Glut am Horizont [Sternenfall]

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Bareti
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Glut am Horizont [Sternenfall]

Beitrag von Bareti »

Glut am Horizont [Sternenfall]

Der Abend war lau, der Himmel klar und von der Art, wie man ihn nur in den seltensten Nächten findet – wenn der Wind ruht, die Grillen schweigen, und das Licht der Sterne heller scheint als gewohnt. Im Hain hinter der Taverne plätscherte leise das Wasser des kleinen Brunnens, während sich das Licht der Sterne schimmernd über die Blätter legte. Die Kronen der alten Bäume bewegten sich kaum, und ein Duft von frischem Gras und verblühenden Wildblumen lag in der Luft.

Lirael hockte mit einem Knie am Boden, den Blick auf ein paar feine Spuren im feuchten Erdreich gerichtet. Ein schlafender Fuchs lag zusammengerollt an ihrem Lager, dessen Atem gleichmäßig die Ruhe der Szene untermalte. Ihre Finger glitten gedankenverloren durch das weiche Fell des Tiers, als lausche sie dem Rhythmus der Erde selbst. Wenige Schritte entfernt saß Bareti auf der flachen Steinbank, die sie sich unlängst zurechtrücken lassen hatte – eine kleine Bastion der Ordnung inmitten wuchernder Natur. In der Hand hielt sie einen Becher ihres neuesten Mostversuchs. Dieser hier funkelte wie geschmolzenes Glas mit einem Schimmer von Lichtgrün.

„Ich sage dir, diesmal ist er gelungen,“ murmelte sie mit einem zufriedenen Lächeln, „weniger Gärung, dafür mehr Apfel.“

Lirael antwortete mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken. „Er schmeckt besser als der letzte. Und weniger beißend.“

Bareti hob eine Braue. „Das war mutwillige Schädigung der Zunge, ich weiß. Ich habe noch eine Probe davon eingelagert, zur Erinnerung.“

Gerade wollte Lirael schmunzeln, als ein fremdartiger Laut die Stille zerschnitt. Ein leises, tiefes Vibrieren durchzog die Luft, als hätte jemand weit entfernt eine gewaltige Saite angeschlagen, eine Resonanz aus einer anderen Sphäre. Die beiden Frauen hielten inne, die Umgebung schien für einen Atemzug in der Zeit eingefroren.

Dann sahen sie ihn.

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Ein Lichtstrahl. Kein Stern wie jeder andere. Ein flammender Schweif, der quer durch den Himmel zog, viel zu tief, viel zu nah. Nicht wirklich über Moonglow, eher über dem Festland westlich. Die Farben wirkten unirdisch, ein Spiel aus flüssigem Violett, Glutrot und schneidendem Weiß. Ein Licht, das durch Mark und Bein ging. Lirael sprang auf, als hätte ein innerer Instinkt sie gepackt, noch bevor das ferne Grollen sie erreichte.

„Das war keine normale Sternenschnuppe,“ sagte sie knapp. „Zu nah. Zu laut. Und etwas… hat sich dabei verändert.“

Bareti war aufgestanden, das Glas beinahe unbemerkt zur Seite gestellt. Ihr Blick blieb auf das fern flackernde Licht am Horizont gerichtet. „Ich spüre Magie. Eine Art Widerhall.“

Die Luft roch leicht verbrannt, als hätte der Wind ein Echo des Geschehens herübergetragen trotz der gewaltigen Entfernung. In der Ferne leuchtete ein blassroter Schimmer am Horizont auf. Baretis Finger verkrampften sich für einen Moment um ihr Notizbuch.

Lirael griff nach ihrem Bogen. „Ich werde dem nachgehen. Wenn etwas brennt, werde ich es sehen.“

Bareti trat zu ihr, legte ihr kurz die Hand auf die Schulter. Ihre Stimme war ruhig, aber fest. „Sei vorsichtig. Ich werde herausfinden, was in den Archiven zu solchen Sternenfällen vermerkt ist. Vielleicht finde ich auch einen Hinweis im alten Reisebuch des Astronomen aus Trinsic.“

Ein letzter Blick. Dann trennten sich ihre Wege. Lirael glitt lautlos zwischen die Bäume, ein Schatten unter Schatten. Ihr Schritt war entschlossen, ihre Sinne geschärft. Bareti aber wandte sich Richtung Taverne, das Notizbuch fest an die Brust gedrückt, die Gedanken bereits bei alten Legenden, seltsamen Konjunktionen und magischen Sternzeichen.

Und irgendwo, weit entfernt, loderte die Glut der Wildnis. Noch verborgen, aber nicht mehr stumm.
Lirael Vanya'thiel
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Re: Glut am Horizont [Sternenfall]

Beitrag von Lirael Vanya'thiel »

Lirael war auf dem Rückweg zur Taverne, nachdem sie E'lessar Telperien am Teleskop zurückgelassen hatte. Post

Sie ging langsam und auf dem Weg, was ungewohnt für sie war. Aber sie war nachdenklich, hatte den Blick fast permanent auf den Boden gerichtet und schenkte ihrer Umwelt keinerlei Beachtung. Ihre Füße trugen sie selbständig auf dem ausgetretenen Pfad. Je näher sie Moonglow kam, umso breiter wurde der Weg und umso mehr Menschen begegneten ihr, aber auch ihnen schenkte sie keine Beachtung.

Sie hatte versucht, am Gespräch anzuknüpfen, das sie mit E'lessar in Yew geführt hatte, aber er hatte jedes Gespräch, das über das absolute Minimum hinausging, das der Anstand verlangte, verweigert. Zuerst hatte sich Lirael hinterfragt und war unsicher, ob sie einen Fehler gemacht hätte. Aber je länger sie gingen und je länger sie ihn beobachtete, desto mehr wurde ihr klar, dass seine Gedanken sich um größere Sorgen drehen mussten als das Befinden einer einfachen Waldelfe. Und so hatte sie die Situation hingenommen und ihn zum Teleskop geführt, ohne weitere Fragen zu stellen.

Nach ihrer Ankunft hatte er sich bedankt, und ein kleines Lächeln hatte für einen kurzen Moment seine Lippen umspielt, was Lirael als Beleg wertete, dass er sich ihrer bewusst war und sie sich keine weiteren Gedanken machen sollte.

Und dennoch drehten sich nun auf dem Rückweg in ihrem Kopf alle Gedanken um die Ereignisse der letzten Stunden. Wenn sogar Wesen, die weit mehr von der Welt gesehen hatten als sie - wie Bareti oder E'lessar - derart bedrückt waren, gab es dann vielleicht wirklich Gründe, sich zu sorgen?

Nach einer Weile kam sie schließlich an das eiserne Gatter des Zaunes, der Moonglow umgab. Als sie die Türen öffnete, schien sich auch ihr Geist wieder zu öffnen, und mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie ihren wichtigsten Ratgeber bisher noch nicht in ihre Gedanken einbezogen hatte. Sie entschied sich für einen Umweg und ging statt durch die Stadt durch den Wald zur Taverne. Die Zeit in der Natur würde ihr mit Sicherheit Klarheit geben und ihre Gedanken ordnen.

Als sie durch den Wald ging und sich von der Stadt entfernte, fand sie schließlich ihre innere Ruhe wieder. Mit dieser Ruhe schärften sich auch ihre Sinne, und sie glitt wieder mit der gewohnten Eleganz und den üblichen filigranen Schritten durch das Gehölz. In der Ferne vernahm sie Vogelgezwitscher, und der Wind strich mit einem leisen Summen durch das Laub der Bäume.

Nur die erfahrenen und sensiblen Ohren einer Waldelfin konnten die subtile Veränderung im Vogelgezwitscher erkennen, die sich gerade abspielte. Lirael verlangsamte ihren Schritt, um sich besser auf die Laute des Waldes konzentrieren zu können, und vernahm eine feine, aber doch wahrnehmbare Veränderung in der Klangstruktur ihrer Umgebung. Irgendetwas musste die Lebewesen nordwestlich von ihr in Aufregung versetzen. Nach einem kurzen Zögern entschied sie sich, der Ursache auf den Grund zu gehen und herauszufinden, was dort die Natur in Unruhe versetzte.

Nachdem sie sich weiter vorgearbeitet hatte und sich der aufgeregten Geräuschkulisse genähert hatte, veränderte sich auch der Geruch ihrer Umgebung. Mit einigen Sätzen war sie über eine kleine Erhebung gelangt und blickte auf einen Teil des Waldes, in dem mehrere kleine Feuerherde schwelten. In ihrer Mitte befand sich ein Graben, in dem eine glühende Masse vermischt mit Steinen zu sehen war. Nachdem die erste Verwunderung gewichen war, realisierte Lirael auch, wie viel Wärme von dieser Stelle ausging, und verstand, warum die Vogelwelt im Umkreis aufgeschreckt war.

Sie musste Bareti von dieser Entdeckung erzählen.

Schnell und mit zügigen Schritten machte sie sich auf den Weg zur Taverne. Bareti würde wissen, wie mit dieser Entdeckung umzugehen war.
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Bareti
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Feuer in der Tiefe

Beitrag von Bareti »

Feuer in der Tiefe – oder: Warum ein glühendes Loch keine Antwort ist
Erzählt von Bareti, Wirtin mit Forscherdrang, Magierin mit staubigen Stiefeln

Lirael stand schon in der Tür, bevor der Morgendunst vollends von den Wiesen wich. Ihre Stimme war ruhig, aber in ihren Augen lag etwas, das ich selten bei ihr sah: Unruhe. Kein Schrecken, kein Entsetzen – sondern ein angespannter Blick, wie ihn Jäger tragen, die etwas Witterung haben, aber noch nicht wissen, ob es Beute oder Gefahr ist.

„Im Nordosten, nahe der Akademie, da ist etwas. Es ist … warm.“

Ein einzelnes Wort, und doch reichte es aus, um mir einen feinen Schauder über den Rücken zu jagen. Warm war kein Begriff, der Lirael leichtfertig benutzte. Sie unterschied zwischen sommerlicher Glut, dem Atem eines verletzten Tieres, dem Nachhall von Feuerzaubern – und diesem "warm". Es war ein Wort, das in ihrer Stimme zitterte, obwohl sie selbst ruhig wirkte.

Ich hatte gerade den Most abgedeckt, als sie mir davon erzählte. Glühende Steine, ein Graben voll Hitze, aufgescheuchte Vögel. Keine feindliche Armee, kein Sturm, kein Magiebrand. Und doch war sie sich sicher, dass es nicht sein sollte, was dort war. Diese Art von Überzeugung war nicht zu übersehen.

Ich sah sie lange an, länger als notwendig, und las zwischen den Worten, was sie nicht aussprach. Dass es ihr keine Ruhe gelassen hatte. Dass sie selbst Zweifel gehegt hatte, ob sie überreagierte – und dann doch zu dem Schluss kam, dass ich es sehen musste.

Also packte ich meine Tasche. Ich legte die Schürze ab, die noch nach Apfel und Hefe roch, schloss das Notizbuch, das auf dem Tresen lag, und ergriff meinen treuen Stab, der an der Wand lehnte wie ein alter Freund, der nur darauf wartete, wieder gebraucht zu werden. Ich folgte ihr. Nicht nur, weil sie um Hilfe bat, sondern weil die Welt sich wieder bewegte, und wir nicht zusehen durften, wie sie dies im Verborgenen tat.

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Der Weg führte uns durch weiche Hügel und stille Haine. Ich hatte mich für ein schlichtes, aber reisefestes Kleid entschieden, in dunklem Türkis, das mich halbwegs vor Moosflecken bewahrte. In der Manteltasche klapperten Phiolen, ein kleiner Probenspieß, ein Tuch mit Runen für magische Resonanzprüfungen. Lirael schritt schweigend voran, ihre Schritte federnd, doch wachsamer als sonst. Es war ein stiller Marsch, aber kein schwerer.

Vögel verstummten, je näher wir kamen. Die Bäume wirkten dichter, als würden sie etwas verbergen wollen. Und der Boden änderte sich. Erst war es nur ein leiser Geruch von Eisen, dann folgte feiner, dunkler Staub, der sich auf die Stiefel legte wie Ruß. Ich blieb kurz stehen, zog den Umhang enger um mich. „Hier also?“

Sie nickte nur. Und ich sah es.

Keine wirkliche Lava, nicht so, wie sie in alten Chroniken beschrieben wurde. Kein Strom aus der Tiefe, kein offener Schlund. Eher eine glühende Pocke, als hätte die Welt einen verqueren Pickel bekommen. Ein paar Steine, zum Teil geschmolzen, lagen in einem seichten Becken, das sachte dampfte. Fliegen lagen tot daneben, ein Fuchs hatte offenbar den Weg nicht mehr hinausgefunden. Der Geruch war streng, metallisch, mit einem Hauch von fauligem Ei.

Ich murmelte eine leise Formel, um die magische Sättigung der Luft zu messen. Kein direktes Leuchten, aber die Linien der Formel verschwammen leicht, als würde der Zauber mit etwas Unsichtbarem ringen. Reste von Druck, vielleicht. Oder eine Nachwirkung.

Ich schloss die Augen einen Moment länger als für das Wirken nötig und atmete tief durch. Der Äther war nicht leer, er war gespannt wie ein zu straff gezogener Faden. Selbst der Boden unter meinen Stiefeln vibrierte leicht, kaum wahrnehmbar, doch rhythmisch, wie ein ferner Herzschlag. Ich murmelte eine zweite Formel, diesmal eine zur Stabilisierung meines eigenen Feldes. Manchmal war es nicht klug, mit etwas zu verschmelzen, das man noch nicht verstand.

Ein Windhauch zog über die Lichtung, aber er roch nicht nach Wald. Er roch nach geschmortem Erz, nach altem Feuer und aufgebrochener Tiefe. Ich öffnete die Augen und wusste: Hier war etwas an die Oberfläche gedrängt worden, das sehr lange unter ihr geschlafen hatte.

„Was meinst du, Bareti?“ Liraels Stimme war gedämpft, fast ehrfürchtig.

Ich kniete mich nieder, berührte fast den Boden, zog dann aber die Hand zurück. Zu heiß. Ich hielt einen kleinen Metallspiegel über die Stelle, um die Hitzeströme sichtbar zu machen – sie flimmerten auf, wie der Atem aus einem schlafenden Mund. Ein leises Knacken kam aus der Tiefe, rhythmisch, aber unregelmäßig. So, als würde sich etwas dort unten rühren.

„Es handelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um ein Fragment des primären oder eines sekundären Einschlags. Es fehlen sämtliche Indizien für eine entsprechende Zusammensetzung, ebenso lässt sich kein typischer Einschlagskegel erkennen, der auf ein kinetisches Eindringen von oben schließen ließe. Aber …“

Ich warf ihr einen Blick zu.

„Aber es ist neu. Und es ist falsch. Und es atmet.“

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Was, wenn der Einschlag im Meer Druck veränderte? Unterirdische Kammern, die über Jahrhunderte Ruhe hielten, plötzlich zum Atmen gezwungen wurden? Der Boden hier ist alt, das Gestein darunter voller Geschichten. Vielleicht war der Sternenfall ein Stoß gewesen, der nicht nur Licht brachte, sondern auch alte Wunden aufriss. Vielleicht war er kein Ende, sondern ein Katalysator, ein Impuls, der schlafende Ströme weckte und vergessene Kanäle wieder mit Bewegung füllte.
Ich zog mein Notizbuch hervor, blätterte bis zur letzten leeren Seite und hielt inne. Was, wenn dies nur ein Symptom war? Wenn der wahre Wandel noch bevorstand? Ich zeichnete eine grobe Skizze der Umgebung, markierte die Richtung der Krusteinsenkung und versah sie mit Fragezeichen. Wenn dieser Ort durch Druck zum Riss gebracht wurde, könnten andere Stellen folgen. Vielleicht sogar an Orten, die wir für sicher hielten.

„Ich muss Proben nehmen. Und wir sollten das Gebiet beobachten. Vielleicht gibt es mehr solcher Stellen. Vielleicht eine Linie, vielleicht ein Muster.“

Lirael nickte. „Und wenn es nicht der letzte Hauch dieses Sterns war, sondern sein erstes Flackern? Ein Ruf statt eines Abschieds?“

Ich antwortete nicht sofort. Doch in meinem Inneren notierte ich mir, dass manchmal auch Fragen glühten.

Und dass wir anfangen mussten, sie zu sammeln. Nicht als Magierin, nicht als Wirtin, sondern als jemand, der den Dingen zuhört, wenn sie unter der Erde zu flüstern beginnen.
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