Rianon spürte das Adrenalin wie ein wildes Beben durch seinen Körper strömen, als er die Szene auf der Lichtung beobachtete. Talos lag im Dreck, das Blut sickerte dunkel in die Erde, und die Wilderer standen über ihm, ihre rostigen Klingen blitzten im Licht der untergehenden Sonne. Das leise Knurren, das tief aus seiner Kehle kam, war kaum mehr zu unterdrücken, doch er wartete. Sekunden dehnten sich, das Heulen seines Rudels hallte noch in seinem Inneren wider. Dann vernahm er das Rascheln hinter sich, das kaum hörbare Geräusch von Pfoten, die sich über feuchtes Moos schoben. Koda war da. Naya ebenfalls. Und Alniira trat aus dem Schatten, ihre Augen leuchteten vor kalter Entschlossenheit.
Ohne ein weiteres Zögern spannte sich Rianons Körper an, und mit einem lautlosen Rucken stieß er sich aus dem Gebüsch. Der Wald schien den Atem anzuhalten, als vier Schatten lautlos durch das Unterholz brachen und sich wie entfesselte Sturmwinde auf die Wilderer stürzten. Der Erste schaffte es kaum, sein Schwert zu heben, bevor Koda ihn rammte. Der massive Wolf prallte mit solcher Wucht gegen ihn, dass er ins Taumeln geriet, während Koda die Kiefer fest in seinen Hals schlug. Ein gurgelnder Laut erstickte schnell im eigenen Blut, ehe der Wilderer zusammensackte.
Naya war schnell. Ihr schlanker, heller Körper huschte um ihn herum, ihre Krallen rissen tief durch Leder und Haut, ehe ihre Fänge die Schlagader trafen. Der Mann schrie kurz, stolperte zurück und griff reflexartig nach seiner Wunde, doch Naya war bereits an ihm vorbei, ihr Maul blutverschmiert.
Alniira bewegte sich nicht wie ein Tier, sondern wie eine Klinge selbst. Lautlos schritt sie vor, in jeder Bewegung eine tödliche Präzision, und ehe der Dritte begreifen konnte, dass er in Gefahr war, hatten ihre Reißzähne bereits seinen Weg zwischen seine Rippen gefunden. Ihr Biss brach Rippen, zertrümmerte die Organe und der Mann brach keuchend zusammen, während sein Blick ins Leere glitt.
Rianon selbst stürzte sich auf den letzten Wilderer. Er schwang sein Schwert in einem verzweifelten Hieb. Doch der grüne Wolf duckte sich unter der Klinge hinweg, schnappte nach dem Handgelenk, riss es mit einem heftigen Ruck nach unten und brachte den Mann zu Boden. Mit einem schnellen Satz setzte er sich auf seine Brust, die Pfoten gegen die Schultern gepresst, und seine Fänge fanden die Kehle des Mannes. Ein Ruck, ein Knacken, und auch der letzte Wilderer regte sich nicht mehr.
Schwer atmend blieb das Rudel stehen, umgeben vom metallischen Geruch von Blut, während die Stille des Waldes langsam zurückkehrte. Nur das heisere Atmen von Talos war zu hören, der auf dem Boden lag, sein Körper bebend, das Gesicht blass. Rianon näherte sich ihm vorsichtig und beugte sich über den Schmied. Er roch Blut, Schweiß, Eisen – und etwas anderes. Etwas Fremdes und gleichzeitig Vertrautes, etwas, das nicht von dieser Welt war. Ein Geruch, den er kannte, aber selten wahrgenommen hatte. Die Saat. Rianons bernsteinfarbene Augen weiteten sich, und sein Atem beschleunigte sich unwillkürlich. Talos trug sie in sich, dieses uralte Erbe, von dem so wenige wussten. Er war einer von ihnen, auch wenn er es selbst nicht ahnte.
In Rianon tobten widersprüchliche Gedanken. Sein Wolf wollte Talos retten, ihn ins Rudel aufnehmen, doch der Elf in ihm wusste, was das bedeutete: Ein neues Leben, ein anderes Leben. Kein Schmied, kein einfacher Mensch mehr. Ein Leben voller Instinkt, Kampf, und einem Hunger, den man niemals ganz unterdrücken konnte. Die Entscheidung wog schwer, und in seinem Inneren spürte er die Last der Verantwortung.
Langsam hob er den Blick zu Alniira, die still neben ihm stand, ihre Schnauze noch von Blut dunkel verfärbt. Ihre Augen trafen die seinen, und in diesem Blick lag ein unausgesprochenes Verständnis. Sie nickte kaum merklich; auch sie hatte den Geruch bemerkt. Rianon atmete tief ein, und sein Körper begann sich zu verändern. Knochen verschoben sich, Muskeln zogen sich zusammen, Fell wich glatter Haut, bis er wieder in seiner Elfenform neben dem verwundeten Schmied kniete. Er legte Talos sanft die Hand auf die Brust, spürte das flackernde Leben darunter, und sprach mit leiser, ernster Stimme: „Mensch...du hast die Wahl. Willst du sterben… oder willst du leben? Es wird kein Leben sein wie zuvor. Es wird Schmerz bringen, und mehr als du dir jetzt vorstellen kannst. Aber du wirst weiteratmen… nur eben anders.“ Die Worte hingen zwischen ihnen, schwer wie der Atem des sterbenden Mannes, während der Wald um sie her still und lauschend wirkte.
