Rubie Sturmauge

Der große Sturm tobte.
Sie kreischte in Panik ob des Unwetters, der grellen Blitze und des darauffolgenden lang anhaltenden Donners, der wie Drachengebrüll über die Berge fegte.
Die Welt würde untergehen, ganz gewiss, hinweggeschwemmt von den Regenmassen oder in einen Abgrund gesogen der sich im Tal auftun würde - so sicher wie ihr Name Rubie war.
Vergeblich versuchten die Eltern sie zu beruhigen, vergeblich versuchte die Mutter sie im Arm zu halten. 
Sie führte ihren eigenen Veitstanz auf, mit zugekniffenen Augen, die Hände fest auf die Ohren gepresst.
Irgendwann war sie vor Erschöpfung eingeschlafen, in Alpträume versinkend aus denen niemand sie retten konnte.
Am nächsten Morgen hatte das Wetter sich beruhigt, die Sonne schickte bereits vereinzelte Strahlen durch die aufgerissene Wolkendecke, der immer noch nasse Boden dampfte leicht in der beginnenden Hitze des Tages. 
Sie schlug die Augen auf und kniff diese wieder zu, irgendetwas stimmte nicht, die Welt schien sich verändert zu haben, verschwamm vor ihren Augen, waberte leicht. Sie kniff das rechte Auge zu - die Welt war wieder wie sie sie kannte. Der gleiche Versuch mit dem anderen Auge scheiterte kläglich: im rechten Auge schien ein kleiner Kobold allerlei Schabernack zu treiben - die Welt tanzte, sprang hin und her, schlug Purzelbäume. 
Die Mutter kam und schaute ihr ungläubig ins Gesicht, musterte sie unbehaglich und rief den Vater. Dieser zuckte die Schultern, murmelte etwas von ‚Glibschauge’ und schien genauso ratlos. 
Sie gewöhnte sich an, das rechte Auge leicht zuzukneifen, das machte alles erträglicher. Ihr Gesicht sah dadurch immer ein wenig schief aus, aber die Welt war gerade.