Der Rauch war z?h geworden. Schwer, ?lig, voller bei?ender Schwaden, die sich in ihren Hals fra?en wie hei?e Nadeln. Lyr?sa hustete, stolperte gegen die Wand, die ihre Hitze nun direkt auf ihre Haut ?bertrug. Die Luft knisterte ? nicht mehr von Glut, sondern von der Panik, die in ihr wuchs. Ihr Blick suchte das Scharnier der T?r, den Riegel, das Schloss. Doch alles war verschlossen. Von au?en.
?Nau? du verdammter...!? rief sie heiser, die Stimme kaum mehr als ein Kr?chzen.
Durch den Gittereinsatz im oberen Drittel der T?r hatte sie ihn gesehen ? den Schatten, die Silhouette, die Augen. Beobachtend. Dann hatte er den Riegel gesenkt. Langsam. Gen?sslich. Sie hatte das dumpfe Ger?usch noch im Ohr, wie ein Urteil. Velkharon.
Sie rannte zur T?r, r?ttelte, schlug dagegen. Das Eisen blieb unbewegt. Ihre Finger waren ru?geschw?rzt, zitternd. Sie f?hlte, wie ihr K?rper an seine Grenzen stie? ? der Rauch, das Feuer, die Hitze? sie war eingesperrt. Die Flammen fra?en sich bereits an das Regal, an das Fass mit den Schmier?len. Sie wusste, was als N?chstes folgen w?rde.
Dann ? eine Bewegung im Rauch. Vor der zugemauerten Wand, dort, wo fr?her ein Lagerraum gewesen sein mochte. Etwas stimmte nicht. Der Rauch? ja, er wurde dort nicht dichter ? er wurde? gesogen. Ein Str?mung, kaum sichtbar, aber klar. Dort musste Luft sein. Ein Hohlraum.
Sie taumelte hin?ber, ihre Knie versagten beinahe den Dienst. Mit der flachen Hand klopfte sie gegen die Steine ? dumpf, dumpf? hohl.
?Da bist du...?, fl?sterte sie heiser.
Sie sah sich um ? dann die Kette. Ein Hebezug. Daneben ihr Amboss. Sie warf den Amboss an das Seil, befestigte die Kette mit zitternden H?nden daran, schwang das improvisierte Geschoss gegen die Mauer. Einmal. Zweimal. Beim dritten Mal platzte der Putz. Der vierte Schlag lie? einen Ziegel nachgeben. Dann noch einer. Stein splitterte, eine ?ffnung tat sich auf.
Sie kroch hindurch. Der Rauch drang hinter ihr her, aber sie sp?rte den Luftzug, k?hl, uralt. Es war ein Schacht. Eng. Abw?rts f?hrend. Ihre Finger klammerten sich an das rau geschlagene Gestein, rutschten. Dann gab der Boden nach ? sie fiel.
F?r einen Moment war da nichts als Dunkelheit, ein stummer Schrei und das Pochen ihres Herzens. Dann traf sie auf ? nicht hart, aber heftig genug, dass ihr die Luft wegblieb. Sie keuchte. Hustete. Richtete sich langsam auf. Um sie: Schw?rze. Feucht. Die Wand hinter ihr flackerte von fernen Feuerschatten ? ?ber ihr, weit ?ber ihr, die Werkstatt in Flammen.
Lyr?sa lag auf dem Boden eines alten Raumes, feucht, staubig, mit der K?lte vergessener Zeiten in den Knochen. Als sie sich aufrichtete, zitterten ihre Beine. Das war? das war kein normaler Raum. Die W?nde waren aus grob behauenen Steinplatten, von Feuchtigkeit ?berzogen. ?berall lagen Reste ? altes Werkzeug, zersplitterte R?stungen, verrostete Kriegsger?te. Und dazwischen? Knochen. Gebogene, gebrochene, nicht ordentlich bestattet.
Sie keuchte. Richtete sich auf, trat einen Schritt zur?ck. Etwas? stimmte hier nicht.
Eine Stimme. Nein ? viele Stimmen. Fl?stern. Aus der Dunkelheit. Oder aus ihrem Kopf?
?Versagt...?
?Nicht stark genug...?
?Du bist wie sie??
?Nicht wie dein Bruder??
Ihre Finger griffen nach dem Dolch an ihrem G?rtel, ihre Augen weiteten sich. Ein Sarglin tauchte aus dem Schatten auf ? kopflos. Eine Geistererscheinung? Sie wich zur?ck. Dann ein zweiter. Dann? Felynkacha. Ihre Mutter. Mit leeren Augenh?hlen.
?Du warst mein Fehler...?, hauchte die Gestalt.
?Nau! Nein!?, schrie Lyr?sa. Sie rannte. Stolperte. Rannte weiter.
Die Schatten verfolgten sie nicht. Aber sie h?rte das Lachen. Es war in ihr. ?ber ihr. Um sie.
Weiter, weiter immer weiter. Dann trat Sie ins Leere. Sie fiel. Kein Aufprall. Kein Schmerz. Nur Schw?rze.
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Luft. Kalte, feuchte, unbewegte Luft.
Lyr?sa riss die Augen auf. Ihr ganzer K?rper zitterte. Die Knie stie?en hart auf Stein, das Atmen ging sto?weise, ihre Haut klebte vor Angstschwei? ? aber auch vor echter Hitze.
Die Flammen waren? fort? Nein. Nicht die Flammen. Nur das? andere.
Sie st?tzte sich auf. Ihre Finger ber?hrten feuchten Fels, keine Knochen. Kein Blut. Kein Wispern. Kein geisterhafter Blick ihrer Mutter.
?Oh nau...?, fl?sterte sie, fast wimmernd. ?Das war? das war nicht? echt.?
Ihr Herz schlug noch immer wie ein Schmiedehammer in ihrer Brust. Der Boden unter ihr war real. Die Hitze war noch immer in den Kleidern. Das Feuer war also nicht eingebildet. Nur? das, was danach kam.
Sie atmete tief durch ? und hustete wieder. Rauch. Er war noch da. Schw?cher, weiter oben, aber sie konnte ihn riechen. Es war nicht vorbei. Sie hatte es irgendwie geschafft, dem Brand zu entkommen ? vielleicht nur gerade so. Aber jetzt war sie hier unten. Und lebendig. Sie tastete nach ihrem G?rtel, fand Hammer, Dolch ? alles noch da. Nur der letzte Rest Klarheit, der fehlte. Sie schloss f?r einen Moment die Augen. Dann ?ffnete sie sie wieder ? und stand auf.
Das war nicht das Ende. Nur der n?chste Anfang.
Sie sah sich um. Sah einen Gang. Uralt. Vergessen - vermutlich. Eine Seite war bereits eingest?rzt. Nicht k?rzlich sondern vor Urzeiten.
Sie folge dem Gang in die andere Richtung und betrat einen Raum.
Der Raum war still. Zu still. Kein Echo ihrer Schritte auf dem glatten Boden, kein Tropfen, kein Fl?stern, nur das dumpfe Rauschen ihres eigenen Blutes in den Ohren. Lyr?sa trat z?gerlich weiter, ihre Finger tasteten ?ber das k?hle Gestein der Wand. Dann ? eine ?ffnung, ein hoher Bogen, wie aus purem Schwarz gemei?elt.
Dahinter: Spiegel.
Zehn. Zwanzig. Vielleicht mehr. Kaum zu z?hlen, denn sie waren nicht gleichm??ig verteilt. Manche standen schief, andere ragten aus dem Boden wie gezackte Kristalle. Manche hingen wie gest?rzte Portr?ts von der Decke. Und jeder einzelne zeigte: sie selbst. Dutzendfach. Hunderte Male.
Doch nicht nur sie.
Einige Spiegelbilder blinzelten nicht. Andere bewegten sich schneller. Oder langsamer. Eine Lyr?sa trug keinen Gurt. Eine andere hatte keine Narben. Eine weitere starrte sie mit blutunterlaufenen Augen an, weinte ? lautlos. Ein halbes Dutzend hatte das Haar k?rzer oder das Gesicht entstellt. Zwei verzerrten sich im Spiegel zu etwas, das wie sie begann ? aber nicht sie blieb.
Lyr?sa stockte.
Dieser Ort...
Sie hatte davon geh?rt. Fl?sternd, in abgebrochenen S?tzen, von Novizinnen und niederen Hausdienerinnen, wenn sie glaubten, unbeobachtet zu sein. Der Raum der Pr?fungen. Ein Ort, der in den Tiefen der Stadt verborgen lag, weit unter der eigentlichen Akademie, unterhalb der Kammern der Kriegerinnen, weit jenseits des kartografierten Bereichs.
Ein Ort, den niemand freiwillig aufsuchte ? denn wer ihn betrat, tat es meist nicht auf eigenen Wunsch.
Er diente schon zu ihrer Zeit nicht mehr der Ausbildung. Nicht einmal der Strafe. Er diente der Erkenntnis. Der Zerm?rbung. Der Enth?llung.
Und manchmal? dem Vergessen.
Sie hatte geglaubt, es sei nur eine Geschichte. Ein M?rchen an der Melee-Magthere erz?hlt von Maya und den anderen, um junge Drow zur Disziplin zu erziehen. Doch jetzt, im Zentrum dieser Spiegel, wusste sie es besser. Die Luft schmeckte wie Eisen und altem Staub. Etwas an diesem Raum war lebendig ? nicht k?rperlich, sondern? bewusst.
Lyr?sa fr?stelte. Und die Spiegel begannen zu fl?stern.
Und dann: Ein Splitter.
Ein einzelner Splitter aus einem zersprungenen Spiegel. Er lag am Boden, eingebettet in einen Rahmen aus staubigem Stein, kaum gr??er als ihre Handfl?che. Doch was sie darin sah, schnitt tiefer als jede Klinge.
Ein Gesicht. Drow. Weiblich.
Makellos. Die Haut glatt wie schwarzes Porzellan, die Wangenknochen scharf, das Kinn edel, das Haar silbern. Augen von einem durchdringenden Violett, wie aus einem Alptraum geschnitten ? oder aus alten Versen, in denen Sch?nheit Schmerz bedeutete. Der Blick war stolz. Sp?ttisch. Zeitlos. Lyr?sa f?hlte, wie ihre Kehle trocken wurde, ihre Finger leicht zitterten.
Dann, kaum sichtbar: Spinnenbeine. Sechs. Acht. Eine Bewegung im Hintergrund, sehnig, lautlos. Und ehe sie sich versah, war das Bild weg.
Lyr?sa fuhr herum.
Nichts.
Nur Spiegel. Und Dunkelheit.
Ein Schauer ?berlief sie. Sie presste die Lippen aufeinander, wich zur?ck. Dann kam das Ger?usch.
Klick-klack. Klick.
Ein Kratzen. Ein Kriechen.
Ein Kichern. Ein Fl?stern.
Lyr'sa rannte.
Der Raum schien sich zu drehen, zu dehnen. Jeder Ausgang f?hrte zur?ck ins Labyrinth der Spiegel. Ihre Schritte hallten nun doch ? viele Schritte, zu viele. Nicht alle geh?rten ihr.
Dann: Seide.
Sie st?rzte in ein Netz, spannte sich fest, fiel auf die Knie, zappelte ? und blieb h?ngen. Die feinen Str?nge klebten an ihrer Haut, an ihrer Kleidung. Jeder Widerstand schien das Gewebe nur fester um sie zu ziehen.
?Nun? wen haben wir denn da.?
Die Stimme war alt. Weiblich. S?? wie Gift.
Lyr?sa blickte auf. Sie sah sie.
Die Drider war gro?. Der menschliche Oberk?rper schwebte ?ber dem massiven Spinnenleib, elegant und grausam zugleich. Ihr Gesicht war dasselbe wie in der Scherbe ? nur jetzt noch lebendiger, noch sch?ner. Ihre Lippen verzogen sich zu einem L?cheln, das nichts Gutes kannte.
?Ein kleines M?dchen aus dem Hause Ky'Alur?, hauchte die Stimme der Drider. Tief, sinnlich, mit einem kehligen Akzent, der fast schmeichelte. ?So zerbrechlich.?
Sie n?herte sich. Ihr K?rper schob sich langsam ?ber das Netz, das kaum bebte unter ihrem Gewicht. Die seidigen B?nder knisterten um Lyr?sas Glieder, hielten sie in einer Mischung aus Zwang und Z?rtlichkeit. Der Blick der Drider wanderte, neugierig, pr?fend ? wie der einer Bildhauerin vor unfertigem Marmor.
Eine lange, fingerartige Klaue ? menschlich, sch?n, gepflegt ? streichelte eine Str?hne aus Lyr?sas Gesicht. Ihre Hand war kalt. Glatt. Und doch versp?rte Lyr?sa Hitze, wie von innen.
?Ich erinnere mich an dein Gesicht?, fl?sterte die Drider. ?Du warst dort. Als sie uns verbrannten. Als sie sangen. Und du... hast geschwiegen.?
Ihre Worte waren kein Vorwurf. Kein Zorn. Sie waren... sanft. Und das machte sie schlimmer.
?Ich war eine Mutter. Eine Priesterin. Eine Tochter von Zauviir.?
Ihre Finger legten sich auf Lyr?sas Kehle, ohne Druck ? doch alles in Lyr?sa schrie.
?Du hast zugesehen, als sie uns zerbrachen. Sag mir, kleine Teb'inyon? hast du es genossen??
Der Mund der Drider n?herte sich ihrem Ohr. Die Lippen streiften es. Ihre Spinnenbeine zogen Kreise im Netz, als hielte sie ein uraltes Ritual ab, in das Lyr?sa eingesponnen war.
?Du zitterst? Aber das gef?llt mir.?
Dann hielt sie inne. Ihr Blick wurde sch?rfer.
?Du bist nicht stark. Noch nicht. Aber du hast bis hierher ?berlebt. Und das... ist selten.?
Ein leises, kehliges Kichern. Ihre H?nde wanderten zu Lyr?sas Schultern, strichen ihre Arme entlang, als wolle sie sie wie Stoff pr?fen.
?Vielleicht rei?e ich dich nicht in St?cke. Noch nicht. Vielleicht schenke ich dir etwas, das du viel tiefer sp?rst??
?Vhyl'zyrr,? hauchte Lyr'sa ? ein Name, den man einst im Fl?stern ausgesprochen hatte, um nicht selbst zur Zielscheibe zu werden. Die einstige Priesterin des Hauses Zauviir.
?Du erinnerst dich?? Die Stimme war samtig, schmeichelnd. Fast traurig. Fast.
?Du warst dabei, Lyr?sa. Als sie mein Haus ausl?schten. Als meine Schwestern brannten. Als die heiligen Alt?re zertr?mmert wurden? von deinen H?nden. Von deiner Feigheit.?
Lyr?sa riss an den klebrigen F?den, die sich um ihre Beine zogen. ?Es war? ich war nur ein Werkzeug!? Sie keuchte, panisch. ?Ich? ich hatte keine Wahl!?
?Du hattest immer eine Wahl.? Vhyl?zyrr schob sich n?her, mit eleganter Grazilit?t auf acht lautlosen Beinen. Die Seide spannte sich fester, mit jedem Schritt zog es Lyr?sa ein St?ck mehr in das Netz. ?Und du hast gew?hlt, Lyr?sa. Jetzt darfst du kosten, wie das schmeckt.?
Sie glitt an Lyr?sas Seite, ihre H?nde ? noch immer sch?n, noch immer die einer Hohepriesterin ? strichen ihr ?ber die Wange, den Hals. Lyr?sa versuchte sich zu winden, doch der Widerstand des Netzes wurde gr??er.
?Du f?rchtest dich?? Vhyl?zyrrs Lippen ber?hrten beinahe ihr Ohr. ?Doch da ist mehr. Ich rieche es. Das Zittern, ja ? aber auch? Verlangen??
?Warum... t?test du mich nicht??
Die Drider l?chelte.
?Weil ich dich leiden sehen will. Und weil ich wissen will, ob du mich anflehst... bevor ich dir Lloth zeige.?
Sie zog eine ihrer Spinnenbeine zur?ck und schnitt mit einem leichten Ruck das Netz in einer Ecke an. Nicht genug, um Lyr?sa freizugeben ? aber genug, damit sie ein wenig schwankte. Eine Warnung. Ein Versprechen.
?Fleh mich an, Lyr?sa. Und ich gebe dir? Gnade.?
Lyr?sa sch?ttelte den Kopf, Tr?nen mischten sich in ihren Schwei?. ?Nau? bitte?? Sie wollte schreien. Aber ein Teil von ihr? wollte wissen, wie es enden w?rde.
Dann sp?rte sie, wie Vhyl?zyrr ihre H?nde umfasste. Ihre Spinnenbeine hielten Lyr?sa fest, als ihre schlanken Finger die ihren ber?hrten, sie wie eine Geliebte umfassten ? und schlie?lich ihre Lippen sanft auf Lyr?sas zitternde Fingerkuppe legten. Ein Kuss. Z?rtlich und zugleich besitzergreifend.
?Ich werde dich nicht t?ten, Lyr?sa. Oh nein. Ich werde dich erinnern lassen. Jede Nacht, jedes Zucken deines K?rpers? soll mir geh?ren.?
Und dann ? Stille. Nur das Klacken von Spinnenbeinen, die sich neu positionierten. Das sanfte Rascheln von Seide, das sich schloss.
Lyr?sa war im Netz.
Doch sie lebte.
Noch.