Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

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Arencia
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Beitrag von Arencia »

Jhea'krynas Worte hingen in der staubigen Luft der Krypta, kälter und schärfer als jede Klinge. Sie waren kein Schrei des Triumphes, sondern ein Urteil, gesprochen über ein Wesen, das noch stand. Für einen Herzschlag, der nicht mehr schlug, war alles still. Der Wahn, der Arencia wie ein Feuersturm vorwärtsgetrieben hatte, erlosch. Zurück blieb keine Leere, sondern eine schreckliche, glasklare Erkenntnis.

Sie hatte nicht für ihre Familie gekämpft. Sie hatte nicht für ihre Rache gekämpft. Sie war nur der Schatten einer Macht gewesen, die hinter ihr stand.
Mytraxor hat geschrieben: Arencia...
Die Stimme des Drachen in ihrem Kopf war kein Brüllen und keine Warnung mehr. Sie war nur noch ein Flüstern, erfüllt von einem uralten, unermesslichen Bedauern.

Arencia drehte sich langsam um. Ihr Blick – leere, schwarze Höhlen – traf auf die erhobenen Waffen der Drow, auf das triumphierende Gesicht von Jhea'kryna. Erkenntnis.

„Ihr...“ krächzte sie.

Dann hob Jhea'kryna die Hand. Der Befehl war gefallen.

Tath’raens Streitkolben und die Klingen der anderen Krieger schossen auf sie zu. Doch in diesem Bruchteil einer Sekunde, zwischen Verrat und Vernichtung, handelte Arencia nicht aus einem Plan heraus, sondern aus reinem, verzweifeltem Instinkt. Sie konnte nicht kämpfen. Nicht mehr. Aber sie konnte sie mit sich reißen.

Ihre knöchernen Hände, von denen bereits Staub rieselte, schnellten nach vorne.
Ein Flüstern, brüchig und von Schmerz zerfressen, entkam ihr:
Arencia hat geschrieben: Vas Rel Por!
Ein Funke arkaner Energie zuckte vor ihr auf, der Beginn eines einfachen Fluchtportals. Doch in diesem Moment überlagerte eine andere Stimme ihre, ein Brüllen, das nicht aus ihrer Kehle, sondern direkt aus dem pulsierenden Kristall auf dem Boden kam. Eine Stimme aus Äonen des Zorns.
Mytraxor hat geschrieben: ORT POR GRAV!
Arencias Funke explodierte. Die Luft vor ihr riss auf, nicht zu einem sauberen Tor, sondern zu einem chaotischen, zerreißenden Schlund. Ein instabiles Portal nach Despise, dessen Ränder wie gezackte Wunden im Gewebe der Realität bluteten. Doch es blieb nicht an Ort und Stelle. Wie ein Raubtier stürzte der Vortex nach vorne, direkt auf die angreifenden Drow zu.

Tath’raen, Sarkul, Xurina und selbst die Priesterin Xael’vryna hatten keine Zeit zu reagieren. Der Schlund raste auf sie zu, ein gnadenloser Sog, der alles mit sich riss. Ihre Waffen fielen klirrend zu Boden, als die Gravitationskraft des Portals sie erfasste. Sie stemmten sich mit aller Macht dagegen, ihre Körper wurden verzerrt, als hätte die Welt sie aus ihren Fugen gelöst. Für einen Augenblick sah man ihre verzweifelten Silhouetten – dann verschwanden sie, verschluckt von den Tiefen Despise.

Der Rückstoß der entfesselten Magie traf Arencia wie ein zweiter, unsichtbarer Hieb. Ein lautes, splitterndes Geräusch durchfuhr ihren Körper. Ihr Brustkorb barst, die Rippen zerfielen zu Staub. Ihre Beinknochen gaben unter der Belastung nach und sie sank in sich zusammen, nur noch ein Haufen zerbrochener Knochen, der von der flackernden, violetten Aura Mytraxors zusammengehalten wurde.

Mit einem Geräusch wie ein letzter, erstickter Atemzug kollabierte das Portal.

Die Krypta war still. Die Angreifer waren verschwunden. Nur Jhea'kryna stand noch da, geschützt durch einen schimmernden Schild, ihr Gesicht eine Maske aus verärgertem Erstaunen. Sie blickte auf die Überreste von Arencia, die kaum mehr als ein Haufen Knochenstaub und ein wild pulsierender Kristall waren.

Sie waren allein.

Die Stille in der Krypta war absolut. Jhea'kryna stand reglos da, ihr Schild verblasste langsam und enthüllte ein Gesicht, auf dem sich Erstaunen mit einem Anflug von Respekt mischte. Vor ihr lag nur noch ein Häufchen Knochenstaub, zusammengehalten von einer schwach pulsierenden, violetten Aura, und in dessen Mitte der Kristall. Der Preis, den sie begehrt hatte.

Doch in diesem Moment, in der Stille zwischen den Herzschlägen, existierte die Krypta für Arencia nicht mehr. Ihr Bewusstsein war ein letzter, flackernder Funke in einer unendlichen, schwarzen Leere. Hier gab es keine Zeit, keinen Schmerz, nur das verblassende Echo dessen, was sie gewesen war. Und eine andere Präsenz. Gewaltig, uralt und nun von einer seltsamen, ruhigen Dringlichkeit erfüllt.
Mytraxor hat geschrieben: Hör mir zu, Kind aus Staub. Es gibt keine Zeit mehr. Die Fäden, die dich halten, sind gerissen. Mein Geist kann deine Asche nicht ewig binden. Du stirbst. Endgültig.
Die Stimme war kein Befehl und keine Warnung. Es war eine Feststellung, so unumstößlich wie das Verlöschen eines Sterns.
Arencia hat geschrieben: Ich... ich weiß.
Ihre Antwort war kaum ein Gedanke, ein letzter Hauch von Bewusstsein.
Mytraxor hat geschrieben: Und ich mit dir. Unsere Seelen sind verwoben. Wenn du fällst, sinke auch ich ins Vergessen. Jhea'kryna hat uns beide verurteilt. Doch sie irrt – sie wähnt uns gebrochen, und doch sind wir noch hier.
Eine Pause, die eine Ewigkeit dauerte.
Mytraxor hat geschrieben: Es gibt einen Weg. Einen letzten, schrecklichen Weg. Gib dich auf. Gib mir deinen Schmerz, deine Erinnerungen, den Verrat, den du erlitten hast. Ich werde mich aufgeben. Ich werde dir meine Wut, mein Feuer, mein uraltes Sein geben. Arencia wird enden. Mytraxor wird vergehen. Aber aus unserer Asche… kann etwas Neues erwachsen. Etwas, das stark genug ist, um sie alle zu richten.
In Arencias verblassendem Geist flackerte ein letztes Bild auf: das Gesicht von Felyndiira, das Lächeln von Belgos, der Verrat von Jhea'kryna. Alles, was sie je geliebt und alles, was sie je gehasst hatte.
Arencia hat geschrieben: Eins werden... Um es zu beenden?
Mytraxor hat geschrieben: Um alles zu beenden. Es ist unsere einzige Chance. Bist du bereit, ein letztes Mal zu sterben, um wirklich zu kämpfen?
Es gab kein Zögern. Was hatte sie noch zu verlieren? Ihre Leere? Ihren Schmerz? Ihre zerbrochenen Knochen?
Arencia & Mytraxor hat geschrieben: …Wie du willst!
Die Worte hallten nicht nur in der Leere, sondern zugleich in die Krypta selbst – zwei Stimmen, die sich überlagerten, verschmolzen, als hätte die Zusammenführung der Seelen bereits begonnen.

Zurück in der Krypta sah Jhea'kryna, wie der Kristall auf dem Boden plötzlich aufhörte, wild zu pulsieren. Stattdessen begann er, ein intensives, stetiges Licht auszustrahlen. Der Knochenstaub um ihn herum regte sich, wurde von dem Licht angezogen und begann, langsam auf den Kristall zuzuströmen, als würde eine unsichtbare Hand die Überreste einer zerbrochenen Figur wieder zusammensetzen. 

Jhea'kryna beobachtete das Schauspiel mit einer Mischung aus Gier und kalter, studierender Neugier. Der Knochenstaub, jedes einzelne Partikel von Arencias zerschmetterter Existenz, wurde vom Licht des Kristalls aufgesogen. Die violette Aura verdichtete sich, wirbelte um den leuchtenden Kern und begann, Form anzunehmen. Es war keine Wiederherstellung. Es war eine Neuschöpfung.

Zuerst formten sich Knochen, aber nicht die eines Skeletts. Es waren gewaltige, monströse Knochen, schwarz wie Obsidian, die sich zu einem riesigen Rückgrat zusammenfügten. Sehnen aus reiner Schattenmagie schossen hervor und verbanden die Glieder, während der Knochenstaub sich wie eine zweite Haut darüberlegte und zu etwas Neuem verhärtete.

Die Gestalt, die sich aus dem Licht schälte, war die eines Drachen. Doch es war ein Zerrbild, ein Albtraum, geformt aus Schmerz und uraltem Zorn. Teile seines Körpers waren mit schimmernden, kristallinen Schuppen bedeckt, die das Licht wie ein zerbrochener Spiegel reflektierten. An anderen Stellen fehlte die Haut gänzlich und legte die verkohlte, knöcherne Struktur darunter frei, als wäre er mitten in einem unheiligen Feuer geschmiedet worden. Ein Flügel war perfekt, eine gewaltige Membran aus reiner Dunkelheit, durchzogen von leuchtenden, violetten Adern. Der andere war ein zerfetztes, knöchernes Gerippe, dessen zerrissene Haut nur noch in Fetzen herabhing. Sein Schädel war ein entstelltes Drachenhaupt, zerborsten und wieder zusammengefügt, von Rissen durchzogen, in denen violettes Feuer loderte. Und wo Augen sein sollten, glommen violette Flammen, die sich zu einem einzigen, grausamen Blick verdichteten.

Die Kreatur hob den Kopf und stieß einen Schrei aus. Es war ein dissonanter, schrecklicher Klang – das Brüllen eines Drachen, überlagert vom qualvollen Schreien einer verlorenen Seele. Es war die Stimme von etwas, das weder Arencia noch Mytraxor war, sondern das Echo von beiden.

Wo Augen hätten sein sollen, glommen violette Flammen, die sich zu einem einzigen, grausamen Blick verdichteten. Ein Laut, der an Lachen erinnerte – scharf, trocken, wie Steine, die aneinander rieben – durchzog die Krypta, bevor die doppelte Stimme sprach.
Die Aschekreatur hat geschrieben: Du wolltest eine Waffe, Ilharess. Du hast eine bekommen.
Doch wisse: Ich bin kein Erbe. Kein Anfang. Ich bin nur ein Ende.
Mein Sein brennt nur einen Augenblick – genug, um dein Reich in Flammen zu legen und deinen Namen auszulöschen.
Wenn der letzte Hauch meiner Asche verweht, werde ich vergehen. Doch dein Name wird mit mir sterben.
Ohne Jhea'kryna eines weiteren Blickes zu würdigen, breitete die Kreatur ihre ungleichen Flügel aus. Mit einem einzigen, gewaltigen Schlag, der die Grundfesten der Krypta erschütterte, schoss sie nach oben. Die uralte Steindecke barst wie Glas unter der unbändigen Kraft. Felsbrocken und Erde regneten herab, als der untote Drache durch das Loch in den vom Kampf gezeichneten Himmel über Yew stieg.

Sein hohles, triumphierendes Lachen hallte auf die Ilharess in der Dunkelheit hinab – getragen von der absoluten Gewissheit, dass er nur eine kurze Zeit existieren würde, doch diese Zeit würde genügen, um sie zu vernichten.
Alniira Vrammyr
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Das Gebet nach dem Kampf

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Die Nacht nach dem Kampf am Yew-Friedhof war nicht still. Sie war erfüllt von den leisen, schmerzvollen Lauten der Überlebenden. Rianon war gekommen und wieder gegangen, ein Geist aus Sorge und Pflicht, der seine Dankbarkeit wie eine flüchtige, sanfte Berührung hinterlassen hatte. Nun war die Höhle wieder der Dunkelheit und dem Leid ihrer Bewohner überlassen.

Alniira lehnte an dem großen, kühlen Felsen, um den sie so oft im Mondlicht getanzt hatte. Mit langsamen Bewegungen tastete sie über ihren Unterarm, leckte das Blut, das noch daran klebte, und versuchte, die Wunde zu versorgen – doch es brachte keine Erleichterung.
Der Schmerz war bereits zu einem dumpfen, fernen Echo verblasst; die Haut schloss sich mit der unnatürlichen Geschwindigkeit ihres Werwolfblutes. Doch diese Gabe war heute keine Hilfe. Sie war eine Last – ein stummer Verräter, der sie vom ehrlichen, geteilten Leid ihrer Gefährten trennte.

Ihr Blick glitt durch das Halbdunkel. Sie sah Koda, der sich redlich bemühte, eine stolze Haltung zu bewahren, doch das zerfetzte Ohr, das bei jeder Bewegung zuckte, verriet ihn.
Sie sah Naya, die sich von den anderen zurückgezogen hatte und an der Wasserstelle lag, das verletzte Bein im kühlen Nass. Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, huschte ein Schatten des Schmerzes über ihr weises Gesicht – ein Anblick, den Alniira kaum ertrug.
Sie alle trugen die Narben eines Kampfes, der nicht allein Rianons gewesen war.

Auch der Wald war bedroht gewesen, Yew und mit ihm ihr eigenes Zuhause, die Stätte ihrer Tänze, die Zuflucht ihrer Gefährten. Und tief im Bau schliefen die Welpen, deren Leben ohne diesen Kampf verloren gewesen wäre. Es war ebenso ihr Kampf gewesen – vielleicht mehr, als sie sich eingestehen wollte.
Alniira hat geschrieben:Mein Körper heilt, aber meine Seele blutet mit jeder Wunde, die ich bei ihnen sehe. Was nützt diese Kraft, wenn ich sie nicht teilen kann?
Sie sah auf ihre Hände hinab. Mit einer Geste, die halb Gewohnheit, halb Verzweiflung war, strich sie über die frischen Narben, die sich schon wieder glätteten, als hätte es sie nie gegeben. Wie gerne hätte sie sie verbunden, genäht, mit heilenden Händen gesegnet – doch es gab nichts zu tun. Jeder Versuch, ihre Verletzungen zu versorgen, wurde ihr von dieser unaufhaltsamen Regeneration genommen. Nicht einmal das konnte sie mit den anderen teilen.

Langsam, die Bewegungen steif vor unterdrücktem Schmerz – nicht ihrem eigenen, sondern dem, den sie in den Augen der anderen sah – sank sie auf die Knie. Sie zog ihr Schwert nicht, sie rührte sich nicht. Sie schloss nur die Augen und sandte ihre Gedanken als stillen, verzweifelten Monolog in die Nacht. Es war kein Flehen um Stärke oder Vergebung. Es war ein Flehen um Gnade.
Alniira hat geschrieben:Ich spüre, wie meine Wunden sich schließen, Herrin. Doch es ist die falsche Heilung. Mein Körper wird ganz, aber meine Seele zerbricht beim Anblick ihres Schmerzes.
In ihrem Geist sah sie die Verletzungen ihrer Freunde, so deutlich, als wären es ihre eigenen. Sie fühlte das stolze Pochen in Kodas Ohr, das tiefe Ziehen in Nayas Bein. Bei Rianon nahm sie nicht nur die Wunden wahr, die sich im silbernen Licht des Mondes bereits schlossen, sondern auch die brennende Erschöpfung, die eine solche Heilung kostete – ein Schmerz, den nur sie wirklich verstand.
Alniira hat geschrieben:Du hast mir die Gabe der schnellen Heilung gegeben. Doch sie macht mich anders als die, die ich liebe. Lass ihr Leid auch das meine sein, damit ich nicht getrennt, sondern eins mit ihnen bleibe.
Ihr Gebet war kein lautes, forderndes Rufen mehr. Es war ein stilles Angebot – ein Kanal. Sie versuchte nicht, Heilung zu erzwingen, sondern sie einzuladen, so wie sie einst das Licht in ihre Hände eingeladen hatte. Sie bot ihre eigene Stärke, ihre Lebenskraft, als Opfer dar, in der Hoffnung, dass die Göttin sie annehmen und weitergeben würde.
Alniira hat geschrieben:Eilistraee, Tänzerin des Lebens. Sieh sie an. Sie sind dein Rudel, wie sie meines sind. Sie sind die Schönheit dieses Waldes. Sie sind die Liebe in meinem Herzen. Ich bitte dich nicht, ihren Schmerz zu nehmen. Ich bitte dich nur, ihnen die Kraft zu schenken, ihn zu tragen und zu heilen. Lass dein Licht auf sie scheinen, so wie es auf mich scheint.
Lange verharrte sie so, eine stille Gestalt im Mondlicht, das Gesicht von Tränen überströmt. Keine Stimme erhob sich, kein Wunder geschah. Nur die Nacht antwortete – mit dem leisen Atmen der Verwundeten, dem Schlagen ihres eigenen Herzens, dem Wispern des Windes, das durch die Höhle strich.

Ob es Trost war, den sie darin fand, oder nur die Müdigkeit, konnte sie nicht sagen. Doch in diesem Schweigen lag eine seltsame Ruhe, zart wie ein ferner Gesang. Und für diesen Augenblick genügte es.



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Jhea'kryna Ky'Alur
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Letzter Atem im Brandwald - Asche im Namen der Noquar

Beitrag von Jhea'kryna Ky'Alur »

Für einen Moment blieb alles still, als hätte die Welt selbst den Atem angehalten. Nur der bebende Nachhall der zerschmetterten Krypta vibrierte noch in Jhea’krynas Gliedern, ein dröhnendes Echo der Entfesselung, die sich gerade vor ihren Augen vollzogen hatte. Der untote Drache – dieses Ding aus Asche, Kristall und verbranntem Groll – war durch das geborstene Gewölbe gestiegen wie ein Fluch, der aus der Tiefe in den Himmel drang. Über ihr öffnete sich der Nachthimmel wie eine klaffende Wunde, aufgerissen von der Magie, die nun ungehemmt durch Yew tobte. Feuer regnete auf das Blätterdach, Blitze zuckten zwischen Magier und Liches, und irgendwo jenseits des Sichtfelds lachte Arencia – nicht wie ein Mensch, nicht wie ein Drache, sondern wie ein endgültiger Gedanke, der nie hätte gedacht werden dürfen.

Jhea stand in der Staubwolke, die Arencias Aufstieg hinterlassen hatte. Ihre wenigen verbliebenen Gefolgsleute, die nicht zu den anderen zurückgeschickt worden waren, verharrten schweigend. Niemand wagte ein Wort. Niemand stellte eine Frage. Denn jeder von ihnen wusste – spürte – dass dies kein Krieg mehr war. Es war eine Götterdämmerung, und Jhea’kryna stand an ihrer Schwelle.
Sie konnte Arencia nicht einfach ziehen lassen. Nicht jetzt. Nicht, wo sich alles verdichtete, wo alle Fäden ihres großen Werkes zusammenliefen. Nicht, wo die Essenz, dieser verdammte Kristallkern aus Seele und Macht, endlich greifbar war. Ihr Blick verfinsterte sich. Nicht aus Zorn. Nicht aus Angst. Es war der Ausdruck reiner Zielgerichtetheit, ein alter Wille, der in ihr aufstieg wie Quecksilber im Kern eines aufbrechenden Rituals. Was Arencia auch geworden war, was auch immer sie sich eingebildet hatte zu sein – sie war ein Schlüssel, und Jhea war die Hand, die ihn drehen würde.

Mit einer Bewegung, die beinahe an Zärtlichkeit erinnerte, streifte sie ihren Mantel ab. Der schwere Stoff glitt lautlos zu Boden, wie ein Schatten, der freiwillig verschwand. Ihre Hände tasteten über die alten Runen, die auf ihre Haut gebrannt waren, jede einzelne ein uralter Schwur, ein Opfer, ein Stück Geschichte. Und dann sprach sie den Namen – nicht irgendeinen, nicht einen, den man in einem Zauberbuch finden konnte. Sondern den wahren. Ihren. Die Luft um sie herum knisterte, als begänne sich das Netz selbst zu regen, seine Fäden neu zu spannen.
Ein grollendes Donnern stieg in ihr auf, kein Klang von außen, sondern etwas Inneres, das erwachte – das Knacken der Knochen, das Ziehen der Magie, das Aufbrechen der Grenzen. Ihre Haut wandelte sich, Schuppen sprossen aus ihren Gliedern, Zähne schoben sich aus den sich streckenden Kiefern, während ihr Körper sich in eine Form aus Albtraum und Mythos verwandelte. Kein Schrei begleitete die Verwandlung, nur das leise, grauenvolle Knirschen der Realität, die sich ihr unterwarf. Die Schatten an den Wänden zogen sich zurück wie Tiere vor einer Flut, und Jhea’kryna wurde mehr.

Als sie sich aufrichtete, breitete sie ihre Flügel aus – riesige, schwarze Segel aus schwarzer Haut. Wo einst eine Frau gestanden hatte, thronte nun ein Drache, geschmiedet aus Nacht, Wille und uraltem Blut. Die Augen glühten wie herabsinkende Sterne, schwer vor Bedeutung und Verheißung.
Sie schlug mit den Flügeln, und die Welt unter ihr wurde Staub.

Mit einem donnernden Schlag durchbrach sie die Ruine über sich, ließ geborstene Steine und aufwirbelnden Staub zurück und stieg in den Himmel. Der Nachthimmel über Yew empfing sie nicht – er wich zurück. Unter ihr brannte der Wald. Schutzzauber flackerten in geometrischen Mustern über den Wipfeln, während magische Barrieren sich aufbauten, zitterten und wieder zerfielen. Der Dämon, der von Arencia beschworen worden war, zog eine Schneise aus Feuer und Tod durch das Dickicht. Doch Jhea ignorierte ihn.
Denn sie roch Arencia. Die Spur war deutlich – ein Faden aus Verzweiflung, aus geborstenem Stolz und faulender Macht, die sich wie eine Verletzung durch den Nachthimmel zog. Der untote Drache stieg weiter, träge, schwankend, schwer. Ihr Körper war gewaltig, aber unstet. Ihre Flugbahn war nicht die eines Siegers, sondern die eines Wesens, das sich selbst verloren hatte. Jhea war schneller.

Ein einzelner Lichtstrahl, wohl ein fehlgeleiteter Schutzzauber aus Yew, streifte sie, glitt an ihren Flanken entlang. Sie spürte ihn kaum. Ihr Blick war fixiert, das Ziel klar. Und dann stieß sie vor. Mit der Wucht eines Schicksals.
Arencia bemerkte sie im letzten Moment. Ihr Schädel fuhr herum, aus ihrem Maul schoss ein Odem, kein Feuer, sondern ein Strom aus Asche, gebundenem Schmerz und Seelenfragmenten. Es war der Schrei eines Dings, das nie hätte leben sollen. Jhea ließ sich nicht beeindrucken. Ihr eigener Odem war ein Sturm aus tiefer Schattenenergie, durchzogen von Blitzen. Der Aufprall der beiden Kräfte ließ die Luft zwischen ihnen reißen wie Pergament im Feuer.
Dann rammte sie sie.

Zwei Körper, zwei Kräfte, zwei unvereinbare Formen von Wirklichkeit prallten aufeinander, und der Himmel erbebte. Sie wälzten sich umeinander, Biss gegen Klaue, Flamme gegen Odem, ein Tanz aus Hass, Entscheidung und uralter Geschichte. Jhea’kryna spürte die Kälte der Entropie in Arencias Körper, die Störung der natürlichen Ordnung. Doch sie spürte auch das Vibrieren des Kristalls irgendwo in der Mitte dieses Leichendrachen – und sie wusste: Das war das Ziel.
Sie stießen, schlugen, taumelten, sanken. Und dann – der Wald.

Mit einem markerschütternden Krachen zerschellten sie im Wald nahe der Krypten Yews. Der Boden bebte, als würde ein Erdbeben durch die Tiefe rauschen. Jahrhundertealte Bäume barsten wie morsches Holz, ihre Stämme splitterten unter der schieren Wucht der Landung. Eine Welle aus Staub und losen Blättern fegte durch das Unterholz und warf weitere Bäume um.

Die beiden Drachen trennten sich kurz nach dem Aufprall, rissen ihre Klauen aus dem Fleisch des jeweils anderen, standen sich gegenüber – rauchend, bebend, brennend.
Jhea’krynas Brust hob und senkte sich schwer. Schwarze Schuppen waren auf einer Flanke eingerissen, dunkles Drachensekret quoll hervor. Doch ihre Augen – diese glimmenden Rubine der Präzision – funkelten unerbittlich.

Arencia stand ihr gegenüber. Ihre Flügel zuckten. Ein ganzer Teil ihres Brustkorbs fehlte, ausgesprengt, durchbrochen. Die violetten Flammen in ihren Augen brannten greller als je zuvor. Sie war ein Kunstwerk des Verfalls – und doch war sie gefährlich.
Es gab keinen weiteren Ruf. Keine Worte. Nur den Hass – und den Angriff.

Arencia war die Erste, die sich bewegte – trotz ihrer Schwäche. Sie schoss vor wie ein zuckender Blitz, riss mit ihren Klauen nach Jheas Nacken. Die Ilharess duckte sich, konterte mit einem seitlichen Prankenhieb, der Arencias Hals traf und sie gegen einen Felsbrocken schleuderte. Der Stein wurde unter der Wucht zu staub zermalen.

Bevor die Kreatur sich aufrichten konnte, sprang Jhea über sie hinweg, landete hinter ihr und hieb mit der Schwanzspitze nach den Hinterläufen. Sie wollte sie zu Boden zwingen. Jetzt. Noch bevor sie zu viel Kraft aus ihrem Zorn ziehen konnte.
Arencia schleuderte sich zur Seite, riss mit einem Flügelschlag ein halbes Dutzend Bäume aus dem Boden. Die gewaltigen Stämme wirbelten wie Spielzeug durch die Luft, einer davon krachte gegen Jheas Flanke, warf sie zur Seite. Ein schmerzhafter Treffer.

Sie bäumte sich auf, brüllte – ein Klang, der in den Hügeln widerhallte wie ein Kriegsgong. Ein Fluch, der nur in alten Sprachen der Tiefe geschrieben stand. Ihr Odem fuhr wie ein pechschwarzer Keil aus ihrem Maul und traf Arencia direkt auf die Brust.

Ein Teil der untoten Haut verdampfte. Rauch stieg auf. Doch Arencia antwortete.
Sie schrie.

Und aus ihrem Inneren schoss etwas hervor – kein Odem im klassischen Sinne. Kein Feuer. Sondern ein Strahl aus kristallisierter Verzweiflung. Splittermagie, geboren aus gebrochenen Erinnerungen. Die Energie traf Jhea an der Schulter und ließ einen Teil ihrer linken Schuppe platzen wie Glas unter Hitze.

Jhea taumelte zurück. Dann stürzte sie sich vor.

Die beiden Drachen prallten erneut zusammen – diesmal nicht mit Strategie, sondern mit purer Gewalt. Ihre Leiber rangen, ihre Klauen gruben sich in Haut und Knochensubstanz. Sie wälzten sich über den Boden, zerstörten alles, was einst Natur gewesen war. Wo sie kämpften, wuchs nichts mehr.

Die Luft war noch vom Rauch zerrissen, der Boden bebte in flacher, fast atemloser Unruhe. Die Wälder um die Krypten lagen in Trümmern – dort, wo die beiden Drachen kollidiert waren, war kein Wald mehr, sondern eine Wunde im Fleisch der Welt, aufgerissen durch uralten Zorn, Verrat und jene Art von Macht, die nie mehr hätte erwachen dürfen. Jhea’kryna lag auf der Seite, Dreck und Blut klebten an ihren Flanken, eine Schuppe war vom Flammenodem Arencias zerborsten, tief bis ins Fleisch gebrannt, und ein Gefühl von Übelkeit drückte an den Rand ihres Bewusstseins. Doch sie lebte. Und mehr noch: sie war nicht unterlegen.

Sie hatte gezögert, ja. Für einen einzigen Moment. Als sie da stand, zwischen den zerborstenen Bäumen, den Leib gesenkt, das Herz schwer – nicht vor Angst, sondern unter der Wucht einer Wahrheit, die sie nicht hatte kommen sehen. Arencia war stärker gewesen, mehr verschmolzen mit dem Drachen, als sie es erwartet hatte. Da war keine verbliebene Dienerin mehr gewesen, keine schwache Kreatur im Teddybären, sondern ein Wesen aus Asche und Wille, aus Essenz und tödlicher Klarheit. Und Jhea hatte es gespürt – dass sie unterliegen konnte, wenn sie nur ein weiteres Mal zu zögern wagte.

Doch dann hatte sie es gesehen. Das Pulsieren. Die Schwäche. Den Kristall. Kein Artefakt, kein Schmuck – sondern ein Anker, der zu tief im Fleisch saß, zu viel trug, zu viel zu verlieren hatte. Es war der Moment, in dem aus Verteidigung Angriff wurde, aus Kontrolle Instinkt. Sie hatte ihn nicht berechnet. Sie hatte ihn gespürt.

Sie erinnerte sich kaum an den Sprung. Nur an das Knirschen, als ihre Klauen durch verkohlte Schuppen schnitten. An den Aufschrei Arencias, den letzten, gequälten Laut, der wie ein zerrissenes Echo durch die zerschlagenen Bäume hallte. Und an das Licht, als ihre Klaue tief griff und der Kristall zu beben begann. Er hatte sich gewehrt. Natürlich hatte er das. Arencias Seele, Mytraxors Wahnsinn, die Reste aller Lügen, die sie in sich getragen hatte – sie hatten sich aufgebäumt wie ein aufgeschrecktes Tier. Aber sie hatten nicht gereicht.

Jetzt stand sie aufrecht. Ihre Flanken hoben und senkten sich schwer, die Flügel waren zerschrammt, einer trug nicht mehr. Aber sie stand. Und in ihrer linken Klaue: das Herz des Ganzen. Der Kristall pulsierte noch. Nicht wild wie zuvor, sondern stetig, fast... unterwürfig. Als hätte selbst er verstanden, wer nun herrschte. Jhea'kryna betrachtete ihn einen Moment lang, hob ihn gegen das fahle Licht des Himmels, durch den noch immer Asche und Glutpartikel rieselten. Etwas in ihm flackerte, als sei Arencias Geist noch nicht ganz vergangen – ein letztes, winziges Aufbäumen. Doch Jhea’kryna lachte. Leise zuerst, dann lauter, bis das Lachen aus ihrer Drachenkehle wie ein grollendes Beben über das Schlachtfeld rollte. Es war kein Triumph der Freude, sondern der reinen Macht. Sie hatte gesiegt. Nicht nur über Arencia, sondern über alles, was diese Kreatur je hatte sein können: über Schuld, Erinnerung, Dienerschaft, Reue.

Der Körper Arencias lag zu ihren Füßen, oder dem, was davon übrig war. Keine elegante Form mehr, kein brennendes Konstrukt. Nur zersplitterter Knochen, Ruß, und ein leerer Raum, aus dem das Herz gerissen worden war. Der Wald stank nach Verwesung und Magie, nach verbranntem Fleisch und Erde. Über ihnen war der Himmel aufgerissen – weder Tag noch Nacht, sondern ein Wirbeln aus farblosen Lichtbändern, die der Kampf der Giganten über dem Wald hinterlassen hatte. Es regnete langsam, kein Wasser, sondern Ascheflocken, und das letzte Licht spiegelte sich in Jheas schuppiger Haut wie in schwarzem Glas.

Langsam senkte sie den Kristall. Ihre Glieder zitterten leicht, nicht vor Schwäche, sondern von der Nachwirkung jener Form, die nie für Dauer gedacht war. Jeder Knochen verlangte nach Ruhe, jeder Muskel pochte. Doch der Wille hielt. Sie wandte sich um, in Richtung der Ruine, die einst Krypta gewesen war. Vielleicht warteten sie dort noch – Sarkul, Tath’raen, Xael’vryna, die kleine Lyr’sa. Vielleicht auch nicht. Es war gleichgültig. Sie hatten gesehen, was geschehen war. Und sie würden wissen, was es bedeutete.

Mit langsamen, knirschenden Schritten setzte sich der schwarze Drache in Bewegung. Die Geräusche des Waldes kamen zögerlich zurück – das Knistern von Flammen, das Wimmern sterbender Kreaturen, das Flattern von Stoff irgendwo in den Bäumen. Aber es wagte sich nichts in ihre Nähe. Nicht einmal der Wind. Nur der Kristall in ihrer Klaue pulsierte weiter, als würde er flüstern, was aus ihm geboren werden konnte. Oder sollte. Oder längst beschlossen war.

Und Jhea’kryna lächelte.

⊱⋅ ───────── ༻ 𝔎𝔶'𝔄𝔩𝔲𝔯 ༺ ───────── ⋅⊰


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Tath'raen
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Re: Asche im Namen der Noquar - Was vom Haus blieb

Beitrag von Tath'raen »

Der Geruch von verbranntem Holz, Blut und Magie hing schwer in der Luft, als Tath’raen sich gegen den verkohlten Stamm eines zerborstenen Baumes lehnte. Die schwarze Rüstung, mit Asche und Schmutz bedeckt, knirschte leise bei jeder Bewegung. Unter seinen Stiefeln knirschten Scherben aus geschmolzenem Sand und zersplittertem Knochen, Überreste einer Schlacht, die kaum jemand begreifen konnte, der sie nicht gesehen hatte. Der Yew-Wald war verstummt. Kein Vogel, kein Wind – nur das ferne Knistern vereinzelter Glutnester und das Tropfen von dickem, schwarzen Harz, das wie Blut aus den toten Bäumen sickerte.
Tath’raen atmete tief durch und ließ den Blick über das verwüstete Schlachtfeld schweifen. Dort, wo einst dichter Wald gestanden hatte, war nur noch verbrannte Erde. Trümmer der Krypta ragten wie zerbrochene Knochen aus dem Boden. Ein zynisches, leises Lächeln zog sich über sein Gesicht, während er den Helm ein Stück hob und die Zunge über die rissige Lippe gleiten ließ.
„Dreckswurzler…“ murmelte er mit einer Mischung aus Verachtung und Genugtuung. „So viel Stolz. So viele Worte über die Reinheit ihres heiligen Waldes. Und jetzt…“ – er hob den Blick zu den rauchenden Wipfeln – „…jetzt tanzt ihre Göttin auf einem Friedhof.“
Er schob sich vom Baum weg, die Schultern schwer, doch der Stolz war größer als jede Müdigkeit. Sie hatten es geschafft. Nicht sie, die niederen Krieger wie er, sondern sie – Ihre Ilharess. Ihre Herrin der Schatten, deren Wille selbst Drachen beugte. Er hatte gesehen, wie sie aufstieg, wie sie zur Bestie wurde, zur Verkörperung dessen, was Drowsein bedeutete: Überlegenheit, List, unaufhaltsamer Wille.
„Sie werden noch Geschichten erzählen,“ dachte er, während er mit der Handschuhspitze den Ruß von der Klinge seines Zweihänders wischte. „Nicht von uns, den Namenlosen, die durch das Unterholz krochen. Sondern von ihr. Und das ist gut so.“ Sein Blick fiel auf ein am Boden liegendes Waldelfenbanner, halb verbrannt, das Stoffstück vom Rauch eingerollt. Tath’raen trat es mit dem Stiefel tiefer in die Asche, bis nichts mehr davon übrig war als ein dunkler Fleck im Boden. Dann hob er den Kopf, und für einen Moment sah er das Himmelsband, das der Kampf aufgerissen hatte: wirbelnde Lichter, Asche, glimmende Funken, als würde selbst der Himmel ihre Herrin anerkennen.
„Wir sind Drow,“ flüsterte er, beinahe andächtig, und zog den Helm wieder über seinen Kopf. „Und heute…“ – er legte die Hand an den schwarzen Brustpanzer, dort, wo das Wappen seines Hauses prangte – „…hat Yew gelernt, was das bedeutet.“
Elandor Ithildor
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Die Erneuerung des Waldherzens

Beitrag von Elandor Ithildor »

Am Rand des Friedhofs, wo verkohlte Stämme wie Mahnmale ragten, schlossen die Waldelfen den vorbereiteten Kreis.
Steine, Moos und Blätter markierten seine Grenzen, in der Mitte wartete der sorgfältig geschichtete Holzstoß.
An den vier Himmelsrichtungen lagen die Gaben, jede mit Bedacht gewählt: Wasser, Kräuter, Stein und frisches Moos und Äste.

Elandor trat in die Mitte. Er hob die Hände, seine Stimme fest und klar:
„Laiquendi, mellyn en’ taure
Brüder und Schwestern des Waldes, tretet heran. Hier, wo Schatten die Wurzeln vergiften,
antworten wir dem Ruf des Waldes. Sein Schmerz ist unser Schmerz.“


Die Gefährten legten die Hände an die Erde, verharrten in Stille.
Für einen Atemzug schien es, als ob der Wald selbst mit ihnen lauschte.

Dann begann die Anrufung der Elemente.

Yllaria trat in den Osten, hob die Phiole und ließ das klare Wasser in den Boden tropfen.
„Nen ethuil, limwen sui lómelindi
Wasser des Frühlings, süß wie die Nachtigallen. Reinige die Wunden, die Finsternis schlug.“

Ein leises Zittern ging durch die Erde, als hätte sie das Opfer gierig aufgenommen.

Im Süden entzündete Ira die Kräuter, deren Rauch in den Kreis stieg.
„Naur calad, lasta amin
Reinigendes Feuer, höre mich. Dein Rauch sei Bann gegen Dunkelheit.“

Der Duft legte sich über die Versammelten, reinigend und beruhigend.

Ya’ranêl trat in den Westen, trug den Stein in die Mitte.
„Ondo taurë, taura ve rámar
Stein des Waldes, stark wie Flügel. Gib deine Beständigkeit dem Herz der Bäume.“

Der Stein lag still, doch sein Gewicht schien spürbar im ganzen Kreis.

Im Norden legte Rianon frisches Moos und Zweige in die Mitte.
„Laire cuile, ethuil en’ taure
Lied des Lebens, Frühling des Waldes. Erneuere, was verbrannt ist.“

Das Grün schmiegte sich an das Holz, als würde es auf neues Leben warten.

Nun kniete Elandor selbst vor dem Holzstoß. Er legte beide Hände auf die Hölzer, anschließend nahm er einen Dolch zur Hand und
versetzte mit diesem der Handinnenfläche einen kleinen Schnitt. Er malte ein altes Zeichen in die Luft und sprach:
„Lómië naur, coia nael’thorien
Flamme der Nacht, Leben des Waldherzens. Entzünde dich mit unserem Schwur.“

Ein Tropfen seines Blutes fiel auf das Holz. Dann erhob er die Stimme:
„Nárë tula! Silmë na taurë!“ – „Flamme, komm! Licht für den Wald!“

Ein grüner Schimmer lief über Moos und Holz, bis die Flammen erwachten:
gold-grün, sanft und doch machtvoll. Funken stiegen wie Glühwürmchen empor, der Rauch schimmerte silbrig, nach Kräutern duftend.

Die Elfen begannen zu chanten, erst leise, dann kraftvoll, vereint:
„Nael’thorien, sila en’ silme.
Nael’thorien, anira en’ coia.“


Mit jedem Choral schlugen die Flammen höher. Sie brannten nicht zerstörerisch, sondern heilend, ein Herz aus Licht.
Die Funken zeichneten Muster wie Blattadern in die Dunkelheit, während das Feuer im Einklang mit den Stimmen pulsierte.

Nacheinander traten die Gefährten vor und legten ihre Opfergaben nieder, kleine,
persönliche Zeichen: Fell, Schmuck, Federn, Tücher. Jedes begleitet von den Worten:
„Sina amin anta. Coia na taure.“
„Dies gebe ich. Leben dem Wald.“


Zuletzt trat Elandor. In seiner Hand lag ein alter Talisman, gewoben aus Gräsern, durchzogen mit einem kleinen Bernstein,
seit seiner Jugend hatte er ihn getragen. Er hob ihn an die Stirn, flüsterte:
„Lá na lerya taure. Minno taure, minno coia.“
„Niemals verlasse ich den Wald. Eins mit dem Wald, eins mit dem Leben.“

Dann legte er den Talisman in die Flammen. Einen Augenblick lang hielten die Flammen inne, als prüften sie das Opfer.
Dann erfasste sie der Bernstein, glomm auf wie Blattgold und zerfiel zu Asche. Ein Windzug ging durch die Kronen.

Hand in Hand schlossen die Waldelfen den Kreis. Ihre Stimmen erhoben sich, fest und vereint:
„Lá na lerya taure! Minno taure, minno coia!“

Die Flöte Ya’ranêls trug die Melodie, die Stimmen verwoben sich zu einem Lied.

Da veränderte sich die Luft. Ein sanfter Wind erhob sich, die Kronen rauschten. Die Flammen loderten heilend,
das Grün in ihnen strahlte wie junger Morgen. An den verbrannten Stämmen begann schwarzer Staub zu bröckeln,
darunter zeigte sich frisches Holz. Erste Knospen regten sich, Moos breitete sich über die Wurzeln, und der Geruch von Moder wich dem Duft lebendiger Erde.

Ein Wispern ging durch die Bäume, kaum hörbar, doch klar für Elfenohren: Dankbarkeit. Die alte Melodie,
die Elandor zuvor nur schwach gespürt hatte, erhob sich erneut. Noch leise, noch verletzlich, aber klar.

Das Feuer sank langsam zurück, ließ nur noch Glut zurück. Doch das Leuchten an den Stämmen blieb,
ein Versprechen: Die Heilung hatte begonnen.
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