Wiederauferstehung und Wandlung

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Drava Vincenzo
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Wiederauferstehung und Wandlung

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Prolog – Teil I – Der Fluch eines Blutsbruders

Die Welt war in Dunkelheit gehüllt, doch es war nicht die sanfte Schwärze der Nacht, sondern eine kalte, uralte Finsternis, die tief unter den verwitterten Mauern eines vergessenen Anwesens lastete. Ein Jahrzehnt war vergangen, seit die Sonne zuletzt ihre Strahlen auf diesen verfluchten Ort geworfen hatte. Staub und Spinnweben bedeckten die hohen Holzbalken und zerfallenen Fresken, die von vergessenen Zeiten kündeten.

Inmitten dieser kalten Mauern lag er — Drava Vincenzo.

Einst ein stolzer Gildenlord der Lords of War, gefürchtet wie geachtet, nun ein Schatten dessen, was er einst war. Niemand erinnerte sich an jenen Tag als die schweren Eisentore sich knarrend öffneten und Drava Vincenzo schwer verletzt das Anwesen nur mit Hilfe Landors betrat. Nebelschwaden zogen durch den nächtlichen Hof, kalt und feucht, als wollten sie jeden Eindringling warnen.

Drava taumelte.

Der schwarze Umhang der Lords of War war zerrissen, das schwarze Leder klebte an einer Wunde, die selbst sein seelenloses Fleisch kaum zu heilen vermochte.
Blut — kostbar und schwach — rann aus einem Riss in seiner Seite.

Seine Feinde hatten ihn beinahe erwischt.

Nur mit letzter Kraft hatte er den Weg durch den Bergpass gefunden, getrieben von Hoffnung... und von Verzweiflung in die Arme seiner Brüder zu fallen.

Er stand vor der dunklen Pforte des alten Anwesens der Vincenzos, die Hände gegen den kalten Stein gelehnt.

Ein Wispern in der Luft.
Ein uralter Blick, der ihn spürte, noch ehe ein Wort gesprochen war.

„...Drava...!?“

Die Stimme kam von oben, aus dem Turm einer Galerie.
Tief, rau, schwer aber voller Sorgsamkeit.

Und dann trat er hervor: Landor Vincenzo.

Sein Antlitz war wie immer furchteinflößend — Die Jahrhunderte als Vampir hatten Spuren hinterlassen, und doch: in den roten Augen loderte noch derselbe Funke, der einst seinen Blutsbruder geleitet hatte.

Er trug eine lange Robe aus dunklem Stoff, an dessen Saum Symbole alter Blutmagie eingewoben waren. In seiner Rechten hielt er ein Pech schwarzen Stab — nicht als Waffe, sondern als Zeichen der Beherrschung über sich selbst, so wie es jeder Erzmagier der Schattenwelt geschworen hatte.

„Du Narr...“, raunte Landor und war mit übernatürlicher Geschwindigkeit an Dravas Seite.
Mit nur einer Geste öffnete er die Tür.

„Komm. Diese Wunden… sie brennen im Fleisch. Du brauchst altes Wissen — und... meinen Beistand.“

Drava wollte sprechen, doch Blut sickerte zwischen seinen Lippen.

„Schweig!“, befahl Landor, seine Stimme fest, doch nicht ohne Wärme, weil er spürte, was mit seinem Blutsbruder vermutlich geschehen würde.
„Du bist mein Bruder. Und ich habe dich erwartet.“

Er trug Drava mit Leichtigkeit durch steinerne Gänge des Anwesens, in eine Halle, erfüllt vom Duft alter Kräuter und nur von Kerzenlicht erhellt.
Am Ende stand ein schwerer Tisch, bedeckt mit einem Runentuch der Familie.

Dort legte Landor ihn nieder.
Sein Blick glitt prüfend über Dravas Wunden.

„Du hast gekämpft. Und du hast überlebt. Das ist gut.“
Er beugte sich tiefer, sein kalter Atem an Dravas Ohr:

„Dein Blut fließt in mir. Mein Blut in dir. Und durch mich wirst du nicht enden, sondern beginnen.“

„Doch höre mich, Bruder: Von nun an werden die Schatten dich immer jagen. Der Fluch, der uns bindet, ist stärker geworden. Und diese Welt… ist grausamer als je zuvor.“

Sein Griff ruhte auf Dravas Schulter.

Ein Funke von Stolz — und Sorge — blitzte in seinen Augen auf.

„Denn die Nacht duldet keine Schwäche.“

Die Nacht war tief und schwer, in den Hallen der Familie Vincenzo.
Nur das leise Tropfen von Wasser aus den steinernen Wänden durchbrach die Stille.

Inmitten eines weiten Raumes lag Drava Vincenzo — bleich, reglos, zwischen Leben und Tod auf einem Steintisch, bedeckt mit einem Runentuch.
Die Wunden an seiner Seite wurden durch Landor nur notdürftig versorgt, mit dem Wissen es war nicht das Fleisch, das Landor Sorge bereitete.

Er wusste es besser als jeder andere: dies war nicht bloß ein Schlaf zur Heilung.
Dies war die Schwelle.

Die Schwelle, an der der Mensch stirbt, sein Blutsbruder — und das, was bleibt, zum Wesen der Nacht wird.

Landor saß im Schatten einer Säule, sein Blick unablässig auf Drava gerichtet.
In seiner Hand der Talisman der Familie Vincenzo: das Symbol ihrer Blutsbruderschaft.

„Drava...“, sprach er leise in die Dunkelheit.
„Ruh dich aus. Wenn du wieder zu Kräften kommst… wirst du lernen müssen. Mehr als ich dich je lehrte.“

Seine Stimme war heiser, voller Sorge.

Er erinnerte sich an jenen jungen Mann voller Ehre und Trotz, der ihm einst schwor:
"Wir bleiben Brüder, egal welcher Fluch uns auf erzwungen wird."

Doch Landor wusste, wie grausam der Fluch war.
Er selbst hatte Jahrhunderte gerungen — mit Hunger, Wahnsinn, Verlockung der Macht und das Verstoßen der eigenen Rasse.
Er wusste, wie leicht es war, die Menschlichkeit zu verlieren... und wie schwer, sie festzuhalten.

Langsam stand er auf.
Er trat an den steinernen Tisch, senkte sich auf ein Knie und legte eine kühle Hand auf Dravas Stirn.

„Du wirst dich ändern... das ist unausweichlich. Aber vielleicht — nur vielleicht — bleibt in dir, was uns verband.“

Sein Blick verfinsterte sich.

„Denn solltest du zum reinen Raubtier werden… so schwöre ich, Bruder oder nicht… ich werde es beenden.“

Die Worte hallten schwer in der Halle nach.
Landor senkte das Haupt.

Und so wachte er, Stunde um Stunde, ohne zu blinzeln, während Dravas Herz im Takt der uralten Verwandlung langsam neu zu schlagen begann — anders, dunkler.

Die Schwelle war nah.
Bald würde sich zeigen, ob Mensch oder Monster aus dem Schlaf erwachen würde.

mehr an den Tag, als er hierher verbannt worden war, gebannt in einen uralten Schlaf zwischen Leben und Tod.

Ein Fluch, einst von einem sterbenden Blutsbruder geflüstert, hatte ihn verzehrt: "Du sollst ewig wandeln zwischen Licht und Schatten — ohne Alter, ohne Frieden."

Und so schlief er.

Bis heute.
....

Prolog – Teil II – Neues Blut – Das Erwachen

Ein Wispern zog durch die Finsternis. Erst leise, kaum wahrnehmbar — dann lauter, drängender. Fremde Stimmen riefen ihn, sprachen von einer neuen Welt, von Blut, von Sehnsucht.

Seine Augen — einst schwarz wie die Nacht, ohne Seele — rissen auf, nun von tiefem Rubinrot durchzogen. Sein erster Atemzug war kein Luftschnappen, sondern ein leises Knurren, eine urtümliche Gier, die seine Kehle emporstieg. Muskeln spannten sich, altes Leder zerbarst, als Drava sich auf dem kalten Steintisch erhob.

Doch etwas war anders.

Der Durst brannte wie Feuer in seinen Adern. Seine Sinne waren geschärft, jeder Tropfen Wasser in den moosbedeckten Mauern klang in seinen Ohren, jeder faulige Hauch roch wie süßer Nektar. In seinen Adern pulsierte nicht mehr das Blut eines Menschen.

Er war verwandelt.

Ein Kind der Nacht.

Ein Vampir.

Und während sich das uralte Tor unter seinen Berührungen öffnete und der erste schwache Lichtschein der Mondsichel über seine bleiche Haut glitt, sprach er mit heiserer Stimme in die Dunkelheit:

"Meine Feinde werden meinen Namen erneut flüstern — Drava Vincenzo ist erwacht."
....

Prolog – Teil III – Schatten der Erinnerung

Das Mondlicht fiel in schmalen Streifen durch die zerborstenen Fenster der alten Halle. Staub tanzte in der kühlen Luft, als Drava Vincenzo langsam durch die verfallenen Hallen des einst prächtigen Turms schritt. Jeder Schritt hallte wider — nicht nur im Gemäuer, sondern auch in seinem Geist.

Seine Sinne waren geschärft, seine neue Stärke pulsierte in jeder Faser. Doch während sein Körper erwacht war, lag in seinem Herzen noch ein Hauch der Vergangenheit verborgen.

Er blieb vor einem zerbrochenen Spiegel stehen. Das angelaufene Glas zeigte nur schemenhaft sein blasses Antlitz — rote Augen, fahle Haut, ein Gesicht, das weder Leben noch Tod kannte.

Und dann kamen die Bilder.

Erinnerungen.

Wie eine Sturmflut brachen sie über ihn herein.

Er sah sich selbst, jung und stolz, in glänzender Rüstung. Ein Banner mit dem Wappen des Hauses Vincenzo flatterte im Wind. Seine Hände umklammerten den Griff eines Schwertes, das einst für Recht und Ehre geschwungen wurde.

Die Turniere von Jhelom, die Schlachten von Britain...

Lachen. Stimmen von Freunden, längst vergangen.

Und dann — ein Gesicht.

Landor.

Der Verstoßene, sein Blutsbruder.

Die Bilder flackerten. Der Krieg. Verrat. Der Hinterhalt auf ihn - Ein letzter Schrei, ein letzter Atemzug — dann Dunkelheit. Ein Schlaf ohne Ende.

Bis jetzt.

Drava ballte die Hände zu Fäusten. Die Erinnerung an die Leichtigkeit, dass seelenlose. Das, was ihn einst ausmachte, schien so fern — und doch war es in seinem Herzen nicht erloschen.

„Was bin ich geworden...?“ flüsterte er in die Stille.

Der Vampir in ihm gierte nach Blut, nach Macht. Doch der Mensch in ihm... sehnte sich nach mehr. Nach Sinn, nach Erlösung, vielleicht.

Drava trat näher an den Spiegel. Sein Gesicht spiegelte sich matt im Glas: hohe eingefallene Wangenknochen, graue Strähnen im perlenweißen Haar, und in den Robin roten Augen lag eine Schwere, die Jahre, wenn nicht Jahrzehnte umspannte.

Er hob die Hand, fuhr mit den Fingerspitzen über die glatte Fläche. Kaum hatte er das kalte Glas berührt, begann es zu leuchten — sachte erst, dann stärker, bis das Spiegelbild verschwamm und einer anderen Szene wich:

Ein sonnendurchfluteter Garten. Lachen von Kindern.
Eine Ehepaar, glücklich und völlig unberührt von der Schwere des Lebens — seine Eltern, die Geschichte der Familie Vincenzo.
....

Weiter zur Geschichte der Familie Vincenzo: viewtopic.php?t=450
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Drava Vincenzo
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Gegenwart – Teil I – Der innere Konflikt – Mensch gegen Vampir

Beitrag von Drava Vincenzo »

Gegenwart – Teil I – Der innere Konflikt – Mensch gegen Vampir

Die alten Mauern der Halle atmeten Kälte. Kein Feuer brannte in den Kaminen, kein Laut durchbrach die frostige Stille. Nur das Echo seiner eigenen Schritte begleitete Drava Vincenzos durch die verlassene Finsternis. Der Staub vergangener Jahrhunderte schwebte in der Luft, durchzogen von Schatten, die sich bewegten, wenn er es nicht tat.
Er hielt inne. Die Stille war nicht leer. Sie war schwanger mit Erinnerung.
Drava legte eine Hand auf die steinerne Balustrade. Dort, wo einst Banner wehten, wo Schwerter klirrten im Namen von Ehre und Haus, hing nun nur Dunkelheit. Seine Finger, bleich wie Marmor, krallten sich fester in den Stein. Er konnte das Blut riechen. Nicht hier — nicht jetzt. Aber irgendwo. Durch Mauern, durch Zeit, durch Fleisch. Der Durst zog an ihm wie eisiger Wind an einem offenen Grab. In seinen neuen Sinnen war alles schärfer, verführerischer, gefährlicher. Ein Herzschlag konnte ihn locken wie einst eine sanfte Stimme. Ein Tropfen Blut war ein Versprechen, das er kaum abschlagen konnte.

Er fiel auf die Knie.

„Nein…“

Ein Flüstern. Kaum hörbar.

„Ich war mehr.“

Er presste die Augen zusammen, aber Dunkelheit half nicht gegen das, was von innen kam. Bilder schossen hoch: Das Lächeln von Vitorio, als er ihm den Talisman anlegte. Der warme Handschlag seines Bruders Mondo vor der letzten Schlacht. Das dröhnende Gelächter von Landor, seinem alten Mentor, als sie am Feuer saßen und von einer Zukunft sprachen, in der Monster nur noch Märchen waren.
Monster.

Jetzt war er eines.

Und doch... in ihm brannte ein kleiner, widerspenstiger Funke. Menschlichkeit. Ehre. Schuld. Er sah sie nachts in den Spiegeln, die ihn nicht mehr zeigten. Sah sie in Albträumen, die ihn schrien ließen, obwohl er keine Luft mehr zum Atmen brauchte. Die Gesichter derer, die er nicht beschützt hatte — die er vielleicht selbst getötet hatte, im ersten Rausch der Verwandlung.
Ein Ritter. Ein Räuber. Ein Richter. Ein Henker.

„Was bist du, Drava Vincenzos?“ hauchte er in die Leere.

Die Schatten antworteten nicht.

Er stand auf. Langsam. Wie jemand, der gelernt hatte, mit dem Schmerz zu gehen, anstatt gegen ihn. Die Halle dehnte sich vor ihm aus — zu groß, zu leer. Und doch war sie der einzige Ort, an dem er sich erinnern konnte, wer er gewesen war. Er durfte nicht schwach sein. Aber durfte er ganz Dunkelheit werden? Blut gab ihm Stärke. Doch mit jedem Tropfen spürte er, wie sich ein weiterer Teil seines alten Ichs auflöste wie Rauch im Wind. Drava trat an das große Eingangstor, ein Blick durch das kleine Fenster. Dahinter – ein fahles Licht. Kein Sonnenaufgang, aber vielleicht… Hoffnung?
Die Entscheidung lag vor ihm, nackt wie eine Klinge auf einem Altar. Er konnte sie ergreifen – und sich der Dunkelheit ergeben, die in ihm lauerte. Der Hunger würde weichen. Die Albträume würden verstummen. Und er wäre stark genug, seine Feinde zu vernichten.

oder…

Er würde den schmalen Grat zwischen Mensch und Vampir gehen. Nicht, weil es einfacher war — sondern weil es das Einzige war, das ihn an den Mann erinnerte, der er einmal war. Ein Vincenzo.
Ein Ritter. Kein Tier.

Die Kälte biss in seine Haut, doch Drava lächelte. Nur kurz.

„Ich bin nicht verloren. Noch nicht.“

Und mit schwerem Schritt verließ er das Gelände der Vincenzos und ging in die Nacht hinaus.
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Drava Vincenzo
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Gegenwart – Teil II – Der innere Konflikt – Kontakt mit der neuen Welt

Beitrag von Drava Vincenzo »

Gegenwart – Teil II – Der innere Konflikt – Kontakt mit der neuen Welt

Die Erde war kalt und schmeckte nach Rost und Regen.
Nebel lag über dem alten Weg zum Anwesen der Vincenzos, der längst nicht mehr gepflegt wurde. Ein verwitterter Zaun, zerbrochene Statuen und Namen, die kein Mensch mehr kannte. Seine eigenen eingeschlossen.
Er war allein. Und lebendig. Auf seine neue, dunkle Weise.
Doch als er den Hügel verließ und die ersten Lichter am Horizont sah, kehrte kein Trost in seine kalte Brust zurück — nur Fassungslosigkeit.
Hoch ragten glatte Türme aus Glas und Stahl, grell erleuchtet wie Alchemie ohne Quelle. Unbekannte Zeichen blinkten auf Schildern, von elektrischen Funken belebt. Unheimliche Kutschen rasten auf schwarzen Wegen dahin, begleitet von gleißenden Lichtern und einem Knurren, das kein Tier von dieser Welt machen konnte.
Drava duckte sich instinktiv, als ein metallener Vogel mit kreischendem Getöse über ihn hinwegschoss. Die Luft zitterte. Er sprang zurück in den Schatten, presste sich an die Wand eines verwitterten Schuppens. Seine Augen blitzten, seine Reißzähne schnitten gegen seine Lippe.

„Was ist das für ein Reich?“

Die Sprache der Schilder war vertraut und fremd zugleich – verzerrt wie das Echo eines alten Liedes. Worte, Silben, Laute… alles hatte sich verschoben, gewandelt. Die Welt hatte ihn vergessen – und sich neu erfunden.
Er wanderte durch die Randbezirke von Britain. Verlassene Häuser. Zerfallene Bauernhöfe, in deren Ruinen nun Wilde schliefen. Er war ein Schatten in einer Welt aus Licht. In einer engen Seitengasse blieb er stehen.
Ein Mensch – jung, verwundet, blutend – stützte sich taumelnd gegen eine Wand. Der Geruch von Eisen, warm und frisch, erfüllte die Nacht wie ein Ruf in Dravas Schädel. Seine Sinne rasten. Das Pulsieren des Herzens des Mannes war wie ein Lied aus seinem tiefsten Hunger. Der Vampir trat aus dem Schatten. Der junge Mann hob den Kopf, erschrocken.

„W-was…?“

Drava spürte, wie seine Muskeln sich anspannten. Ein einziger Sprung, ein einziger Biss – und der Durst wäre gestillt. Doch dann sah er mehr. Die Angst. Die Verzweiflung. Die Hilflosigkeit. Wie oft hatte er selbst so geblickt – in Schlachten, am Sterbebett, in den Armen Landors. Er knurrte, wandte sich ab, als wolle er seinem eigenen Instinkt entrinnen.

„Nicht so.“

Sein Griff um den alten Dolch an seinem Gürtel spannte sich, bis die Knöchel weiß wurden. Er presste die Klinge gegen seine Handfläche. Blut tropfte – sein eigenes. Schwarz. Dick. Es half nicht gegen den Hunger, aber es erinnerte ihn: Er war mehr als das Tier in ihm.
Mit letzter Kraft schleppte er sich davon. Weg vom Menschen. Weg vom Blut. Die nächsten Nächte verbrachte Drava im Schatten. Er beobachtete – lernte. Menschen bewegten sich anders. Sie sprachen schnell, zu schnell. Ihre Kleidung war bunt und praktisch, ihre Waffen hart und laut. Ihre Fähigkeiten gaben ihnen Macht, die einst nur Magiern zustand. Er fand ein stilles Gebäude mit offenem Eingang. Innen: Bücher. Die Wissen sprachen, wenn man sie richtig las. Es dauerte. Doch er war ein Gelehrter gewesen, ein Krieger mit Verstand.
Nacht um Nacht saß er dort, verborgen im Dunkel, und las. Las über Kriege, Rassen, Revolutionen, neue Sprachen, neue Sitten, Über die Auslöschung der alten Adelshäuser, den Fall der Monarchien, das Aufblühen der Städte.
Er fand seinen eigenen Namen in einem alten Buch – „Die Familie Vincenzo: Blutige Chroniken einer Familie“. Eine Randnotiz. Ein Fluch. Und eine Warnung. Am dritten Abend wurde er beobachtet.
Drei Männer mit langen Mänteln, am Handgelenk den Talisman der Familie Vincenzo, betraten die Bibliothek. Zu ruhig. Zu gezielt. Ihre Augen glänzten wie Jäger. Zwei trugen ein Schwert — verborgen, aber Drava spürte es.

„Sie sind es. Seine Brüder.“

Drava wich zurück. Nicht aus Angst – aus Erkenntnis. Die Familie existierte noch.Und sie wussten, dass er zurück war. Noch bevor sie ihn erreichten, war er verschwunden – in den Schatten, zwischen die Gassen, zurück in die Dunkelheit. Doch nun wusste er:

Die Welt war neu. Voller Wunder. Voller Gefahren.

Aber auch mit seinen Geschwistern. Der Familie Vincenzo

Drava Vincenzo würde lernen, überleben – und entscheiden.

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Drava Vincenzo
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Gegenwart – Teil III – Der innere Konflikt – Neue Kräfte & Fähigkeiten

Beitrag von Drava Vincenzo »

Gegenwart – Teil III – Der innere Konflikt – Neue Kräfte & Fähigkeiten

Die Tage vergingen wie die Farbe seiner Haut. In einer alten Scheune in Minoc, halb eingestürzt, von Moos überwachsen und vergessen vom Lärm der Welt, kniete Drava in der Dunkelheit. Das Holz unter seinen Knien war kalt, aber er spürte ihn nicht. Seine Sinne waren mit anderem gefüllt – sie vibrierten, pulsierten, bebten.

Die Stille war nicht still.

Er hörte das Tropfen von Wasser, das durch ein kleines Loch im Dach sickerte – und zählte jeden Fall, als wäre es ein Takt in einem fremden Lied. Weiter draußen: das Rauschen des Wasser, das leise Flackern der Kerzen, das Knacken der Knochen einer Ratte, die sich unter einem Stück Holz reckte. Er hörte Herzen schlagen. Durch Wände. Durch Mauern. Als würde die Welt selbst atmen, pumpen, leben – für ihn.
Seine Augen glühten matt im Dunkel. Nicht vom Licht, sondern vom Sehen selbst. Jeder Riss im Mauerwerk war ihm klar, jeder Staubfaden in der Luft sichtbar, als schwebten sie in Zeitlupe.

„Was… bin ich geworden?“

Sein Magen war leer. Aber es war kein Hunger, den er fühlte. Es war Durst. Fremd. Übermächtig. Wie Feuer, das durch seine Adern kroch. Kein Wasser, kein Wein, kein Brot konnte ihn stillen. Nur eines: das Leben anderer. Drava taumelte auf, als das Verlangen wieder in ihm aufstieg. Sein Hals war trocken wie Asche. Sein Herz – falls es noch schlug – schlug nicht für ihn. Er betrachtete seine Hände.
Die Narben seiner alten Kämpfe waren verschwunden. Wo einst Schwerthiebe ihn gezeichnet hatten, war jetzt glatte, blasse Haut. Zeit schien keine Bedeutung mehr zu haben. Eine Stunde war wie ein Wimpernschlag – und ein Augenblick wie eine Ewigkeit. Die Welt war zu langsam geworden. Oder er zu schnell. Er bewegte sich. Erst vorsichtig. Dann blitzschnell. Ein Schritt – und er stand plötzlich an der gegenüberliegenden Wand. Die Luft vibrierte, der Staub wirbelte auf. Er keuchte. Nicht aus Erschöpfung, sondern aus Staunen.

„Ich… renne durch Schatten.“

Er ballte die Faust und schlug zu. Die Mauer barst. Lehm splitterte. Ein Loch klaffte, wo seine Hand getroffen hatte. Er betrachtete seine Finger – keine Schramme. Kein Schmerz. Die Kraft, die er spürte, war nicht die eines Mannes. Es war die Macht eines Vampirs.

In jener Nacht wurde er gestellt. Seine Feinde hatten ihn nicht vergessen. Zwei von ihnen fanden ihn in einer Nebengasse. Bewaffnet. Geübt. Ihre Bewegungen sprachen von Training, von Wissen über seine Art. Sie griffen an. Drava wich aus. Nicht, weil er es geplant hatte — sondern weil sein Körper es wusste, bevor sein Geist begriff. Ihre Schwerter schnitten durch Luft, nicht durch Fleisch. In einem Wimpernschlag stand er hinter dem ersten, riss ihn zu Boden. Ein Tritt – und der zweite wurde gegen die Wand geschleudert, reglos.

Der erste aber – verwundet, stöhnend, das Herz schlagend wie eine Trommel – lag unter ihm. Drava kniete über ihm. Entschlossen.
Das Blutgeräusch war alles. Ein Biss. Nur einer. Und der Durst wäre gestillt. Das Feuer gelöscht. Seine Instinkte schrien. Seine Zähne waren längst entblößt. Dann sah er in die Augen des Mannes. Jung. Entschlossen. Voll Angst – aber nicht feige. Er erinnerte sich. An Schlachten. An Knappen. An Brüder.

„Nein.“

Er atmete tief ein – mit dem Wissen das er ihnen völlig überlegen war - obwohl er keinen Atem brauchte – und zwang sich zurück.
Sein Geist griff nach dem Vergangenem. Nicht mit Worten. Mit Wille.

„Du wirst mich nicht sehen. Du wirst mich vergessen. Steh auf. Geh.“

Der Blick des Mannes flackerte. Die Angst wich. Die Lider sanken. Wie ein Schlafwandler stand er auf und verschwand, benommen, blind.
Drava taumelte zurück, die Hände an die Schläfen gepresst.

„Was bin ich...?“

Später, allein, betrachtete er sein Spiegelbild – oder das, was davon übrig blieb. Schemenhaft. Scheu. Wie ein Echo eines Menschen. Haut wie Mondlicht, Augen wie flüssiges Menschen Blut. Aber in seinem Inneren: zwei Mächte.

Die des seelenlosen Menschen – keine Wut, kein Mitgefühl, innerliche leere.

Und die des Vampirs – machtvoll, kalt, unsterblich.

Ein Lächeln zuckte über seine Lippen. Traurig. Wissend.

„Ich bin beides.“

Noch.

Aber wie lange würde er sich selbst halten können?

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Drava Vincenzo
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Gegenwart – Teil IV – Zwischen Blut und Asche – Haus Drakon

Beitrag von Drava Vincenzo »

Gegenwart – Teil IV – Zwischen Blut und Asche – Haus Drakon

Der Wald atmete Nebel. Angelehnt im Schatten an einer alten mit Moos bedeckten Wand, Drava Vincenzo, einst erstgeborener der Familie Vincenzo, trug nun die Kälte des Todes unter seiner Haut. Die Wandlung war vollzogen – das Herz schlug nicht mehr, doch jeder Schritt brannte wie Feuer. Der Durst war neu. Der Schmerz – uralt. Er spürte ihn in jeder Faser: den Bruch zwischen dem, was er war, und dem, was er werden musste.

Er war allein. Und auf der Suche nach dem Haus Drakon – einer Blutlinie älter als Königreiche, älter als Krieg. Seine Zähne pressten sich unwillkürlich aufeinander, als er an seine Familie dachte – an seinen Bruder Mondo, an seinen Vater, an sein Elternhaus im Licht der Sommerfeste. Würden sie ihn noch ansehen können? Oder sahen sie nur noch ein Monster in ihm? Ein wandelndes Andenken an den Tod?

"Wenn sie mich verstoßen...", flüsterte er in die Leere. "Bin ich dann überhaupt noch Drava?"

Ein Rascheln im Dickicht. Schatten bewegten sich wie Geister durch das Unterholz. Und dann: Stille. Eine Stimme, kaum hörbar, sprach in seinen Gedanken.

„Du riechst nach altem Blut, junger Vincenzo. Nach Erinnerung. Nach Schwäche.“

Drava fuhr herum – da stand er. Ein Mann in Dunkelheit gehüllt, mit Augen, die wie geschmolzener Rubin glühten. Seine Haut war so bleich, dass der Mond darin verschwand. Und seine Stimme war ein Lied aus Grabstein und Sehnsucht.

„Ich bin Mephrit Drakon. Du hast nach uns gerufen.“

Er fiel auf ein Knie – aus Erschöpfung, aus innerem Zwang, aus Angst.

„Ich bin allein,“ flüsterte er. „Und ich fürchte… ich verliere sie. Meine Familie. Die Vincenzos. Alles, was ich war. Alles, was mich ausmachte.“

Mephrit trat näher, und mit einem Finger unter seinem Kinn zwang er ihn, aufzusehen.

„Du bist nicht allein. Du bist unser Blut jetzt. Aber du wirst lernen: Wer Ewigkeit will, muss bereit sein, den Tag zu verlieren.“

„Ich will sie nicht verlieren,“ keuchte Drava. „Ich will nicht wählen zwischen Blut und Herz.“

Ein schwaches, kaltes Lächeln umspielte seine Lippen.

„Dann wirst du zerreißen. Und wiedergeboren werden. So wie wir alle. Willkommen im Hause Drakon.“

Aus dem Inneren seines Mantels zog er ein kleines, schwarzes Kästchen hervor – unscheinbar, doch alt. Seine Finger öffneten es mit beinahe ritueller Langsamkeit. Inmitten des Samtes lag ein Ring – aus feinstem Erz geschmiedet, gekrönt von einem tiefroten Blutstein, in den das Wappen des Hauses Drakon graviert war – das Symbol der Ewigkeit im Schatten.

„Dieser Siegelring wird dir das Tor zu unserem Reich öffnen und jedes Blut erkennen lassen, wem du nun angehörst. Drava Vincenzo…“, sagte er mit feierlicher Stimme, „du bist nun ein Drakon. Trage ihn – und vergiss nie, was du preisgegeben hast, um unvergänglich zu werden.“

Als der Ring seinen Finger umschloss, durchfuhr ihn ein kurzer Schmerz – wie Eis, das in die Knochen fuhr. Und dann Stille. Kein Herzschlag. Kein Atem. Nur die Erkenntnis: Er gehörte nun nicht mehr nur den Vincenzos.

Er war ein Sohn der Nacht geworden.

Ein Sohn des Hauses Drakon.
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