Seite 1 von 1

Im Namen der Ilharess

Verfasst: 03 Jun 2025, 22:49
von Tath'raen
Dieser Foreneintrag ist eine Fortsetzung der Geschichte von Lyr'sa und Tath'raen, der sich urspr?nglich hier: viewtopic.php?t=251 und hier: viewtopic.php?t=260 entwickelt hat.
Tath?raens Schritte waren leise ? nicht aus R?cksicht, sondern aus Gewohnheit. Der Mensch hinter ihm dagegen klang, als w?rden Pantoffeln ?ber Kies laufen: weich, aber nicht lautlos. Aetherium. Ein Name wie ein Artefakt. Er war zur?ckhaltend, doch Tath?raen sp?rte seine Macht wie einen stillen Druck an der Wirbels?ule ? dieses feine, schwer zu greifende Echo von Magie. Die Art, wie seine blauen Augen den Tunnel betrachteten, als k?nnte er die Struktur selbst durchdringen, war unangenehm. Nicht respektlos ? aber zu offen. Zu wissend. Sie hatten nicht viel gesprochen. Aetherium hatte keine dummen Fragen gestellt, was ihm Pluspunkte einbrachte. Ein menschlicher Magier, der wusste, wann er den Mund hielt ? selten genug.

Dann die Biegung. Der Geruch wechselte: Ru?, hei?es Wachs, modriger Tau. Und da war sie. Lyr?sa. Klein. Schmutzig. Mit einem Eimer in der Hand, der aussah, als w?rde er gleich kippen ? so wie sie selbst. Tath?raens Blick traf ihren f?r einen Moment. Nur kurz. Genug, um die ?berraschung darin zu sehen. Nicht Trotz. Nicht einmal Scham. Eher etwas dazwischen.

Dann bemerkte er, wie Aetheriums Schritt hinter ihm langsamer wurde. Der Mensch sagte kein Wort, aber Tath?raen sah aus dem Augenwinkel, wie sich dessen Blick auf Lyr?sa richtete ? absch?tzend, mit dem k?hlen Interesse eines Forschers, der einen Riss in einem Kristall untersucht. Das war nicht gut. Tath?raen machte eine halbe Drehung, gerade genug, um Aetherium zwischen sich und der Szene zu halten. Und dann sprach er: ?Was machst du hier?!? Die Stimme war sch?rfer, als sie sein musste ? ein Werkzeug. ?Willst du unseren Gast besch?men? Aus dem Weg!? Er sah, wie sie zusammenzuckte, wie sie einen Schritt zur?ckwich, dann seitlich in die nasse Nebengasse schl?pfte. Keine Worte. Kein Blick. Genau so, wie es sein sollte ? zumindest nach au?en. Aber Tath?raen registrierte das Zittern ihrer Finger um den Eimer. Den Schatten auf ihrem Gesicht. Die Art, wie sie kleiner wurde, als sie es schon war. Er wartete nicht. Drehte sich wieder vorw?rts, lie? Aetherium den Weg passieren. Der Magier schwieg ? h?flich oder klug genug, es nicht zu kommentieren.

Aber tief in Tath?raens Brust, hinter der geflochtenen Kette aus Schweigen, Disziplin und Befehlsgehorsam, legte sich ein Gedanke zur Seite, wie eine scharfe Klinge zur sp?teren Pr?fung: Sie war eine Drow. Er war ein Mensch. Und sie hatte weggesehen. Nicht aus Angst vor ihm. Sondern aus Angst, gesehen zu werden.

Bild

Besuch in der Taverne

Verfasst: 04 Jun 2025, 18:35
von Lyr'sa Teb'inyon
Der Tag war ihr zu lang geworden. Zu hart. Zu leer. Lyr?sas H?nde waren wund vom Schleppen der Kohlepfannen, ihre Kleidung roch nach altem Rauch und noch ?lterer Verzweiflung. Selbst der Dreck in den Latrineng?ngen hatte ihr nicht so zugesetzt wie der Anblick der Prozession, bei dem sie wie ein Schatten am Rand gestanden hatte ? zu unwichtig f?r einen Platz, zu stolz f?r die Gasse. Der kurze Blick von Aetherium h?tte Trost spenden k?nnen, doch sie hatte ihn nur gesp?rt, nicht verstanden. Und Tath?raens Tadel hallte noch in ihrem Inneren nach wie ein Peitschenhieb, dem sie nichts entgegengesetzt hatte.

Sie hatte sich abgemeldet, offiziell. Jalilen wie Sie eine war durften sich frei bewegen. War war kein Wanre, keine Sklavin. Nur? ?berfl?ssig. Niemand fragte, wohin sie ging. Also ging sie. Fort aus Elashinn, fort aus Schatten und Spott.

Die Taverne lag an der Oberfl?che, weit abseits der Stadt. Ein Pfad f?hrte durch geduckte H?nge, durch gelebte Stille, hinaus in einen sanften D?mmer. Baretis Taverne war kein heruntergekommener Ort. Die Balken waren solide, die Fenster sauber. Das Dach neu gedeckt, und der Geruch von Holzfeuer und Braten lag in der Luft. F?r eine Drow war es fast? zu hell. Aber es war ein Ort, an dem sie niemand kannte.

Lyr?sa betrat die Schankstube mit dem Ausdruck einer Gefl?chteten. Die W?rme darin umfing sie, fast zu freundlich. Eine Waldelfe stand hinter dem Tresen, mit nerv?sen H?nden und einem unsicheren L?cheln. Vielleicht war sie die Tochter der Wirtin? Vielleicht selbst Wirtin? Es war egal. Als sie fragte, was sie wolle, war Lyr?sas Stimme rau:
?Schnaps. Stark. Ich will vergessen.?

Das Glas kam z?gerlich. Der erste Schluck brannte wie Reue. Der zweite wie Rache. Der dritte lie? ihre Schultern sinken. Lyr?sa sprach wenig, anfangs. Doch die Stunden vergingen, das Licht wurde weicher, Stimmen wurden lauter. Die Taverne f?llte sich mit Reisenden, S?ldnern, Oberfl?chenbewohnern, vielleicht auch Ausgesto?enen. Es knallten W?rfel, irgendwo lachte jemand. Und Lyr?sa? begann zu reden.

?Ich bin eine Jalil? und trotzdem nichts. Nichts!? Ihre Stimme schwankte, ihre Finger klammerten sich ans Glas. Ihre Worte waren ein Gestammel aus Stolz, Schmerz und zu viel Alkohol. ?Tath?raen? dieser Jaluk? er befiehlt mir Dinge. Und ich? ich lasse es zu.?

Die Waldelfe h?rte zu, ?berfordert, aber h?flich. Lyr?sa fuhr fort, fluchend, schwankend. Sie weinte nicht. Aber es war knapp.

Dann ? pl?tzlich ? ?ffnete sich die T?r. K?hle Nachtluft drang herein. Und mit ihr: Tath?raen.

Er trat ein wie jemand, der wusste, wonach er suchte. Seine Miene war fest, sein Blick sofort auf sie gerichtet. Lyr?sa starrte zur?ck. Erst trotzig. Dann verzweifelt.

?Du sollst mitkommen,? sagte er. Ruhig. Aber mit Nachdruck.

?Nein!? Lyr?sa schlug mit der flachen Hand auf den Tresen. ?Ich gehe nicht zur?ck! Ich? ich bleibe hier!?

?Lyr?sa, du blamierst dich.?

?Blamieren?! Du wagst es!? Sie griff nach dem Messer, das sie vorher achtlos neben das Brot gelegt hatte. Ihre Hand zitterte. ?Fass mich an, und ich?!?

?Genug.? Die Stimme kam von hinten. Ein breitschultriger Schmied, ru?geschw?rzt, mit wettergegerbter Haut, war durch die Nebent?r getreten. Offenbar hatte er sie schon eine Weile geh?rt. ?Ich will keinen ?rger. Gib das Messer her.?

?Lass mich! Ich? Ich?? Ihre Worte verschwammen in einem weinseligen Gemisch aus Wut und Weltschmerz. Sie trat zur?ck. Zwei Stufen. Stolperte. Der Schmied trat dazwischen, nahm ihr das Messer ab und schob sie mit einem Griff zur T?r. Nicht brutal, aber bestimmt. ?Sie geh?rt zu dir?? fragte er an Tath?raen gewandt.

?Ja.?

?Dann nimm sie mit. Und sorge daf?r, dass sie hier nicht wieder ?rger macht.?

Lyr?sa wehrte sich. Zappelte. Fluchte ? in De?shineth. ?Sie werden mich t?ten! Foltern! Ich? ich... ich habe?!? Doch keiner verstand sie. Au?er Tath?raen. Und er schwieg.

Drau?en umfing sie die Nacht. Kalte Luft. Ein schmaler Pfad zur?ck nach Elashinn.

?Ich hasse dich,? stie? sie hervor, halb gegen ihn gelehnt, halb gest?tzt.

?Ich wei?,? sagte er ruhig. ?Aber du lebst.?



Bild

P.S.: Ich Schulde Bareti ein i ;)

Re: Im Namen der Ilharess

Verfasst: 05 Jun 2025, 19:03
von Lirael Vanya'thiel
Lirael kniete vor der Taverne und goss die Blumen unter der Veranda. Es handelte sich um Flachs, der mit seinen t?rkisfarbenen Bl?ten zu Baretis Lieblingspflanzen geh?rte. Lirael bem?hte sich, ihnen besonders viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Sie hatte bereits einen Eintrag im Pflanzenf?hrer verfasst, denn diese Pflanze war nicht nur besonders sch?n anzusehen, sondern auch ?beraus n?tzlich. Ihre Fasern konnten zu Stoffen und Seilen verarbeitet werden, und Lirael beabsichtigte, in n?chster Zeit Versuche durchzuf?hren, um zu pr?fen, ob sich vielleicht sogar Bogensehnen aus Flachsfasern herstellen lie?en.

W?hrend sie dastand und ?berlegte, wie sie diese Versuche angehen sollte, sp?rte sie pl?tzlich die Pr?senz eines Wesens, das sich n?herte. Oder besser: eines weiteren Wesens, denn Mephrit stand nicht weit von ihr entfernt und verfeinerte gerade seine Schmiedek?nste. Bizarrerweise nahm sie seine Anwesenheit jedoch kaum wahr, was sie regelm??ig verwirrte und verunsicherte.

Sie stand auf und wandte sich dem Neuank?mmling zu ? und erschrak im ersten Moment. Eine dunkle Gestalt n?herte sich: die zierliche Statur einer Elfin, aber mit fast schwarzer Haut und hellen Haaren. Zweifellos eine Dunkelelfin, die auf dem Weg zur Taverne war. Der erste Schreck wich Zweifel und Erstaunen. Was mochte eine Elfin an diesen ungew?hnlichen Ort f?hren?

Lirael kannte die Geschichte der Dunkelelfen nur vage und hatte in ihrem Leben kaum Kontakt mit ihnen gehabt. Und doch war sie hier, in dieser fernen Welt, bereits vor einigen Wochen einer Vertreterin dieses Volkes begegnet. Doch die Unterschiede h?tten kaum gr??er sein k?nnen. Die Dunkelelfin, der sie damals auf der Jagd mit Nicolette begegnet war, war pr?chtig gekleidet gewesen, hatte sich mit fast hochm?tigem Stolz bewegt und sie herablassend behandelt. Die Elfin, die nun vor ihr stand, wirkte niedergeschlagen, derart verschmutzt, dass es selbst auf ihrer dunklen Haut auffiel, und anstelle von Hochmut waren Trauer und Ersch?pfung in ihr Gesicht geschrieben.

?Schnaps?, ?chzte die Elfin.

Lirael brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass die Besucherin nicht, wie erwartet, ?Durst? gesagt hatte.

Sie bat die Fremde in die Schankstube, wo sich die Dunkelelfin direkt an die Bar setzte und ihren Wunsch nach Vergessen wiederholte. Fast widerwillig kam Lirael der Bitte nach und schenkte ein Glas starken Strohrum ein, der weit hinten im Regal stand. Mit gro?er Missbilligung beobachtete sie, wie die zierliche Gestalt das Glas in einem Zug leerte. Die Elfin verlangte nach mehr und begann zu erz?hlen ? oder vielmehr zu klagen, wobei sie sich fast in Tr?nen aufl?ste. Vorsorglich stellte Lirael ein Glas Wasser neben das neue Schnapsglas und h?rte zu.

Die Elfin berichtete von einem Leben in Qual, das eher an das Dasein eines Sklaven erinnerte als an das einer Angeh?rigen eines elfischen Volkes ? und schon gar nicht der Dunkelelfen.
W?hrend sich der Schankraum allm?hlich f?llte und Lirael auch andere G?ste bedienen musste, versuchte sie dennoch, der jungen Elfin beizustehen. Sie konnte ihr nicht wirklich helfen und verstand nur Bruchst?cke ihrer Geschichte, doch eines war klar: Ihr Gegen?ber suchte ein offenes Ohr ? und vielleicht sogar Schutz.

Gerade als Lirael einem anderen Gast Baretis vorz?glichen Most einschenkte, sah sie aus dem Augenwinkel, wie sich eine Gestalt hinter die Elfin stellte und ihr die Hand auf die Schulter legte. Was sie in diesem Moment am meisten schockierte, war nicht, wie schwer die Zunge der Elfin bereits geworden war, sondern dass die Hand auf ihrer Schulter denselben dunklen Teint hatte. Offenbar war ein weiterer Dunkelelf gekommen, um die Vermisste abzuholen.

Die beiden stritten sich, und Lirael war ?berfordert. Bevor sie ?berlegen konnte, wie sie helfen sollte, griff die junge Elfin nach einem Brotmesser, das hinter dem Tresen lag.

Lirael wusste nicht weiter und rief erschrocken nach Mephrit, der hoffentlich noch vor der Taverne arbeitete. Tats?chlich st?rmte der st?mmige Handwerker herein und erfasste die Situation in Sekunden. Noch bevor Lirael etwas sagen konnte, stand er neben der Elfin, von der die Aggression auszugehen schien. Er nahm ihr das Messer ab und schob sie fast grob in die Arme des anderen Dunkelelfen. Ohne viele Worte packte dieser sie und zerrte sie zur T?r, w?hrend die Elfin mit verzweifelter Stimme schrie ? ihre Todesangst war fast greifbar.
Noch bevor Lirael hinter der Bar hervorsprinten konnte, waren die Dunkelelfen verschwunden. Als sie nach drau?en trat, sah sie sie bereits einige Dutzend Schritte entfernt. Trotz der Dunkelheit erkannte sie, wie die junge Elfin sich wehrte, und ihre Schreie waren selbst f?r weniger empfindliche Ohren als die ihren deutlich zu h?ren.

Lirael stand auf der Terrasse und starrte ihnen nach, unsicher, ob und wie sie reagieren sollte. Die letzten Worte der Elfin durchfuhren sie wie ein eisiger Stich:

?Sie werden mich t?ten! Sie werden mich foltern!?

Sie wollte ihnen folgen, die Elfin retten, sie den F?ngen ihres brutalen Begleiters entrei?en. Sie war w?tend, geschockt, traurig ? aber vor allem unentschlossen.

Nach einer Weile ? es mochten Minuten oder Stunden gewesen sein ? ?ffnete sich die T?r erneut, und Mephrit trat heraus. Ein zufriedenes L?cheln lag auf seinen Lippen, wie bei jemandem, der seine Pflicht erf?llt hatte. Er legte Lirael die k?hle Metallhand auf die Schulter und sagte in ruhigem Ton:

?Die Regeln der Taverne sind klar. Wir dulden keine Gewalt ? und keine Waffen.?

Dann ging er zur?ck zu seiner Werkstatt und nahm seine Arbeit wieder auf, als w?re es der Tag und nicht die Nacht der anbrach.

Die Wut in Lirael wuchs ? auf Mephrit, auf die G?ste, die nichts unternommen hatten, aber am meisten haderte sie mit sich selbst. Wie konnte sie zulassen, dass dieses wehrlose Wesen einfach verschleppt wurde? War es zu sp?t? Konnte sie ihr noch helfen?

Mit wirren Gedanken und gl?hender Wut im Bauch lie? Lirael die Taverne hinter sich. Sie konnte an diesem Abend nicht zur?ckkehren. Stattdessen lief sie in den Wald ? ziellos, aber mit der Gewissheit, dass sie dort Ruhe und Rat finden w?rde.

Re: Im Namen der Ilharess

Verfasst: 06 Jun 2025, 13:22
von Lyr'sa Teb'inyon
Sie waren nach Elashinn zur?ckgekehrt, und Tath'raen hatte kein weiteres Wort mehr an sie gerichtet ? er stellte sie stumm vor der T?r des Sorn ab, als h?tte er genug von ihrer Existenz.

Lyr?sa stand still. Die T?r zum Sorn war geschlossen, aber sie wusste, dass er dahinter war. Vielleicht schlief er. Vielleicht wartete er. Vielleicht beobachtete er sie durch eines dieser kleinen, in die Wand eingelassenen Gitter, wie ein Spinnengott in seiner stillen Geduld.

Der Kater pochte dumpf hinter ihren Schl?fen, eine bittere Erinnerung an zu viel Schnaps und zu wenig Stolz.

Der Gang war d?ster, nur eine flackernde Kristallfackel an der Wand warf tanzende Schatten auf den Boden. Der Ort roch nach kaltem Stein, nach Eisen, nach Dingen, die besser nicht beschrieben wurden. Zwei Stunden waren vergangen. Dann vier. Dann acht.

Sie durfte sich nicht setzen. Der Boden war hart und unrein. Aber ihre Knie schmerzten vom Stehen, ihre Schultern waren schwer von der Anspannung. Kein Wasser. Kein Wort. Kein Blick, der sie eines Besseren belehrte. Nur das Schweigen des Hauses, das ihr sagte, wie tief sie gefallen war.

Einige Diener hatten sie gesehen, mit ver?chtlichen Blicken oder mildem Spott. Doch niemand sprach sie an. Niemand wagte es ? oder hielt es f?r n?tig. Sie war eine Strafe. Ein Beispiel.

Die T?r blieb geschlossen.

Lyr?sa wagte es nicht, sich zu r?hren. Ihre Gedanken kreisten wie m?de Fliegen: Was wollte Sorn? Was w?rde er tun? Warum hatte man sie hierhergeschickt ? und w?rde sie heute Nacht wieder hinauskommen?

Der Hunger war zu einem dumpfen Gewicht in ihrem Bauch geworden. Der Durst kratzte ihr die Kehle wund. Irgendwann hatte sie das Zittern nicht mehr unterdr?cken k?nnen. Und doch stand sie weiter dort. Starr. Still. Erniedrigt.

---------------------------------------

Vel?kharon stand reglos in einer Nische des Flurs, den Speer locker an die Schulter gelehnt, das Gesicht wie aus Stein gemei?elt. Doch seine Augen ? dunkel und wach ? ruhten auf ihrer Gestalt, die da vor der T?r wartet wie eine reuige Dienerin. Lyr?sa. Er kannte ihren Namen, wie man die Namen jener kennt, die zu den h?heren H?usern geh?ren. H?her als er. Immer h?her.

Eine Jalil, so tief gefallen, dachte er, und es stieg etwas in ihm auf ? kein Mitleid. Niemals das. Etwas anderes. Bitterer. Wie sie da steht. Staub an den Knien. Die Haare wirr. Die Augen leer. Und ich darf sie nicht einmal ber?hren.

Er wusste, was sie war. Was sie sein durfte. Und was er nicht war ? ein Jaluk. Ein Mann. Entbehrlich. Austauschbar. Still. Doch w?hrend sie da wartete, gebrochen, entw?rdigt, und ihr Rang sie nicht sch?tzte, gestattete er sich einen winzigen, lodernden Funken. Eine Fantasie.

Wenn ich d?rfte... Nur ein einziges Mal...

Ein L?cheln zuckte an seinen Lippen, geh?ssig, h?sslich. Dann zwang er es zur?ck. Seine Hand schloss sich fester um den Speer. Er hatte nichts gesehen. Nichts gedacht. Nur gestanden. Beobachtet. Gewartet.

Denn das war es, was M?nner wie er taten. Warten. Und tr?umen. Von Dingen, die man ihnen niemals geben w?rde.
Er sch?ttelte den Gedanken ab. Nur innerlich. Nach au?en blieb er diszipliniert.

Bald, dachte er. Vielleicht bald. Wenn die Ordnung wankt. Wenn niemand mehr hinsieht.

--------------------------------------

Die T?r ?ffnete sich mit einem trockenen Knarren. Sorn stand im Rahmen. Eine schlanke Figur, hoch aufgeschossen, das Gesicht von einer Maske bedeckt die lediglich seine Augen - klein, dunkel und voll kaltem Spott - durchscheinen lie?en.
Als sein Blick auf sie fiel, verzog sich sein Mund zu einem Grinsen, das so falsch war, dass es fast schmerzte.

?Aaah? da ist ja unser kleiner Sonnenschein?, s?uselte er in einem Ton, der triefend vor Spott war. ?Hat man dich schon lange warten lassen? Wie unh?flich von uns.?

Er trat einen Schritt n?her, beugte sich leicht zu ihr herunter ? zu nah, zu vertraulich ? und fuhr mit absurder H?flichkeit fort: ?Wenn du bitte so freundlich w?rst, mir zu folgen. Ich habe mir heute extra Zeit f?r dich genommen.?

Dann packte er sie ohne weiteres Z?gern am Arm, fest, hart, die Finger wie Schraubzwingen. Keine Gnade in der Geste, kein Z?gern. Lyr?sa zuckte nicht. Sie wusste, dass jeder Widerstand ihm nur Freude bereiten w?rde ? und sie hatte ohnehin keinen Nerv f?r weiteres Drama. Der Kater pochte hinter ihren Schl?fen, die Kehle brannte, und selbst die Scham war matt geworden.

Also folgte sie ihm, ohne ein Wort.
Die T?r fiel hinter ihnen zu.

Re: Im Namen der Ilharess

Verfasst: 06 Jun 2025, 16:55
von Sorn Ky'Alur
Das Schlurfen, Scharren und die allgemeine Unruhe vor der T?r ignorierend, widmete sich der Veldruk schlicht den wichtigeren Dingen. Pl?ne und Taktik, mentalen Sava Z?gen gegen imagin?re Gegner, dem Zustand eines Stuhlbeines. All den Dingen die von gr??erem Interesse waren als die Jalil vor seiner T?r.

Geh?rt hatte er sie schon als sie die Treppen in den Keller herabgef?hrt wurde. Laut, mehr konnte er zu ihren Schritten nicht sagen. Was die Ilharess an dem perfiden Spiel um Lyr?sa faszinierend fand entzog sich Sorn, es war auch egal. Ihr vergehen spielte keine Rolle, an den richtigen Tagen reichte es aufzustehen, um den Zorn von jemandem im Haus auf sich zu ziehen, und an diesem Tag schien sie es geschafft zu haben das die Thematik f?r Personen von Rang interessant wurde.

Einige Stunden sp?ter verlie? Sorn seine Kammer, eine Maske aus professioneller Gleichg?ltigkeit und guter Laune in jedem Schritt. Der Blick auf die Jalil vor seiner T?r h?tte Mitleid wecken k?nnen, w?re der Veldruk zu solchen Dingen noch in der Lage, doch die Kultur der Drow hinterlie? auch hier ihre Spuren. Schmerz und Leid waren alles das zur?ckblieb, maskiert und umwickelt in freundlichen Plattit?den, und entwertender Nichtachtung.

Am Arm gef?hrt, gezogen, gelenkt brachte er seinen Gast durch in die Dunkelheit der G?nge, sie kannten beide ihr Ziel, den Weg und die Unumst??lichkeit dessen, was folgen wird. Sorn machte nie gro?e Geheimnisse daraus. ?Phantasie und Vorstellung verbreitet mehr Angst als Wissen.?, waren S?tze mit denen jene sich zu tr?sten versuchen die nie die Folterkammer des Qu?ellars betreten hatten. Wissen? Ein schlechter Scherz. K?nnten sie sich Vorstellen was passiert, w?ren sie bereits restlos ohne Verstand.

Die Schritte mal lautlos wie Schatten, mal donnernd wie Gewitter aufschlagend auf Stein. Ein Spiel um alle wissen zu lassen er war hier, oder nicht. Der Humor darin verlor sich f?r viele.
Aus den Augenwinkeln unter der verzierten Maske legten sich Augen auf Vel?kharon, versteckt in seiner Nische. Ein fl?chtiges Verlangen, das im Gesicht des Sargtlin zu sehen war, eine Herausforderung gegen jene die ?ber ihm standen. Ohne den Griff um Lyr?sas Arm zu l?sen, fand eine Klinge ihren Weg in die freie Hand, und trennte in schnellem, zackigem Schnitt die Spitze des Ohres vom Kopf des Sargtlin. Die gesalzene Klinge ein brennendes Gef?hl hinterlassend, ein Schnitt der nie richtig verheilen w?rde. Eine Erkl?rung blieb aus, das ?berraschte Aufschreien verhallte ohne Antwort. Sorn schuldete ihm keine Rechtfertigung, und bot keine an, als er seinen Gast weiter in die Eingeweide des Qu?ellars f?hrte. Die gro?en Augen, der ?berraschte Blick der Jalil nur mit einem zischenden: ?Auch das ist deine Schuld Lyr?sa. H?ttest du dich wie eine Jalil verhalten w?rst du nicht hier, w?re er unverletzt. Leid folgt dir, weil du es so wolltest.?

Leise Worte, Laut genug f?r verletzte Ohren. So zog der Schatten und sein Gast weiter, bis zu ihrem Ziel, einer Taverne anderer Art. Hinter schweren Adamant Toren, in stickiger, metallisch schmeckender Luft, ein letztes ?Zum Wohle Lyr?sa, hier ist deine Bestellung.? Und dann begannen die Prost Schreie.

Re: Im Namen der Ilharess

Verfasst: 07 Jun 2025, 22:31
von Lyr'sa Teb'inyon
Schmerzen waren das Erste, was sie sp?rte.

Dann die K?lte. Feucht, klamm, modrig. Wie etwas, das durch die Poren kroch und sich dort einnistete, in jeder Faser. Lyr?sa blinzelte. Dunkelheit. Nur das matte Glimmen eines phosphoreszierenden Pilzes an der Wand lie? Umrisse tanzen.
Sie lag in der Ecke einer Zelle. Oder was davon ?brig war. Ein blinder Fleck in Elashinns Unterkellerung, so trostlos wie ihre Gedanken. Der Geschmack in ihrem Mund war erb?rmlich ? Magens?ure und Rum. Ihr Magen krampfte sich schon beim Gedanken daran erneut zusammen, doch er hatte nichts mehr zu geben.
Ich lebe. Der Gedanke kam z?gerlich. Und dann: Warum?
Ihr K?rper f?hlte sich an wie gebrochen. Jeder Muskel brannte, die Haut an Armen und Beinen war wundgescheuert von Fesseln. Die Kehle rau, als h?tte man Sand gegurgelt. In ihrem Bauch spannte sich etwas ? zu viel Wasser. Wieder. Er wollte mich aufbl?hen wie einen toten Fisch...
Sorns h?hnisches Grinsen brannte sich wie ein Messer in ihr Ged?chtnis. Seine s??liche Stimme, falscher als alles, was sie je geh?rt hatte: ?Du hast so brav mitgemacht, Lyr?sa. Fast schon liebenswert.?
Sie h?tte ihn t?ten wollen. T?ten sollen. Doch sie hatte sich nicht gewehrt. Nicht wehren k?nnen. Und das nagte an ihr mehr als alle Schmerzen zusammen.

Am n?chsten Tag ? oder war es derselbe? ? schleppte sie sich durch das Tor des Pilzwaldes. Ihre Beine zitterten, ihre Lippen waren aufgeplatzt, und dennoch hatte man sie zu den Arbeiten eingeteilt. Baumst?mme f?r einen neuen Lagerbereich. Nat?rlich. Arbeiten statt sterben. Ein gro?z?giges Urteil.
Sie hatte die Axt nicht einmal richtig halten k?nnen, also schob man ihr eine Metalls?ge und einen Ast in die Hand, der eher ein Pr?gel war als Werkzeug. Die Pilze wuchsen z?h, aus dickem Stammholz mit violetten Adern, das sich wehrte, als h?tte es einen eigenen Willen.
Der Rhythmus der Axt wurde langsamer. Jeder Schlag gegen das z?he Pilzholz vibrierte in ihren Armen nach, schw?chte die ohnehin m?den Muskeln weiter. Schwei? rann ?ber Lyr?sas Schl?fen, ihr Blick war tr?b, der Magen leer ? und der bittere Nachgeschmack des ?berstandenen Strohrums brannte noch immer in der Kehle.

Sie wollte sich gerade dem n?chsten Stamm zuwenden, als ein undeutliches Ger?usch sie innehalten lie?. Ein schmatzendes Trappeln ? leichtf??ig, fl?chtig. Ihr Blick zuckte zur Seite. Zwischen zwei faulig-dampfenden Wurzelst?cken huschte etwas Dunkles hindurch. Dann noch eines. Und ein weiteres.
?Tiefenrothe...?? Lyr?sa blinzelte. Ihre Augen sch?rften sich, trotz M?digkeit und Kopfschmerz. Ja ? es waren drei St?ck, die sich unbeaufsichtigt zwischen den Pilzst?mmen bewegten, sich an Moos und Flechten g?tlich taten.
Sie fuhr herum. Das kleine Gehege, das man ihr zugewiesen hatte ? ein zusammengeflickter Verschlag mit morschen Ranken und einem Seil aus gesponnener Mykofaser ? stand offen. Die improvisierte Verriegelung lag auf dem Boden.
?Nein... nein, nein, nein...?, keuchte sie.
Das war nicht meine Schuld ? ich habe das geschlossen! Ich habe es dreimal ?berpr?ft!
Doch das w?rde niemanden interessieren. Wenn etwas schiefging, war es stets die Schuld derjenigen, die ohnehin unter Beobachtung standen. Eine Jalil wie sie, bereits bestraft, bereits gebrandmarkt ? sie war das perfekte Ziel.

Wenn diese Tiere Schaden anrichten... wenn man sie drau?en sieht... oder gar ein Matronentier verletzt wird...
Ein kalter Stich durchfuhr ihre Eingeweide. Das wird mir angeh?ngt. Ich werde den Preis zahlen. Nat?rlich... immer ich.
Hastig rannte sie hinter dem Tier her. Dem mit der dunklen Wolle und der violetten Schimmerung. Es hatte sich nicht weit entfernt und stocherte seelenruhig mit der Schnauze in einem modrigen Moosklumpen. Sie griff nach dem Strick, fesselte es diesmal doppelt, mit zitternden Fingern, w?hrend sie die anderen m?hsam zur?ck in das Gehege trieb.
Es kostete sie Zeit. Nerven. Kraft, die sie nicht mehr hatte.
Als sie sich schlie?lich wieder aufrichtete, schwei?nass, abgehetzt und mit bebenden Armen ? da bemerkte sie, dass sie nicht mehr allein war.

-----------------------------------------------

Vel?kharon sah ihr schon eine Weile zu. Die Art, wie sie sich bewegte ? schwankend, schmerzverzerrt, aber dennoch stolz ? reizte ihn. Diese verfluchte Jalil hatte es trotz allem immer noch nicht ganz aufgegeben. Dumm oder stur?
Er konnte sie nicht leiden. Nicht nur, weil sie ihn bei ihrem Auftritt vor Sorn wie Dreck behandelt hatte ? das tat jede Jalil ?, sondern weil sie ihn ignorierte. Als w?re er Luft. Ein Mann. Ein Werkzeug. Ein Schatten am Rand.
Aber jetzt war sie schwach. Verwundet. Ausgezehrt. Erniedrigt.
Und genau darin lag die Versuchung.

?Eine Frau wie sie sollte mal sp?ren, wie es ist, wenn nicht sie das Sagen hat?? dachte er bitter. ?Einen Tag lang? nur einen Tag lang der Spie? umgedreht. Nur ein bisschen Druck. Ein bisschen Angst. Das, was sie sonst mit einem Blick ausl?sen. Nur gerechter Ausgleich.?
Er trat n?her. Das Ger?usch seiner Schritte war kaum mehr als ein Rascheln im Moos.
?Ich k?nnte...?
Sein Griff um das Werkzeug wurde fester.
?... nur ein kleines bisschen. Wer w?rde schon zuh?ren, wenn ich sage, sie hat zuerst geschlagen??
Er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.
Dann sprach er sie an.

-------------------------------------

Sie arbeitete schweigend, mechanisch. Bis er kam.

Vel?kharon. Der Sargtlin aus dem Flur. Nat?rlich der.
Er kam n?her, langsam, wie ein Schatten. ?Siehst m?de aus, Jalil?, zischte er, die Stimme tief, voller Spott. ?Vielleicht sollte man dich doch wieder f?ttern? mit Rum und Strick.?
Er trat n?her, zu nah, riss ihr das Werkzeug aus der Hand. Ein Sto?. Dann noch einer. Nicht hart, aber dem?tigend. ?Los, arbeit schneller! Vielleicht hilft ein kleiner Klaps...? Seine Hand zuckte vor ? ein Schlag, der sie am Hinterkopf traf.
Etwas in Lyr?sa riss.

Sie fuhr herum, ohne nachzudenken. Der Ast den Sie trug war schwer, aber ihre Wut trug ihn mit Leichtigkeit. Der erste Hieb traf Vel?kharon mitten ins Gesicht ? ein feuchter, splitternder Laut, gefolgt von einem dumpfen Aufschrei. Er taumelte zur?ck, Blut spritzte auf die Pilzst?mme. Sie lie? nicht nach. Noch einmal, dann noch einmal, dann...
Eine Hand packte ihren Arm.
?Lyr?sa.? Die Stimme war ruhig, aber fest. Tath?raen.
Sie wirbelte herum ? ein Reflex ? und ihre geballte Faust traf ihn im Gesicht. Nicht hart, aber hart genug. Seine Lippe platzte auf, ein scharfer Laut entwich ihm. Blut. Er wischte es achtlos weg. Ihre Augen funkelten.

?Fass mich nicht an! Nicht du! Nicht noch einer! Ihr denkt alle, ihr k?nnt??
Sie hob den Ast noch einmal ? dann lie? sie ihn fallen. Schwer. Laut. Atemlos stand sie da, bebend, zitternd vor Anspannung und Ersch?pfung.
Tath?raen sah sie lange an. Das Blut lief in einem schmalen Streifen an seinem Kinn herab.
Dann ? unerwartet ? zuckte sein Mundwinkel. Ein L?cheln. Nicht geh?ssig. Eher? seltsam anerkennend.
Er sagte nichts.
Drehte sich um. Und ging.
Lyr?sa blieb zur?ck zwischen gesplittertem Holz, zwei blutenden M?nnern ? und einem Zorn, der langsam von ihr abfiel, wie Nebel nach einem Sturm.

Re: Im Namen der Ilharess

Verfasst: 07 Jun 2025, 23:46
von Tath'raen
Tath'raen trat langsam durch die ?u?eren Korridore der Oberetage, w?hrend der kalte Schwei? an seinem R?cken zu trocknen begann. Der metallische Geschmack von Blut hing noch auf seiner Zunge, aber das besch?ftige nicht seine Gedanken. Es war ihr Schlag. Ihre Wut. Und die Art, wie sie ihn angesehen hatte.

Er schloss die T?r zu seinem Quartier hinter sich. Kein unn?tiger Blick zur?ck. Kein Seufzen. Nur Bewegung. Seine R?stung war verschmiert von Sporen, getrocknetem Pilzsaft und dem Blut eines Sargtlin, der heute seine Lektion erhalten hatte. Tath'raen war kein Mann der Worte, doch sein Blick blieb einen Moment an dem kleinen, blutigen Rinnsal auf der Brustplatte haften. Eine Erinnerung. Er zog sie aus. Schicht f?r Schicht. Mechanisch. Wusch sich im stillen Wasserbecken, das neben dem Waffenst?nder eingelassen war, dann griff er zu seiner besten Garnitur. Die polierteste R?stung, tiefschwarz mit mattem Glanz, verst?rkt an den Schultern und mit den Zeichen seines Hauses, dezent, aber klar: Ky?Alur. Er war nicht eitel. Doch der Weg zur Ilharess verlangte Sorgfalt ? und Respekt.

Er trat aus seinem Quartier. Der Gang vor ihm war leer. Seine Schritte hallten nur leise durch die G?nge. Er bewegte sich mit jener Kontrolle, die man bei Kriegern in seinem Stand erwartete ? nicht aus Stolz, sondern aus Gewohnheit. Zwei Diener des Hauses gingen an ihm vorbei, gesenkter Blick, stumm. Sie wussten, wohin er unterwegs war. Und warum. In diesem Haus wusste man immer, wohin jemand ging. Und wann er zur?ckkehren w?rde ? oder nicht.

Tath?raen blieb kurz vor dem inneren Sanktum stehen, dem kreisrunden Atrium, das den Empfangssaal der Ilharess umgab. Die W?chter vor dem Tor der Audienzhalle warfen ihm einen knappen Blick zu, aber sie machten keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Man hatte ihn erwartet. Jeder wusste, wohin jemand ging. Er wartete. Wie immer. Den Blick gesenkt, wie es sich geh?rte. Die Halle war still, nur das leise Tropfen von Wasser in einem entfernten Becken durchbrach die Ruhe. Nach Minuten ?ffnete sich lautlos die Pforte zur inneren Kammer. Er trat ein.

Die Ilharess sa? auf ihrem Thron. Bewegte sich nicht. Ihre Augen waren wie Klingen ? in jedem Moment bereit, zu schneiden. Tath?raen kniete nieder. Den Blick noch immer gesenkt. ?Ilharess,? sagte er mit ruhiger Stimme, ?ich berichte ?ber den Vorfall im Pilzwald.? Keine Regung. Kein Wort. Nur das kaum h?rbare Tippen eines Fingernagels auf einem Marmorthron. Er fuhr fort: ?Der Sargtlin Vel?kharon hat seine Position missbraucht. Er suchte... Macht, wo ihm keine gegeben wurde. Lyr?sa hat reagiert. Mit Kraft. Unerwarteter Entschlossenheit.? Eine Sekunde lang hob er den Blick leicht, nur bis auf Knieh?he. ?Ich habe den Zwischenfall unter Kontrolle gebracht. Die Tiere sind zur?ck im Gehege. Die Ordnung wurde wiederhergestellt.? Erneut ein langsames, fast beil?ufiges Tippen mit einem Fingernagel auf der marmornen Armlehne des Throns. Kein Tadel. Kein Lob. Tath?raens Stimme wurde etwas ruhiger, beinahe ? vorsichtig ? mit einem Hauch von Stolz, als er sagte: ?Sie ist w?tend. Und verletzt. Aber sie lebt. Und... sie k?mpft wieder. Ich bin zuversichtlich, dass sie den Weg zur?ck zur Dunkelheit finden wird.? Er schwieg kurz. ?Soll ich meine Aufgabe fortsetzen?? Ein Nicken. Kaum sichtbar. Aber endg?ltig. Tath?raen senkte tief seinen Kopf in Ehrerbietung: ?Wie ihr befehlt, Ilharess.? Dann schwieg er. Wartete, bis sie leicht, nur ein paar Fingerbreit, eine Hand hob ? ein Geste, die so viel bedeutete wie geh jetzt. Kein Wort. Keine Belohnung. Aber auch keine Strafe. Er stand auf. Wandte sich um und verlie? den Raum.

Seine Schritte waren leise, sein Gesicht wieder in der gewohnten Maske. Aber in ihm arbeitete etwas. Nicht Zweifel. Nicht Reue. Vielleicht Hoffnung. F?r Lyr?sa. Aber auch das w?rde er niemandem sagen.

Bild

Re: Im Namen der Ilharess

Verfasst: 08 Jun 2025, 08:04
von Jhea'kryna Ky'Alur
Jhea?kryna r?hrte sich nicht.

Nicht, als Tath?raen kniete. Nicht, als er berichtete. Nicht, als er Lyr?sas Namen aussprach ? diesen unvollkommenen Klang, dieses Versprechen, das nicht gehalten wurde.

Nur das leise Tippen ihres Fingernagels auf der Marmorlehne hallte durch die Halle wie das Ticken einer Uhr. Sie z?hlte. Nicht die Sekunden. Sondern die Ausfl?chte. Die Wendepunkte. Die Grenzverletzungen.

Als Tath?raen geendet hatte, sa? sie noch immer reglos. Ihr Blick glitt nicht zu ihm ? sie kannte seinen K?rper schon zu gut, um ihm ansehen zu m?ssen, was in ihm vorging. Und doch? dieser eine Hauch von Stolz in seiner Stimme. Fast war es r?hrend.

?Sie k?mpft wieder.?

Nat?rlich tut sie das.

Wie ein Tier, das sich im K?fig windet, wenn man es reizt. Wie ein Welpe, der bei?t, weil man ihm den Knochen nahm. Das war gut. Das war n?tzlich. Es bedeutete, dass sie noch nicht gebrochen war. Und noch nicht frei.

Als Tath?raen gegangen war, blieb Jhea?kryna lange still. Ihre Dienerin am Rand des Thronsaals wagte nicht zu atmen. Der Marmorboden unter dem Thron gl?nzte ? das Licht der phosphoreszierenden Kristalle spiegelte sich in den N?hten ihrer Robe. Endlich hob sie die Hand, fast spielerisch, und fuhr sich mit einem langen, schwarzen Fingernagel ?bers Kinn.

?Ein Geschenk?, murmelte sie schlie?lich. ?Undankbar. Wild. Voller roher Kraft.? Sie sprach mit sich selbst. Aber auch nicht. Irgendwer h?rte immer zu.

?Teb?inyon dachte, ich w?rde sie brechen.? Sie lachte leise, kalt, kehlig. ?Doch warum sollte ich einen Hund brechen, wenn ich ihn tanzen lassen kann??

Sie erhob sich langsam vom Thron. Ihre Bewegungen waren die einer Spinne, die wei?, dass kein Netz ihr entgleitet. Auf leisen Sohlen trat sie zum Rand der Empore und blickte in den Schatten jenseits der Halle.

Sie erinnerte sich an das M?dchen, zitternd, blutend, mit gebrochenem Stolz ? und dieser leise Blick aus der Ecke des Auges, der sagte: Ich hasse euch.
Wunderbar.


?Sie will frei sein.?

Jhea?krynas Stimme war leise. Fast ein Hauch, der durch den leeren Thronsaal wehte. Sie stand nicht. Sa? einfach da, wie eine Skulptur aus dunklem Stein. Nur das tippen ihres Fingers auf dem Thron ? gleichm??ig, messend ? verriet, dass sie dachte. Und f?hlte.

?So t?richt. So reizvoll.?

Ein L?cheln umspielte ihre Lippen, kaum sichtbar. Keine Freude. Nur... Besitz.

?Sie ist geflohen, weil sie glaubte, da drau?en sei etwas anderes als Ketten. Etwas mehr als Gehorsam, Schmerz und Dunkelheit. Etwas, das sie zu ihrer machte. Sie hat gesucht, was nicht existiert.?
Ein Fl?stern folgte dem L?cheln, sp?ttisch:
?Wie niedlich.?

Jhea'kryna blickte zur Seite, wo eine Magd im Schatten kniete, den Kopf tief gesenkt. Worte, die keine Antwort verlangten, nur Wirkung.

?Sie hat an der Melee-Magthere versagt. War gebrochen. Von ihrem Haus weggeworfen. Das Geschenk des Hauses Teb?inyaon... beinahe eine Schande geworden. Und dann floh sie ? ohne Ziel, ohne Schutz, ohne Sinn.?

Jhea'kryna lehnte sich zur?ck, ihre Schultern von der Seide der Robe umh?llt wie ein dunkler Altar.

?Aber sie wusste es. Schon beim ersten Schritt. Sie wusste, dass wir sie zur?ckholen w?rden. Dass sie nie weit k?me. Die Tunnel sind voller Z?hne. Die Welt dort drau?en frisst allein.?

Ein Moment Stille. Dann ein Lachen, leise, kehlig, aus tiefer Kehle kommend.

?Und so kam sie zur?ck. Oder wurde zur?ckgebracht. Es ist einerlei. Sie lebt ? das reicht. F?r jetzt.?

Die Finger der Ilharess tanzten leicht ?ber die Lehne ihres Thrones. Fast wie Z?gel, die sie straffer zog.

?Sie hasst mich. Nat?rlich. Sie glaubt, ich halte sie wie ein Tier ? ein Haustier, das man dressiert und dann in der Sonne verhungern l?sst.? Ein kurzer Atemzug. ?Vielleicht tue ich das. Vielleicht bin ich gro?z?gig.?

Der Blick aus ihren Augen war wie der Schnitt eines Messers. Leer, und doch ?bervoll.

?Sie will weg. Fort von Ky?Alur. Fort von mir.? Pause. ?Aber sie hat nirgendwohin zu gehen.?

Jhea?kryna stand nun langsam auf, lie? sich Zeit, als sei jede Bewegung ein Ritual.
Sie trat an die obere Balustrade, von wo aus sie ?ber den Hof des Hauses blicken konnte ? hinab in die Schatten, dorthin, wo niemand freiwillig stand, aber jemand sein k?nnte.

?Das ist der sch?nste Teil, wei?t du?? ? sie sprach zu niemandem ? ?Sie wei?, dass sie gefangen ist. Und trotzdem k?mpft sie. Nicht gegen mich ? nicht wirklich ? sondern gegen das, was in ihr noch leise fl?stert, dass sie mehr sein k?nnte als nur Werkzeug. Oder ein Rothe.?

Ihre Stimme wurde weicher. Nicht g?tiger.

?Ich k?nnte sie brechen. Jederzeit. Es w?rde nichts bleiben. Nur Blut. Aber das ist langweilig.?
Ein langsames, tr?ges L?cheln.
?So aber ? bleibt sie lebendig. Und w?tend. Und so n?tzlich.?

Jhea'kryna drehte sich zur?ck, hob leicht eine Hand. Eine Geste. Die ihr folgende Magd zog sich lautlos zur?ck.

?Sie soll ruhig weitertr?umen. Von Freiheit. Von einem eigenen Namen. Von einem Leben ohne mich.?

Eine Pause. Dann, mit seidenweicher Bosheit:

?Am Ende wird sie trotzdem zur?ck kriechen. Und sie wird glauben, es sei ihre Entscheidung gewesen.?

Dann setzte sich die Ilharess wieder an den Rand der Ballustrade auf einen Stuhl. Langsam. W?rdevoll. Und begann, mit dem Fingernagel auf dem Gel?nder zu tippen.
Gleichm??ig.
Unaufhaltsam.

Re: Im Namen der Ilharess

Verfasst: 08 Jun 2025, 08:57
von Lyr'sa Teb'inyon
Die Dunkelheit war endlich wieder nur Stille.

Kein keuchendes Schnaufen in ihrem Nacken. Kein gepresstes Befehlsgezischel. Kein eisenharter Griff, der sie zu Boden zog. Nur das leise Tropfen von Wasser irgendwo in den Schatten und der dumpfe Schmerz in ihren Gliedern, der wie ein Echo in ihr vibrierte.

Lyr?sa sa?, die Arme um die Knie geschlungen, zwischen zwei abgestorbenen Pilzst?mmen. Die K?lte der H?hle kroch unter ihre Haut ? aber das war besser als die Hitze seiner N?he. Oder das Brennen seiner Finger. Oder der Blick von oben herab.

Vel?kharon war nun der Gespr?chsthema. Nicht sie. Nicht mehr.
Die Sargtline lachten hinter vorgehaltener Hand.

?Hat sich von einer Unbewaffneten ?berraschen lassen.? ?Kam von hinten ? und hat?s trotzdem nicht kommen sehen.? ?Ein Versager.? ? das letzte Wort hallte noch lange in ihr nach. Und diesmal war sie nicht gemeint.

Ein kleiner Triumph, gewiss. Aber einer, der sich taub anf?hlte.
Er hatte sie gedem?tigt. Und sie hatte zur?ckgeschlagen. Mit Zorn. Mit allem, was sie noch hatte.
Sie hatte ihm gezeigt, dass sie kein Spielzeug war.

Tath?raen hatte es gesehen.
Er hatte geschwiegen, statt zu drohen oder zu strafen.
Und das war fast schlimmer ? denn es bedeutete, er verstand.

Und vielleicht... hatte er nicht widersprochen, weil sie recht gehabt hatte.

Bild