Zwischen Stein und Schatten

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gelöschter Charakter_779
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Zwischen Stein und Schatten

Beitrag von gelöschter Charakter_779 »

Im Herzen Elashinns, in den Hallen des Qu'ellar Ky'Alur, lag das Laboratorium. Kalt war es dort, und still. Nur das beständige Tropfen von Kondenswasser und das leise Summen der leuchtenden Runenkreise auf dem Boden durchbrachen die Stille. Lyr’sa war allein. Oder hatte das geglaubt.

Sie überprüfte einen Schmelztiegel, der über einer bläulich flackernden Flamme ruhte. Der metallene Geruch von Magietiegeln und geschmolzenem Obsidian lag in der Luft. Ihre Hände arbeiteten automatisch, doch ihr Geist war anderswo. Immer war er das in letzter Zeit.
Ein leiser Luftzug. Ein Schatten, der nicht zu den bekannten gehörte.
Sie fuhr herum. Und erstarrte.

Ein Wesen aus einer anderen Welt stand im Eingangsgewölbe. Groß. Massiv. Von einer Präsenz, die uralt wirkte. Schwingen wie aus poliertem Stein spannten sich hinter einem langen, gemeißelten Leib. Die Augen leuchteten schwach, bernsteinfarben. Eine Kreatur, wie sie Lyr’sa noch nie gesehen hatte.

„Du bist... du...?“ brachte sie hervor, die Finger bereits auf dem Griff ihres Dolches.

Das Wesen hob beide Hände, langsam, beschwichtigend. „Ich bin Dre’Taurel. Diener der Ilharess.“

Der Gargoyle. Natürlich. Die Ilharess hatte ihn vor einiger Zeit als Geschenk erhalten. Ein exotisches, hatte Alniira betont. Mit jenem überlegenen Funkeln in den Augen, das Lyr’sa jedes Mal das Gefühl gab, noch kleiner zu sein.

„Ich wollte dir nicht Angst machen“, sagte Dre’Taurel mit überraschend weicher Stimme. „Ich bin hier, um mich zurechtzufinden. Und du bist... die Erste, die ich treffe.“

Lyr’sa wich einen halben Schritt zurück. „Natürlich. Ich bin immer die Erste. Die mit dem Besen, dem Tiegel oder dem Zettel in der Hand. Die, die zu springen hat, wenn jemand mit den Fingern schnalzt.“

Er musterte sie schweigend. Dann trat er vorsichtig näher, sein massiger Leib erstaunlich behutsam zwischen die ziselierten Apparaturen manövrierend.

„Du fürchtest mich.“

„Du bist... riesig. Und aus Stein.“

„Ich bin auch freundlich. Man sagt, ich sei ein guter Zuhörer.“

Sie blinzelte. Zum ersten Mal trat so etwas wie Verwirrung in ihre Züge. „Du bist anders, als ich erwartet habe.“

Er neigte leicht den Kopf. „Du auch.“

Lyr’sa senkte den Blick. „Ich bin nichts Besonderes. Nur der Hund der Ilharess. Jeder hier hat seinen Platz. Ich... bin einfach nur da.“

„Und doch bist du es, die dieses Labor am Laufen hält. Die das Erz zum Schmelzen bringt.“

„Weil ich muss. Nicht weil ich gut bin.“

„Müssen tun viele. Aber nicht alle bleiben. Du schon.“

Ein kurzer Moment entstand – schwer, und gleichzeitig seltsam zart. Lyr’sa sah Dre’Taurel an, wirklich an, zum ersten Mal. Etwas in ihr regte sich. Ein Schatten von Stolz? Oder nur der Schimmer eines Traumes, den sie längst begraben hatte?

„Du bist seltsam“, sagte sie leise.

„Und du zu hart zu dir selbst.“

Ein Lächeln formte sich auf ihren Lippen, ganz flüchtig. Doch da – ein kaltes Zischen. Worte, wie Schneideisen auf glatter Haut.

„Was für ein rührseliges Bild.“

Alniira. Im Torbogen, die Arme verschränkt, die Stimme triefend vor Spott.

„Die arme kleine Lyr’sa und ihr steinerner Tröster.“

Dre’Taurel wandte sich nicht ab, doch seine Körperhaltung veränderte sich. Wachsam. Abwehrbereit.
Lyr’sa trat instinktiv einen Schritt zurück, als Alniira näherkam.

„Soll ich euch beide allein lassen? Oder bist du schon dabei, dich aus dem Matsch zu ziehen, Lyr’sa? Hat dir jemand Mut zugesprochen?“ Ihre Stimme war süß. Giftig süß.

„Ich... ich habe nur gesprochen.“

„Mit einem Tier“, bemerkte Alniira. „Wie passend.“

Dre’Taurel richtete sich auf. „Ich mag viele Dinge nicht verstehen, Drow. Aber Herablassung erkenne ich.“

„Ach, wie rührend. Der Gargoyle mit Rückgrat. Dann bist du ja genau die richtige Gesellschaft für unsere Lyr’sa.“

Lyr’sa schwieg. Die eben noch gefühlte Wärme war fort. Ihre Gedanken rasten, ihre Finger zuckten. Wieder hatte sie sich zu viel erlaubt.

„Lauf, Tier. Ich muss mit dem Hund sprechen“, zischte Alniira.

Dre’Taurel zögerte, doch Lyr’sa gab ihm einen Blick. Einen winzigen, bittenden. Er ging.

Alniira trat an sie heran. Kein Spott mehr in der Stimme. Stattdessen: Fast Zärtlichkeit.

„Ich weiß, ich war hart.“

Lyr’sa sagte nichts.

„Aber ich spiele eine Rolle, verstehst du? Wir beide tun das. Du bist der Prügelknabe, ich die Meisterin der Shmiede. Doch darunter...“ Ein langer Moment. Dann: „Ich mag dich.“

Lyr’sas Blick flog zu ihr. Ungläubig.

„Lüg mich nicht an.“

„Tu ich nicht. Ich will dir etwas zeigen.“

Sie zog etwas unter ihrem Umhang hervor. Eine Harfe. Klein, aber kunstvoll gefertigt. Feine Maserung durchzog das helle Holz. Ein Instrument aus der Oberwelt.

„Komm mit. An die Oberfläche. Dort reden wir zu zweit, fernab all der Ohren“

Lyr’sa wollte weglaufen. Wollte nein sagen. Wollte sich verstecken. Doch sie nickte.
Ryld, der Reisemagier, brachte sie hin. Wortlos.
Sie standen in einem Wald. Alniira sprach von Träumen, von Wandel, von Wahrheit. Reichte ihr eine Harfe. Lyr’sa versuchte, sie zu stimmen.

Ein Ton. Falsch. Noch einer. Schiefer.
Sie verzog das Gesicht. Tränen stiegen in ihre Augen. „Ich kann das nicht.“

„Doch. Du musst es nur zulassen.“

Lyr’sa wollte die Harfe werfen. Auf den Boden. Gegen Alniira.
Doch sie hielt inne.

„Warum?“, flüsterte sie. „Warum jetzt so freundlich?“

Alniira trat näher. Legte die Arme um sie. Drückte sie.
Lyr’sa fror.
Kein Schmerz kam. Kein Spott. Nur Wärme. Doch sie glaubte ihr nicht. Konnte nicht glauben.
Ein Spiel. Eine Falle.

"Geh in den Wald, bei Yew. Südlich der Stadt. Dort ist eine Lichtung. Dort ist der Luft klar, der Mond hell und dort wirst du Wahrheit finden."

Dann war Alniira fort.

Und Lyr’sa – allein.
Sie kehrte zurück nach Elashinn. Das Labor lag im Dunkel. Ihr Herz auch.


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gelöschter Charakter_779
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Re: Zwischen Stein und Schatten

Beitrag von gelöschter Charakter_779 »

Das Licht im Qu’ellar war gedämpft, wie immer. Kein Feuer brannte offen, nur das matte Glühen von in die Wände eingelassenen Aetheradern warf flache Schatten über den Boden.
Ein Ort der Disziplin. Der Kontrolle. Der Schweigsamkeit.
Lyr’sa stand in der Mitte der großen Halle, einen Eimer in der einen, ein Tuch in der anderen Hand.
Sie hatte kaum geschlafen. Kaum gegessen. Noch immer haftete der Geruch des Waldes in ihrem Haar, eine Mischung aus Moos, Harz – und Fragen. Vor allem Fragen.

Warum hatte Alniira sie umarmt?
Warum hatte sie gelächelt?
Warum hatte sie eine Harfe geschenkt und dann verschwunden,
als wäre nichts gewesen?

Die Kälte des Marmorbodens unter ihren Füßen riss sie aus den Gedanken.
Sie war hier, wieder im Qu’ellar, wieder bei den Aufgaben, die man ihr gab.
Heute: Reinigung der unteren Galerie.
Ein niedriger Dienst, aber einer, bei dem sie wenigstens allein sein konnte.
Dachte sie.

Sie kniete nieder. Krümmte sich über eine alte Wandnische, in der sich Staub angesammelt hatte.
Mit einem Tuch wischte sie vorsichtig über die eingeritzten Schriftzeichen,
deren Bedeutung sie nicht kannte – aber spürte.
Die Spuren Lloths, eingelassen in kalten Stein.

Die Luft war still. Keine Stimmen, keine Schritte.
Nur das leise Wispern ihrer eigenen Gedanken.
Das Flackern des Lichts auf dem Messing.

Sie griff nach einer der kleinen rituellen Schalen, die an den Seiten des Raumes in Wandnischen standen.
Sie sollte sie herausnehmen, mit klarem Wasser säubern, dann wieder einsetzen.

Lyr’sas Finger umfassten die Schale. Ihre Hände waren schwach, die Haut angespannt, die Gedanken weit weg.
Sie hob sie an – zu schnell, zu fahrig.
Das Tuch rutschte. Der Griff entglitt.
Sie schnappte noch danach – zu spät.

Die Schale stieß an die steinerne Wand, drehte sich in der Luft, traf den Marmorboden.
Der Klang war ohrenbetäubend.

KLONG – KLOOOONG – KLONK

Der Ton hallte durch die Galerie wie ein Gong aus reinem Spott.
Er wollte nicht enden – zitterte durch jede Säule, jedes Runenornament, jede einzelne Ader in Lyr’sas Körper.

Sie erstarrte.

Ein Moment, in dem nichts geschah –
und in dem sich alles veränderte.

„…na endlich.“

Die Stimme war süß wie Essig.

Lyr’sa fuhr herum.

Ly’saar stand im Türbogen. Die Arme vor der Brust verschränkt.
Das Haar akkurat, Seidenpantoffeln, die Robe unberührt, die Miene ein einziges, genüssliches Grinsen.

„Ich habe mich schon gefragt, wann du mal wieder etwas fallen lässt.“

Lyr’sa öffnete den Mund, schloss ihn wieder.
Keine Ausrede wollte ihr einfallen, die nicht wie eine Lüge klang.

„Du bist... müde?“ fragte Ly’saar mit gespieltem Mitgefühl. „Oder verwirrt...?“

Lyr’sa senkte den Blick. „Ich… es war keine Absicht…“

„Das ist es nie bei dir.“

Ly’saars Stimme wurde leiser, aber spitzer.

„Komm mit.“

Sie folgte ihr.

Widerstand hätte keinen Sinn gehabt.
Die Gänge schienen sich zu beugen, als sie durchschritt.
Die Mauern flüsterten.
Oder war das nur in Lyr’sas Kopf?

Sie traten in den inneren Hof. Dort wartete bereits jemand.
Jhea’kryna.

Die Ilharess stand am oberen Ende der Stufen,
ihr Blick ruhig – gefährlich ruhig.
Sie hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt.
Ihre Schlangenpeitsche ruhte still an ihrer Hüfte.

Ly’saar verneigte sich knapp. „Die Dienerin hat erneut versagt. Sie ließ eine Messingschale fallen, im heiligen Flügel des Hauses. Die Halle hallt noch.“

Ein kurzes, flüchtiges Zucken ging durch Jhea'krynas Augenbraue.
Sie trat langsam einen Schritt näher.

„Lyr’sa.“

Die Stimme frostig, kalt, schneidend.

„Du bist zurück. Du wirkst... ungewaschen. Und unfähig wie eh und je.“

Lyr’sa kniete. „Malla Ilharess… ich… ich habe einen Fehler gemacht.“

„Das sagst du jedes Mal. Und doch – du bist immer noch nicht tot.“

Ein Schweigen. Kein Trost. Kein Urteil.

Dann: „Du wirst Buße tun. Ausgiebig.“

Lyr’sas Magen verkrampfte sich. Sie nickte nur. Wortlos.

„Du wirst den Tempel reinigen. Jeden Gang. Jede Wand. Jeden Tropfen Blut, der sich darin versteckt.“

Ein kurzes, beiläufiges Lächeln.

„Die Schülerinnen bekommen frei.“

Ly’saar grinste erneut.

„Allein. Ohne Hilfe. Ohne Alchemie. Ohne Magie.“

Lyr’sa schluckte.

„Du beginnst sofort. Und du betrittst den Tempel nicht mit Schmutz an den Fingern – also reinige dich vorher.“

„Ja, malla Ilharess.“

Jhea'kryna wandte sich ab. „Führ sie fort, Ly’saar.“

Der Jabbuk verbeugte sich übertrieben theatralisch. „Mit Vergnügen.“

Als er Lyr’sa fortführte, murmelte er: „Vielleicht lässt du ja den Eimer auf deine Füße fallen. Dann hast du eine Ausrede zu humpeln.“

Lyr’sa sagte nichts.
Sie sah nur zu Boden.


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Der Eingang zum Tempel war kalt. Kälter als alles andere in Elashinn.
Nicht, weil die Lufttemperatur geringer war – sondern weil die Dunkelheit dichter wirkte.
Sie hatte Gewicht und einen eigenen Atem.

Lyr’sa schob sich durch die Seitentür hinein, den Eimer mit Reinigungswasser in der einen Hand, das rau geflochtene Scheuertuch in der anderen.
Die Tür fiel mit einem metallischen endgültigem Knall hinter ihr ins Schloss. Kein Licht von außen blieb zurück.

Sie blinzelte in die Schwärze.
Nur die phosphoreszierenden Pilzlinien entlang der Wand spendeten ein grünliches Flackern.
Es war kaum genug, um ihren Schatten zu erkennen.
Und doch sah sie ihn. Immer wieder.
Zu lang. Zu beweglich.

Einatmen. Ausatmen.
Der Tempel war still.
Die Novizinnen hatten frei bekommen.
Die Halle gehörte heute nur ihr.

Lyr’sa ging auf die Knie.
Die erste Linie des Bodens – ein Mosaik aus mattem Obsidian und in Silber eingelegten Spinnenbeinen – lag vor ihr.
Sie tunkte das Tuch ins Wasser, begann zu schrubben.
Mechanisch. Ohne Gefühl. Ohne Ziel.
Nur: Nicht nachdenken.

Aber Gedanken kommen. Immer.
Und mit ihnen kam die Melodie.

Zart. Mondhell. Wie das Lied einer anderen Welt.

Die Harfe. Der Wald. Alniiras Lächeln.
Der Tanz der Maid im Licht.

„Du wirst es lernen...“ hatte sie gesagt.

Lyr’sa schloss kurz die Augen.

Als sie sie wieder öffnete, blickte sie direkt in ein Relief an der Wand.
Eine Spinne – gewaltig – die Beine gespreizt über eine Gruppe kniender Drow.
Ihre Kiefer geöffnet.
Die Augen... Dutzende Augen.

Waren es nur Rubine? Oder hatte sich eines gerade bewegt?
Sie wandte sich ab. Schneller schrubben. Weiter.

Das Wasser war kalt. Die Borsten der Bürste rau.
Der Boden nahm nichts auf – als wollte er ihre Mühe verachten.

Hinter ihr ein leises Ticken. Sie wirbelte herum.

Nichts.

Nur eine Statue.
Eine andere Spinne – aus Onyx.
Die Beine nach vorn gerichtet.
Wie zum Angriff.

Ich bin allein, dachte sie.

Doch das stimmte nicht.
Der ganze Tempel atmete.
Nicht wie ein Ort –
sondern wie ein Tier.

Überall waren Augen.
In jedem Relief, in jeder Linie.
Sie waren da.
Sie schauten.
Sie urteilten.

„Ich tue doch, was ihr wollt“, murmelte Lyr’sa, „Ich... gehorche doch.“

Ihre Stimme klang fremd in dieser Halle.
Zu hoch. Zu klein.

Die Melodie kehrte zurück.
Sie schob sich zwischen die Gedanken.
Verwirrte alles.
Wärmte etwas.
Verbrannte etwas anderes.

Ein Tropfen fiel.

Sie sah hinunter.
Ein Tropfen Wasser – oder Schweiß – auf dem Boden.
Er perlte auf der silbernen Spinnenlinie ab.

Sie hörte ein leises Kichern.
Oben.
Irgendwo.

War es Erinnerung?
Oder war jemand da?

Sie kroch weiter.
Schrubbte eine Ecke, in der sich rituelles Blut gesammelt hatte.
Alt. Geronnen.
Dunkel wie Alpträume.

Die Spinnen starrten sie an.

Sie schwitzte.
Ihre Finger zitterten.
Das Wasser wurde trüb.

Dann – ein Geräusch.
Ein Kratzen.
Ein Klopfen.

Sie sprang auf.
Verlor fast das Gleichgewicht.

„Wer...!?“

Keine Antwort.
Nur wieder Stille.

Sie stand mitten im Raum.
Allein.
Und doch unter Beobachtung.

Sie fühlte sich nackt.
Offen.
Seziert.

Ich werde verrückt, dachte sie.
Sie will, dass ich verrückt werde.
Doch dann – eine Bewegung.

Jemand trat aus der Schattenwand hinter dem Altar.
Eine Gestalt in tiefer Robe.
Die Maske schwarz.
Die Haltung aufrecht.

Die Yath Ventash’ma - Zyn’ithra Ky'Alur - Die Vorsteherin des Tempels und Cousine der Ilharess.

„Du bist... fertig?“ fragte sie mit unbewegter Stimme.

Lyr’sa nickte. Zögerlich. Vorsichtig.

„Der Boden glänzt. Die Wände riechen nach Kräuterlauge. Und die Spinnen schweigen.“

Sie trat näher. Blickte an Lyr’sa vorbei – in die Halle.
Dann zu ihr.

„Du hast getan, was man dir aufgetragen hat. Und du hast nicht geschrien.“

Lyr’sa sagte nichts.

„Aber du bist laut in deinem Herzen.“

Die Yath neigte den Kopf.

„Vielleicht wird Lloth dich dafür heimsuchen. Vielleicht wird sie dich segnen. Beides fühlt sich gleich an.“

Ein Moment Stille. Dann drehte sich Ventash’ma um.

„Geh. Bevor du dich ausweichst. Oder betest, wo du nicht glauben darfst.“

Lyr’sa stand wie festgenagelt.
Doch dann – ihre Beine gehorchten.
Sie hob den Eimer, nahm das Tuch.

Sie ging.
Durch die Hallen.
Die Tür.

Draußen atmete sie zum ersten Mal wieder tief ein.
Und weinte nicht.
Noch nicht.

Aber sie zitterte. Und hörte leise – ganz leise – die Harfe in sich spielen.

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gelöschter Charakter_770
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Registriert: 30 Mai 2025, 17:15

Re: Zwischen Stein und Schatten

Beitrag von gelöschter Charakter_770 »

Tath’raen stand während seines Wachdienstes still. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Das Kinn leicht gesenkt. Die Augen halb geschlossen. Er war Teil des Raums. Kein Schatten – aber auch kein Licht. Er war einfach da. Wie die Säulen. Wie der Stein. In der Halle herrschte Stille. Kein Geräusch, außer dem gleichmäßigen Klang seines Atems. Und dem Kratzen. Ganz leise. Ganz fern. Lyr’sa.
Sie war zurückgekehrt. Mit hängenden Schultern, aufgesprungenen Lippen, einem Blick, der zu viel gesehen hatte – oder zu wenig. Sie bewegte sich wie jemand, der sich ständig entschuldigt. Nicht mit Worten. Mit der Art, wie sie ging. Sie war nicht seine Sorge. Nicht seine Schülerin. Nicht seine Last. Aber er sah sie. Natürlich sah er sie. Wie sie die rituellen Schalen anhob. Wie ihre Finger zitterten. Wie der Griff ihr entglitt.

KLONG – KLOOONG – KLONK.

Der Ton zerriss die Halle. Wie ein Schnitt durch Stoff. Wie eine Beleidigung gegen das Haus selbst. Er hallte. Er wollte nicht enden. Tath’raen bewegte sich nicht. Nicht eine Regung. Seine Zunge ruhte hinter den Zähnen. Seine Schultern blieben fest. Doch seine Augen – sie wurden wacher. Ly’saars Stimme kam schnell. Wie ein geöltes Messer. „Na endlich.“ Er trat aus dem Türrahmen, als hätte er nur auf diesen Moment gewartet. Tath’raen kannte Ly’saars Tonfall. Kannte das Maß darin. Das Gift. Die Berechnung. Er hätte etwas sagen können. Doch Wachen sprechen nicht.
Lyr’sa versuchte eine Erklärung. Scheiterte. Senkte den Blick. Er sah sie gehen – Ly’saar voran, das leise schaben seiner Seidenpantoffeln auf dem polierten Marmor, wie ein plüschiger Jäger, der Beute zu seinem Rudel bringt.
Tath’raen wandte sich nicht ab. Nicht sofort. Später, als der Tempel sie verschluckte, hörte er das metallische Schließen der Tür, obwohl viele plüschige Schritte dazwischenlagen. Er wusste, was sie dort tun würde. Was man von ihr verlangte. Was der Tempel von ihr nahm. Nicht jede Prüfung war eine, die man überlebte. Manche... veränderten. Manche zerrieben. Er stand da. Und wartete. Wache zu stehen bedeutete nicht, Grenzen zu sichern. Es bedeutete: Zu sehen, was andere nicht bemerken. Das Zittern in den Schultern.
Das Licht in den Augen – oder sein Verschwinden.
Als sie zurückkam, viel später, war sie blass. Stiller als zuvor und sie trug den Eimer selbst. Das Tuch. Den Dreck. Die Schuld. Er sah sie an. Kurz. Keine Geste, kein Gruß.
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