Sturmfluten und Quellversiegung [Sternenfall]

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Vigilator
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Sturmfluten und Quellversiegung [Sternenfall]

Beitrag von Vigilator »

Der Einschlag des vierten Sterns

Später, wenn man in Tavernen und an Herdfeuern davon spricht, sagt man: In jener Nacht fiel ein Stern. Nicht, weil nie zuvor einer gestürzt wäre - die letzten Monde hatten den Himmel schon gezeichnet, sondern weil dieser vierte tat, was die anderen nur androhten: Er schnitt das Verborgene entzwei.

Wer je einen Faden des arkanen Gefüges gespürt hatte, erwachte mit Schmerzen. Für manche war es ein dumpfes Dröhnen hinter den Augen, für andere ein Bruch, der sie bewusstlos machte, als hätte jemand die Welt in ihnen ausgeschaltet. Den Übrigen blieb die einfachere Wahrheit:

Ein Stern fiel auf Moonglow.

Das Meer hob sich. Wände aus Wasser - hoch wie Zyklopen - rollten von Moonglow fort und suchten die Küsten heim. In Britain und in Düsterhafen peitschten sie gegen Kaimauern und Holzstege, hoben Rümpfe an wie Spielzeug und warfen Schiff an Schiff, Mast an Mast. Takelage riß, Laternen erloschen, und in den Gassen stand das Meer bis an die Schwellen. Wer draußen war, wurde fortgerissen; wer drinnen blieb, betete, dass die Steine hielten.

Es wurde später von überlebenden Seeleuten berichtet, die Wände aus Wasser seien in einem Atemzug da gewesen, im nächsten wie von der Welt verschluckt - als spiegelte das Meer zwei Wirklichkeiten. In der einen riss die Katastrophe alles mit sich und in der anderen lag Stille, glatt wie ein unbewegter Spiegel. Es war, als blicke man auf eine Wasserfläche, in die ein Stein fällt: ringsum schnelle, jagende Wellen - und im Zentrum eine unnatürliche Ruhe, eine Blase aus Schweigen, als gehörte sie nicht zu dieser Welt.

Die Überlebenden Moonglows schwören, der Sturz sei schöner gewesen als sein Ende. Der rot-violette Schweif versprach etwas - der Einschlag nicht. Er war ein stumpfes Urteil. Die Insel erzitterte, und alles, was stand, wurde zu etwas, das fiel. Männer brüllten nach ihren Kindern, Kinder schrien nach den Müttern, Tiere brachen durchs Gebüsch, Möbel rutschten, Karren knickten, Schuppen setzten sich, und aus den Fassaden sprangen Steine, als schüttelte die Erde ab, was lose war.

Im selben Atemzug erzählten die Überlebenden, die Welt habe gewirkt, als sei sie verrückt, um einen halben Fingerbreit verschoben. Erst war die Szene voller Überforderung, Angst, Trauer und Wut. Manche schworen, sie hätten geliebte Personen erschlagen gesehen - beim nächsten Augenzwinkern spürten sie deren Hand, die sie packte, als wolle sie zur Flucht drängen - nur um im folgenden Moment wieder zu begreifen, dass diese Person doch tot war. Es war, als legte die Wirklichkeit zwei Seiten derselben Münze übereinander - nicht immer, aber immer wieder brach es durch. Jeder berichtete anders, aber allen gemeinsam war eine Verwirrung, die tief in den Geist schnitt.

Die Luft wurde zu Staub. Erde, Splitter, Laub und Mineralie hingen wie eine Decke über allem. Atmen wurde Arbeit. Jede Lunge brannte. Als das Beben nachließ - es waren weniger als sechzig Herzschläge, doch alle schwören auf eine Ewigkeit - lag eine graubraune Schicht aus Erde und Asche über der Insel. Stunden vergingen, bis man wieder frei atmen konnte, länger, bis der Blick weiter reichte als zwei Schritt.
Bäume lagen in Reihen wie gefällte Riesen. Entwurzelte Stämme krachten gegen Mauern, Mauern gaben nach, Steine flogen durch Türen. Wo der Kern einschlug, klaffte ein Krater; um ihn her lag das Land wie ein erschöpfter Körper, dem man das Atmen verlernt hatte. Vom kleineren Splitter redete später kaum jemand—sein Licht war vergangen, sein Werk war das des Kerns.

Unsichtbar rollten die größeren Wellen: Die Fäden der Magie, einst straff und tragend, hingen zerfetzt wie nasse Seile. Zauber, die sonst leichtfielen, endeten im Stechen unter der Haut. Was an Mana noch in Adern lag, rann aus wie Wasser in sandigem Grund - einmal gerufen, nie zurück. Seit jener Nacht sind die Oasen der Kraft trocken: wer noch wirkt, zahlt doppelt.

Dann kam die Stille - keine echte, nur die nach großen Geräuschen. Man zählte die, die fehlten. Man tastete nach dem, was fehlte. Man fragte, was von morgen blieb. Manche nannten den vierten Stern einen Schlussstrich. Andere ein Zeichen. Alle aber wussten: Die Welt hatte ihren Atem verändert, und sie würde nie wieder so atmen wie zuvor.


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