Es war, als hätte jemand heimlich, ohne Geste und ohne Geräusch, die schützende Decke von seinen Schultern genommen. Dort, wo sonst die Wärme Tyraels wie ein stetiger Strom durch sein Innerstes floss, lag nun Leere. Kein Trost, keine Hülle. Nur die Kälte, die von Stein und Nacht gleichermaßen ausging. Er setzte sich auf, suchte instinktiv nach dem Vertrauten – doch da war nichts.
Er ging durch die stillen Hallen des Tempels, tastete über den kalten Altar, flüsterte Worte, die sonst wie ein Schlüssel das Herz seines Gottes öffneten. Doch diesmal verhallten sie. Kein Flüstern, keine Wärme, kein Licht im Innern. Er blieb lange so stehen, starrte auf das unbewegte Kerzenlicht, bis ihm die Augen schwer wurden. Schließlich sank er, müde und mehr als ratlos, am Fuße des Altars zu Boden.
Am Morgen folgte er seinem Brauch. Das Morgengebet, das seit Jahren Beginn und Halt seines Tages war, das ihn verband mit dem Ewigen. Doch als er kniete, als er die Hände faltete und die bekannten Verse sprach, blieb die Antwort aus. Wo sonst ein Widerhall in ihm aufstieg, ein sanftes Licht, ein Atem, da war diesmal nichts als Schweigen.
Er verharrte, sprach weiter, fester, eindringlicher – doch kein Zeichen kam. Kein Gefühl, keine Nähe. Er wusste nicht, ob es ein Versagen seiner selbst war, ob Schuld an ihm klebte, oder ob etwas Größeres geschehen war. Nur die Gewissheit blieb, dass sich in dieser Nacht etwas geändert hatte.
Seitdem trägt er den Gedanken wie eine unsichtbare Wunde. Er spricht nicht laut darüber, noch nicht – doch jeder Blick, jede Geste verrät die Frage, die ihn seither verfolgt: Wo bist du, Herr?
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Dieses Gefühl des plötzlichen Verstummens, der verlorenen Nähe, wiederholt sich in diesen Tagen bei Priestern und Paladinen überall im Land – jeder erlebt es auf seine Weise, und doch wissen alle: Etwas Grundlegendes ist geschehen.
