?Besen, Bier & Barrieren ? oder: Wie ich aus Versehen eine Taverne gr?ndete?
Erz?hlt von Bareti, Wirtin aus Versehen, Magierin aus Gewohnheit
Moonglow.
Insel des Wissens. Ort der B?cher, der Portale ? und der stillen, passiv-aggressiven Duelle zwischen Gelehrten, die sich gegenseitig mit Fu?noten beleidigen.
Ich erwachte dort.
In einem Garten nahe der Akademie. Nackt.
Nicht metaphorisch nackt. Tats?chlich nackt.
Das Gras war feucht, der Himmel leuchtete in allen Farben, und in meinen H?nden lag ein Notizbuch. T?rkis. Abgegriffen. Leer wie mein Kopf ? abgesehen von einem einzigen Wort, das mir unaufh?rlich in den Gedanken kreiste:
Bareti. Bareti. Bareti.
Es h?rte nicht auf, dieses Fl?stern, bis ich es aussprach.
Ich sagte ihn laut ? z?gerlich. Und obwohl ich nicht wusste, ob er mir geh?rte? f?hlte er sich an wie meiner.
?Bareti?
Dann wurde es still. Und der Name blieb.
Ich hielt ihn fest, wie das Buch ? und von da an hielt er auch mich.
Die Akademie nahm mich auf ? mit einem Stirnrunzeln, einer Decke und einem Stapel Formulare.
Und ich sog das Wissen auf wie ein trockener Schwamm, der aus Versehen in eine Alchemistenwanne gefallen war.
Und ich h?rte nicht auf ? saugte weiter, bis aus Staunen Gewohnheit wurde.
Ich lernte Magie.
Schnell. Zu schnell, sagten manche.
Ich studierte unter Gelehrten, erschuf kleine Wunder, dann gr??ere ? dann Unf?lle, die man in Fu?noten vermerkte.
Ich wurde Meisterin. Dann Lehrende.
Ich verfasste Abhandlungen ?ber arkane Harmonien. Hielt Vortr?ge, bei denen einer einschlief.
Und lie? versehentlich einen Professor durchsichtig werden (er war danach deutlich netter).
Ich forschte. Ich war jemand. Ich war gut.
Nicht bescheiden ? aber gut.
Und dann... kam der Bruch.
Nicht wie ein Knall.
Eher wie ein leiser Schluckauf im Gewebe der Welt.
Pl?tzlich war da diese Unsicherheit. Erinnerungen, die nicht mehr ganz passten.
Ich hatte Erinnerungen an Menschen, die es nicht mehr gab. An einen Sch?ler, mit dem ich N?chte ?ber Sternbilder sprach, der Fragen stellte, die mich zum L?cheln brachten ? doch niemand au?er mir schien ihn je gekannt zu haben.
Es war, als h?tte jemand ein Kapitel in meinem Leben gel?scht, aber die Fu?noten vergessen.
Ich begann zu zweifeln.
An der Ordnung. An der Struktur. An meinem Platz. An mir.
Die Welt f?hlte sich schief an.
Und ich ? ich f?hlte mich pl?tzlich fehl am Platz in meinen Roben, zwischen all den B?chern und Portalen.
Ich musste raus.
Ich wollte keine Runen mehr. Keine Portale. Keine Ratssitzungen, bei denen f?nf Magier drei Stunden dar?ber diskutieren, ob man Elementargeister entsprechend von ihrem Geschlecht ansprechen sollte.
Ich lie? fast alles zur?ck, wortlos. Ich reiste. Rastlos.

Ich wanderte, meinen treuen Stab in der Hand ? durch alte D?rfer, durch neue Orte, durch Pl?tze, die sich gut, aber falsch anf?hlten.
Ich durchwanderte ganze Landstriche, ohne einmal innezuhalten und begab mich auf Wege, die mich zu verschiedenen Wundern f?hrten.
Bis ich an die windige K?ste Moonglows zur?ckkehrte, in den Schatten der alten B?ume, wo ich einst meine ersten Zauber gewirkt hatte.
Ich wanderte ?ber die Insel, durch Nebel und Sonnenschein.
(Ja, Moonglow hat auch gutes Wetter. Man muss nur lange genug warten. Oder sehr optimistisch blinzeln.)
Und da stand sie.
Versteckt zwischen B?umen, am Rand eines Hains, halb ?berwuchert, halb eingest?rzt ? ganz und gar verlassen.
Eine Taverne.
Zumindest war sie das mal.
Kein Name stand ?ber der T?r ? nur ein verblichenes Holzschild, halb im Gras vergraben. Ich hob es auf.
Darauf: Ein kaum noch zu erkennender Kraken, verdeckt von Patina und Zeit. Acht Arme, einer davon seltsam verdreht. Ich wischte mit dem ?rmel dr?ber.
Keine Schrift. Kein Name. Nur dieses tentakelige Wesen, das mich vage missbilligend anzusehen schien.
Es hatte Charakter.
Und niemand hinterfragte eine Krake in Moonglow ? hier hinterfragt man selten etwas, das nicht explodiert.
?Na gut??, murmelte ich, und nahm das Schild mit.
Die T?r klemmte.
Nat?rlich klemmte sie.
Ich stemmte mich dagegen, Fl?che auf den Lippen, die sogar den T?rangeln die Schamesr?te ins Holz trieben ? bis sie endlich nachgab.
Drinnen war es still. Die Art von Stille, die wartet.
Ein paar Lichtstrahlen fielen durch schmutzige Fenster und warfen staubige Muster auf die Dielen.
Mit einer Bewegung meiner Hand lie? ich ein kleines Licht entstehen ? ein schimmerndes T?rkis, das ?ber meine Fingerspitzen sprang und sich in der Luft sammelte.
Der Raum erwachte flackernd zum Leben.
Der erste Schritt setzte mich in ein Netz aus Spinnenweben.
Ich zischte leise, fuchtelte w?rdevoll mit dem Arm, stolperte gegen einen Hocker und stie? beinahe einen Krug um ? leer, aber beleidigt.
Magie macht dich nicht weniger tollpatschig, nur eleganter dabei.
Ich atmete ein.
Holz, Staub, Moos ? und etwas, das ich nicht benennen konnte.
Es roch nicht wie Verfall. Eher wie... alte Geschichten.
Nicht spannend genug, um sie sofort zu lesen. Aber so, dass man sie behutsam vom Regal nehmen w?rde.
Ich ging langsam durch den Schankraum.
Die Balken waren verzogen, die Dielen sprachen bei jedem Schritt.
Links stand ein Kamin, dar?ber ein leerer Haken ? stumm wie eine Frage, auf die niemand mehr wartete.
Ich trat n?her, stellte meinen Stab daneben: ein langer Wanderstab, einst t?rkis, nun durchzogen von einem r?tlichen Glimmen ? wie ein schlechtes Gewissen unter der Beize.
Dann hob ich, einer Laune folgend, das alte Schild empor und h?ngte es an den Haken.
Der Krake darauf blickte mich nicht an.
Er war einfach da.
Ich sagte nichts. Ich setzte mich auf den Tresen.
Schaute mich um.
Es war eine Ruine.
Und ich liebte sie sofort.
Ich blieb.
Nicht weil es vern?nftig gewesen w?re.
Oder bequem.
Oder ?berhaupt irgendeinem Plan entsprochen h?tte.
Aber manchmal sp?rt man einfach, dass man angekommen ist ? auch wenn der Ort nach feuchtem Holz und Entt?uschung riecht.
Also beschloss ich: Wenn ich schon bleibe, dann wird?s wenigstens warm.
Im Lager fand ich einen Haufen altes, aber brauchbares Holz ? trocken genug, um zu brennen, feucht genug, um eine Herausforderung zu sein.
Ich schleppte es in den Schankraum, schichtete es sorgf?ltig im Kamin auf.
Dann sa? ich davor. Und rieb zwei Steine aneinander.
Es war... romantisch gedacht.
Nach drei Funken und einem angesengten ?rmel wurde mir klar: Das hier war keine Pr?fung der G?tter, sondern einfach ein verstopfter Schornstein.
Also murmelte ich doch.
Ein kleiner Windzauber, direkt durch den Kaminschacht.
Ein halbes Vogelnest plumpste mir vor die F??e, der Rauch zog endlich sauber ab.
Ich schnippte mit den Fingern, das Feuer erwachte mit einem leisen Fauchen.
Nicht elegant ? aber effektiv.
Der Raum wurde w?rmer. Ein kleines bisschen weniger verloren.
Ich streckte die H?nde zum Feuer aus, dann stand ich auf.
?Jetzt wird geputzt!? Sagte ich ? mehr mir selbst als der Welt.
Und ich tat es.
Mit B?rste, Besen und einer Menge sehr gew?hlter Fl?che.
Ich schwor mir, keine Magie zu verwenden.
Zumindest nicht sichtbar.
Zumindest nicht viel.
Staub. ?berall Staub.
Er hatte offenbar Generationen gebildet, kleine Republiken in Ecken gegr?ndet und sich mit den Spinnweben verb?ndet.
Der Staub wich, langsam.
Der Boden kam zum Vorschein.
Und mit ihm... eine gewisse W?rde.
Hinter einer alten T?r entdeckte ich das Lager.
Dunkel, aber vielversprechend.
Ich schuf ein weiteres kleines Licht, lie? es durch die Regale tanzen.
Und da ? zwischen Spinnweben, gesplitterten Kisten und vergilbten Etiketten ? stand es.
Ein einzelnes, rundes Fass.
Ich trat n?her, klopfte dagegen. Dumpf, aber satt.
Ein pr?fender Blick, ein winziger Zauber.
Apfelmost.
Nicht vergoren. Nicht verflucht.
Nur vergessen.
Ich l?chelte. Und wollte es zum Tresen rollen.
Ganz ohne Magie.
Ehrlich.
Wirklich.
Ich stemmte. Es quietschte. Ich fluchte. Es bewegte sich eine Handbreit.
Vielleicht zwei.
Dann? lie? ich es ein wenig schweben.
Nur ein ganz klein wenig.
Ein winziger Impuls. Niemand h?tte es bemerkt.
Ich stellte es hinter den Tresen.
Setzte einen Hahn an.
Zapfte.
Probierte.
Es schmeckte.
Nach Sommer.
Nach Freiheit.
Nach der Art von Tagen, die leise beginnen und sanft enden.
Nach ?Bleib noch ein wenig.?
Oben richtete ich ein Zimmer her ? das am wenigsten muffige.
Ein Bett. Ein Fenster. Frische Decken.
Kein Zauberstab. Kein Ritual. Nur Schwei?, Seife und ein besiegter Schrank.
Tage vergingen, leise und fast unbemerkt.
Ich sprach mit Horst, dem Krug.
Ich las mein Notizbuch.
Ich h?rte dem Wind zu.
Dann, an einem verregneten Nachmittag, ging die T?r auf.
Ein gro?er, schweigsamer Mann trat ein.
Der Bart ein wenig verstrubbelt, der Blick ruhig.
Er sah sich um.
Ging zum Tresen.
W?hlte einen Stuhl.
Setzte sich.
Knrrrk.
Er hielt inne. Stand auf.
Zog aus seiner Manteltasche einen winzigen Hammer ? fast zierlich.
Dann einen Keil.
Er setzte ihn zwischen Sitzfl?che und Stuhlbein. Tock.
Das Ger?usch war kaum zu h?ren ? aber das Knarren war verschwunden.
Der Hammer verschwand wieder in der Tasche.
Der Mann setzte sich.
Ich stellte ihm ein Glas Most hin.
Er trank.
Nickte.
Und irgendwann, ohne ein Wort, verschwand er wieder in den Regen.
Ich stand da.
Wieder allein.
Aber nicht mehr ganz verloren.
Vielleicht war das hier der Anfang.
Einer Geschichte, die nicht in Fu?noten endet.