sprengen. So schwer konnte es nicht sein!
Doch das war es.
Ein ganzer Tag verging, an dem er sich mehrfach verlief. Den Kompass pr?zise und diszipliniert abzulesen, war trivial. Ihn jedoch genau in die Richtung zu halten, in die er ging, war eine monumentale Herausforderung. Den zweiten Tag brachte er damit zu, innerhalb von Moonglow die Stra?en abzugehen, sich dabei nur auf den Kompass zu konzentrieren und so zu ?ben, wie er ihn genau halten musste. Der dritte Tag war dann schon etwas erfolgreicher. Zwar waren die Linien noch immer nicht so gerade, wie er es sich w?nschen w?rde, durch ein Verkleinern der Strecken und ein Markieren der Linien durch das Hinterherziehen eines Astes konnte er mit Zeit ausgleichen, was ihm mangels Erfahrung an Pr?zision fehlte. Und so bemerkte er am fr?hen Nachmittag eine frische, absteigende Scharte in einer alten Eiche.
Gut einen Schritt weiter waren Unterholz und Erde aufgew?hlt. So lie? Cassius den Ast fallen und massierte sich zun?chst ausgiebig den Trizeps, der von dieser ungewohnten Belastung schmerzte.
Sorgsam umschritt er die Fundstelle und machte sich dazu einige Notizen in sein kleines B?chlein. Die Eiche stand fast genau an einem Abhang, der sich nahezu ?ber die halbe Insel zog. Sie wiederzufinden w?re keine Herausforderung. Nachdem er den Fundort auf seiner Karte markiert und eine Wegbeschreibung in sein Notizbuch eingetragen hatte, zog er ein kleines Werkzeug aus seiner Umh?ngetasche, das er Tags zuvor noch besorgt hatte. An einem Ende war eine winzige Harke, am anderen eine puppenhafte Schaufel. Ein kurioses Werkzeug f?r kleinste Gartenarbeiten.
Sorgf?ltig zog er das Unterholz beiseite und schlie?lich Schicht f?r Schicht die Erde. Kaum zwei Finger tief kam ein dunkles Objekt zum Vorschein. Sorgf?ltig befreite er es von allen Seiten von der Erde. Ein unf?rmiger, faustgro?er Stein, so schien es. H?tte er ihn so am Wegesrand liegen sehen, h?tte er ihm keine weitere Bedeutung beigemessen. Aus der Umh?ngetasche holte er rasch ein Weckglas und bef?rderte den Stein dort hinein. Es brauchte etwas ?berzeugungsarbeit, doch schlie?lich gelang es ihm den Stein mit der schmalen Seite und einer leichten Drehung durch die ?ffnung zu bekommen. Die Oberfl?che war dunkel, nahezu schwarz und glatt. Er war offensichtlich gro?er Hitze ausgesetzt und angeschmolzen.
In diesem Moment musste er feststellen, dass seine Ma?nahmen das Glas zuvor mit hei?em Wasser und anschlie?end mit Alkohol zu reinigen, m?glicherweise vergebene Liebesm?h gewesen sind. Die Assel und die Ameisen, die in dem Glas krabbelten und die Erde, die noch zu Teilen an dem Stein klebte, schienen sich jedenfalls nicht an der Reinlichkeit des Glases zu st?ren.
Cassius legte den Deckel auf das Gef?? und versuchte die Klammer darum zu befestigen. Im Laden sah es so einfach aus. Schlie?lich gab er den Versuch auf und band stattdessen einen Strick mehrfach um das Glas. Gewiss hatte man ihm die falsche Metallklammer mitgegeben, die gar nicht f?r dieses Glas bestimmt war!
Wieder in seiner kleinen Kammer angekommen, stellte er das Glas auf dem schmalen Schreibtisch ab. Heute w?rde er sich nicht mehr intensiv damit befassen k?nnen. Doch das mangelnde Licht des l?ngst eingekehrten Abends konnte noch f?r eine letzte ?bung hilfreich sein. Weniger st?rende Sinneseindr?cke.
Und so legte er die H?nde au?en an das Glas und folgte penibel den Schritten des "Almanachs f?r den entspannten Magiepraktikanten". W?hrend er sich tiefer und tiefer in Trance begab. Um sich herum war nichts wahrzunehmen. Was immer dieser Stein verbarg, es schien keine Magie zu sein. Dies war sein letzter Gedanke, ehe er auf dem Schreibtisch zusammengesunken von der Trance nahtlos in einen tiefen Schlaf glitt.