Undead Island: Das Fl?stern des Verfalls
Die H?hle war nun nicht mehr nur ein Ort der Zuflucht, sondern ein Schlund, der ihre Lebensgeister verschlang. Die K?lte des Winters kroch durch jede Ritze des Gesteins, doch eine weitaus tiefere K?lte hatte sich in die Herzen der ?berlebenden gefressen: der Hunger. Er war ein st?ndiger Begleiter, ein leises, nagendes Tier in ihren M?gen, das ihre Gedanken vernebelte und ihre Sinne sch?rfte ? nicht f?r die ?u?ere Gefahr, sondern f?r die innere, f?r die Angst, dass der N?chste ihnen das letzte St?ck Brot entrei?en k?nnte. Das Baby, dessen Schreie einst nur die Schuld hervorriefen, wurde nun zum Symbol des Verbrauchs, ein kleiner, uners?ttlicher Schlund, der die ohnehin schon mageren Rationen weiter dezimierte.
Arencia sah es. Sie sah, wie die Wangen einsanken, wie die Augen tiefer in ihren H?hlen lagen, wie die Bewegungen langsamer und z?gerlicher wurden. Sie sah, wie die Menschen, die einst ihre Vorr?te teilten, nun mit misstrauischen Blicken ?ber ihre eigenen, winzigen Portionen wachten. Es war ein k?stliches Schauspiel des Verfalls, ein langsames Ausbluten der Menschlichkeit, das ihre dunkelelfenhafte Ausbildung in den Schatten stellte. Die Dunkelelfen hatten sie gelehrt, den Geist zu brechen, aber der Hunger war ein Meister darin, den K?rper zu beugen, und mit ihm den Geist.
Der Hunger ist ein geduldiger Folterer. Er zerfrisst die Vernunft, St?ck f?r St?ck, bis nichts als tierische Instinkte ?brig bleiben. Sie werden sich gegenseitig fressen, wenn ich nur lange genug warte. Oder ich gebe ihnen einen kleinen Ansto?.
Die Expeditionen zur Nahrungssuche wurden l?nger und gef?hrlicher. Die wenigen, die sich hinauswagten, kehrten mit noch weniger zur?ck.
Harman Brooks, der einst so entschlossen wirkte, schien nun bei jeder R?ckkehr ein St?ck seiner Seele verloren zu haben. Seine Augen waren leer, seine Schultern gesenkt.
Eines Abends, als die Rationen verteilt wurden ? kaum mehr als ein Bissen f?r jeden ?, h?rte
Arencia das leise Grummeln in den M?gen. Sie sah, wie
Andrew Evans, der Bauer, seine Portion fast gierig verschlang, w?hrend
Bev Russel ihre Kinder mit besorgtem Blick ansah, ihre eigene Portion kaum anr?hrte.
Arencia trat an
Andrew heran, ihre Stimme war sanft, fast mitf?hlend, doch in ihren Tiefen lag die K?lte des Grabes. "Andrew", sagte sie, "du siehst schwach aus. Hast du genug gegessen? Ich habe geh?rt, dass die Expeditionsgruppen immer weniger finden. Vielleicht... vielleicht sollten diejenigen, die drau?en arbeiten, etwas mehr bekommen? Nur, damit sie die Kraft haben, uns alle zu retten."
Andrew, dessen H?nde von der Arbeit rissig und schmutzig waren, zuckte zusammen. Er sah zu den wenigen S?cken mit getrocknetem Fleisch und den kargen Wurzeln. "Ich... ich wei? nicht", murmelte er. Er wusste, dass es logisch klang, aber er wusste auch, dass es eine Spaltung bedeuten w?rde.
Die Logik der Notwendigkeit. Sie ist so viel ?berzeugender als jede Moral. Und sie wird sie dazu bringen, sich gegenseitig zu beneiden, zu hassen. Die Trennung beginnt mit dem Magen.
Ihre Worte waren wie ein Funke in trockenem Gras. Bald darauf begannen die leisen Beschwerden. Warum sollten die einen mehr bekommen als die anderen? Waren nicht alle gleich wichtig? Die Lehrerin
Maria Lopez versuchte, zu vermitteln, sprach von Fairness und Gleichheit, doch ihre Worte verhallten im Knurren der leeren M?gen.
Arencia goss ?l ins Feuer, indem sie kleine, scheinbar unschuldige Beobachtungen machte. "Ich habe gesehen, wie
Ashley heute Morgen l?nger bei den Vorr?ten war", fl?sterte sie zu
Harman, als
Ashley gerade Holz holte. "Ich bin sicher, es ist nichts, aber... in diesen Zeiten ist man eben misstrauisch, nicht wahr?"
Harman nickte nur, sein Blick wanderte zu
Ashleys R?cken. Der Samen des Zweifels war ges?t.
Misstrauen ist wie eine Krankheit. Einmal infiziert, breitet es sich unaufhaltsam aus. Sie werden sich gegenseitig verd?chtigen, bis niemand mehr dem anderen traut. Und dann sind sie wirklich allein, selbst in ihrer ?berzahl.
Die Atmosph?re in der H?hle wurde unertr?glich. Die Luft war erf?llt vom Geruch des Hungers, vom leisen Knurren der M?gen und dem scharfen, durchdringenden Weinen des Babys, das nun nicht mehr nur Schuld, sondern auch eine wachsende, irrationale Wut hervorrief. Jedes Mal, wenn es schrie, schien es die letzten Reserven an Geduld und Menschlichkeit zu verzehren.
Fatima, die ?rztin, versuchte verzweifelt, das Baby zu beruhigen, doch ihre H?nde zitterten so sehr, dass sie kaum den L?ffel halten konnte, mit dem sie die sp?rliche Babynahrung verabreichte. Ihre Augen waren blutunterlaufen, ihr Geist schien am Rande des Zusammenbruchs zu stehen.
Die Ironie ist k?stlich. Die Heilerin, die sich selbst nicht heilen kann. Sie wird die erste sein, die zerbricht. Und wenn die Hoffnung auf Heilung schwindet, schwindet auch die letzte Bastion der Vernunft.
Eines Tages, als die Verzweiflung ihren H?hepunkt erreichte, brach ein Streit aus. Eine kleine, harmlose Bemerkung ?ber eine ungleich verteilte Portion eskalierte schnell zu einem w?tenden Schlagabtausch. Worte, scharf wie Messer, flogen durch die H?hle, und die verborgene Wut, die sich ?ber Tage angesammelt hatte, entlud sich in einem h?sslichen Crescendo.
Arencia stand abseits, ihre menschliche Maske zeigte eine sorgf?ltig dosierte Besorgnis, doch in ihrem Inneren tanzten die Knochen vor Freude. Sie sah, wie die Gruppe, die sich einst zusammengeschlossen hatte, nun in kleine, misstrauische Fraktionen zerfiel. Die Schreie des Babys schienen in diesem Moment lauter als je zuvor, ein Soundtrack des Verfalls.
Der Plan entfaltet sich. Der Hunger hat die letzten Reste ihrer Moral zersetzt. Sie sind nun rohe, ?ngstliche Kreaturen, bereit, sich gegenseitig zu zerfleischen. Das ist die wahre Sch?nheit des Todes ? er muss nicht von au?en kommen, er kann auch von innen wachsen, wie ein Krebsgeschw?r.
Die H?hle war nun kein Zufluchtsort mehr, sondern ein K?fig, in dem die Gefangenen sich selbst zerfleischten. Der Hunger, das verr?terische Herz, pochte unaufh?rlich, und mit jedem Schlag trieb es die ?berlebenden tiefer in den Abgrund des Wahnsinns.
Arencia wartete geduldig auf den Moment, in dem die letzten Funken der Menschlichkeit erl?schen w?rden, und die H?hle nur noch ein Grab f?r gebrochene Seelen sein w?rde.
Der Hunger. Er war nicht l?nger nur ein Gef?hl, sondern eine Pr?senz, ein unsichtbares, doch allgegenw?rtiges Monster, das in den Eingeweiden der ?berlebenden hauste. Er nagte nicht nur an ihren M?gen, sondern auch an ihren Seelen, zerfra? die letzten Fasern der Zivilisation, die sie noch zusammenhielten. Die H?hle, einst ein Symbol der Hoffnung, war nun ein Ort, an dem die Luft dick war vom Geruch der Verzweiflung und dem leisen, unaufh?rlichen Knurren der leeren M?gen. Das Baby schrie nicht mehr so oft; es war zu schwach. Sein leises Wimmern war nun ein noch grausamerer Klang, ein Echo des eigenen, schwindenden Lebens.
Inmitten dieser Agonie tauchte er auf, ein weiterer Schatten in ihrem bereits dunklen Dasein:
Earl. Er war ein Mann von betr?chtlicher Statur, dessen F?lle in diesen Zeiten des Mangels wie eine groteske Karikatur wirkte. Seine Kleidung, einst sicher von feinem Tuch, war nun zerlumpt, doch sein Blick trug noch immer die Arroganz eines Mannes, der es gewohnt war, sich zu nehmen, was er wollte. Er war ein Fremdk?rper in ihrer zerbrechlichen Gemeinschaft, ein St?rfaktor, der die bereits angespannte Atmosph?re bis zum Zerrei?en spannte.
Ein neuer Spieler im Spiel des Verfalls. Und welch ein pr?chtiger! Seine Gier wird ein Katalysator sein, der die Flammen des Hasses noch h?her schlagen l?sst. Die perfekte Erg?nzung zu ihrem Elend.
Earl sprach wenig, doch seine Blicke waren fordernd, seine Bewegungen ungeduldig. Er verstand die Not nicht, die diese Menschen plagte, denn sein Leben war von ?berfluss gepr?gt gewesen. Die wenigen, sorgf?ltig bewachten Vorr?te schienen in seinen Augen eine Beleidigung zu sein, ein unzureichendes Angebot f?r einen Mann seines Standes.
Die Nacht war tief, und die K?lte kroch in die Knochen. Die meisten ?berlebenden schliefen einen unruhigen Schlaf, geplagt von Tr?umen von Festm?hlern und dem stechenden Schmerz der Realit?t. Doch
Harman Brooks, dessen Schlaf seit Tagen von Albtr?umen zerrissen wurde, war wach. Ein leises Ger?usch, ein Scharren, das nicht vom Wind stammte, lie? ihn aufschrecken. Er sah, wie eine dunkle Gestalt sich zu den letzten, heiligen Vorr?ten schlich.
Es war
Earl. Mit einer Hast, die der Gier entsprang, die er nicht zu verbergen vermochte, riss er den letzten Sack mit getrocknetem Fleisch auf. Seine Finger zitterten, als er die wenigen, kostbaren St?cke in seinen Mund stopfte, sie gierig verschlang, ohne auch nur einen Gedanken an die anderen zu verschwenden, die hungerten.
Harman stie? einen Laut aus, eine Mischung aus Schock und Wut, die die Stille der H?hle zerriss. Andere erwachten, ihre Augen suchten im Dunkel nach der Quelle des Ger?uschs. Das Licht einer kleinen ?llampe fiel auf
Earls fettiges Gesicht, das von Schuld und Trotz verzerrt war, w?hrend er die letzten Reste der Nahrung zerkaute.
Ein Schrecken, tiefer als die Angst vor den Untoten, breitete sich aus. Es war der Schrecken des Verrats, der des Verrats an der Gemeinschaft, die sie noch waren.
Ah, die Offenbarung! Das Licht der Lampe entbl??t nicht nur den Dieb, sondern auch die wahre Natur dieser Kreaturen. Die Gier, die sie in den Abgrund treibt. Es ist so viel befriedigender, wenn sie es selbst tun.
Die Wut war ein kochender Strom, der durch die m?den Adern der ?berlebenden floss. Die Diskussion war kurz, brutal und ohne die Z?gerlichkeit, die noch bei der ersten Abstimmung geherrscht hattet.
Earl war ein Verr?ter, ein Dieb, der ihnen die letzte Hoffnung auf ?berleben geraubt hatte.
Die Daumen hoben sich, diesmal fast synchron, eine schreckliche Einheit in ihrem Urteil. Die "
Daumen runter"-Option gewann mit ?berw?ltigender Mehrheit.
Earl sollte sterben.
Arencia stand im Schatten, ihre menschliche Miene zeigte eine Mischung aus Trauer und Verst?ndnis, die so ?berzeugend war, dass selbst die Verzweiflung der ?berlebenden sie nicht durchschaute. Doch in ihrem Inneren tanzten die Knochen einen Freudentanz.
Der Moment der Entscheidung war gekommen, und die Menschen hatten sich f?r die Dunkelheit entschieden.
Die Maske der Menschlichkeit f?llt. Sie sind nun Raubtiere, nicht anders als die Untoten drau?en. Nur, dass ihre Beute aus den eigenen Reihen stammt. Welch ein Fortschritt! Welch ein Verfall!
Earls Tod war schnell, ein Akt der Verzweiflung und des Hasses. Ein dumpfer Schlag, ein letzter, gurgelnder Laut, dann Stille. Eine Stille, die schwerer wog als jeder Schrei, erf?llt vom Echo ihrer eigenen Brutalit?t. Sein K?rper lag da, ein grotesker Berg von Fleisch in der Mitte der H?hle, ein Mahnmal ihrer Entscheidung, ein Spiegelbild dessen, was sie geworden waren. Doch der Hunger, dieses unerbittliche Tier, lie? nicht nach. Es knurrte weiter in ihren M?gen, und seine Stimme wurde lauter, fordernder. Die Augen der ?berlebenden, die eben noch von Wut geblitzt hatten, wanderten nun zu
Earls Leichnam. Ein Gedanke, schrecklich und unaussprechlich, begann sich in den K?pfen zu regen, ein Fl?stern, das aus den tiefsten, dunkelsten Winkeln des menschlichen Verstandes aufstieg.
Arencia sah es. Sie sah den Blick, der in
Andrew Evans' Augen aufstieg, als er seinen Blick nicht von dem toten K?rper l?sen konnte. Sie sah, wie
Ashley Ross die Lippen leckte, unbewusst, getrieben von einem Urinstinkt, der tiefer war als jede Moral. Sie begann zu fl?stern, kaum h?rbar, nur f?r diejenigen, die nahe genug waren, um die Worte in ihren eigenen hungrigen Gedanken widerhallen zu lassen. "Er hat uns alles genommen", hauchte sie zu
Harman, dessen Blick ebenfalls auf
Earl ruhte. "Nun... nun k?nnte er uns vielleicht noch etwas geben. Nichts sollte verschwendet werden in diesen Zeiten. Nicht wahr?"
Die ultimative Degradation. Sie werden sich selbst verzehren, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Geschmack der Verzweiflung wird sie f?r immer zeichnen. Und ich werde Zeugin sein, wie sie ihre letzten Reste von Menschlichkeit ablegen.
Die Gedanken ?ber Kannibalismus, einst undenkbar, schlichen sich nun wie hungrige Schatten in ihre K?pfe. Sie waren nicht mehr nur eine Gruppe von ?berlebenden; sie waren eine hungrige Meute, deren moralische Kompassnadel wild ausschlug. Die H?hle war nicht l?nger ein Ort der Zuflucht, sondern ein Schlachthaus des Geistes, in dem die Grenzen zwischen Mensch und Tier verschwammen.
Das verr?terische Herz pochte nun nicht nur in ihren Ohren, sondern auch in ihren M?gen, und mit jedem Schlag trieb es sie tiefer in einen Abgrund, aus dem es kein Entkommen gab.
Arencia l?chelte, ein L?cheln, das die K?lte des Todes trug, w?hrend sie zusah, wie die letzten Lichter der Menschlichkeit in der H?hle erloschen.