Besen, Bier & Barrieren – oder: Wie ich aus Versehen eine Taverne gründete

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Bareti
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Pl?ne, Pfeifenrauch & ein Platz zum Bleiben ? oder: Wie ich einen Hof teilte, bevor ich ihn verstand

Beitrag von Bareti »

Episode IX
?Pl?ne, Pfeifenrauch & ein Platz zum Bleiben ? oder: Wie ich einen Hof teilte, bevor ich ihn verstand?
Erz?hlt von Bareti, Wirtin auf leisen Pfaden, aber mit offenen T?ren

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Der Morgen war k?hl, feucht, und trug den Geschmack von Erde in sich. Ich verlie? die Taverne, noch ehe die Sonne die Nebel aus den B?umen vertrieben hatte, und machte mich auf den Weg zum Hain. Der Pfad f?hrte mich zwischen alten Eichen hindurch, deren moosbedeckte St?mme wie stumme W?chter wirkten. Tautropfen glitzerten auf Farnen, und an manchen Stellen kr?uselte sich der Nebel so dicht, dass selbst die Vogelstimmen ged?mpft klangen. In der Ferne schlug ein Specht gegen morsches Holz ? ein gleichm??iger Klang inmitten der Stille.

Ich schritt langsam, lie? meine Finger ?ber das raue Holz eines umgest?rzten Stammes gleiten, roch den Duft von Pilzen und feuchtem Laub. Der Hain war nie einfach nur ein Ort gewesen ? er war Erinnerung, Mahnung, manchmal Trost. Heute war er alles zugleich.

Ich verharrte einen Moment und schloss die Augen. Gedanken wirbelten wie Laub im Wind. So vieles war ungesagt, unausgesprochen ? in mir und um mich. Doch es war keine Flucht ? nicht diesmal. Nur der Versuch, Klarheit zu finden. Und vielleicht ein neues Spiel zu er?ffnen.

Lirael erschien wenige Augenblicke, nachdem ich den Steinkreis betreten hatte. An ihrem linken Handgelenk glomm schwach ein t?rkisfarbener Kristall ? eingelassen in ein schmales Armband aus Silberdraht. Ich hatte sie zuvor dar?ber gerufen, ?ber unsere abgestimmten Kommunikationskristalle, ein stummes Signal, das wir teilten. Ihr Blick war offen, neugierig, wie jemand, der mehr Fragen als Antworten mitbringt. Sie trat langsam ?ber das feuchte Gras, sah sich kurz um, als wolle sie sp?ren, ob etwas in der Luft lag, das nicht ausgesprochen war.

?Ich habe mir gedacht, dass du nicht einfach so rufst.?

Ich nickte, lie? mir einen Moment, ehe ich sprach. Dann reichte ich ihr ein kleines, gefaltetes Pergament ? ohne Siegel, aber mit Bedacht formuliert.

?Ich brauche Informationen. ?ber Junker Hagrobald von Erlengrund. Seine Bewegungen, seine Verb?ndeten, seine Wege. Nichts Offenes. Nur ein Bild.?

Lirael hob eine Augenbraue, nahm das Pergament entgegen und verstaute es wortlos. Dann sah sie mich lange an. Ihr Blick war nicht tadelnd, sondern wachsam ? wie der einer Sp?rnase, die den ersten Faden einer Spur aufnimmt.

?Also bist du es, die nun Fragen stellt ? mit mehr Nachdruck als sonst.?

Ich antwortete nicht. Der Hain war still, und die Worte zu laut. Der Wind strich durch die Zweige ?ber uns, als wollten sie unsere Gedanken forttragen. In der Ferne erklang das Rufen eines Eichelh?hers ? laut, fast st?rend. Doch auch das geh?rte dazu: St?rung, Bewegung, Wandel.

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Bild
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Als ich zur?ckkehrte, durchquerte ich den alten verwilderten Garten, der wie ein stiller Zwischenraum zwischen Hain und Taverne lag. Der Pfad war kaum mehr als eine Ahnung im Gras, durchzogen von Brennnesseln und Wildkr?utern, die sich unbeirrt ihren Platz zur?ckgeholt hatten. Die Ranken eines Brombeerstrauchs hatten sich in einen rostigen Eimer geschlungen, der wie vergessen am Wegesrand stand.

Kaum zeichnete sich die Silhouette der Taverne zwischen den B?umen ab, bemerkte ich ihn: ein Junge, vielleicht vierzehn Sommer alt, mit dunklem Haar und einem eifrigen, fast verzweifelten Ausdruck. Er kniete im Hof, umgeben von Holzst?cken, einem Beutel Werkzeug und einem grobem Leinen neben sich. Ein windschiefer Hocker stand neben ihm ? selbst gebaut, wie mir auffiel. Noch roh, aber funktional. Ein St?ck Brett diente ihm als Messlatte, grob eingeschnittene Ma?e entlang der Kante.

Er fuhr erschrocken hoch, als ich n?herkam.

?Verzeiht, Lady!?, rief er hastig, noch bevor ich etwas sagen konnte. ?Ich? ich dachte, das hier w?re verlassen. Ich hab niemandem schaden wollen.?

Er stand auf, klopfte sich verlegen den Staub von der Hose und fuhr sich mit dem Handr?cken ?ber die Nase, an der noch ein feiner Span klebte. Seine Stimme zitterte, aber nicht nur vor ?berraschung ? da war M?digkeit, vielleicht auch Hunger. ?Ich wollte nur? was bauen. Nur ausprobieren. Ich? ich hab nirgends einen Platz gefunden, wo ich nicht gleich verjagt wurde.?

Er sah sich um, als w?rde er jetzt den besten Fluchtweg suchen, doch seine H?nde blieben an der kleinen Werkbank, die er aus zwei Holzbalken improvisiert hatte. ?Es war einfach so still hier. Als ob keiner mehr kommt. Und ich dachte? wenn ich leise bin? dann st?re ich vielleicht niemanden.?

Seine Stimme war br?chig, die H?nde schmutzig vom Holzstaub. Die Augen suchten meinen Blick, ohne ihn wirklich zu halten. Irgendetwas an seiner Haltung erinnerte mich an jemanden, den ich l?ngst vergessen glaubte ? oder vielleicht an mich selbst, vor all den Jahren. Nicht mehr Kind, noch nicht wirklich jemand.

Ich schwieg einen Moment, dann atmete ich tief durch. Meine Finger glitten ?ber die rauen Fasern des alten Torpfostens neben mir, an dem seit Jahren kein Tor mehr hing. Ein Ort wie dieser zieht die an, die schweigend um eine zweite Chance bitten. Und vielleicht braucht es mehr Mut, sich irgendwo niederzulassen, als weiterzuziehen. Ich sah den Jungen an und sp?rte, dass dies kein Zufall war. Vielleicht hatte der Ort ihn gerufen ? oder das, was aus ihm werden sollte.

Wir redeten eine Weile. Seine Eltern hatten ihn einem Schreiner anvertraut, bei einem Schreiner, der weit drau?en lebte, hinter einem Fluss und einem H?gel, wie der Junge es beschrieb. Er hatte dort nicht nur gearbeitet, sondern auch gewohnt ? in einer kleinen Kammer ?ber der Werkstatt, zusammen mit dem Geruch von Harz und Holzstaub. Dann, eines Tages, war sein Meister nicht mehr zur?ckgekehrt. Kein Brief, keine Nachricht, kein Abschied.

Seitdem zog der Junge umher, schlief unter Vord?chern, a?, was sich finden lie?, und suchte nach einem Ort, um zu ?ben, zu lernen, einfach? zu bleiben. Er glaubte, niemandem zur Last zu fallen. Die Werkzeuge, die er trug, waren gut gepflegt ? wahrscheinlich sein einziger Besitz von Wert.

Ich erkundigte mich nach seinem Namen ? doch er wich aus. ?Ist nicht so wichtig?, murmelte er. Vielleicht war es Scham, vielleicht Vorsicht. Vielleicht wollte er einfach nicht schon wieder irgendwo nur einen Namen hinterlassen.

Als er schlie?lich aufstand, um sich zu verabschieden, hielt ich ihn zur?ck. Ich deutete zum alten Fasslager, dessen T?r halb aus den Angeln hing, daneben eine zerbrochene Kiste und ein rostiger Rechen.

?Das dort wird gerade nicht gebraucht. Wenn du es dir herrichtest, kannst du es Werkstatt nennen.?

Seine Augen wurden gro?. Dann nickte er, wortlos, aber mit einem Ausdruck, der mehr sagte als alles, was er bisher ge?u?ert hatte. Noch am selben Abend h?rte ich H?mmern. Kein Rhythmus, nur der Klang von Hoffnung in Arbeit verwandelt.

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Sp?ter, als die Taverne in warmes Licht getaucht war und das Stimmengewirr wie eine vertraute Decke ?ber den Raum gelegt wurde, stand ich am Tresen neben Nicoletta. Es roch nach gebratenen Zwiebeln, frischem Brot und einem Hauch von s??em Teig, den jemand zu nah am Feuer vergessen hatte. Der Herd knisterte leise, und auf den Tischen gl?nzten vereinzelt Tropfen von versch?ttetem Met.

Nicoletta hatte gerade ein Tablett geleert und balancierte mit der freien Hand zwei Kr?ge. Ich erz?hlte ihr von dem Jungen, seinem Plan, seiner Suche. Von der M?digkeit in seinen Augen und dem feinen Span auf seiner Nase. Sie h?rte zu, lie? ihre Arbeit f?r einen Moment ruhen, st?tzte sich auf den Tresen und sch?ttelte dann schmunzelnd den Kopf.

?Wir sammeln sie wirklich, was??

Ich zuckte leicht mit den Schultern, l?chelte. ?Vielleicht. Oder wir geben nur zur?ck, was man uns einst gew?hrte.? Ich musste nicht fragen, was sie meinte ? war sie selbst doch eine dieser gesammelten Seelen.

Sie lachte leise, stellte einen Krug auf den Tresen und begann, die Gl?ser zu sortieren. Ich blieb noch einen Moment stehen, h?rte dem Stimmengewirr zu. Geschichten, Lachen, das Klirren von Besteck ? es war kein gro?er Ort, aber er lebte. Und manchmal gen?gt das.

Mein Blick schweifte durch den Schankraum und blieb an einem Gast in der hintersten Ecke h?ngen. Ein Mann, kaum erkennbar im Halbschatten. Der Mantel wirkte vertraut, die Haltung ebenso. Er hatte sich kaum bewegt, trank nichts, redete mit niemandem ? rauchte nur seine Pfeife mit einer Ruhe, die beinahe aufgesetzt wirkte. Doch etwas an ihm flackerte an der Schwelle meiner Erinnerung.

Ein Bild schob sich in mein Bewusstsein ? verschwommen, fl?chtig. Eine Stimme aus der Vergangenheit, ein Abend voller Kerzenlicht und Diskussionen. Der Klang eines Namens, nicht laut, aber eindringlich. Ein Kreis aus Stimmen, eine Entscheidung, ein Versprechen?

Dann war es wieder fort, wie ein Traum, den man fast behalten h?tte. Ich wandte mich ab ? doch der Gedanke blieb zur?ck, wie ein Faden, der sich in der Weberei meines Tages verfangen hatte.

Der Rauch seiner Pfeife stieg in kleinen, geduldigen Spiralen zur Decke. Er war nicht bei?end, nicht s?? ? eher erdig, mit einem Hauch von trockenem Moos und etwas Bitterem, das ich nicht benennen konnte. Ein Teil von mir wollte sich abwenden, doch ich konnte nicht. Nicht ganz. So wie man bei einer Melodie verweilt, deren Ursprung man nicht kennt, aber die trotzdem etwas in einem zum Schwingen bringt.

Ich beobachtete, wie er einmal langsam zog, dann mit knapper Geste den Pfeifenkopf leerte und mit langsamer Sorgfalt frischen Tabak nachstopfte. Kein ?berfl?ssiger Handgriff, kein Z?gern ? nur ruhige, einge?bte Bewegungen. Die Art, wie er das Feuer entz?ndete ? mit Bedacht, fast and?chtig ?, erinnerte mich an jemanden, dessen Anwesenheit einst selbstverst?ndlich gewesen war. An jemanden, der selten sprach ? und wenn, dann nur, wenn es wirklich etwas zu sagen gab.

Nicoletta bemerkte meinen Blick und folgte ihm. Doch sie sagte nichts. Vielleicht, weil sie wusste, dass manche Fragen nicht im Jetzt gestellt werden. Vielleicht, weil auch sie etwas sp?rte.

Am Ende jenes Tages vermerkte ich nur einen Satz in meinem Notizbuch:
?Manche G?ste tragen mehr mit sich, als sie zeigen.?
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Bareti
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Edelsteine, Echos & eine Entscheidung ? oder: Wie ich im Vergangenen das Gegenw?rtige entdeckte

Beitrag von Bareti »

Episode X
?Edelsteine, Echos & eine Entscheidung ? oder: Wie ich im Vergangenen das Gegenw?rtige entdeckte?
Erz?hlt von Bareti, Wirtin mit klarem Blick, aber flackerndem Innern

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Es war sp?t am Nachmittag, und die Taverne roch nach Brotkruste, Most und frisch geschnittenem Holz. Ulaf hockte wie so oft in der N?he des Kamins und schliff etwas Metallisches, das er nicht benannte. Der Klang des Wetzsteins vermischte sich mit dem Murmeln der G?ste ? ein gleichm??iges Hintergrundrauschen aus Stimmen, Besteck und gelegentlichem Glucksen aus F?ssern.

Die T?r ?ffnete sich mit einem gepressten Knarren. Der Zwerg, der eintrat, war nicht laut, aber pr?sent. Sein Bart war dicht und von grauen Str?hnen durchzogen, seine Statur kompakt, sein Gang schwer, aber zielgerichtet. Der grobe Umhang hing ihm tief ?ber die Schultern, am G?rtel baumelte ein Steinhauerzeichen, das schon bessere Tage gesehen hatte. Er stapfte direkt auf den Kamin zu, als geh?re ihm der Platz ? oder als h?tte er ihn selbst einst selbst gemauert.

Ulaf hob den Blick ? und lachte auf, ehrlich ?berrascht.

?Rhowin, du alter Sturmbart! Ich dachte, du w?rst l?ngst ein Stein geworden!?

Der andere grinste, breit, verschmitzt. Seine Augen blitzten, als h?tte er ein paar Geheimnisse zu viel gesehen. Er klopfte Ulaf kr?ftig auf die Schulter, dann stellte er eine kleine, verschlossene Holzkiste auf den Tisch. Der Deckel war mit Messing beschlagen und roch nach Tannenharz und Reisen. Die Kiste blieb erst einmal zwischen den beiden liegen.

?Ich war im S?den, unterhalb von Minoc?, begann Rhowin, w?hrend er sich auf einen Schemel setzte, der unter seinem Gewicht leise knarzte. ?Ein alter Handwerkszirkel da unten ? Steinformer, Runenfr?ser, ganz eigene Schule. Die reden wenig, aber bauen dir Erinnerungen in Granit, wenn du lange genug wartest.?

Ulaf schnaubte. ?Runenfr?ser reden wenig, weil sie zu viel Staub fressen.?

Rhowin lachte heiser. ?Vielleicht. Aber einer von ihnen meinte, so ein Ding geh?rt nicht einfach jedem. Musste ein paar Geschichten erz?hlen, zwei N?chte lang mit dem ?ltesten trinken und ein Lied singen, das ich seit vierzig Jahren nicht mehr kannte. Am Ende hat er mir das hier anvertraut ? mit dem Blick, als w?rde er's sp?ter zur?ckfordern.?

Er tippte auf die Kiste, ?ffnete sie aber noch nicht. Stattdessen lehnte er sich zur?ck und lie? die G?ste zusehen ? und warten.

Ich stellte ihm ein Bier hin, ohne ein Wort zu sagen. Rhowin nickte mir dankend zu, hob den Krug, nahm einen kr?ftigen Schluck ? und verzog dann leicht das Gesicht. Er betrachtete den Inhalt, hielt ihn gegen das Licht und drehte sich zu Ulaf.

?Sie zapft falsch.?

Ulaf nickte nur, als sei das eine unumst??liche Wahrheit. Er nahm ebenfalls einen Schluck aus seinem eigenen Krug und stellte ihn schweigend zur?ck auf den Tisch. Rhowin hielt den Krug noch einmal hoch, musterte ihn pr?fend und sch?ttelte leicht den Kopf.

Ich tat so, als h?tte ich es nicht geh?rt ? aber ich merkte mir den Satz.

Sp?ter, als die meisten G?ste bereits neugierig zu den beiden Zwergen her?berlugten, ?ffnete er die Kiste. Darin: ein Kristall, faustgro?, fast klar, doch mit einem tr?ben, schillernden Kern, der sich zu bewegen schien, wenn man nicht direkt hinsah.

?Zeigt Erinnerungen, sagen die in Trinsic. Aber nicht immer deine. Manchmal... nur, was h?ngen geblieben ist.?

Ein gemurmeltes Raunen ging durch den Raum. Skepsis, Interesse, Unsicherheit ? all das lag in der Luft, als der Kristall in der Mitte des Tisches lag. Ein Dutzend Augenpaare richtete sich darauf. Niemand traute sich, ihn zuerst zu ber?hren. Es war, als l?ge darin etwas Heiliges oder Gef?hrliches, je nach Sichtweise.

Nicoletta trat einen Schritt vor, hielt aber inne. Ihr Blick wanderte zu Rhowin, der mit verschr?nkten Armen am Tisch sa?.

?Darf ich?? fragte sie leise.

Der Zwerg musterte sie einen Moment, dann nickte er knapp. ?Nur mit ehrlichem Herzen.?

Schlie?lich nahm Nicoletta allen Mut zusammen, schob ihre ?rmel hoch ? als ginge sie in einen Kampf ? und hob den Kristall vorsichtig an. F?r einen Moment blieb sie still, dann l?chelte sie. Leise, wehm?tig.

?Ich... rieche Zimt. Und eine Stimme... meine Mutter, glaub ich. Singt ein Lied. Ich... hab das vergessen.?

Sie wischte sich verstohlen mit dem Handr?cken ?ber die Wange und reichte den Kristall weiter.

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Der Kristall ging von Hand zu Hand. Manchmal dauerte es, bis etwas zu sehen war. Manchmal kam es sofort: ein fl?chtiger Blick, ein Bild, ein Echo. Kein Gast sah dasselbe.

Ein junger Bursche, der nur selten sprach, begann zu lachen ? leise, aber echt ? als er in den Kristall blickte. ?Mein Bruder... wir haben uns gestritten, aber das war... das war unser Boot.?

Zwei ?ltere Damen, die regelm??ig kamen, aber selten l?nger als eine Stunde blieben, hielten ihn gemeinsam. Eine nickte sofort, ihre Augen gl?nzten. Die andere blieb still, dann murmelte: ?Ich... wei? nicht, ob das meine Erinnerung ist. Aber sie f?hlt sich vertraut an.?

Der m?rrische Stammgast Orello sah pl?tzlich sich selbst, j?nger, mit einem Apfelbaum im Hintergrund. ?Das war in Yew. Vor... G?tter, vor fast drei?ig Jahren. Ich hab da... nie wieder dran gedacht.?

Ein Handwerker aus Cove, der nur auf der Durchreise war, meinte mit leiser Stimme, er habe den Geruch von nassem Leinen und hei?em Metall gesp?rt. ?Das war die Werkstatt meines Vaters. Ich war da seit zwanzig Jahren nicht.?

Es wurde leiser im Raum. Keine Gespr?che mehr. Nur noch das leichte Knacken des Holzes im Kamin.

Ulaf nahm den Stein zuletzt, mit auff?lliger Ruhe. Als w?re er sicher, dass nichts passieren w?rde ? oder alles. Er hielt ihn lange, drehte ihn langsam, betrachtete das Licht darin wie ein Handwerker das Muster eines Steins.

?Ich h?r jemanden lachen. Glaub... es war ich. Ist lang her.?

Er legte den Stein behutsam zur?ck in die Mitte und sah niemanden an. Seine H?nde ruhten auf den Knien, ruhig, aber fester als sonst.

Dann sahen alle zu mir.

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Ich z?gerte. Ich wei? nicht warum. Vielleicht, weil alle anderen so klar etwas gesehen hatten ? und ich nicht wusste, ob ich bereit war, auch gesehen zu werden. Vielleicht, weil ich mir nicht sicher war, ob ich den Blick von au?en auf mich selbst ertrug.

Der Kristall f?hlte sich k?hl an, fast schwerelos. Und dann ? ganz ohne Licht oder Farbe ? begann er zu flimmern. Nicht mit Bildern zuerst, sondern mit einem Gef?hl. Etwas Altem. Etwas, das ich nicht benennen konnte.

Dann sah ich mich. Von au?en. Wie durch das Fenster eines fremden Hauses.

Doch bevor das Bild verblasste, flackerte etwas anderes auf ? schw?cher, aber eindringlich. Und pl?tzlich war ich nicht mehr ich. Ich war der Junge.

Zu gro? war die Robe, die ?rmel rutschten mir immer ins Tintenfass. Der Schreibtisch war ?berladen ? B?cher, lose Bl?tter, eine schiefe Sanduhr, die nie still stand. Ich schrieb, radierte, begann neu. Worte wollten nicht gelingen, Gedanken flohen, sobald ich sie greifen wollte.

Dann h?rte ich ihre Schritte.

Sie war da. Wie immer: aufrecht, klar, t?rkis, mit diesem seltsamen Funkeln, das einem das Gef?hl gab, nichts sei unm?glich ? und alles sei bereits entschieden. Nicht weil sie laut war. Sondern weil sie Raum lie?. F?r Zweifel, f?r Trotz, f?r Neugier. F?r mich. Und selbst wenn ich sie hasste, in dem Moment, wenn sie mir eine Frage stellte, die ich nicht beantworten konnte ? ich wusste, sie meinte es ernst. Mit der Magie. Mit dem Lernen. Mit mir.

Ich sah auf. Und sagte zu mir selbst, halb laut, halb trotzig:

?Ich verstehe es nicht ? aber wenn sie es sagt, dann muss es einen Sinn haben. Ich... will ihn verstehen.?

Und es war wahr. Ich glaubte ihr ? manchmal widerwillig, manchmal gl?hend. Nicht wegen der Worte. Sondern weil sie blieb. Auch wenn ich w?tend war. Auch wenn ich zweifelte.

Dann ver?nderte sich der Blickwinkel. Ich sah wieder aus ihren Augen. Sah mich selbst, damals, wie ich aufblickte, diesen einen Moment lang voller Hoffnung, Unsicherheit und Hunger nach Anerkennung.

Es war nur ein Atemzug lang ? aber er brannte sich ein. Kein gro?es Wort fiel, kein Eid, kein Abschied. Nur dieser Blick, dieser eine Moment, in dem ich ? durch seine Augen ? mich selbst erkannte, wie er mich gesehen hatte: nicht als Lehrmeisterin, sondern als Richtung. Als jemand, der nie aufgab. Und pl?tzlich wusste ich, dass ich ihn nicht ganz verloren hatte. Nicht, solange dieser Blick irgendwo in der Welt weiter existierte.

Der Kristall wurde stumpf. Die W?rme wich aus meinen Fingern.

Ich atmete flach, als h?tte ich die ganze Zeit die Luft angehalten. F?r einen Moment blieb ich still, dann sah ich zu Rhowin. Er sa? da wie zu Beginn ? schwer, ruhig, wachsam. Unsere Blicke trafen sich, und ich nickte ihm zu.

?Danke?, sagte ich. Leise, aber deutlich. Nicht nur f?r den Stein.

Er hob leicht den Krug ? leer inzwischen ? und blinzelte langsam, als verst?nde er mehr, als ich ausgesprochen hatte.

Ich trat zur?ck, lie? den Blick noch einmal ?ber die Taverne schweifen. Die G?ste hatten sich wieder ihren Gespr?chen zugewandt, doch die Stimmen waren leiser, ged?mpfter. Etwas hatte sich verschoben. Vielleicht war es nur in mir ? vielleicht nicht.

Ich ging nach hinten, vorbei an Nicoletta, die mir einen pr?fenden Blick zuwarf, aber nichts sagte. Durch die K?chent?r, hin zu der kleinen Kammer, die ich manchmal scherzhaft ?mein B?ro? nannte. Ich setzte mich auf den Hocker neben dem Regal, zog mein Notizbuch zu mir und schlug es auf.
?Erinnerung ist nicht Besitz. Aber manchmal ist sie ein Zuhause. Ein Ort ohne Mauern, aber mit T?ren, die nur von innen aufgehen.?
Ich lie? den Stift sinken, st?tzte das Kinn auf die Hand und lauschte dem entfernten Murmeln des Gastraums.

Heute brauchte ich keine Antwort. Nur das Bewusstsein, dass manche Dinge bleiben. Auch wenn man sie losl?sst.
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Zwischenspiel III ? Der vierte Versuch und fast ein Erfolg

Beitrag von Bareti »

?Aus Fehlern geboren, mit Wissen gew?rzt ? und beinahe schon w?rdig?

Planung und Vorbereitung

Beim vierten Versuch wollte ich das, was ich in den bisherigen Anl?ufen gelernt hatte, bewusster und kontrollierter anwenden. Kein ?bertriebener Ehrgeiz mehr, keine ?berbordenden Experimente ? stattdessen ruhige Hand, strukturierte Planung und ein Gesp?r f?r das, was funktioniert hatte. Ich erinnerte mich: Der gezielte W?rmereiz aus dem zweiten Versuch hatte der G?rung gutgetan. Die Duftzauber aus dem dritten hatten zwar gewirkt, aber dabei den Geschmack verf?lscht. Jetzt sollte es um Ausgewogenheit gehen ? nicht um Effekte.

Die ?pfel stammten diesmal von einer alten Obstplantage nahe eines s?dlichen Klosters bei Occlo. Sie wurde von schweigsamen M?nchen gepflegt, deren Wissen ?ber G?rprozesse nicht aufgeschrieben war, sondern in H?nden und Blicken lag. Ihr Most war schlicht, aber in sich stimmig ? er wirkte ehrlich. Ich h?rte ihnen zu, beobachtete ihre Methoden und entschied mich dann bewusst f?r Sorten, die sie selbst selten nutzten. Solche, die mal s??, mal herb, mal v?llig ?berraschend ausfielen. Vielleicht war es genau das, was ich suchte: kein Produkt der Gleichf?rmigkeit, sondern ein Getr?nk mit Charakter und Wandelbarkeit.

Umsetzung und Magieeinsatz

An einem strahlenden Vormittag stand ich im Innenhof hinter der Taverne. In einer Hand hielt ich eine Schale mit dunklen, aromatischen ?pfeln, in der anderen eine Prise getrockneten Lavendels aus meinem eigenen Garten. Ich hatte inzwischen gelernt, dass jeder Zusatz seine Spuren hinterlie? ? nicht nur im Geschmack, sondern auch im Gef?hl. Der vierte Versuch sollte genau so eine Spur tragen.

Ich verzichtete bewusst auf den Kupferkessel. Die metallische Note hatte sich als st?rend erwiesen. Stattdessen nahm ich einen alten Glasballon vom Dachboden. Das G?rrohr versah ich mit einem subtilen Reinigungszauber ? kaum erkennbar, aber effektiv gegen ?u?ere Verunreinigungen. Auch mein ?berarbeiteter Zauber Lux Pomari kam wieder zum Einsatz. Diese magische Hilfsformel reagierte nicht nur auf Zuckerwerte und Temperatur, sondern zeigte inzwischen auch kleine G?rungsschwankungen an, indem sie die Lichtlinie kr?uselte. Ich hatte sie seit dem letzten Versuch verfeinert. Jetzt war sie pr?ziser ? und zeigte mir, wann ich eingreifen musste.

Das Ergebnis war sp?rbar besser. Noch nicht vollkommen, aber auf dem richtigen Weg. Der Most duftete nach Apfelbl?ten und trug einen leichten Schimmer. Er perlte kaum, aber er sprach an ? auf der Zunge, in der Nase, im Kopf. Ich kostete vorsichtig. Und ich musste l?cheln.

?Erstes Aufblitzen. Magie dezent und hilfreich. Noch nicht marktreif ? aber trinkbar. Die Textur ist angenehmer, die G?rung stabil. M?gliche Verfeinerung durch Doldenbl?tler pr?fen ? Holunder? Auch: Kombination mit ?lterem Most zur Tiefe testen.?


F?r mich war das ein Fortschritt. Ich stellte auch diesen Versuch als kleines, beschriftetes Fass zu den anderen ? nicht weil ich ihn f?r vollkommen gelungen hielt, sondern weil er Teil meines Weges war. Und weil der Rest des Mosts, trotz aller verbleibenden Unsicherheiten, bereits gut genug war, um getrunken zu werden ? mit Genuss, nicht nur mit Neugier.?

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Der f?nfte Versuch ? Erinnerung im Geschmack

Den f?nften Versuch hatte ich schon begonnen, noch w?hrend der vierte ruhte. Ich arbeitete diesmal mit Mischungen verschiedener Apfelsorten. Der Gedanke gefiel mir: Nicht die eine perfekte Frucht sollte den Ton angeben, sondern das Zusammenspiel. Wie ein Chor, bei dem nicht alle Stimmen gleich sind, aber gemeinsam etwas erschaffen, das im Ged?chtnis bleibt.

Die Magie hielt ich erneut zur?ck. Kein Zeitzauber, keine k?nstliche S??e. Stattdessen etwas anderes: ein Erinnerungszauber. Sehr fein, kaum sp?rbar, beinahe ein Hauch. Ich erinnerte mich an den magischen Stein, den ein Freund meines zwergischen Helfers Ulaf vor kurzem mitgebracht hatte ? ein unscheinbares St?ck Mineral, das beim Ber?hren vergangene Gef?hle und Erinnerungen ausl?ste. Ich hatte ihn nur kurz in der Hand gehalten, doch der Eindruck blieb haften. Was, wenn man so etwas nicht in Stein, sondern in Geschmack bannen konnte?

Leider war der Freund am n?chsten Morgen wieder aufgebrochen. Trotz meines h?flich ge?u?erten Interesses hatte er sich nicht dazu durchringen k?nnen, mir den Stein f?r weitere Untersuchungen zu ?berlassen ? sehr zu meinem Leidwesen. Doch zur gro?en Freude Ulafs hatte er stattdessen ein kleines, versiegeltes Fass Umrazimer Zwergenbier mitgebracht, das die beiden noch gemeinsam ?ffneten. Der Rest davon wartete nun, k?hl und w?rzig, hinter dem Tresen ? f?r jene seltenen G?ste, die einen ganz besonderen Tropfen verdient hatten.

Ich versuchte es dennoch, ohne die hilfreiche Basis des Steins. Ich band eine Erinnerung an den Most: das Lachen eines Barden, als er zum ersten Mal meine Hausmarke probierte. Nur ein winziger Ausschnitt dieser Szene, ein Echo. Aber vielleicht reichte das schon.

Der gefundene und zu meiner Hausmarke verbesserte Most war inzwischen nahezu aufgebraucht. Eine letzte Karaffe hatte ich versiegelt und zu den anderen F?ssern gestellt. Das letzte Glas schenkte ich dem alten Fischer aus der Bucht. Ich dachte nicht einmal dar?ber nach ? es war einfach richtig so.

Als ich den f?nften Versuch einige Wochen sp?ter probierte, war ich ?berrascht. Er schmeckte weich, mit klarer Apfelnote und einem Hauch Lavendel. Keine Tr?bung war mehr zu sehen, keine Schwebstoffe, kein Bodensatz ? nur goldene Klarheit im Glas. Aber da war mehr: Im Nachgeschmack lag ein Gef?hl, nicht greifbar, aber vertraut. Wie ein warmer Nachmittag, den man vergessen hatte, bis er in einem Moment wieder auftaucht. Wie? die Taverne selbst.

Ich schloss die Augen und l?chelte.

?Du bist nicht perfekt?, sagte ich leise. ?Aber du bist der Erste, den ich sogar ausschenken mag.?

Am Abend lie? ich den Zwerg kosten. Er schnaubte, trank in einem Zug aus, stellte das Glas wortlos ab und sagte:

?Fast trinkbar. Fehlt Tiefe. Und Wucht.?

Ich lachte laut. F?r mich war das das beste Lob bisher.

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Am Abend, nachdem ich den f?nften Versuch zufrieden in ein kleines, fein beschriftetes Fass umgef?llt und zu den anderen gestellt hatte ? als Zeichen daf?r, dass er seinen Platz verdient hatte ?, schlug ich mein Notizbuch auf und notierte::
?F?nfter Versuch zeigt klare Linie. Most tr?gt erstmals Erinnerung, wenn auch nur fl?chtig. Lavendel harmonisch, aber instabil in der Tiefe. Ulafs Reaktion spricht f?r Trinkbarkeit mit Ausbaupotenzial. N?chster Ansatz: aromatische Verst?rkung durch Holunder testen. M?glichkeit: Kombination mit ged?mpfter Zimtrinde zur Tiefe ? aber sparsam. Eventuell eigene Erinnerung st?rker verankern, nicht Erinnerung an eine Reaktion. Ziel: Pers?nlichkeit im Nachhall, nicht nur in der Kopfnote. Eventuell Alkoholgehalt pr?fen und bei Bedarf anpassen ? Balance nicht nur im Geschmack, sondern auch in der Wirkung.?
Zuletzt geändert von Bareti am 22 Mai 2025, 12:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Gedanken, G?ste & ein Glas zu viel ? oder: Wie mir ein alter Name neue T?ren ?ffnete

Beitrag von Bareti »

Episode XI
?Gedanken, G?ste & ein Glas zu viel ? oder: Wie mir ein alter Name neue T?ren ?ffnete?
Erz?hlt von Bareti, Wirtin mit ruhiger Hand und einem Blick f?r das Verborgene

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Es war der Morgen nach einer jener N?chte, in denen der Schlaf kam, aber die Tr?ume ausblieben ? und ich konnte nicht sagen, ob das Erleichterung oder eine Warnung war. Der Duft meines letzten Mostversuchs hing noch in der Luft, dieser leicht lavendelduftende Nachhall, der sich in den Holzbalken festsetzte wie Erinnerungen, die man nicht loswird. Versuch Nummer vier war immerhin nicht explodiert. Und Versuch f?nf? Der war? gelungen. Durchaus sogar. Nicht exquisit ? aber fast vollkommen klar. Nur ein feiner Schimmer blieb, als wolle der Most ein kleines Geheimnis f?r sich behalten. Nicoletta hatte beim Abf?llen sogar anerkennend die Stirn gerunzelt. Das war bei ihr fast schon Applaus.

?Er will den neuen probieren?, sagte sie und stellte zwei Becher auf den Tresen.

?Er??

?Der junge Fischer mit dem gr?n verwaschenen Halstuch. Hat behauptet, er habe die Entstehung mitverfolgt. Wortw?rtlich.?

Ich seufzte leise und sch?ttelte den Kopf. ?Dann soll er trinken. Aber wenn er blind wird, will ich?s schriftlich, dass es an seinen eigenen Entscheidungen lag.?

Ich schenkte ein und beobachtete, wie der Most golden ins Glas floss. Fast vollkommen klar ? wie gesagt. Und doch mit diesem feinen, fast unsichtbaren Schimmer. Der Fischer nahm einen Schluck, schloss die Augen ? und ein vertr?umter Ausdruck huschte ?ber sein Gesicht. Als h?tte ihn der Geschmack an etwas erinnert. Etwas, das ich nicht sehen konnte.

Dann ?ffnete sich die T?r.

Ein Mann trat ein. Nicht hastig, nicht z?gerlich. Seine Schritte waren ruhig, sicher ? wie jemand, der es gewohnt war, dass R?ume auf ihn reagierten. Der lange Mantel, staubig vom Weg, schien dennoch faltenlos. Ich sah ihn sofort. Und erkannte ihn nicht an Kleidung oder Gestalt ? sondern an dem, was nicht zu sehen war: das Gewicht seines Schweigens. Den Funken dahinter.

?Aetherium? von Finsterrode?, sagte ich. Er sah ?lter aus, als ich ihn in Erinnerung hatte ? m?der vielleicht, oder einfach schwerer geworden mit den Jahren, die er trug wie andere ihre Roben.

Er nickte knapp. ?Ich h?rte von einer Taverne an Moonglows Rand. Ein Ort, wo Geschichten zusammenlaufen. Die Einladung galt eigentlich Barack ? aber da er nicht auffindbar war, bin ich gekommen. Ich hatte zwar Euren Namen gesehen ? aber ich h?tte nicht erwartet, Euch tats?chlich hier zu sehen.?

Ich deutete auf den gro?en Tisch nahe der Fensterbank. ?Vielleicht ist es die Insel, die mich hier h?lt. Oder der Most. Manche G?ste behaupten, der sei der wahre Grund.?

Er setzte sich. ?Ihr seid also eine Wirtin geworden??

?Ich bevorzuge: H?terin eines Ortes. Der Taverne, um genau zu sein.? Ich nahm Wasser von der Feuerstelle und goss uns zwei Tassen Tee ein, folgte ihm zum Tisch und setzte mich schlie?lich ihm gegen?ber. Wenn meine Erinnerung mich nicht trog, hatte er nie gerne berauschende Getr?nke zu sich genommen.

Er griff zur Tasse, kostete, lie? den Schluck wirken, als pr?fe er eine Formel. Dann sah er mich wieder an, klar und gesammelt, und nickte leicht. ?Guter Tee, durchaus gelungen. Besser als vieles, was an der Akademie serviert wird. Dort schmeckt sogar Kr?utertee nach Fu?noten.?

Ein stiller Moment entstand ? nicht leer, sondern voll von dem, was nicht gesagt wurde.

?Ich erinnere mich an Euch in der Halle der Spiegel?, sagte Aetherium. ?Ihr habt dem Illusionsmeister widersprochen. Ohne zu z?gern. Und Ihr hattet recht.?

Ich l?chelte. ?Ich war jung. Und frech. Jetzt bin ich lediglich frech geblieben.?

Er lachte. Ein kurzes, echtes Aufblitzen. ?Vielleicht wart Ihr damals schon weiter, als wir alle dachten.?

Wir sprachen nicht viel mehr. Die Ger?usche der Taverne legten sich wie ein gewebter Klangteppich um uns ? Gl?ser, Stimmen, das entfernte Knistern des Feuers.

Schlie?lich sagte er: ?Ihr habt etwas erschaffen, das ich nicht erwartet h?tte. Kein Lehrstuhl. Keine weitere Abhandlung. Etwas Eigenes. Etwas Echtes.?

?Ich wusste nicht, was ich tat. Ich folgte nur dem, was mir fehlte.?

?Und genau das?, sagte er, ?unterscheidet eine Gelehrte von einer Sch?pferin.?

?Doch sagt, Lady Bareti ? weshalb habt Ihr ausgerechnet meinen Oheim eingeladen? Nicht, dass er sich nicht geschmeichelt gef?hlt h?tte, aber Eure Worte lie?en vermuten, dass es mehr als blo?e H?flichkeit war.?

Ich lie? die Worte einen Moment sacken, ehe ich antwortete.
?Ich hatte gehofft, ihn pers?nlich zu sprechen, ja. Nicht aus alter Sentimentalit?t ? sondern weil ich Informationen ben?tige. Zugang. Ein paar T?ren, die ich selbst nicht mehr ?ffnen kann oder will.?

Ich drehte mein Glas in den H?nden. ?Lord von Finsterrode war einst jemand, den ich ? trotz aller Verschrobenheit ? als verl?sslich kannte. Und ich hatte gehofft, er k?nnte mir helfen, ein paar lose F?den zusammenzuf?hren.?

Ich hob den Blick. ?Da er aber nicht zu erreichen war? hoffe ich nun, dass Ihr bereit seid, an seiner statt mit mir zu sprechen.?

Er antwortete nicht sofort. Ein leichtes Neigen des Kopfes ? wie jemand, der abw?gt, ob dies blo? Pflicht sei? oder bereits etwas anderes.

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Bild

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Sp?ter am Abend sa? ich allein am Kamin. Die Glut war fast erloschen, doch das Licht der Laterne warf lange Schatten an die Wand, als wolle es mir Geschichten erz?hlen, die ich l?ngst vergessen hatte. Der Tag hatte sich gelegt, und mit ihm die Gespr?che, das Lachen, das Klirren der Gl?ser. Nur die Stille blieb ? und ein Gef?hl, als h?tte ich etwas wiedergefunden, was ich nie verloren glaubte.

Der Austausch mit Aetherium war nicht nur produktiv, sondern in vielerlei Hinsicht erhellend gewesen. Zwischen den Zeilen, in seinen Blicken und den leise formulierten Andeutungen lag mehr, als Worte allein h?tten fassen k?nnen. Die Hinweise, die er mir gab, waren wie lose F?den in einem dichten Gewebe ? doch sie f?hlten sich an, als k?nnten sie zu etwas f?hren. Etwas Gr??erem. Vielleicht nicht sofort, aber bald. Und ich w?rde bereit sein, wenn es so weit war.

Es w?rde Zeit brauchen, das wusste ich. Tage, vielleicht Wochen. Doch erstmals seit Langem hatte ich das Gef?hl, dass etwas in Bewegung geraten war. Nicht nur hinter den Mauern der Taverne, sondern auch in mir. Ich hatte gesprochen, gefragt, vertreten ? nicht aus Trotz oder Pflichtgef?hl, sondern mit einem Hauch von Gewissheit. Und diese Taverne, dieses Haus mit seinen vielen Schatten und Lichtern, war dabei nicht nur Kulisse, sondern Stimme gewesen. Meine Stimme.

Mein Blick schweifte ab, suchte instinktiv das Regal ?ber dem Kamin. Der Blick zur Krake, die immer deutlicher hervorzukommen schien. Etwas war anders. Ich bemerkte es erst jetzt.

Ein weiterer Gegenstand ruhte auf dem Sims unter der geschnitzten Krake. Neben meinem angelehntem Stab, zwischen der Harfe, der Laterne, der Sanduhr und dem Strau? getrockneter Kr?uter lag nun ? ein Hammer.

Ein alter Schmiedehammer. Schlicht, kantig, von Gebrauch gezeichnet. Kein Prunkst?ck. Auch keine Troph?e. Einfach hingelegt. Fast unauff?llig. Aber nichts hier war je beil?ufig.

Ich erhob mich und trat n?her, musterte das Werkzeug, als k?nnte ich darin mehr erkennen als Holz und Eisen. Und vielleicht tat ich das auch. Etwas an diesem Hammer wirkte wie eine Erinnerung, die nicht die meine war.

?Nicoletta??

Sie trat aus der Speisekammer, ein Tuch in der Hand. ?Der Junge hat ihn dort hingelegt. Der, dem Ihr erlaubt habt, das Fasslager umzubauen.?

Ich drehte mich zu ihr um. ?Ein Schmiedehammer??

?Sein erster. Er sagte, er tauge nicht zur Holzarbeit ? der Kopf zu schwer, der Griff zu kurz. Aber wegwerfen konnte er ihn nicht.?

Ich fuhr mit dem Finger ?ber den Griff. Die Oberfl?che war rau, abgegriffen, aber noch voll von Zweck und Gewicht. ?Er hat also??

?Die alte Werkstatt aufgel?st. Die Ordnung ?bernommen, die Thorian begonnen hatte. Und beim Sortieren einen besseren Hammer gefunden. Diesen hier hat er dagelassen. Nicht aus Nachl?ssigkeit. Als? Zeichen, nehme ich an.?

Ich nickte langsam. Die Glut im Kamin knisterte leise, und f?r einen Moment erschien mir der Schatten der Krake ?ber uns nicht wie Zierwerk, sondern wie ein stiller Zeuge. Vielleicht sogar ein H?ter.

Ein Zeichen also.

Wie Dinge sich offenbar hier finden ? oder gefunden werden. Und wie ein alter Hammer pl?tzlich mehr Bedeutung tragen konnte als manches wohlformulierte Versprechen.

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Eintrag im t?rkisfarbenen Notizbuch:
?Aetherium kam nicht f?r mich ? sondern weil Barack verschwunden ist. Die Einladung war an ihn gerichtet, und ich hatte gehofft, auf diesem Weg an Informationen zu gelangen, die mir sonst verschlossen bleiben w?rden. Doch nun ist es sein Neffe, der geantwortet hat ? und vielleicht ist genau das besser so. Er kam mit offenen Augen, mit ruhiger Stimme und einem Verstand, der zwischen den Worten lauschte ? und dem seines Oheims in nichts nachsteht.?
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Sp?ne, Stimmen & ein stiller Schwur ? oder: Wie sie mehr hielten, als nur das Dach

Beitrag von Bareti »

Episode XII
?Sp?ne, Stimmen & ein stiller Schwur ? oder: Wie sie mehr hielten, als nur das Dach?
Erz?hlt von Bareti, Wirtin ohne Werkzeug ? doch mit Vertrauen in andere H?nde
Notizbuch, Eintrag 147
?Ich war kaum zwei Tage weg. Zwei Tage, in denen ich dachte, die Taverne w?rde sich erholen, vielleicht einfach zur Ruhe kommen. Aber stattdessen wurde sie vom Staub durchdrungen, und selbst das Dach schien zu seufzen. Ich stelle mir manchmal vor, wie das Geb?ude in meiner Abwesenheit aufseufzte, als h?tte es gesp?rt, dass sein Schutz br?chig geworden war. Der Wind zog durch Ritzen, die es nie zuvor gegeben hatte, und jeder Tropfen Regen trug ein kleines St?ck Geschichte fort, das wir m?hsam bewahrt hatten. In solchen Momenten w?nscht man sich, das Mauerwerk k?nnte reden ? oder wenigstens fl?stern, wohin man zu eilen h?tte.?
Am Morgen nach meiner Abreise nach Maginica n?herte sich ein Sturm. Am Horizont ?ber dem Meer sah ich eine dichte, dunkle Wolkenwand, durchzogen von Blitzen und begleitet von einem stetigen Grollen, das selbst auf Entfernung sp?rbar war. Das Meer schien unter dem Druck des nahenden Unwetters f?rmlich in sich zusammenzusinken, und in mir regte sich eine Unruhe. Ich erinnerte mich, wie der Wind fr?her durch die Spalten der Taverne geheult hatte, wenn er sich seinen Weg zwischen die alten Balken gebahnt hatte. Doch diesmal war ich nicht da, um es mitzuerleben.

Ich war bei alten Bekannten aus alten Kreisen, in Gespr?che vertieft, die sich um komplexere magische Themen drehten ? um vergessene Formeln, um die Art und Weise, wie Wissen nicht nur Macht verleiht, sondern Verantwortung fordert. Unsere Diskussionen ?ber Runen waren nicht rein theoretisch ? wir betrachteten sie als Bindeglieder zwischen Wirkung und Verpflichtung. Inmitten dieser Gespr?che versp?rte ich eine kurze Unruhe: ein leichtes Ziehen hinter den Schl?fen, ein Unbehagen, das sich nicht recht greifen lie?. Als h?tte ein vertrauter Ort pl?tzlich gezuckt, sich gemeldet.

Mein Blick wanderte ?ber die flackernden Kerzen und die offenen Schriftrollen auf dem Tisch. Ein Bild stieg in mir auf ? das Dach der Taverne, schief, alt, nicht richtig gesichert. Ich stellte mir Nicoletta vor, wie sie mit skeptischem Blick auf die schiefen Sparren starrte, Ulaf, der mit einem Schulterzucken meinte, das werde schon halten. Ich sah die Szene so deutlich vor mir, dass sie fast real wirkte. Und dann ? schob ich den Gedanken weg. Ich wandte mich wieder den Gespr?chen zu, versuchte mich auf die Worte zu konzentrieren. Vielleicht h?tte ich stattdessen zuh?ren sollen ? nicht den Stimmen im Raum, sondern dem Gef?hl in mir.

Erst nach meiner?Heimkehr erfuhr ich, was sich in meiner Abwesenheit zugetragen hatte.

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Der Nordgiebel war alt gewesen, das wussten wir. Thorian hatte mehr als einmal darauf hingewiesen, Ulaf hatte gemurmelt, man k?nne dort ?mit einem Hammerschlag mehr als ein Eichh?rnchen wecken?. Und nun ? war er eingest?rzt. Nicht vollkommen, aber gen?gend, um Wind und Wasser durchzulassen. Die K?che wurde nass. Im Lager quoll Mehl zu Brei. Eine der Lampen fiel um und zerbrach, das Regenwasser sp?lte Tinte von meinem alten Notizstapel. Auch ein kleiner Regalboden gab nach; ein Krug fiel und zerschellte auf dem Steinboden, und das Wasser, das aus ihm sickerte, vermischte sich mit feinem Staub zu einem grauen Brei. Der alte Teppich vor dem Kamin war durchn?sst, die Fasern aufgequollen, das Muster kaum noch zu erkennen. Auf der Fensterbank lagen Kr?uterb?ndel, zum Trocknen ausgelegt ? nun durchtr?nkt, ihr Duft verwaschen. Sp?ter erz?hlte mir Nicoletta, dass ein Windsto? sogar das kleine Ahnengem?lde von der Wand gerissen hatte. Es war gl?cklicherweise nur der Rahmen gesplittert, nicht das Bild selbst. All das ? kleine Dinge, k?nnte man meinen. Doch zusammen waren sie ein Echo des Vers?umnisses. Ein Zeichen daf?r, wie rasch das Vergangene aus den Fugen geraten kann, wenn man nicht da ist, um es zu halten.
Notizbuch, Eintrag 148
?Sie h?tten mich rufen k?nnen, ich hatte ihnen extra Anweisungen und ein Medaillon hinterlassen. Aber ich hatte untersch?tzt wie sehr auch ihnen die Taverne am Herzen lag. Nicoletta hatte zuerst gez?gert. Sie lief zwei Mal im Schankraum auf und ab, den Blick zur Decke gerichtet, bevor sie entschlossen den Besen packte. Vielleicht war es Wut, vielleicht Sorge, vielleicht einfach Pragmatismus. Ulaf sagte kein Wort. Er ging zum Sims ?ber dem Kamin und nahm den alten Hammer aus dem Werkraum in die Hand. Seine Bewegungen waren ruhig, fast rituell.?
Es begann mit einer Decke. Ulaf spannte sie ?ber das Loch, fluchend, rutschend. Nicoletta holte Eimer, Lappen, Bretter. Sie arbeiteten, obwohl keiner von ihnen je ein Dach gedeckt hatte. Und doch ? sie taten es. Zusammen. Jeder auf seine Art. Die ersten Bretter waren krumm, das Wasser sickerte durch. Ulaf rutschte ab, fiel in eine Tonne mit alten Zwiebeln. Nicoletta lachte. Erst da begann es zu funktionieren. Sie scherzten, stritten, fluchten. Und sie blieben. Kein einziger verlie? die Taverne, bis das Loch notd?rftig gedeckt war.
Notizbuch, Eintrag 149
?Ulafs H?nde zitterten kein bisschen, auch nicht, als der Regen erneut auf das Dach peitschte. Er hob den Balken an, ein Versuch, dann noch einer ? beim dritten glitt er wieder ab. Nicoletta knirschte mit den Z?hnen, murmelte etwas Unverst?ndliches. Beim vierten Mal aber: Ein sattes, solides Klacken. Der Balken hielt. Sie sah Ulaf an, klopfte auf den Hammergriff und sagte: 'Dem da vertrau ich mehr als meinem Bauch.' Ich h?tte beinahe gelacht, als sie mir das erz?hlten ? denn Nicolettas Bauchgef?hl hat schon oft mehr Leben gerettet, als mein Studium je erkl?ren k?nnte.?
Der Hammer lag schwer in seiner Hand, aber er f?hrte ihn mit einer Ruhe, die ich sonst nur von Magiern kannte, die ihre Worte wogen. Nicoletta erz?hlte mir sp?ter, dass sie beim Klang des ersten Nagels an die Harfe gedacht hatte, die unter dem Kamin liegt. Vielleicht war es nur Einbildung. Vielleicht auch nicht. Klang ist Erinnerung.

Sp?ne flogen. Der Staub alter Balken vermischte sich mit frischem Harz. Ein Gast ? ich glaube, sein Name war Marn ? schleppte einen Tragbalken mit hoch. Ein anderer reichte N?gel. Niemand fragte, ob sie helfen sollten. Sie taten es einfach, sie kamen aus Moonglow angelaufen, nur um zu helfen, trotz des Sturms. Sogar ein alter H?ndler, der kaum noch sprechen konnte, hielt eine Leiter fest, w?hrend Nicoletta hinaufstieg. Die Taverne war f?r viele ein Zuhause geworden. Vielleicht war das Dach f?r sie mehr als nur ein Dach.

Dann kam Lirael. Wie ein Schatten durch den Regen, kaum sichtbar, aber sp?rbar, wie ein Gedanke, der sich langsam in einen Raum schiebt. Sie war durchn?sst bis auf die Haut, ihr Mantel klebte an den Schultern, das Haar vom Wind zerzaust. Sie trat nicht sofort ein, sondern blieb unter dem Dachvorsprung stehen, betrachtete schweigend das Chaos vor sich ? Balken, Eimer, improvisierte Planen, ersch?pfte Gesichter. Ihre Augen wanderten langsam ?ber die Szene, als w?rden sie jedes Detail aufnehmen, jedes Versagen, jede gelungene Improvisation.

Sie hatte mich gesucht, das war offensichtlich. Doch anstatt zu fragen oder ihren Weg fortzusetzen, legte sie ihren Rucksack schweigend ab, zog sich die nasse Kapuze vom Kopf und trat an Ulaf heran. Sie sprach kein Wort, aber ihre blo?e Anwesenheit ver?nderte etwas. Die M?digkeit in Nicolettas Blick wich kurzzeitig einer Konzentration, die man lange nicht mehr bei ihr gesehen hatte. Ulaf hob kurz den Kopf, dann reichte er ihr ohne Worte einen Beutel mit N?geln.

Sie half. Nicht mit Magie, sondern mit Blick und Stimme. Ihre Anweisungen waren knapp, aber treffend, voller Sachverstand. Nicoletta folgte ihnen, ohne zu z?gern. Auch Ulaf gehorchte, nicht wie einem Befehl, sondern einem Impuls. Lirael arbeitete leise, effizient.

Immer wieder, so erz?hlte mir Nicoletta, war Lirael genau dort, wo man sie am dringendsten brauchte. Sie hielt eine Leiter, als Nicoletta beinahe das Gleichgewicht verlor, und st?tzte einen Balken, bevor er kippen konnte. Wenn jemand z?gerte, reichte sie wortlos das passende Werkzeug. Und als die Helfer zu erm?den drohten, erschien sie mit einem Krug Wasser, still und selbstverst?ndlich, als h?tte sie gesp?rt, wann es gebraucht wurde. Sie sagte kaum etwas, aber ihre Pr?senz war wie ein ruhiger Strom, der alles in Bewegung hielt.

Ein Moment wurde mir als fast magisch beschrieben: Nicoletta erz?hlte, dass Ulaf einen Verbinder zwischen zwei tragende Balken geschlagen hatte, aber das Holz wollte nicht greifen. Es knackte, bewegte sich, hielt nur mit M?he ? als fehlte etwas, das st?rker war als N?gel. Lirael trat ohne ein Wort n?her, legte die Hand auf die Verbindung und schloss f?r einen Atemzug die Augen. Ein leises Fl?stern entglitt ihren Lippen, kaum h?rbar, fremd in Klang und Rhythmus ? wie Wind, der durch hohe ?ste streicht. Die Luft wurde k?hler, sagte Nicoletta, und der Staub auf den Balken begann, sich leicht zu kr?useln. Dann legte sich Stille ?ber den Raum, und ein leiser Ruck ging durch das Holz ? kein Krachen, kein Splittern, nur ein sattes, tiefes Einrasten. Die Verbindung war fester als zuvor, wie verwachsen. Ulaf pr?fte es, zog daran, stemmte sich dagegen. Es hielt. Und keiner fragte, was sie getan hatte.

W?re ich dort gewesen, ich h?tte ihr vermutlich Fragen gestellt. Oder sie einfach umarmt. Aber ich war nicht dort. Ich h?rte es erst sp?ter, als Nicoletta es mir mit einer Mischung aus Staunen und Respekt erz?hlte.

Sp?ter fand Nicoletta unter einem Balken ein altes Tuch, durchweicht und fast zerfallen. Darauf war mein Zeichen gestickt, das ich vor Jahren benutzt hatte. Niemand wusste, wie es dorthin gekommen war. Vielleicht war es Zufall. Oder Erinnerung. Vielleicht auch jemand anders.
Notizbuch, Eintrag 150
?Nicoletta erz?hlte mir beil?ufig von einem weiteren Helfer, der am sp?ten Abend noch aufgetaucht sei. Schweigsam, aber begabt. Er sei gekommen, habe sich umgesehen und dann, ohne viele Worte, einfach mitangepackt. N?gel gesetzt, Balken gest?tzt, ein Riss im Geb?lk abgebunden. Sie konnte sich nicht an seinen Namen erinnern ? oder wollte es nicht.?
Am n?chsten Morgen, als die Sonne langsam ?ber die H?gel stieg und die ersten Strahlen die feuchten Schindeln ber?hrten, offenbarte sich ein neues Problem: Der Pfad zur Taverne, ohnehin stets etwas unbest?ndig, war von einem Erdrutsch teilweise versch?ttet worden. Ger?ll, Schlamm und entwurzelte Pflanzen versperrten den Weg, der so viele Reisende hergef?hrt hatte. Nicoletta entdeckte es zuerst und schlug Alarm. Ulaf fluchte leise, w?hrend er den Hang betrachtete.

Doch anstatt zu verzweifeln, begannen sie, erneut anzupacken. Mit Schaufeln, blo?en H?nden und improvisierten Werkzeugen begannen die G?ste und Freunde der Taverne gemeinsam, den Weg freizur?umen. Steine wurden weggetragen, Erde verfestigt, Unebenheiten gegl?ttet. Als der gr?bste Schutt beseitigt war, entschied man, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei, den Pfad endlich dauerhaft zu befestigen. Es war Ulaf, der das erste St?ck Stein vorsichtig setzte. Nicoletta legte den zweiten daneben, und bald reihten sich G?ste, Kinder, sogar ein alter M?nch ein, der statt zu predigen lieber Steine trug.
Notizbuch, Eintrag 151
?Als sie mir von dem neuen Weg erz?hlten, dachte ich zuerst an ein paar notd?rftig hingelegte Platten, ein wenig festgetretene Erde. Doch es war mehr. Stein f?r Stein hatten sie ihn gesetzt, gemeinsam, schweigend, in einer fast and?chtigen Reihenfolge. Nicoletta meinte, es habe sich angef?hlt wie ein stilles Versprechen an jeden, der noch kommen w?rde. Kein gro?es Fest, keine Worte ? aber ein Weg. Ein echter Weg.?
Gemeinsam verlegten sie frisches Pflaster, Stein um Stein, Schritt f?r Schritt, bis ein neuer, fester Weg entstand, der nicht nur stabiler, sondern auch w?rdiger schien. Die Sonne stieg h?her, und mit ihr wuchs das Gef?hl, etwas Bleibendes geschaffen zu haben.

Gerade als der letzte Abschnitt gelegt war und die ersten ersch?pft zu Boden sanken, kam aus der Ferne das vertraute Klappern von Hufen. Thorian erschien ? ruhig, gelassen wie immer ? auf einem von zwei kr?ftigen Mustangs gezogenen Wagen. Der Wagen war schwer beladen mit fein bearbeitetem Holz. Ohne ein Wort zu verlieren, stieg er ab, pr?fte das notd?rftig geflickte Dach, nickte nur und begann, es korrekt auszubessern. Nicht schneller, aber gr?ndlicher, Balken f?r Balken, mit der Sicherheit eines Mannes, der wusste, was er tat.

Die Taverne schwieg f?r einen Moment, erf?llt vom gleichm??igen H?mmern und dem knirschenden Schritt auf frischem Stein. Und als sich alle umsahen, sp?rten sie: Etwas war gewachsen ? nicht nur das Dach, nicht nur der Weg. Sondern sie selbst.

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Bild

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Ich kam zur?ck, als die Sonne wieder schien. Das Dach war geflickt. Nicht perfekt. Aber stark. Die Fenster standen offen, und der Geruch von frischem Holz mischte sich mit dem letzten Hauch von nassem Moos und verbranntem Harz. Die Stille hatte etwas Feierliches, als w?rde das Geb?ude selbst einen Moment innehalten, bevor es mich empfing.

Den neuen Weg bemerkte ich nicht gleich ? ich war nicht ?ber ihn gekommen. Mein R?ckweg hatte mich von der Seite hergef?hrt, ?ber einen kleinen Pfad, den kaum jemand nutzte. Erst sp?ter sah ich die gleichm??igen Steine, die frischen Spuren von Arbeit und M?he. Der Gedanke, dass sie diesen Weg gemeinsam gelegt hatten, lie? mich l?nger innehalten, als ich es erwartet h?tte.

Als ich eintrat, war ich verwundert, Lirael im Schankraum bei den anderen zu sehen. Sie sa? dort, als w?re sie nie woanders gewesen, redete nicht viel, aber ihre Gegenwart wirkte wie ein Anker. Nicoletta stand hinter dem Tresen, ein Tuch ?ber der Schulter, die H?nde besch?ftigt, aber die Augen wach. Ulaf sa? am Tisch gegen?ber von Lirael. Die Stimmung war keine ausgelassene. Eher die Ruhe nach einem Sturm, in der man sich gegenseitig in Erinnerung ruft, dass man nicht allein war. Niemand bemerkte mich gleich, und ich war froh darum. Ich trat zur Seite, lie? den Blick schweifen ? ?ber den Raum, ?ber die Menschen, ?ber das, was geblieben war. Und was gewachsen war.

Mein Blick blieb an dem Sims ?ber dem Kamin h?ngen. Unter der Krake - heute noch besser zu erkennen als bei meiner Abreise - lagen die Gegenst?nde, die Symbole, wie ich sie nannte.

Die Laterne ? sonst eher stilles Beiwerk ? glomm heute heller, als h?tte der Sturm selbst sie entz?ndet. Ihr Licht war nicht grell, aber tief und durchdringend, beinahe magisch ? als w?rde es aus einer inneren Erinnerung gespeist. Es war kein mechanisches Leuchten, kein Flackern von Docht oder ?l ? vielmehr ein ruhiges Glimmen, wie von einer Seele, die leise atmet. Es war ein Licht, das nicht nur beleuchtete, sondern erz?hlte.

Direkt daneben stand die kleine Harfe, die einst ein wandernder Barde zur?ckgelassen hatte. Fein gearbeitet, mit einem zarten Schnitzmuster entlang des Rahmens, stand sie leicht schr?g angelehnt an den Kaminstein, als w?re sie bereit, jeden Moment einen Ton von sich zu geben ? aber nur, wenn man es wirklich brauchte. Ihr Holz gl?nzte weich im Licht der Laterne, und man konnte fast meinen, es vibriere leicht, ganz im Einklang mit dem Raum.

Daneben lag der Schmiedehammer ? schwer, ruhig, und doch voller Versprechen. Er war kaum gr??er als eine Kinderfaust, aber mit einer Kraft, die nicht in seiner Masse lag, sondern in seiner Geschichte. Die Bahn war blank, der Griff abgeschliffen von der Arbeit. Er ruhte dort, wie ein Werkzeug, das wusste, dass seine Aufgabe nicht vorbei war, sondern nur ruhte.

Ein sorgsam gebundenes Kr?uterb?ndel lag auf der anderen Seite ? getrocknet, aber nicht spr?de. Der Duft war kaum wahrnehmbar, nur ein Hauch von Eisenkraut und Lavendel, aber er hing in der Luft wie eine leise Erinnerung an F?rsorge und Heilung. Die Kr?uter waren sorgf?ltig gew?hlt, vielleicht von dem Fremden, vielleicht von fr?her ? es war schwer zu sagen.

Und dazwischen eine Sanduhr, aufrecht stehend, deren K?rner seltsam still wirkten ? nicht weil sie festsa?en, sondern weil sie zu warten schienen. Vielleicht auf ein Zeichen. Vielleicht auf einen neuen Anfang, eine neue Geschichte. Die Glaskammern spiegelten das Licht der Laterne, und in diesem Spiel aus Glas und Glimmen lag eine fast alchemistische Ruhe.

Zusammen wirkten sie nicht willk?rlich, nicht wie zuf?llige Dekoration. Sie waren ein stiller Altar der Symbolik ? ein Mosaik aus Bedeutung, aus dem, was wir waren, was wir werden wollten, und was wir nicht vergessen d?rfen. Und direkt ?ber den Symbolen die Krake, auf deren Konturen die Schatten aller Gegenst?nde waberten ? als wollte sie sagen: Ich war hier. Ich bleibe. Und ihr auch.
Notizbuch, Eintrag 152
?Sie brauchen mich nicht, dachte ich. Und dann: Doch. Aber anders.
Es war kein Gedanke, der sich mit Bitterkeit regte. Eher wie das Loslassen eines alten Anspruchs, den ich selbst nie ausgesprochen, aber immer mit mir getragen hatte. Ich hatte oft geglaubt, dass mein Platz in der Mitte sein m?sse, dass ohne mich etwas fehlte ? wie ein Zauberkreis ohne seinen Schlussstrich. Doch sie hatten gehandelt, entschieden, gebaut. Nicht weil sie mussten, sondern weil sie wollten. Und vielleicht ist das der st?rkere Zauber.

Die Taverne hatte gehalten, trotz Sturm und Riss. Weil sie gemeinsam angepackt hatten. Nicht heldenhaft. Nicht perfekt. Aber echt. Ich erkannte, dass mein Platz nicht in der Mitte sein musste, sondern dort, wo ich gebraucht wurde ? manchmal am Rand, manchmal nur als Gedanke, manchmal als Erinnerung an das, was m?glich ist, wenn man einander vertraut.?
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Depesche, Desaster & Durchblick ? oder: Wie ein Fest fast zur Falle wurde

Beitrag von Bareti »

Episode XIII
?Depesche, Desaster & Durchblick ? oder: Wie ein Fest fast zur Falle wurde?
Erz?hlt von Bareti, Wirtin mit Notizbuch, Nerven ? und neuer Entschlossenheit.

Der Tag begann mit Tee. Das war in letzter Zeit selten genug, und ich hatte mir diesen einen Schluck als kleine Flucht vor dem Chaos der letzten Wochen geg?nnt. Die Luft roch noch nach dem gestrigen Brot, das Ulaf gebacken hatte, und drau?en spannte sich ein heller, klarer Morgenhimmel ?ber die Baumwipfel. Ich hatte die Tasse kaum halb geleert, als Nicoletta die T?r zum Schankraum aufriss, als gelte es, ein Feuer zu l?schen. Ihr Blick sprach von Dringlichkeit. Ihre Haltung von Stolz. Und ihre Hand hielt ein sorgsam versiegeltes Schreiben.

Sie atmete schwer, hatte offenbar einen langen Weg hinter sich. Ihre Haare klebten leicht an der Stirn, und ihre Stiefel waren staubig.

?Eine Depesche f?r die Taverne?, sagte sie. ?Ich habe sie in Moonglow abgefangen ? direkt vor dem Zunftb?ro. Der Bote hat mich beinahe umgerannt, blieb dann stehen und meinte: 'Ah, du geh?rst doch zur Taverne, oder? Das erspart mir einen Weg.'?

Ich nahm das Pergament entgegen, noch ahnungslos, dass mein restlicher Tee in diesem Leben wohl kalt bleiben w?rde. Zun?chst freute ich mich ?ber die kunstvolle Gestaltung, das Siegel und den wohlklingenden Titel ? und las laut die ersten S?tzen vor:

?? findet das Bankett der Zunftmeister in der Taverne 'Die Taverne' statt ??

Ich musste schmunzeln. ?Ein Zunftbankett, hier bei uns!?, sagte ich. ?Das ist... das ist tats?chlich eine Ehre.?

Nicoletta strahlte, Ulaf nickte anerkennend. Ich las weiter ? und dann stutzte ich. Mein Finger glitt ?ber das Datum. Noch einmal. Und noch einmal. Ich las es laut, damit jemand es best?tigen m?ge.

?? beginnt die Festlichkeit in drei Tagen zur zwanzigsten Abendstunde ??

Die Freude in allen Gesichtern fror ein.?

Erneut las ich das Schreiben.?

?? findet das Bankett der Zunftmeister in der Taverne 'Die Taverne' statt. Wie beschlossen und angek?ndigt, beginnt die Festlichkeit in drei Tagen zur zwanzigsten Abendstunde??

Nicoletta wirkte nun weniger stolz. Ihre H?nde verkrampften sich um das Tablett, das sie unbewusst noch immer hielt. Ihr Blick wanderte ?ber meine Schulter hinweg ins Leere, als m?sse sie die Zahl der verbleibenden Stunden selbst berechnen. Ulaf begann zu husten, ob des verschluckten Bieres oder der Nachricht wegen, blieb unklar. Es war kein lautes Husten ? mehr ein krampfhaftes R?uspern, das sich hartn?ckig hielt. Sein Blick sprach von Mitleid, vielleicht auch von einer tief sitzenden Sorge. Vielleicht war es nur Schreck ? oder die Erinnerung an eine ?hnliche Katastrophe in l?ngst vergangenen Tagen. Er sagte nichts, aber ich erkannte das Zittern seiner Finger, als er den Henkel des Krugs neu umfasste.

?Drei Tage?? fragte ich. F?r einen Moment wusste ich nicht, ob ich lachen oder die T?r abschlie?en sollte. Drei Tage. F?r ein Bankett, das nie angek?ndigt worden war. Mein Blick huschte zum Fenster, als k?nnte die Morgensonne eine Antwort liefern. ?Habt ihr etwas von einem Fest geh?rt? Von einem Zunftbankett, das hier stattfinden soll??

Nicoletta sch?ttelte langsam den Kopf. Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich, als versuche sie, in sich selbst nach einer vergessenen Erinnerung zu graben. Ulaf sah zur T?r, als erwartete er, dass noch jemand mit einer zweiten Depesche hereinschneien w?rde ? oder ein Bote mit der Nachricht, dass alles nur ein Scherz sei. Doch die T?r blieb still, nur der Wind spielte mit dem Griff.

Ich seufzte tief. Dann nahm ich das Schreiben, das sich pl?tzlich schwerer anf?hlte, erneut in die Hand, entrollte es mit mehr Nachdruck, als n?tig war, und hob es den beiden entgegen.

?Das hier... das ist keine freundliche Anfrage. Das ist eine letzte Warnung.?

F?r einen Moment war alles still. Nur das junge Feuer im Kamin war zu h?ren, jedes leise Knacken ein Schritt in eine Richtung, auf die wir nicht vorbereitet waren.

Nicoletta und Ulaf sahen sich an, dann mich. F?r einen Moment hielten wir den Atem an ? wie Figuren auf einem schlecht gemalten Gem?lde, das gleich zerflie?t. Dann platzte alles auf einmal aus uns heraus. Wer wann was geh?rt hatte, ob der Bote das Schreiben absichtlich versp?tet hatte, ob es vielleicht ein zweites, verlorenes Schreiben gab, das nie angekommen war. Ulaf schwor, er h?tte vor zwei Wochen etwas von einem Festtermin geh?rt, dabei sei es aber nicht um unsere Taverne gegangen. Nicoletta erinnerte sich dunkel an eine Nachfrage des B?ckermeisters, die sie nicht ernst genommen hatte. Ich selbst h?rte mich fragen, was genau ?berhaupt getan werden m?sse f?r ein solches Bankett. Vielleicht wollte ich damit Zeit gewinnen, vielleicht suchte ich nach einem Strohhalm aus Klarheit.

Am Ende sprachen alle durcheinander. Stimmen ?berschnitten sich, Gesten wurden gr??er, und irgendjemand stie? beinahe die Teekanne um. Aber mit einer Selbstverst?ndlichkeit, die mich fast r?hrte, griff Nicoletta nach Papier, Ulaf nach dem Vorratsbuch ? und ich nach meinem Notizbuch. Die Schufterei begann umgehend.

????? ????? ????? ????? ?????


Es folgten drei der l?ngsten Tage meines bisherigen Lebens.

Noch am selben Morgen hatte ich mit krakeliger Schrift eine Liste ins Notizbuch geschrieben, die wenig sp?ter von einer zweiten ?berkritzelt wurde. Dann von einer dritten. Und schlie?lich von einem losen Blatt ersetzt wurde, das ich an die K?chenwand nagelte. Ulaf z?hlte Vorr?te mit der Pr?zision eines Alchemisten, fluchte jedoch laut, als er bemerkte, dass mehrere S?cke leer oder durchweicht waren.

Thorian bot an, den Saal neu zu bestuhlen. ?Ich hab da noch was Feines mit Polstern in Moosgr?n?, hatte er gesagt. Sp?ter, als ich ersch?pft auf der K?chenbank sa?, trat er kurz zu mir, hielt inne und meinte leise: ?Nicht alles muss perfekt sein. Nur ehrlich.? Ich hatte genickt ? und die Liste trotzdem weitergeschrieben. Seinen Gehilfen fielen zwei der St?hle in einen Wassergraben, obwohl sie versicherten, die Ladung gut gesichert zu habe. Trotzdem waren die Sitzpolster hinterher nicht mehr zu gebrauchen.

Nicoletta war abwechselnd am Brunnen, bei den Lieferanten und auf dem Dach, weil irgendwo Ziegel klapperten ? oder, wie sich herausstellte, ein Rabennest gebaut worden war. Zwischendurch schnappte sie sich einen zerkn?llten Einkaufszettel von mir und murmelte: ?Wenn ihr kocht, schreibe ich die Listen. Eure Handschrift macht mir Kopfschmerzen.?

Was folgte, war eine Lektion im Durchhalten, falls es die G?tter so wollten. Noch bevor ich das Gef?hl hatte, auch nur einen der vielen Aufgabenpunkte abgearbeitet zu haben, begannen die R?ckschl?ge. Der Most, den wir fr?hzeitig bestellt hatten, war bereits bei der Anlieferung verdorben ? s?uerlich im Geruch, tr?b in der Farbe und mit einer pelzigen Note auf der Zunge, wie Nicoletta bemerkte. Statt der festlichen Fasslieferung f?r das Bier wurde uns ein besch?digtes Holzfass ?bergeben, das bei der kleinsten Bewegung zu lecken begann. Der H?ndler wies nat?rlich?jede Verantwortung von sich, das Fass h?tte sein Lager unbesch?digt verlassen.

Als wir das Mehl ?berpr?ften, entdeckte Nicoletta eine wimmelnde Masse wei?licher W?rmer darin. Sie hob den Sack mit spitzen Fingern hoch, r?mpfte die Nase und versuchte noch zu scherzen, es handle sich um ?zus?tzliche Proteine? ? aber niemand lachte. Die Biester krochen so emsig durch das Mehl, als h?tten sie den Liefertermin besser eingehalten als mancher H?ndler. Ich ?berlegte kurz, ob das Pulver noch zu Vogelfutter getaugt h?tte, verwarf den Gedanken aber schnell.

Die gelieferten Kr?uter waren von der Sonne gegart worden und rochen entsprechend modrig ? ein Geruch zwischen altem Heu und feuchtem Leinen. Die P?ckchen waren nicht nur warm, sondern regelrecht durchgeschwitzt, und der Rosmarin lie? sich in einem St?ck biegen, als sei er aus Leder.

Und im Lager, wo wir Ersatz zu finden hofften, fanden wir stattdessen Ratten ? dicke, fette Tiere mit wenig Scheu, die sich auf Vorr?te st?rzten und uns frech aus dunklen Ecken musterten. Einer von ihnen trug einen angebissenen Apfel im Maul und sah mich direkt an. Eine zweite kletterte elegant ?ber einen Sack getrockneter Bohnen und schien sich dort ein Nest zu bauen. Wir z?hlten vier, vielleicht f?nf ? doch sie bewegten sich schnell, verschwanden zwischen Kisten und alten Decken, als h?tten sie den Plan f?r das Lager selbst entworfen. Ulaf versuchte, mit einem Besen hinter ihnen herzugehen, schlug dabei aber nur eine Holzkiste entzwei. Danach wurde geflucht. Ulaf sagte irgendetwas von einem Buch. Am Ende musste ich zur Magie greifen um den ungebetenen G?sten Hausverbot zu erteilen, allem anderen schienen sie gewachsen zu sein.

Der Kamin im Schankraum, welcher als Saal dienen sollte, der erst vor wenigen Wochen gr?ndlich gereinigt worden war, verweigerte pl?tzlich jeden Dienst. Der Rauch quoll nicht etwa z?gerlich, sondern stur und mit Nachdruck in den Raum, als wolle das Haus selbst ein Zeichen setzen. Ein sehr gro?es, dicht geflochtenes Vogelnest hatte sich im oberen Bereich verkeilt ? m?glicherweise eingeblasen durch einen n?chtlichen Sturm oder vom Dach gefallen. Es dauerte fast zwei Stunden, bis wir es entdeckten und mit vereinten Kr?ften herausziehen konnten. Nicoletta hatte einen halben Eimer Ru? im Haar, und Ulaf war der festen ?berzeugung, dass ein besonders aggressiver Spatz ihn gezielt angeflogen hatte.

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Und als w?re das nicht genug, stellte sich zu guter Letzt heraus, dass jemand ? bis heute wei? niemand wer ? s?mtliche Tintenfl?schchen mit Blaubeersaft aufgef?llt hatte. Ob absichtlich oder aus schlichter Verwechslung war unklar, aber das Ergebnis war dasselbe: Die Listen auf dem K?chentisch waren klebrig, unleserlich, und zogen eine beachtliche Anzahl an Wespen an. Zwei davon hatten es sich auf meinem Notizbuch bequem gemacht und mussten von Lirael beruhigt werden, ehe sie uns in Ruhe lie?en.

Ich versuchte, etwas Ordnung im Chaos zu erhalten. Ich versuchte es wirklich. Wenn das Bier ausfiel, musste umgehend Ersatz organisiert werden. Ulaf kannte die besten Quellen jenseits von Moonglow ? alte Kontakte, die nur wenigen bekannt waren. Aber wir z?hlten nicht mehr in Stunden, sondern in verstrichenen Lieferfristen und aufgebrauchten Nerven. Doch jede Stunde brachte neue Fragen, neue Probleme, neue L?sungen, die sogleich neue Probleme gebaren. Fr?her h?tte ich f?r eine Einladung drei Wochen im Voraus ein solches Fest begleiten d?rfen ? als Gast, oder vielleicht als Auftraggeberin, nie als Gastgeberin. Ich h?tte einen Sitzplan bewundert, nicht gezeichnet, h?tte einen Serviettenfalter beauftragt, nicht kritisiert. Heute reichte es kaum f?r saubere Gl?ser.

Am Abend des zweiten Tages stand ich in der K?che und versuchte, einer Liste Herr zu werden, die sich selbst vermehrte. Ich hatte vier Punkte durchgestrichen und sechs neue notiert. Zwei davon hatte ich gestrichen ? nur um sie eine Stunde sp?ter mit anderer Tinte wieder hinzuzuf?gen. Meine Tinte war zur Neige gegangen. Nicoletta schlief mit dem Kopf auf dem Arm am Tisch ein. Ulaf schnarchte im Lager zwischen zwei leeren S?cken. Am Nachmittag hatte ich ihn kurz im Lager erwischt, wie er ?ber das kaputte Fass strich, das wir nicht mehr retten konnten. ?Ein gutes Bier war das?, murmelte er. ?Schade drum.?

Ich holte tief Luft, lie? den Blick durch den Schankraum schweifen und notierte einen letzten Satz ins Notizbuch: ?Chaos l?sst sich nicht planen. Am besten serviert man es einfach mit einem L?cheln.?

Ich lie? die Feder sinken, legte sie quer ?ber die Seite. Die Tinte hatte gerade noch gereicht. Mein Blick fiel auf die feinen Spuren, die sie hinterlassen hatte ? leichte Schlieren, an einer Stelle ein kleiner Tropfen. Ich hatte die Worte nicht geplant, aber sie f?hlten sich richtig an. Nicht wie ein Schlussstrich ? eher wie ein Seufzer.

Dann blies ich die Kerzen aus. F?r einen Moment blieb ich im Dunkel stehen, den R?cken gegen den Tresen gelehnt. Meine Augen gew?hnten sich an das schwache Glimmen des Kamins, das in Wellen ?ber den Boden kroch. Ich h?rte das Knacken der Balken ?ber mir, das leise Scharren einer Maus hinter dem Fasslager, und drau?en den Nachtwind, der ein loses St?ck Tuch durch die Dachrinne wehte.

Mein Blick fiel wieder auf das Notizbuch, das noch ge?ffnet auf dem Tisch lag. Die Seiten flatterten leicht im Luftzug ? als wollte das Notizbuch selbst warnen. Es sah aus wie eine Kreatur mit d?nnen Fl?geln, bereit zum Aufbruch. Irgendetwas wartete noch auf uns. Ich wusste nur nicht, ob es das Fest war ? oder etwas im Schatten dahinter. Und ich ahnte, dass es bereits unterwegs war.


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Der Abend des Festes kam schneller, als uns lieb war. Nur dank unserer gemeinsamen Bem?hungen gelang es uns ?berhaupt, etwas auf die Beine zu stellen. Am Abend zuvor hatten wir noch Gl?ser gez?hlt, Etiketten beschriftet, Laternen poliert und Brotleibe nachgez?hlt, als hinge das Gelingen des gesamten Festes an einem einzigen Laib Roggen. Nicoletta hatte bis sp?t in die Nacht Tischdecken gest?rkt, Lirael den Weinvorrat mit einem Aromazauber versiegelt und Ulaf ein letztes Mal den Fassverschluss kontrolliert, als wolle er ihm eine Seele einhauchen. Ich selbst hatte mich mehrfach an die Sitzordnung gesetzt und sie jedes Mal wieder verworfen ? am Ende entschied ich mich daf?r, den Lauf der Dinge selbst gestalten zu lassen. Es war einer jener Abende, an denen selbst das Licht der Laternen ein wenig zitterte ? vor M?digkeit, oder Erwartung.

Ich hatte mich f?r diesen Abend extra besonders herausgeputzt. Das Haar geb?ndigt, die Sch?rze gegen ein sauber gekn?pftes Gewand getauscht, die Stimme f?r die Begr??ung ge?lt. Meine Zeit in h?heren Kreisen war zwar bereits l?nger her, aber manche alte Handschuhe konnte man doch problemlos wieder anziehen. Und eben solche feinen Handschuhe trug ich an diesem Abend.

Die Taverne strahlte. Kerzen flackerten in kupfernen Haltern, Girlanden aus getrocknetem Hopfen und Farn schm?ckten die Balken. Es duftete nach Braten, nach Brot, nach Most. Und f?r einen fl?chtigen Moment glaubte ich, alles k?nnte gutgehen.

Auch meine Gef?hrten waren herausgeputzt, auch wenn dies bei Ulaf etwas mehr ?berzeugungsarbeit gekostet hatte. Sein Bart war frisch gestutzt, die Edelsteine sauber eingeflochten. Nicoletta trug ein besonders sch?nes rotes Hemd mit hellem Wams, die Haare geflochten, man konnte f?rmlich Liraels Handschrift darin erkennen.

Die Zunftmeister waren zahlreich erschienen, dazu Vertreter kleinerer Handelsb?nde, einige Magier aus Moonglow und sogar ein Wachszieher aus Ocllo, der sein eigenes Siegelwachs als Gastgeschenk mitgebracht hatte. Die Taverne drohte aus allen N?hten zu platzen, aber zum Gl?ck war uns das Wetter zugetan und wir hatten vorsorglich einen Nebenraum und den Au?enbereich hergerichtet.

Die G?ste trugen seidene Westen, funkelnde Broschen, kunstvolle B?rte, und einige sahen sich bei der Ankunft anerkennend um. Sie kommentierten das Licht, das von den polierten Laternen auf die Tischdecken fiel, den Geruch nach frischem Brot, den ausstaffierten Vorraum mit Blumenarrangement. Einer klopfte lobend auf die Holzvert?felung und fragte nach dem Schreiner. Ich erwiderte h?flich, dass er heute auch anwesend sei. Nicoletta bewegte sich geschickt durch das Gewimmel, das Tablett voller Kr?ge, das L?cheln exakt dosiert. Ihre Bewegungen wirkten fast choreographiert, als geh?rten sie zur Vorstellung.

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Ich stand gerade am Tresen, wischte mir die H?nde an einem Tuch, das ich sp?ter nie wieder benutzen w?rde, als ich sah, wie sie kurz ins Straucheln geriet. Ein Gast mit auffallend spitzen Schuhen war r?ckw?rts getreten und hatte sie angerempelt. Nichts Ungew?hnliches ? das Gedr?nge war betr?chtlich. Nicoletta fing sich, entschuldigte sich, obwohl sie keine Schuld traf und begann die Kr?ge mit feinem Ale - noch am Morgen von einem neuen Lieferanten geliefert! - auf den Tisch abzustellen und zu servieren.?

Dann aber blieb Nicolettas Blick an einem der Kr?ge h?ngen, l?nger als notwendig. Sie stellte den Krug auf das Tablett zur?ck, sah sich suchend um und kam mit schnellerem Schritt zu mir zur?ck.

?Das da sch?umt seltsam,? sagte sie leise, kaum h?rbar neben dem L?rm. ?Und ich hab ordentlich gezapft. Genau so, wie Ulaf es gezeigt hat.? Unsere Schankmagd hatte mich l?ngst in der Kunst des zapfens hinter sich gelassen und war fast in der Lage Ulaf selbst Konkurrenz zu machen. Es gab f?r mich nicht den leisesten Zweifel, wenn sie es sagte.

Ich nahm den Krug vom Tablett und stellte ihn hinter den Tresen. Die Schaumkrone war dichter, feiner als sie sein sollte, und es stieg eine sehr dezente, fast metallische Note in meine Nase. Nur meine Erfahrung mit der Alchemie erlaubte es mir, die Note vom Biergeruch zu trennen. Ich sah Nicoletta an. ?Du hast inzwischen einen guten Blick f?r sowas und du hast recht, da stimmt was nicht.?

Sie nickte, ihr Blick war wachsam, wach. ?Ulaf?? rief sie dann ?ber die Schultern. ?Kannst du mal??

Der Zwerg kam aus dem Nebenraum, die Bartz?pfe leicht gewellt vom Bratendampf. Er sah den Krug, seine Miene wurde augenblicklich ernst. ?Was?n los??

?Zapffehler oder... mehr?? fragte Nicoletta.

Ulaf nahm den Krug entgegen, roch daran, hielt ihn gegen das Licht. Dann tunkte er einen Finger hinein, tippte ihn sich gegen die Zunge ? und spuckte sofort auf den Boden. Nicht mit dramatischer Geste, sondern mit reflexartiger Deutlichkeit.

?Kein Zweifel. Das ist vergiftet.?

Ich erstarrte. Nicoletta sah ihn entsetzt an.

?Alchogift,? murmelte er, nun fast tonlos. ?Verd?nnt, f?r den Geschmack, aber sauber dosiert. Jemand meint es ernst. Das ist kein Zufall, das ist zielgerichtet. Eine Substanz dieser Art ist nicht leicht herzustellen, geschweige denn unbemerkt hier einzuschleusen. Das war vorbereitet. Und nicht von einem Laien.?

Mein Magen zog sich zusammen. Das Fest, das wir mit letzter Kraft auf die Beine gestellt hatten, war in Gefahr. Ich dachte an die langen Tage der Vorbereitung, die M?digkeit in unseren Knochen ? und nun dies. Mitten unter uns.

Ich zwang mich zur Ruhe, zwang meine Stimme zur Klarheit. ?Bitte zapf ein neues Bier und bring es dem wartenden Gast, wir wollen keinen Verdacht erwecken.?

Nicoletta nickte, aber ich sah das Flackern in ihrem Blick. Sie ging mit raschem Schritt.

?Lirael?? fragte ich Ulaf schlie?lich.

?Im Innenhof, unter der Linde.?
?Ich hol sie selbst, sag niemandem etwas. Noch nicht.?

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Minuten sp?ter standen wir im Vorratsraum. Die Musik des Festes drang ged?mpft durch die W?nde, vermischt mit Gel?chter, Gl?serklirren und dem entfernten Klang eines Lautenspielers. Nicoletta hielt Wache an der T?r, den Blick angespannt, doch die Haltung aufrecht. Sie hatte sich eine Locke aus dem Gesicht gestrichen und stand nun so ruhig da, als k?nne sie jeden Moment zusto?en ? oder fliehen. Lirael beugte sich ?ber den Krug, murmelte Formeln, und ein gr?ner Schimmer legte sich ?ber die Fl?ssigkeit. Ihre Stirn war in Falten gelegt, die Finger bewegten sich wie bei einem leisen Tanz. Ein feiner Geruch von Eisen und Lavendel lag pl?tzlich in der Luft.

?Das ist keine g?ngige Substanz?, sagte sie schlie?lich. ?Alchemisch kodiert. Jemand sollte gezielt ausgeschaltet werden. Es h?tte wie ein Anfall gewirkt, aber w?re rasch t?dlich verlaufen.?

?Ein Zunftmeister??, fragte Ulaf.

Lirael sch?ttelte langsam den Kopf. ?Unklar aber wahrscheinlich. Das Muster ist auf menschliche Grundkonstitution abgestimmt, mittleres Gewicht, kaum magische Resistenz. Ein durchschnittlicher Mensch mittleren Alters.?

?Und der Becher war gezielt markiert.? warf ich ein ?Eine d?nne Schicht arkaner Signatur auf dem Henkel ? jemand wusste genau, wem dieser Krug gereicht werden w?rde.?
?Wie viele wurden schon ausgeschenkt??, fragte ich, bem?ht ruhig zu klingen, obwohl mir das Herz bis in die Kehle schlug.

?Nur dieser eine war auff?llig?, sagte Nicoletta. ?Ich habe ihn direkt zur?ckgenommen. Aber wenn er untergemischt wurde, k?nnten andere betroffen sein.? Sie schwieg kurz, dann f?gte sie hinzu: ?Ich habe ihn erkannt. Den Mann, der mich angerempelt hat. Ich glaube... das war kein Zufall.?

Ich atmete tief durch. Die W?nde des Vorratsraums kamen mir pl?tzlich enger vor. ?Wir m?ssen ihn finden. Denjenigen, der das platziert hat. Und zwar unauff?llig. Keine Panik. Nicht vor den G?sten.?

Lirael schloss die Augen, als sammle sie etwas, das in ihr schwebte. ?Ich kann der Spur folgen ? aber es braucht Konzentration. Und Zeit.? Sie blickte auf uns betrachtete uns andere.??Jemand muss die G?ste ablenken und die Aufmerksamkeit auf sich lenken?

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Ich kehrte in den Saal zur?ck und hob die Stimme. ?Meine Damen und Herren, im Namen der Taverne m?chte ich einen kurzen Dank aussprechen, ehe die Nachspeisen serviert werden ??

Ich sprach langsam, bed?chtig. Worte als Nebelwand. Ich redete ?ber die Freundschaft zwischen den St?dten, ?ber die Bedeutung des Handels in schwierigen Zeiten, ?ber Br?cken, die man nicht nur ?ber Fl?sse baue. W?hrenddessen tasteten meine Augen durch den Raum. Gesichter, Haltungen, Blicke.

Und dann ?ffnete sich die T?r. In der Bewegung elegant wie eh und je trat Melion, selbst ernannter Geschichtenweber in den Schankraum. Das Haar leuchtete fast wie Kupfer im Licht der Kerzen, das Gewand wie ein Narr aus einem alten M?rchen. Er traf genau zum rechten Zeitpunkt ein, als h?tte das Schicksal seine Schritte gelenkt.

Unsere Blicke trafen sich. F?r einen Moment stand alles still. Es war, als h?tte Melion die Szene betreten wie eine Figur aus einem besonders geschickten Theaterst?ck, direkt auf seinen Einsatz wartend. Ich hob leicht die Hand, nur einen Finger, eine Geste, die ihm zu verstehen gab: Bereite dich bitte vor. Er erwiderte den Blick mit einem kaum sichtbaren Nicken, fuhr sich mit einer langsamen, ?bertrieben eleganten Bewegung durch das Haar und begann sich sogleich vorzubereiten ? seinen Umhang zu richten und eine feine Laute hervorzuholen, schlank und filigran wie aus Elfenhand geschnitzt.?

Ich lie? mir nichts anmerken, fuhr mit meiner Rede fort, w?hrend in meinem Hinterkopf Melions Anwesenheit wie eine zweite Flamme brannte. Ich redete weiter, hob die Stimme an den passenden Stellen, lie? die Zuh?rer durch Pausen atmen, f?hrte sie von einem Thema zum n?chsten wie durch einen Garten bei Nacht ? in der Hoffnung, dass der Duft sie ablenkte von dem, was im Dunkeln lauerte.

Hinter mir h?rte ich, wie Melion sich bereit machte. Seine Stiefel setzten kaum h?rbar auf, der Saum seines Umhanges raschelte wie trockenes Laub, als er in Stellung ging. Die ersten Kinder hatten ihn entdeckt ? ihre Augen leuchteten. Ein ?lterer Mann drehte sich um, als sp?re er die ver?nderte Aura. Und ich wusste: Jetzt war der Moment gekommen.

Dann wechselte ich Ton und Haltung. ?Doch meine lieben G?ste ? heute Abend ist mehr als nur Handel und Braten im Spiel. Heute ehren wir auch die Kunst. Und wie lie?e sich dieser Abend besser kr?nen, als mit einem ganz besonderen ?berraschungsgast??

Ich trat beiseite, deutete zur Seite. ?Ich pr?sentiere Ihnen: den unvergleichlichen Geschichtenweber Melion.?

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Ein Raunen ging durch den Raum. Melion trat ins Licht, verneigte sich tief ? und begann. Worte, Musik, Bewegung: ein Zauber zwischen Dichtung und Illusion. W?hrend die G?ste gebannt zusahen, wirkte es, als hielte die Welt f?r einen Moment den Atem an. Und genau das brauchten wir ? Zeit. Ruhe. Aufmerksamkeit ? gelenkt in andere Bahnen.

Lirael schob sich zwischen den G?sten hindurch, scheinbar achtlos doch fast unbemerkt. Ihre Fingerspitzen streiften Kr?ge, Glasr?nder, ?rmel. Nicoletta reichte weiter Getr?nke, blieb aber stets mit einem Auge bei jenem Gast, der sie angerempelt hatte. Ulaf stand beim Fass, f?llte neue Kr?ge, z?hlte leise mit ? und lie? seinen Blick ?ber die Versammelten gleiten.

Dann kam das Nicken von Lirael. Subtil. Zielgerichtet. Sie deutete mit einem kaum merklichen Zucken ihres Handgelenks auf einen hageren Mann mit schmalem Gesicht und einem dunklen Ring. Ich erkannte es sofort: Der Ring war der Ursprung der arkanen Signatur. Die feine Spur, die ich zuvor auf dem Krug gesp?rt hatte, war hier noch klarer, als h?tte sie sich in den Edelstein eingebrannt. Seine Augen wanderten unruhig ?ber die Menge, nicht wie bei einem Gast, der sich orientiert, sondern wie bei jemandem, der Fluchtwege taxiert.

Er sp?rte wohl, dass man ihn beobachtete ? seine Schultern spannten sich, sein Schritt wurde schneller. F?r einen Moment blieb er stehen, warf einen pr?fenden Blick zur T?r, als erw?ge er zu fliehen. Dann schien er sich zu fangen, legte ein routiniertes L?cheln auf, griff nach einem herumstehenden Becher, um Normalit?t zu heucheln ? und stellte ihn sofort wieder ab. Die Maske hielt kaum l?nger als ein Atemzug.

Nicoletta blieb in meiner N?he stehen, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. ?Das war der, der mich angerempelt hat.? Ihre Finger zitterten leicht, doch sie hob das Kinn, als wolle sie dem Moment trotzen. Ich legte ihr kurz eine Hand auf die Schulter, ehe sich der Mann in Bewegung setzte. Unauff?llig, aber zielgerichtet, glitt er zwischen den G?sten hindurch. Sein Weg f?hrte nicht etwa zum Tresen oder zu einem der Nebentische ? er nahm Kurs auf die K?che.

Ich nickte Ulaf zu. Der Zwerg verstand sofort, stellte den Krug beiseite und verlie? leise seine Position beim Fass. Binnen weniger Herzschl?ge war er in den Schatten verschwunden, nur sein Umriss huschte durch den Lichtsaum der T?r.

Der Mann schob sich durch die Fl?gelt?r zur K?che. Ich trat zwei Schritte nach vorne, bereit, einzugreifen, falls n?tig ? doch da ert?nte pl?tzlich ein Ruf. Kein Aufschrei, sondern eher ein Befehlston. Danach ein Klirren von Metall, als sei etwas Schweres gefallen. Schritte, hastig und kurz. Dann ein dumpfer Schlag.

Und Stille, unheilvoll und vollkommen.

F?r einen Moment hielten die Schatten den Atem an. Dann setzte drau?en wieder Musik ein, als w?re nichts geschehen. Nur ich wusste: Etwas war gerade zu Ende gegangen ? und vielleicht auch etwas begonnen.

Ich erreichte die K?che, als Ulaf den benommenen Mann gegen den Schrank presste. Der Mann versuchte sich loszurei?en, trat um sich, fauchte etwas Unverst?ndliches ? doch Lirael war schneller. Sie warf einen Bindeschatten ?ber ihn, w?hrend ich mein Bannzeichen wirkte. Noch in der Bewegung sackte er zusammen, schlaff wie ein nasser Umhang. Der Ring ? ein magischer Fokus ? wurde ihm abgenommen. In seinem ?rmel fand Ulaf einen Hohlgriffel aus Kupfer, gef?llt mit der gleichen Substanz wie im Krug.

?Er hatte noch mehr von dem Zeug dabei,? sagte Ulaf und hielt mir ein kleines, mit einem Wachszeichen versiegeltes Fl?schchen entgegen. ?Und ein Pergament mit Namen. Der Zunftmeister von Skara Brae stand ganz oben ? fein s?uberlich unterstrichen.?

Ich sp?rte, wie sich meine Schultern anspannten. Noch ein Feind im Schatten, noch eine Spur, die zu folgen lohnte ? aber nicht in diesem Moment.

Ich nickte langsam. ?Zun?chst feiern wir weiter. Und sp?ter frage ich, wer ihn geschickt hat. Aber nicht mehr heute. Heute geh?rt den G?sten, dem Licht, dem Klang und dem Vertrauen.? Wir banden den Mann sauber, mit Seil und einem kleinen Zauber, der die Glieder schw?chte, ohne zu schaden. Lirael und Ulaf trugen ihn in den Lagerraum, wo wir ihn unauff?llig einsperrten. Die T?r war alt, aber das Schloss vertrauensw?rdig. Niemand sollte ihn dort vermuten ? nicht heute Nacht.

Ich strich mir eine Haarstr?hne aus dem Gesicht, trat zur?ck und zog die K?chent?r leise hinter mir zu. Das Gel?chter der G?ste schwoll an wie eine Welle. Und zum ersten Mal an diesem Abend hatte ich das Gef?hl, dass unser Licht weit genug strahlte, um den Schatten zu trotzen ? wenn auch nur f?r diesen einen, kostbaren Augenblick. Ich sah hin?ber zu Melion, der gerade mit einer halben Drehung in den Abschluss seiner Darbietung glitt. F?r einen Moment trafen sich unsere Blicke. Ich nickte kaum merklich. Und er verneigte sich noch ein St?ck tiefer.


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Es war fr?her Morgen, als der letzte Gast ging. Der Duft von Braten in der Luft war l?ngst verflogen, war m?de geworden, wie alles in diesen R?umen. Die Kerzen brannten herunter, einige flackerten nur noch schwach, und auf dem Boden lagen verstreute Kr?mel, ein zerbrochener L?ffel und eine einzelne, goldene Feder aus dem Hut irgendeines Gastes. Ich hatte eigentlich vorgehabt, bis zum Vormittag zu schlafen, zumindest ein paar Stunden, aber ich blieb sitzen. Am Kamin. Wach. Wartend.

Melion trat zu mir, leise, wie ein Gedanke, der schon l?nger im Raum war.

?Jetzt ist die Stunde. Wir sollten reden.?

Ich nickte. Worte waren nicht mehr n?tig. Ich rief nach den anderen, und kurz darauf fanden wir uns im Lagerraum ein. Der Attent?ter sa? bereits, gefesselt, doch aufrecht. Die Haltung eines Profis, das Gesicht wie aus Stein. Aber seine Finger rieben sich unbewusst. Immer wieder.

?Also?? sagte ich ruhig, ?Euer Ziel war ein Zunftmeister. Vielleicht auch mehrere. Warum??

Er blickte mich an. Lange. Zu lange. Seine Lippen verzogen sich leicht, als wollte er l?cheln, aber es blieb bei einer angedeuteten Grimasse. ?Ihr glaubt wohl, ich sage einfach, was ihr h?ren wollt? Dass ich einknicke wie ein Lehrling vor seinem Meister??

?Wir glauben, dass ihr nicht wisst, worauf ihr euch eingelassen habt?, erwiderte Melion aus dem Schatten heraus, die Stimme ruhig, fast freundlich. ?Und dass euch l?ngst klar ist, dass ihr alleine seid.?

?Und Ihr ?bersch?tzt, was Ihr gewinnen k?nnt. Ihr habt keine Vorstellung davon, mit wem Ihr euch anlegt.? Seine Stimme war ruhig, kalt, fast zu kontrolliert. ?Ich bin nur ein Bote. Einer, der ein Messer tr?gt, wenn andere reden.?Ich habe schon Schlimmeres ?berstanden als euch,? knurrte der Mann. ?Ich bin kein Dummkopf. Ich wei?, wie man redet ? und wann man schweigt.?

Doch w?hrend er sprach, sah ich, wie seine H?nde unbewusst an der Kante des Stuhls rieben. Ein Finger zitterte leicht. Seine Worte wirkten wie auswendig gelernt ? sein Blick jedoch war rastlos.

?Wer hat euch geschickt?? fragte ich leise. Ich hob keine Stimme, drohte nicht. Ich stellte nur eine Frage ? und lie? die Stille dahinter l?nger stehen, als es angenehm war.

Es war nicht viel n?tig, ein fester Blick, die beil?ufige Offenbarung, das mir Magie innewohnte und etwas Beharrlichkeit. Er hatte geglaubt, er k?nne uns mit Haltung beeindrucken. Dass wir ihn mit Drohungen ?berziehen w?rden. Stattdessen warteten wir. Und warteten.?

Seine Haltung brach nicht sofort.?Es war eher ein langsames Einsinken ? wie ein Zelt, dessen Seile einer nach dem anderen rei?en. Die Schultern sackten, die Augen verloren ihre H?rte.

?Der Auftrag war einfach,? sagte er schlie?lich, die Stimme nun leiser, rauer. ?Chaos stiften. Ruf zerst?ren. Die Taverne sollte untergehen. Wie damals.?

?Wie damals?? Ich trat n?her. ?Ihr kennt also die Geschichte ? von dem, was einst an diesem Ort stand??

?Nicht genau?, murmelte er. ?Nur, dass es schon einmal eine Taverne gab. Hier. Und dass sie gest?rzt wurde. Dass jemand? jemand sicherstellen will, dass es nicht wieder geschieht. Oder dass niemand es je wieder versucht.?

Er lachte. Kurz. Trocken. ?Ich dachte? ich dachte, es ginge nur um Einsch?chterung. Um? Druck. Dass ihr aufgebt. Dass die G?ste fliehen. Dass ihr den Mut verliert. Ich sollte eine Kette in Bewegung setzen. Der Rest w?rde von selbst geschehen.?

Er sah auf den Boden. Die Maske war gefallen. Kein Profi mehr. Nur noch ein Mann mit Angst in den Augen.

?Ihr werdet ausgeliefert?, sagte Ulaf ruhig. ?Nicht an die Zunft. An die Stadtwache. Und sie wird wissen wollen, wer euch bezahlte.?

Der Mann nickte, zu m?de f?r Widerstand. Doch irgendetwas in seinem Blick verriet: Dies war nicht das Ende. Nicht f?r ihn. Und nicht f?r uns.

Wir verschlossen ihn wieder im Lager, sauber verborgen, wie einen Geist, der noch nicht losgelassen hatte. Ich versiegelte die T?r mit einem einfachen Bann, kaum sichtbar, aber wirkungsvoll. Einem Fremden w?rde sie wie eine gew?hnliche Lagert?r erscheinen ? doch jeder Versuch, sie zu ?ffnen, w?rde ein Fl?stern wecken, das nur wir vernahmen. Der Attent?ter schlief, oder tat zumindest so. Seine F?uste lagen offen, der Kopf zur Seite gesunken. Doch ich sah, dass er wach war. Das Zittern seiner Finger hatte nicht nachgelassen.


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Dann begannen die anderen damit aufzur?umen. Nicoletta sammelte Gl?ser mit sicherem Griff, pr?fte jedes auf Spr?nge und sortierte sie auf einem Tablett, das sie erstaunlich ruhig balancierte. Lirael rollte Tischdecken zusammen, ordnete sie s?uberlich, murmelte dabei leise Reime, die wie eine magische Inventur klangen. Ulaf schimpfte halblaut ?ber zerbrochenes Geschirr, das sich nicht anst?ndig stapeln lie?, und lie? sich schlie?lich auf einen Schemel nieder, um die Scherben in einen alten Zwirnbeutel zu sammeln. Melion hingegen trug die leeren Flaschen mit theatralischem Ernst in den Hof, wobei er jedes Klirren mit einem dramatischen Seufzer begleitete, als spiele er auf einer unsichtbaren B?hne.

?Die letzte Symphonie der Flaschenkl?nge?, murmelte er. Lirael schnaubte nur und sch?ttelte den Kopf.

Ich blieb sitzen. Der Kamin knisterte leise, als wolle er mir Gesellschaft leisten. Ich strich mir eine Haarstr?hne aus dem Gesicht, legte mein Notizbuch auf den Tisch. Die Feder war stumpf. Es war ein alter Federkiel, aus dunklem G?nseflug, den ich seit Jahren benutzte. Ich nahm mir Zeit, l?ste die alte Spitze vorsichtig mit der Messerklinge, schabte die Reste sauber ab und schnitt mit ruhiger Hand eine neue. Das kleine Messer, dessen Griff ich einst in Minoc hatte verzieren lassen, lag vertraut in meiner Hand, wie ein Werkzeug der Erinnerung.

Dann schrieb ich:
Er dachte, er h?tte die Taverne damals zerst?rt. Diesmal wird er zusehen m?ssen, wie sie w?chst. Wie sie Wurzeln schl?gt in Stein und Staub, wie sie sich erhebt aus dem, was er f?r Asche hielt. Und er wird nicht verstehen, dass genau das seine gr??te Niederlage ist. Denn er rechnete mit Furcht, mit R?ckzug, mit Aufgeben. Doch was er s?te, war Entschlossenheit.
Darunter:
Ich werde nicht mehr nur warten. Ich werde planen. Ich werde handeln. Ich werde standhalten ? f?r jene, die an mich glauben. Und f?r jene, die es noch nicht tun.
Und in Gedanken setzte ich noch einen Satz darunter ? einen, den ich noch nicht zu Papier bringen wollte:

Ich kenne meinen n?chsten Schritt. Und ich werde ihn nicht allein tun. Ich wei?, wo ich beginnen muss. Und wer bereit sein wird, mit mir zu gehen.
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Zwischenspiel IV ? Der sechste Versuch ? und endlich: Die Geburt der Hausmarke

Beitrag von Bareti »

?Die Magie im Fass ? und das Vertrauen ins Ergebnis?
Von Planung, Geduld und dem Mut zur Magie
Die Taverne roch nach Apfel, Hefe und einem Hauch von angekohltem Rosmarin und Salbei. Nicht von ungef?hr. Der sechste Versuch war keine spontane Eingebung mehr, kein tastender Schritt ins Ungewisse ? er war das Ergebnis von Studien, Misserfolgen und leiser Entschlossenheit. Ich hatte inzwischen verstanden: ?pfel brauchen Zeit. G?rung braucht Raum. Und Most braucht Geduld. Magie konnte helfen, ja ? aber nur, wenn sie dem Werk diente, nicht es ?berlagerte. Sonst wurde es Wein mit All?ren ? und keine Hausmarke.

Diesmal war alles vorbereitet. Die ?pfel kamen endlich aus dem Hain der Taverne. Nicht alle, aber einige ? die ersten reifen Fr?chte, die dieser Boden unter meinen H?nden hervorgebracht hatte. Ich pfl?ckte sie selbst, fast ehrf?rchtig, und behandelte sie wie etwas Altes, das neu geworden war. Die anderen erg?nzte ich mit einer s?uerlichen Sorte vom Markt und einer fast honigs??en von Ulaf, der nur sagte: ?Die wachsen auf Umrazims R?cken. Frag nicht.?

Der Zwerg hatte angefangen, regelm??ig ?pfel vorbeizubringen. Sagte nie, woher sie stammten. Ich fragte nie zweimal. Ich nahm sie einfach an ? wie das Leben manchmal selbst die seltsamsten Zutaten schickt, ohne Etikett. Und jedes Mal, wenn ich sie in die Hand nahm, sp?rte ich eine Ahnung davon, wie wenig wir wissen ?ber Herkunft, Reife und das, was wirklich z?hlt.

Ich legte die Mischung aus Fr?chten f?r mehrere Tage in ein rundes Becken, das ich mit einer Rune versiegelt hatte. Sie beschleunigte die Reifung ? nicht durch Illusion, sondern durch Verst?rkung dessen, was ohnehin angelegt war. Kein Zeitraffer, kein Beschleunigungsfeld, kein Zerren. Nur ein sanftes Nachhelfen, wie ein warmer Sonnenstrahl im Morgengrauen.

Dann zerteilte ich die ?pfel und presste sie in langen, ruhigen Bewegungen. Ich lie? den Saft durch ein feines Tuch laufen, das Lirael mir einst aus den H?nden der Elfen gebracht hatte. Es war so dicht gewebt, dass es nicht nur Schwebstoffe, sondern auch Zweifel herauszufiltern schien. Ich f?gte eine winzige Menge Holunder und Malvenbl?ten hinzu ? beides vorsichtig gemessen, nicht aus Rezept, sondern aus Gef?hl. Der Duft, der dabei entstand, erinnerte mich an Geschichten in denen Tr?nke nicht gebraut, sondern geboren wurden.

Das Fass, das ich w?hlte, war alt. Kein Eichenfass aus dem Handel, kein Brandyfass mit Nachgeschmack, kein Metall. Es war ein Holzfass, das ich in der hintersten Ecke der Werkstatt gefunden und tagelang geschrubbt hatte, bis es nicht mehr nach Staub, sondern wieder nach Holz roch. Ehrlich, rau, trocken. So wie der Most sein sollte. Ich bef?llte es langsam, lie? den Saft in einem ruhigen Strahl hinabrinnen, als h?tte ich Angst, ihn zu wecken.

Ich legte meine H?nde auf den Rand und murmelte den Zauber *Lux Pomari*. Diesmal war er fast fl?sternd. Keine sichtbare Magie, nur das leichteste Flackern, ein Streifen Licht, der sich ?ber die Oberfl?che des Saftes legte. Ich stellte sicher, dass keine Verunreinigungen eindrangen ? nicht durch Menschenhand, nicht durch Wind, nicht durch Zweifel.

Und ich segnete den G?rprozess mit einem einzigen Wort. ?Werde?, sagte ich. Nichts weiter. Es war weniger ein Befehl als ein Wunsch, weniger Magie als Vertrauen. Dann wartete ich.

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Die G?rung & die Bindung
Drei Tage sp?ter begann das leise Gluckern. Eine Woche sp?ter roch es nach Apfel, Hefe ? und etwas, das ich nicht benennen konnte, aber das nach Zuhause klang. Es war nicht der Geruch eines Getr?nks, sondern eines Versprechens. Ein Versprechen, das nicht laut wurde, aber anklang, wenn man lange genug lauschte. Ich ging oft in den Lagerraum, stellte mich davor, sagte nichts. Lauschte nur. Als w?rde ich mit einem werdenden Wesen sprechen, das Antwort geben konnte ? wenn auch nur in Blasen. Die Luft war warm, schwer von Erwartung, durchzogen von einem Hauch feuchter Holznoten. Manchmal glaubte ich, die G?rung atmen zu h?ren.?

Ich hielt mich zur?ck, r?hrte nichts an, ver?nderte nichts. Ich hatte gelernt: Magie war kein Ersatz f?r Vertrauen. Und Vertrauen hie? manchmal, still zu sein.

Dann erst, in der Mitte des Prozesses, begann ich, den leichten Zauber der Erinnerung zu binden ? jenen Hauch, der aus einem Getr?nk ein Gef?hl machen sollte. Fr?here Versuche hatten gezeigt, dass zu fr?he Magie die G?rung verdarb, zu sp?te sie wie einen Hammer wirken lie?. Jetzt w?hlte ich den richtigen Moment. Es war ein stiller Vormittag, das Licht fiel in einem klaren Winkel durch das Fenster, und ich wusste, jetzt war es so weit. Ich verankerte nicht eine Szene, sondern eine Stimmung: das erste Mal, als ich das Licht der Morgensonne auf dem Apfelhain sah. Die Art, wie es zwischen den jungen Zweigen spielte, wie es Hoffnung in ein St?ck Erde goss. Es war kein klares Bild ? aber ein Gef?hl, das trug. Ich murmelte die Bindung, leise, mit der linken Hand auf dem Fass. Und ich glaubte, der Most h?tte f?r einen Moment ganz still dagestanden ? als lausche auch er.

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Das Ergebnis
Zwei Wochen sp?ter filterte ich einen ersten Krug, erneut mit dem Tuch der Elfen. Ich schenkte mir ein Glas ein. Betrachtete es gegen das Licht. Der Most war nicht goldgelb wie sonst. Er war klar. T?rkis. Und er schimmerte ? nicht vor Magie, sondern vor Reinheit. Keine Tr?bung, kein Satz, kein Flackern. Nur Klarheit. Es war, als h?tte das Getr?nk selbst beschlossen, kein Geheimnis mehr zu haben.

Ich trank. Zun?chst nur einen kleinen Schluck. Und ich sagte nichts. Ich konnte nichts sagen. Ich trank weiter. Der Effekt war anders als zuvor. Keine Erinnerung wurde wach. Keine Szene. Kein altes Bild. Stattdessen f?hlte ich. W?rme. Sehnsucht. Vertrauen. Der Geschmack l?ste keine Gedanken aus ? er entlie? sie. Die Gef?hle kamen aus mir, aber sie waren wie befreit. Als w?rde der Most nicht erinnern, sondern Raum schaffen f?r das, was l?ngst in mir wohnte.

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Ich trank ein zweites Glas. Und dann ein drittes ? nicht aus Zweifel, sondern aus Staunen. Der Most schmeckte, als w?re er nie etwas anderes gewesen als genau das, was ich gebraucht hatte. Es war ein Geschmack, der nicht erkl?rte, sondern verstand. Einer, der nicht aufforderte, sondern begleitete. Wie ein stiller Freund, der schon da ist, bevor man merkt, dass man ihn braucht.

Ich stand eine Weile am Tresen, das Glas in der Hand, lie? das Licht durch den Rest des Getr?nks tanzen und beobachtete, wie sich selbst das letzte bisschen Fl?ssigkeit noch in schimmernden Linien bewegte ? als w?rde auch der letzte Tropfen noch etwas sagen wollen. Ich dachte an all die Versuche zuvor, an das, was ich lernen musste, an das, was ich loslassen musste. Und ich wusste: Dies hier war nicht das Ende der Suche, aber es war ein Punkt, an dem ich zum ersten Mal innehielt, ohne weiterhetzen zu wollen.

Am Abend stand Ulaf an der Theke. Ich stellte ihm ein Glas hin, kommentarlos. Er nahm es, schnupperte, trank. Sagte nichts. Dann sah er mich an. Es war kein harter Blick, aber auch kein weicher. Eher einer von der Sorte, mit der Zwerge T?ren mustern, die sich unerwartet ?ffnen.

?Das ist? trinkbar.?

Ich wusste, was das bedeutete. Ich grinste.

?Du meinst: gut??

Er schob das leere Glas zur?ck. ?Noch eins.?

Ich schenkte nach. Und diesmal trank ich mit. Ohne Worte. Nur mit einem Nicken ? und der leisen Hoffnung, dass das, was hier begann, bleiben durfte.

Abschlussprotokoll ? Sechster Versuch (Hausmarke ? vorl?ufig: ?Lichtmost?)
Am sp?ten Abend, nachdem der letzte Tropfen abgef?llt war und die Gl?ser gesp?lt, die T?cher getrocknet und das alte Fass sorgsam gereinigt auf die n?chste G?rung wartete, setzte ich mich mit meinem t?rkisfarbenen Notizbuch und einem Glas des neuen Mosts an den Tisch, der noch nach Most, Rauch und einem Hauch Malve roch, und schrieb:
Formelstatus: Erste eigenst?ndige Komposition einer stabilen, wiedererkennbaren Hausmarke erfolgreich abgeschlossen.
Komponenten:
  • Apfelmischung aus drei Hauptquellen:
    ? Reife Fr?chte des eigenen Hains (lokale Herkunft, erstmals verarbeitet)
    ? Marktware mit ausgewogenem S?ureprofil
    ? S??aromatische Umrazim-Apfelvariante (nicht n?her klassifiziert)
  • Zus?tze in geringen Mengen: Holunderbl?ten (florale Tiefe), Malvenbl?tter (sanfte Milde & klare F?rbung)

Verarbeitung & Magieeinsatz:
  • Kein Einsatz klassischer Zeitmagie
  • Gezielte F?rderung nat?rlicher Reifung mittels strukturverst?rkender Runen
  • Filtration durch hochdichtes Elfengewebe zur Sicherstellung maximaler Klarheit
  • Kontrollmagie via *Lux Pomari* ? bew?hrt, besonders in der sp?ten G?rphase

Erinnerungsverankerung:
  • Erfolgreich eingebracht in der mittleren Reifung
  • Wirkung subtil: keine visuellen R?ckblenden oder Szenen, sondern emotionale Atmosph?re (Sanftheit, Offenheit, Entspannung)
  • Ziel: Entlastung statt Projektion ? wurde erreicht

Sensorische Eigenschaften:
  • Farbe: klares T?rkis mit feinem magischen Schimmer
  • Geruch: fruchtig (Apfel) mit Holundernote
  • Geschmack: balanciert, komplex, nachhaltig
  • Alkohol: gesch?tzt moderat ? entspannend, nicht benebelnd

Atmosph?rische Beobachtungen:
  • Wahrnehmbare Ver?nderung der Raumwirkung bei Konsum
  • R?ckkopplung zwischen Getr?nk und Umgebung wahrscheinlich ? erste Anzeichen magischer Raumresonanz
  • Empfehlung: weitere Analyse mit Fokus auf Affinit?tseffekte

Subjektive R?ckmeldung:
  • Ulaf zeigte positive Reaktion (Nachbestellung ohne Kommentar)
  • Pers?nliches Fazit: Erstmals Gef?hl, dass der Most nicht nur gelungen, sondern *meiner* ist
  • Die Taverne hat ihre Handschrift ? ich ebenfalls

Offene Forschungsfragen:
  • Reproduzierbarkeit unter variablen Bedingungen?
  • Fruchtlagerung vs. Frischverarbeitung ? Auswirkungen auf Geschmack und Magiebindung?
  • Entwicklung eines haltbaren Konzentrats denkbar?
  • Fassfrage: weitere geeignete, unbehandelte Holzgef??e auffindbar?

N?chste Schritte:
  • Analyse bzgl. Alkoholgehalt, Restzucker, magischer Stabilit?t
  • Etikettendesign entwerfen
  • Namensgebung: Vorschlag Lichtmost zur Diskussion stellen ? wegen seiner Wirkung: nicht Erinnerung, sondern Raum zur Erinnerung

Archivhinweis: Obwohl der Most ein voller Erfolg war ? oder gerade deshalb ?, wurde ein weiteres kleines Fass zu den bisherigen gestellt. Nicht aus Pflichtgef?hl, sondern aus Respekt vor dem Prozess. Auch dieser Moment geh?rt dokumentiert.
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Laterne, Liste & leiser Zorn ? oder: Wie wir entschieden, standzuhalten

Beitrag von Bareti »

Episode XIV
?Laterne, Liste & leiser Zorn ? oder: Wie wir entschieden, standzuhalten?
Erz?hlt von Bareti, Wirtin mit R?ckgrat, Runen ? und keiner Furcht vor Flammen

Ich sa? am Tresen, vor mir ein Becher Tee, dampfend und halb vergessen. Meine Finger ruhten auf dem t?rkisfarbenen Notizbuch, das ich seit jenem ersten Morgen in Moonglow nie aus den Augen verloren hatte. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen selbst Gedanken schweigend wurden, nur begleitet vom leisen Rieseln der Sandk?rner in der alten Sanduhr auf dem Sims am Kamin.

Wir hatten heute aufger?umt. Nicht nur mit Besen und Eimer, sondern auch in den hintersten Ecken und den obersten Regalen. Die Dinge, die man aufschob. Die Dinge, die warteten. Mittlerweile waren vier der Gastzimmer voll hergerichtet und da Nicoletta eins dauerhaft bezogen hatte, standen drei f?r Notf?lle zur Verf?gung. In der kleinen Kammer ?ber der Schankstube, zwischen alten Decken, zerkratzten Spiegeln, verstaubten Kr?uterb?ndeln und leeren Glasflaschen, hatte ich eine Schriftrolle gefunden ? meine eigene Handschrift, eindeutig, aber von einer Zeit, die nie h?tte sein sollen. Eine Zeit nach dem Bruch. Eine Erinnerung, die nicht sein durfte. Ein Fragment aus der Zukunft, die niemals war.
?Nathanael, wenn du das liest... dann bin ich nicht mehr dort, wo ich einst war. Du warst mein Sch?ler. Und ich hoffe, du wirst es wieder sein.?
Ich las die Zeilen mehrmals. Nathanael. Der Name hallte in mir wie ein lang vergessenes Lied. Das war der Name meines einstigen Sch?lers gewesen! Ein Gesicht, ein Lachen, eine Stimme ? alles kam in verschwommenen Konturen zur?ck. Kein Zauber war in der Schriftrolle verborgen, kein runengebundenes Wissen. Nur Worte, voller W?rme. Und Trauer. Worte, die keinen Zauber brauchten, um tief zu wirken. Ich wusste nicht mehr, wann ich sie geschrieben hatte. Oder warum. Aber ich wusste, dass sie echt waren. Echtheit hatte einen Geruch. Den von Tinte, altem Pergament und der Spur eines Gef?hls, das nicht vergeht.

Ein leiser Schauder lief mir ?ber den R?cken. Nicht aus Angst, sondern weil etwas in mir zum ersten Mal seit Langem wieder an die M?glichkeit glaubte, dass Erinnerungen mehr waren als blo?e Vergangenheit. Vielleicht war da ein Rest von Magie, nicht in der Schrift, sondern im Umstand ihres Wiederfindens. Vielleicht war dies der richtige Moment, sie wieder in die Hand zu nehmen. Vielleicht, dachte ich, war dies ein Fingerzeig ? nicht aus der Vergangenheit, sondern von dem, was ich beinahe geworden w?re.

Langsam erhob ich mich, trat zum Schild an der Wand ? der alte Kraken, ?ber den ich l?ngst zu l?cheln gelernt hatte. Daneben lehnte wie immer mein Stab. Auf dem Sims unter dem Kraken lagen die vergessene Harfe, die Laterne, die Sanduhr, die Kr?uter und der Schmiedehammer. Ich strich mit der freien Hand sacht ?ber den Holzrahmen der Harfe und verharrte einen Moment vor der Sanduhr, deren feiner goldener Sand langsam nach oben trieb, wie kleine Teilchen in Wasser. Wie oft hatte ich versucht, die Zeit zu halten? Wie oft war sie mir entglitten? Jeder Gegenstand dort war mehr als Dekor ? er war Teil einer Geschichte. Und heute, so sp?rte ich, w?rde sich ein weiteres Kapitel dazu gesellen.

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Ich wollte gerade die Schriftrolle in mein Notizbuch zur?cklegen, als die T?r aufgesto?en wurde.

Nicht langsam. Nicht vorsichtig. Sondern mit der Entschlossenheit eines Gewitters. Lirael stand in der T?r, atmend wie nach einem Sturmlauf, das Haar zerzaust, ihr Blick wild. Hinter ihr peitschte der Wind ein paar welk gewordene Bl?tter ?ber die Schwelle ? das Einzige, was sich zu trauen schien, ihr zu folgen.

Die Ger?usche ihrer Schritte hatten nicht einmal Zeit gehabt, die Dielen zu warnen ? so pl?tzlich, so unmittelbar stand sie da. Eine Elfe, gezeichnet von Wind und Wissen, mit Bl?ttern im Haar und dem Echo des Laufs noch in den Augen.

?Bareti!? ? Der Ruf war kein Hilferuf, sondern ein Alarm. ?Sie kommen. Heute. Noch vor Mitternacht. Ich habe ihn geh?rt ? er hat genug. Sie wollen alles niederbrennen.?

Ein Schlag in die Magengegend w?re weniger heftig gewesen. Doch ich blinzelte nur ein einziges Mal, dann war ich schon in Bewegung. Der Tee blieb dampfend zur?ck, wieder einmal. Seine W?rme war noch da, aber die Ruhe, die er spenden sollte, hatte sich verfl?chtigt.

?Nicoletta! Ulaf! In die K?che!?, rief ich, w?hrend ich Lirael mit einer knappen Geste bedeutete, mitzukommen. Die Worte hallten nicht laut, aber bestimmt durch den Raum ? und der vertraute Klang von Anspannung wich in der Taverne einem flinken Ger?usch von St?hlen, die zur?ckgeschoben wurden. Alles wurde pl?tzlich sehr klar, sehr echt. Kein Platz f?r Zweifel, kein Platz f?r Erkl?rungen.

In der K?che roch es nach Most und warmem Brot, wie an den besten Tagen ? eine tr?gerische Erinnerung an Frieden. Doch an diesem Abend wurde kein Teller mehr angerichtet, keine Kelle mehr geschwungen. Nicoletta hatte bereits ihre ?rmel hochgekrempelt, ihre H?nde ruhten auf der Kante des Tisches wie auf dem Griff eines Werkzeugs, bereit. Ulaf zog sich wortlos einen G?rtel mit Werkzeug ?ber ? nicht zum Bauen, sondern zur Verteidigung. Es war ein G?rtel, den ich zuvor nur gesehen hatte, wenn er tief in den Minen unterwegs gewesen war. Der Hammer daran war kein Symbol. Er war Werkzeug. Und Waffe.

Lirael stellte sich nahe an den Herd, spannte die Schultern, als wollte sie sich mit der Dunkelheit da drau?en messen. Ihre Augen funkelten nicht vor Angst, sondern vor Entschlossenheit. Ich kannte diesen Blick. Ich hatte ihn in anderen Zeiten gesehen, in anderen Kriegen. Damals war ich keine Wirtin gewesen.

Niemand stellte Fragen. Nicht mehr. Es war, als h?tte das Knarren der T?r vorhin nicht nur Lirael eingelassen, sondern auch etwas geweckt, das wir alle zu lange ignoriert hatten: den Willen, zu bleiben. Nicht nur zu ?berleben, sondern etwas zu sch?tzen. Nicht aus Pflicht. Aus Zugeh?rigkeit.

Noch bevor ich die ersten Anweisungen geben konnte, fiel mein Blick auf zwei G?ste am Ende des Raumes ? ein alter Mann mit sch?tterem Haar und ein junges M?dchen, das aussah, als h?tte sie sich hier nur vor dem Regen versteckt. Sie hatten sich unauff?llig verhalten, kaum gesprochen, aber jetzt war nicht der Moment f?r Beobachter oder Unbeteiligte, die zu schaden kommen k?nnten.

?Verzeiht, liebe G?ste?, sagte ich und trat einen Schritt n?her, die Stimme sanft, aber bestimmt. ?Ich f?rchte, die Taverne wird heute Nacht nicht die sichere Zuflucht sein, die sie zu sein verspricht. Wir haben von einem drohenden Angriff erfahren ? ich kann euch nicht in dieser Gefahr lassen.?

Der Mann hob die Brauen, doch ich hob beschwichtigend die Hand. ?Es richtet sich nicht gegen euch, aber wir m?ssen vorbereitet sein, und das bedeutet, jeden zu sch?tzen ? auch, indem wir euch bitten, zu gehen.?

Das junge M?dchen neben ihm wirkte einen Moment lang, als wolle sie widersprechen, doch sie senkte den Blick und nickte. ?Dann danke ich f?r den Schutz bis hierhin?, fl?sterte sie.

?Nehmt bitte eure M?ntel und geht durch die Seitent?r beim Kr?utergarten?, fuhr ich fort. ?Haltet euch nicht auf und sagt niemandem, dass ihr heute Abend hier wart. Es ist besser so ? f?r euch nicht f?r uns.?

Nicoletta trat neben sie, freundlich, aber bestimmt, und reichte dem M?dchen den Mantel. ?Kommt, ich bring euch hinaus. Der Weg ist trocken ? ich habe ihn vorhin noch selbst gestreut.?

Sie gingen, leise, beinahe ehrf?rchtig. Keine weiteren Fragen, kein R?ckblick. Nur ein letzter Blick des alten Mannes, ein kurzer, fester, der mehr sagte als Worte.

Ich sah ihnen nach, bis sich die T?r wieder schloss.

Dann drehte ich mich wieder um.

?Sie kommen nicht, um zu verhandeln?, sagte ich, w?hrend ich das Notizbuch aufklappte. ?Und sie werden uns nicht noch einmal ?berraschen.?

Der Plan entstand nicht aus einem Guss, sondern aus vielen Stimmen: Lirael kartierte schnell m?gliche Zug?nge und nannte Stellen, an denen der Feind sich am wahrscheinlichsten n?hern w?rde. Nicoletta organisierte die Versorgung, Ulaf aktivierte magische Schwellen und Schutzsteine ? Reste alter Zwergenrunen, kombiniert mit meiner Magie. Die Taverne war kein Bollwerk, aber sie war auch kein Opfer.

Zug?nge wurden gesichert, Fensterl?den verst?rkt, geheime Fluchtwege ?berpr?ft. Alte Truhen mit vergessenen Tr?nken wurden ge?ffnet, Pergamente entrollt, deren Siegel l?ngst gebrochen waren. Jeder bereitete sich, als g?be es kein Morgen ? nicht, weil wir verzweifelt waren, sondern weil wir unsere Taverne sch?tzen wollten. Jeder Gegenstand wurde gepr?ft, jede T?r zweimal verschlossen, jede Flasche begutachtet. Nicoletta hatte sogar einen Hocker zerschlagen, nur um sicherzugehen, dass sich kein Spion darin verkrochen hatte ? halb im Scherz, halb im Ernst. Selbst der Boden wurde nach alten, kaum sichtbaren Runenmustern abgesucht.

Ich selbst beschwor Elementare, nicht um zu k?mpfen, sondern um dem Feuer zu helfen. Ich lie? Wasserelementare in das Dach kriechen, damit sie dort warteten und auf Brands?tze reagierten. Erdelementare verankerte ich an den Au?enw?nden ? sie sollten verhindern, dass jemand uns in den R?cken fallen konnte, sollten Stein und Lehm festigen. Niedere Luftelementare lie? ich zwischen die Querbalken des Dachstuhls gleiten, wo sie auf z?ngelnden Rauch reagieren konnten. Ihre Bewegungen waren kaum zu erkennen ? ein Flackern im Staub, ein Wispern im Holz.

Zus?tzlich platzierte ich eine Reihe kleiner, unscheinbarer Kristalle entlang der Fensterrahmen. Jeder von ihnen enthielt eine winzige magische Essenz ? genug, um im Moment des Angriffs ein Echo zu senden, das mir ihre Position verriet. Ein Netz aus Wahrnehmung, fein wie Spinnf?den, aber bereit, jede St?rung zu melden.

Schlie?lich, als alles vorbereitet war, zog ich ein weiteres, sorgf?ltig gefaltetes Pergament aus meiner Lade. Es war bl?ulich, an den R?ndern mit feinem Goldstaub ?berzogen. Der Faden, mit dem ich es versiegelte, war t?rkis ? genau wie mein Notizbuch. Und der Name auf dem Umschlag war: Aetherium.

Ich schrieb in klarer, fester Hand. Nicht um Hilfe zu bitten, sondern um zu berichten: ?Ein Angriff steht bevor ? heute Nacht. Durch f?hige Ohren haben wir rechtzeitig davon erfahren. Unsere Gegenspieler haben versagt und wollen jetzt Feuer sprechen lassen. Wir bereiten uns vor. Die Pl?ne, ?ber die wir zuletzt sprachen, m?ssen vorgezogen werden. Die Taverne wird nicht fallen ? nicht, wenn wir das Morgen selbst mit formen.?

Dann legte ich den Brief in die Krallen eines Kr?henboten, der im Dachstuhl genistet hatte ? ein Vogel mit schimmerndem Gefieder, der nie gez?hmt, aber oft gef?ttert worden war. Ich hielt kurz inne, sah ihm in die Augen. ?Flieg schnell. Und sei vorsichtig.?

Er flog in die Nacht hinaus, als w?re er schon immer unterwegs gewesen.

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Die Minuten zogen sich. Wir sprachen nur leise, unwillig in der Wachsamkeit nachzulassen. Die Laterne ?ber dem Kamin gl?hte ruhig, so hell wie nie zuvor. Sie war unser stilles Signal ? solange sie brannte, standen wir noch.

Nicoletta ging noch einmal durch den Schankraum, z?hlte ihre Schritte, pr?fte die Sichtlinien. Sie markierte mit Kreide die Stellen, an denen die Sicht besonders gut war ? und jene, wo wir uns verstecken konnten. Ulaf legte eine kleine Rune unter den Tresen, ihre Konturen glommen matt. Eine zweite klebte er an das Fenster zur Hofseite. ?F?r eine kleine ?berraschung?, murmelte er. Lirael stand an einem Fenster mit guter Sicht, gespannt wie ihr Bogen. Ihre Augen bewegten sich kaum, so konzentriert war ihr Blick. Und ich? Ich sa? nicht mehr, sondern stand, den Blick zur T?r gewandt, wie eine Statue aus Licht und Wille. Zumindest war das meine Hoffnung.

?Sie kommen?, sagte Lirael. ??ber den Hauptweg, aber das werden nicht alle sein.?

Als der erste Pfeil das Fenster durchschlug, war niemand ?berrascht. Ich zuckte nicht. Ein Atemzug sp?ter folgte ein Krachen ? ein Flammenwurf zerschellte an der Au?enwand, lie? den Putz splittern und Flammenzungen auflodern. Nicoletta st?rmte mit einem Eimer Sand zur T?r, warf ihn gegen die Flammen am Boden. Ihre Bewegungen waren schnell, entschlossen ? nicht das erste Mal, dass sie in einer brenzligen Lage stand.

?Gesichert!?, rief sie. ?Wir werden nicht nachgeben, keine Handbreit!?

Lirael antwortete mit einem Schuss aus ihrem Bogen ? pr?zise, lautlos, t?dlich. Der Pfeil durchbohrte das Fensterholz und ein dumpfer Laut lie? erahnen, dass er sein Ziel fand.

Ich hob langsam die Hand, wob arkane Kr?fte um meine Mitstreiter, schloss sie ein in Netze aus Reflex, Schutz und St?rke. Nicolettas Bewegungen wurden flie?ender, Ulafs Sinne sch?rften sich sichtbar, Liraels n?chste Pfeile flogen mit noch gr??erer Pr?zision.

Die Fensterl?den barsten auf, als ein zweiter Feuerkrug zischend an der Au?enwand explodierte. Rauch kroch durch die Ritzen, biss sich in Augen und Lungen. Ich schleuderte einen Windzauber zur R?ckseite ? nicht stark, aber genug, um den dichten Qualm aus dem Hauptraum zu dr?cken.

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Ulaf hatte sich neben dem Tresen in Stellung gebracht. In seiner Hand glomm ein Runenstein, der bei jedem Schritt eines Feindes vor der Schwelle kurz aufflackerte. ?Sie sind zu dritt an der Westseite!?, rief er. ?Und zwei im Hinterhof!?

Lirael reagierte schneller als ein Schatten. Ihre Pfeile flogen mit be?ngstigender Pr?zision durch die angelehnten Fensterl?den. Ein dumpfer Schrei, dann Stille. Nur noch einer.

Ich hatte mich in die Mitte des Raums begeben, meine H?nde zu beiden Seiten erhoben. Zwei magische Kreise flammten am Boden auf ? einer direkt vor dem Fenster am Kamin, der andere unterhalb der T?r. Wer unachtsam eintrat, w?rde nicht weit kommen. Die Kreise summten, bereit zu greifen, bereit zu bannen.

Ein dumpfer Knall ? die Au?ent?r wurde aufgebrochen. Einer der Angreifer st?rmte ins Lager, keuchend, mit einer brennenden Fackel wurfbereit in der Hand. Er sah sich nicht lange um. Doch Nicoletta war schneller: Mit einem Schwung der K?chenpfanne ? aus schwerem Gusseisen ? traf sie ihn am Hinterkopf. Der Mann sackte zusammen, die Fackel klirrte zu Boden.

?Verh?rt wird sp?ter!?, rief sie, und l?schte die Flammen mit weiterem Sand. Dann schob sie einen Schemel vor die T?r, als ob er eine Barriere w?re ? aber in ihren H?nden schien selbst Holz zu gehorchen.

Ich konzentrierte mich erneut. Eine blaue Lichtkugel formte sich ?ber meiner linken Hand und pulsierte im Takt meines Herzschlags. Als ein weiterer Angreifer durch das vordere Fenster sprang, schleuderte ich ihm die Kugel entgegen. Der Einschlag war lautlos ? doch der Eindringling blieb reglos liegen. Eine zweite Kugel begann sich bereits zu formen.

?Wie viele noch??, rief ich gegen den L?rm.

?Es werden nicht weniger!?, antwortete Lirael mit knapper Stimme. ?Aber sie werden vorsichtiger.?
Zuletzt geändert von Bareti am 13 Jun 2025, 14:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Feuer, Feder & Fundament ? oder: Wie wir uns den Boden zur?ckholten.

Beitrag von Bareti »

Episode XV
?Feuer, Feder & Fundament ? oder: Wie wir uns den Boden zur?ckholten.?
Erz?hlt von Bareti, Wirtin mit klarem Verstand ? und wenig Geduld f?r ?bergriffe.

Die Nacht hatte sich wie ein dunkles Tuch ?ber das Land gelegt, schwer vom Rauch, durchzogen vom Glanz lodernder Flammen. Die Taverne brannte nicht ? noch nicht. Doch ringsherum z?ngelten Feuerzungen an Holz und Heu, entz?ndet von Feinden, die mehr wollten als nur Rache: Sie wollten Ausl?schung. Die Fensterl?den klapperten im hei?en Wind, und die Schatten der Angreifer tanzten ?ber die feuchten Pflastersteine wie drohende Geister. Es war ein Angriff auf alles, wof?r wir standen ? und wir wussten es.

Lirael war die Erste, die geantwortet hatte. Lautlos, wie ein Schatten, hatte sie sich aufs Dach geschwungen. Zwischen zwei der alten Querbalken kauerte sie, der gr?ne Umhang halb ?ber das Gesicht gezogen. Ihre Bewegungen waren flie?end, jeder Atemzug kontrolliert. Ihre Pfeile flogen wie Gedanken: schnell, zielsicher, still - nur das dumpfe Aufprallger?usch k?ndete vom Ende ihrer Reise. Ein Gegner taumelte, ein zweiter sank mit einem Pfeil in der Kehle zu Boden. Von oben konnte sie das gesamte Geschehen ?berblicken ? sie war unser Auge im Dunkel.

Unten, bei der Hintert?r, stand Ulaf. Breitbeinig, mit glimmendem Hammer und der Erde unter seinen Sohlen. Ein schwerer Wagen ? offenbar als Rammbock gedacht ? rollte auf ihn zu, geschoben von zwei dunkel verh?llten Gestalten. Der Zwerg schnaubte, hob den Hammer, und als er auf den Boden krachte, zersprang der Stein unter seinen F??en ? wuchtige Splitter schnellten hervor, trafen die Angreifer wie Speere. Der Wagen ?chzte, fiel zur Seite. "Bei den b?rtigen Adern der Tiefen ? nicht mit mir!", grollte Ulaf, w?hrend sich der Boden ringsum aufzuw?lben schien. Der Zwerg lie? seinen Hammer kreisen, und jedes Mal, wenn er zuschlug, bebte die Welt ein wenig mehr. Zwei weitere Angreifer, die aus dem Schatten traten, wurden von herausschie?enden Steinplatten zu Boden gerissen. Er war nicht nur ein Krieger ? er war ein Bollwerk.

Ich stand am Eingang, das t?rkisfarbene Notizbuch in der einen Hand, den alten Stab in der anderen. Die Entscheidung war l?ngst gefallen ? und sie f?hlte sich an wie ein Versprechen an mich selbst. Ich murmelte die Worte, die ich lange vermieden hatte, Worte aus einem anderen Leben. Der Zauber floss nicht aus dem Stab, sondern aus mir. Eine schimmernde Kuppel aus t?rkisfarbenem Licht w?lbte sich empor, wogte ?ber die T?r hinweg, lie? Pfeile in der Luft zersplittern und Hitze verpuffen. Die Schutzsph?re summte in meinen Ohren, als w?rde sie meine Gedanken h?ren.

Ich schloss das Notizbuch und steckte es eilig weg. Die jetzt freie Hand ballte zur Faust und lenkte die gesammelte Kraft in die Spitze meines Stabs. Der zweite Zauber formte sich, schneller, rauer: eine Druckwelle, verdichtet wie eine Faust aus Luft. Ich schleuderte sie auf das Nebengeb?ude zur Rechten ? dort, wo sich schemenhafte Gestalten mit B?gen verbargen. Die Explosion war dumpf, holzig, und hallte durch die Ebene. Zwei K?rper wurden fortgeschleudert, einer st?rzte vom Dach, der andere blieb reglos liegen. Der Rauch sog sich zusammen, zog sich zur?ck wie ein erschrockener Zeuge.

Nicoletta hatte sich neben mich gestellt. Der Bogen in ihrer Hand wirkte fast fehl am Platz ? doch nur f?r einen Augenblick. Der erste Pfeil verfehlte, der zweite traf, der dritte brachte einen der Angreifer zu Fall. Dann krachte ein Fenster, ein dunkler Schatten sprang durch das zerborstene Holz, und Nicoletta war pl?tzlich eine andere. Mit einem Ruck zog sie ein Kurzschwert aus dem G?rtel, bewegte sich geschmeidig, entschlossen, und parierte den Hieb des Eindringlings mit einer Drehung, die an ?bung erinnerte. Ein Schnitt, ein Tritt, ein sauberer Hieb. Blut spritzte, der Angreifer wich zur?ck.

?Du hast den falschen Ort gew?hlt?, sagte sie leise. Es war mehr als nur eine Drohung. Es war ein Schwur. Und in diesem Moment, im flackernden Licht der brennenden F?sser, sah ich in ihrem Blick dieselbe Entschlossenheit, die mich antrieb.

Der Kampf war entbrannt ? nicht nur um Steine, Holz und Glas. Sondern um das, was wir alle hier gefunden hatten: einen Ort, der z?hlte.

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Die Angreifer sammelten sich neu. Offenbar hatte jemand unter ihnen die F?hrung ?bernommen, denn ihre Bewegungen wurden strukturierter. Zwei Gruppen begannen gezielt, den oberen Stock anzuz?nden ? sie warfen Pechkr?ge, zerschlugen Fenster, hielten Fackeln bereit. Die Hitze kroch unter das Dach, ein beunruhigendes Knistern lag in der Luft. Schon begannen einzelne Dachbalken zu ?chzen, Funken rieselten wie gl?hender Schnee in den Hof.

Nur dank der Wasserelementare hatten wir ?berhaupt genug Zeit, um zu reagieren. W?hrend die Flammen von oben versuchten, das Dach zu entz?nden, wirkten die Wesen aus dem Innern der Taverne heraus sch?tzend. Ihr Wasser schien zu denken, zu f?hlen ? es war nicht nur ein Element, es war eine Absicht. Die niederen Luftelementare, kaum gr??er als Katzen, entzogen dem Feuer die Luft und formten kleine Wirbel aus sauerstoffleerem Wind, die die Flammen aushungerten, noch bevor sie sich entfalten konnten. Ihre Bewegungen waren hastig, beinahe verspielt, doch ihre Wirkung war verheerend ? f?r das Feuer.

?Nicht dieses Dach?, fl?sterte ich ? mehr zu mir selbst, als zum Himmel ? und rief w?hrenddessen die arkanen Kr?fte in mir zusammen. Die Worte formten sich schnell, klar, in einer alten Zunge, deren Klang das Knacken der Flammen ?bert?nte. Ich riss den Stab in die H?he, wirbelte ihn im Kreis ? dann senkte ich ihn in die Erde. Der Boden vibrierte. Der Himmel antwortete.

Ein Wind erhob sich, kalt und voller Ozon. Staub wurde aufgewirbelt, brennende Stofffetzen flogen empor wie erschrockene V?gel. Dann das erste Grollen, tief und weit entfernt. Blitze zuckten durch die Wolken, die ich selbst heraufbeschworen hatte ? eine Gewitterfront, geboren aus Not und Entschlossenheit. Wolken t?rmten sich, schwollen an wie die Brust eines zornigen Riesen. Und mit dem Grollen kam der Regen.

Dick, kalt und schwer prasselte er nieder. Er schlug die Flammen nieder, l?schte das Pech, lie? Funken zischen. Die Ger?usche wurden ged?mpft, das Feuer wehrte sich, aber der Regen war unnachgiebig. Ich schickte die Wasserelementare ? drei an der Zahl ? hinaus. Sie glitten durch die Glut wie Schatten aus Gischt, warfen sich ?ber Brandherde, erstickten lodernde Balken mit ihren fl?ssigen Leibern. Einer von ihnen erhob sich in Menschengestalt, nur um sich wie ein Schleier ?ber ein ganzes Dachfenster zu legen. Ein anderer schl?ngelte sich durch den Hof, spie Wasser in breiten B?gen, w?hrend der dritte mit einer Art freudiger Wut gegen einen Angreifer prallte und ihn samt Fackel r?cklings in eine Schlammpf?tze schleuderte.

Dann, ein Ruf von oben: ?Anf?hrer entdeckt!? ? Liraels Stimme, scharf wie ein Pfeil selbst, durchbrach das Tosen.

Ich blickte auf. Dort, auf dem Kamm, der sich zwischen Moonglow und der Taverne zog, stand ein massiger Mustang, dessen Fell im Regen gl?nzte wie poliertes Ebenholz. Auf seinem R?cken: ein Krieger, ganz in Schwarz, ger?stet bis zu den Z?hnen. Kein Brigant. Kein S?ldner. Ein Anf?hrer. Seine R?stung war von einem dunklen Violett durchzogen, kaum sichtbar im Regen, aber unheilvoll leuchtend, wenn der Blitz kam.

?Na endlich?, sagte ich ? und begann einen weiteren Zauber zu wirken ?

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Die Magie str?mte durch mich, kraftvoll, geordnet ? doch wild in ihrer Tiefe. Diesmal kein Schutz, keine Elementare. Ich rief nach etwas Anderem. Aus dem Stab selbst ? aus seiner Spitze, in die einst uralte Siegel gebrannt worden waren ? ?ffnete sich eine Falte des Raums, die nur jenen offenstand, die bereit waren, Konsequenzen zu tragen. T?rkis leuchtend, zischend, brach ein Riss hervor. Rauch trat aus. Und dann trat er hindurch ? nicht gro?, nicht gefl?gelt, kein Schrecken aus den Tiefen der Verdammnis, sondern ein J?ger. D?nn, hager, mit langen Klauen und zwei Augen, die wie Flammen brannten. Ein D?mon ? gebunden an mein Artefakt, uralt, gef?hrlich, und f?r diesen einen Zweck freigegeben. Ich sp?rte die uralte Bindung pochen, als w?rde mein Stab selbst atmen. Jede Bewegung des Wesens war durch die Runen an der Stabspitze begrenzt ? kontrolliert. Noch.

?Bindung: Angriffsziel ? Reiter auf dem H?gel?, fl?sterte ich, und der D?mon stie? ein kehliges Knurren aus. Dann rannte er los. Er sprang durch das Fenster, unmenschlich weit, seine Bewegungen unnat?rlich geschmeidig, als w?re die Welt selbst f?r ihn por?s geworden.

Der Anf?hrer sp?rte es. Er lenkte seinen Mustang zur?ck, stieg ab, zog das Schwert ? eine Klinge aus schwarzem Metall mit violettem Schimmer, deren Aura sich dem D?mon entgegenzusetzen schien. Die beiden Wesen prallten aufeinander. Krallen gegen Klinge, Flamme gegen Rauch. Der D?mon schlug wild, ungest?m, doch der Krieger hielt stand ? nicht ohne M?he. Sie tanzten im Regen, ein Duell aus Schatten, das sich drehte, sprang, tobte. Jeder Treffer zischte im Regen, als w?rde der Himmel selbst den Kampf zu l?schen versuchen.

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Ich wollte bereits eingreifen, als der Anf?hrer pl?tzlich taumelte. Er schnappte nach Luft, lie? das Schwert sinken, seine Finger tasteten an seinem Hals.

Der D?mon z?gerte keine Sekunde und nutzte die Schw?che, er stie? dem Anf?hrer Klauen, lang wie Dolche in die seitlichen L?cken der Panzerung. Er holte gerade aus um dem Anf?hrer den Kopf abzurei?en, als ich ihn erneut Bann. Ein fl?chtiges Aufglimmen im T?rkis meines Stabs, ein Zischen, wie das Schlie?en eines Schlosses. Die Bindung kehrte zur?ck, der Riss versiegelte sich, der D?mon wurde zur?ck gezerrt. Er w?tete und zum ersten mal seit Jahren erklang seine Stimme, unheilvoll und m?chtig.??Noch drei Mal kleine Magierin, dann bricht der Pakt! Dann werde ich mich r?chen!? Dann wurde der D?mon?eingesogen, gebannt, erneut versiegelt in der Tiefe meines Stabs. Ich sp?rte einen kurzen Widerstand, ein letzter Impuls, fast wie Wut ? dann war es still.

Dann sah ich ihn. Er?trat von dem Anf?hrer weg, den schlichten Mytherildolch noch in der Hand, nass, entschlossen.

Nathanael.

Der Junge, den ich einst unterwies, hatte sich in die Nacht gewoben, war selbst zu einem Schatten geworden und in dieser Gestalt blitzschnell teleportiert ? und hatte nicht gez?gert. Die Stichwunde an der Seite des Anf?hrers war tief, gezielt, t?dlich. Ein sauberer, pr?ziser Hieb. Kein Z?gern. Kein Zweifel.

Die letzten Briganten versuchten zu ihm zu eilen ? ein letztes Aufb?umen. Ich hob meinen Stab, sprach die Worte, und ein Kettenblitz fuhr aus den Wolken, verzweigte sich in alle Richtungen, fand jeden einzelnen. Die Luft roch nach Ozon, verbrannter Kleidung ? und endg?ltigem Ende.

Es war vorbei.

Die ?berlebenden flohen. Die Flammen starben. Der Regen blieb. Dampf stieg auf, und mit ihm das letzte Fl?stern der Magie. Es war ein Klang wie aus der Tiefe ? nicht mehr als ein Echo meiner Macht, vermischt mit dem Grollen der nachlassenden Gewitterfront. Die Taverne stand noch, rauchend, zerschunden, aber ungebrochen. Einzelne Dachziegel klangen klirrend zu Boden, und irgendwo weinte ein Tier. Ich atmete tief durch.

Ich wirkte erneut Magie ? diesmal pr?zise, fast sanft ? und stand einen Herzschlag sp?ter dem Anf?hrer gegen?ber. Die Teleportation brachte mich wenige Schritte von ihm entfernt in den Matsch. Ich trat langsam n?her. Der Regen hatte ihn fast unkenntlich gemacht, sein Helm war fort, das Gesicht blutverschmiert, das Kinn von Bartstoppeln bedeckt. Er lag mit verdrehtem Oberk?rper auf der Seite, Blut vermischte sich mit Regenwasser und Erde. Seine Augen weiteten sich, als er mich sah. Nicht aus Angst. Aus Erkenntnis. Und etwas anderem ? Reue vielleicht. Oder Resignation.

?Das h?tte anders laufen m?ssen?, keuchte er, kaum h?rbar. Seine Stimme war rau, br?chig, aber in ihr lag kein Trotz mehr. Nur M?digkeit.

Ich kniete mich nieder, achtete nicht auf den Schlamm, der sich in die Falten meines Wamses sog. Meine Stimme war leise, aber fest. ?Ihr h?ttet euch nicht mit der Taverne anlegen sollen.?

Er l?chelte schwach ? ein schiefer, m?der Zug. ?Es war nur ein Auftrag... ein einfacher Auftrag.?

Ich antwortete nicht. Ich hielt seinen Blick, bis er flackerte.?Ein letzter Atemzug. Dann nichts mehr.

Erst dann sah ich zu meinem einstigen Sch?ler, dem Jungen, der einst mein Sch?ler geworden w?re. Mein Blick traf ihn mit einer Mischung aus M?digkeit und Verwunderung. Zu viele Eindr?cke wirbelten in meinem Kopf ? der Kampf, der D?mon, das Feuer, der Tod des Anf?hrers. Ebenso wie die Schriftrolle, h?tte auch Nathanael nicht hier sein d?rfen. Nicht jetzt. Nicht in dieser Nacht.

Und doch stand er da. Kein Zauber besch?tzte ihn, kein Schild verbarg ihn, nur die N?sse seiner Kleider und der k?hle Blick, der meine Gedanken zu lesen schien. Der Mytherildolch war noch in seiner Hand, von Regen und Blut gereinigt. Eine Geste wie ein Symbol ? nicht Verteidigung, sondern Entscheidung.

?Hallo Bareti?, sagte er schlicht mit rauchiger Stimme, tief und ruhig, als w?rde er mich nach all den Jahren zum ersten Mal wirklich sehen. Ich hatte so viele Male ?ber diesen Moment nachgedacht ? das Wiedersehen mit dem Sch?ler, den ich nie haben durfte. Und doch war dies kein Wiedersehen. Es war ein neues Kennenlernen.

Er war ?lter geworden. Nicht nur an Jahren, sondern an Last. Ich sah die Narben an seinen H?nden, die Schwielen, den misstrauischen Zug um den Mund. Ich sah das Wissen in seinen Augen, das ihn alt machte ? und das Schweigen, das ihn jung hielt.

Und dann erkannte ich ihn.

Er war der seltsame Fremde in der Taverne gewesen. Der, dessen Blick den meinen gesucht hatte ohne ersichtlichen Grund.

Die Erkenntnis traf mich wie ein letzter Blitz: Nathanael war zur?ck, zur?ck aus einer Zeit die verloren war.

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Der Morgen nach dem Angriff war k?hl, aber trocken. Die Luft war noch von Rauch durchzogen, doch das Schlimmste war ?berstanden. Die Taverne hatte dem Angriff standgehalten ? verru?t, ersch?ttert, aber weiterhin intakt.

Das Nebengeb?ude jedoch war ein Totalschaden. Weder Ulaf noch ich hatten Hoffnung, dort noch etwas retten zu k?nnen. Die Tragstruktur war zu stark besch?digt, die Balken verkohlt und instabil. Besonders tragisch war der Verlust der kleinen Werkstatt ? das Projekt eines Jungen, den wir seit Tagen nicht mehr gesehen hatten. Auch sie war ein Opfer der Flammen geworden.

Die Bedeutung der herbeigerufenen Wasserelementare lie? sich an den verbliebenen Spuren ablesen. Ohne ihr Eingreifen h?tte das Hauptgeb?ude vermutlich sein Dach verloren. Noch waren feuchte Linien sichtbar, in denen sie gewirkt hatten ? wie magische Adern, die durch das Chaos verliefen und das Schlimmste verhindert hatten.

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Nicoletta hatte sich bereits an die Erfassung der Sch?den gemacht. Mit bemerkenswerter Sachlichkeit dokumentierte sie die Zerst?rungen, pr?fte die Geb?udestruktur und verteilte Aufgaben zur Wiederherstellung. Hinter ihrer ruhigen Stimme lag jedoch eine sp?rbare Anspannung, die sich in der Effizienz und Geschwindigkeit ihrer Handlungen zeigte.

Ulaf bewegte sich mit einem Wassereimer durch das Gel?nde, als f?hre er ein stilles Ritual aus. Immer wieder benetzte er bereits erkaltete Stellen, w?hrend er in seiner Muttersprache Zwergenworte murmelte ? vielleicht ein Gespr?ch mit dem Boden selbst, ein Versuch, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Sein Verhalten hatte etwas Tr?stliches, fast Meditatives.

Lirael hatte sich ? ganz ihrer Natur entsprechend ? in eine der Eichen zur?ckgezogen, um die Umgebung zu sichern. Niemand hatte es ihr aufgetragen, doch jeder wusste, dass es keinen besseren Posten f?r sie gab. Die Baumwipfel waren ihre Welt, von dort aus behielt sie den ?berblick, sch?tzte uns mit wachsamem Blick. Ihre Abwesenheit war beruhigender als viele andere Gegenwart.

Nathanael hatte sich keineswegs zur?ckgezogen, sondern war demonstrativ an seinen angestammten Platz in der Ecke der Taverne zur?ckgekehrt. Sein Verhalten wirkte bewusst ruhig, beinahe forsch ? als wolle er betonen, dass seine Anwesenheit nicht vor?bergehend, sondern Teil eines gr??eren Vorhabens sei. Die Wahl des Platzes war kein Zufall, sondern ein stilles Signal an alle Anwesenden, dass seine Rolle in dieser Geschichte noch nicht beendet war. Fast beil?ufig ? ob absichtlich oder unbewusst blieb unklar ? hatte er seinen Dolch auf dem Kaminsims abgelegt. Zun?chst schien es niemandem aufzufallen, doch das schlichte, markante St?ck Metall wirkte wie ein unausgesprochenes Symbol seiner bleibenden Pr?senz.

Ich selbst hatte am Tisch vor dem Kamin Platz genommen. Das Notizbuch lag aufgeschlagen vor mir, die Feder lag bereit, doch meine Gedanken kreisten. Im Kamin brannte bereits ein kleines, gleichm??iges Feuer ? nicht um zu w?rmen, sondern um die durchdringende Feuchtigkeit der Nacht aus dem Mauerwerk und den Holzbalken zu treiben. Der Raum roch nach nassem Holz, schwachem Tee und der Asche des zur?ckliegenden Feuers. Ich zwang meine Atmung in ruhige Bahnen, versuchte Kontrolle zu bewahren, w?hrend mein Blick unwillk?rlich immer wieder zur T?r wanderte ? als erwarte ich, dass der n?chste Sturm schon bereitst?nde.

Neben mir sa?en Aetherium und ein Vertreter des Stadtrates. Vor jedem von uns stand eine Tasse Tee. Ich h?tte lieber meinen Most getrunken, doch Aetherium hatte recht behalten ? ein klarer Geist war gefragt. Nathanaels pl?tzliche R?ckkehr hatte zahlreiche Fragen aufgeworfen, doch er hatte sich beschwichtigend gegeben: ?Daf?r ist sp?ter Zeit.?

Und er hatte damit recht. Die Zeit des Abwartens war vorbei. Der Gegenschlag erforderte mehr als blo?e Reaktion ? er verlangte strukturierte Vorbereitung, gezielte Planung und den professionellen Umgang mit Verwaltung und Rechtslage. Wir hatten diesen Konflikt nicht gesucht, aber wir w?rden ihn nun mit Disziplin und Weitsicht zu Ende bringen.

?Sein Name lautet Merevan Halbrecht?, begann Aetherium mit ruhiger Stimme. Mit dieser Namensnennung wurde der bislang anonym agierende Gegenspieler identifiziert ? und verlor damit einen seiner strategisch bedeutendsten Vorteile. ?Sein Vater war vormals Eigent?mer der Taverne ?Zum Goldenen Krug? in Moonglow. Bereits zu jener Zeit bestanden manifeste Interessenkonflikte mit der heutigen Taverne, wobei ?berliefert ist, dass der damalige Eigent?mer durch wirtschaftlichen und m?glicherweise politischen Druck zur Aufgabe gezwungen wurde.?

Aetherium hielt kurz inne, bevor er sachlich fortfuhr: ?Merevan setzt diese aggressive Besitzstrategie seines Vaters fort. Getrieben von der Sorge um den Wert seiner eigenen Einrichtung und die damit verbundenen Eink?nfte, entschloss er sich offenbar, direkte Ma?nahmen gegen Sie, Lady Bareti, zu ergreifen.?

Ein kurzer Blick zur Seite, dann erg?nzte er: ?Der Zustand des ?Goldenen Krugs? l?sst mittlerweile auf eklatante Managementdefizite schlie?en. Die Qualit?t des Betriebs ist stark gesunken, und die Klientel hat sich erheblich ver?ndert. Laut mehreren Quellen umfasst sein Umfeld inzwischen auch kriminelle Gruppen ? vermutlich dieselben Briganten, die den Angriff auf Ihre Taverne ver?bten.?

Der Gelehrte nahm einen Schluck Tee. ??brigens ausgezeichnet, Lady Bareti?, bemerkte er mit einem leichten L?cheln und nickte dem Beauftragten des Rates zu.

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?Im Zuge der umfassenden ?berpr?fung lie?en sich keine nachweisbaren Pflichtverletzungen innerhalb des Rates feststellen. Etwaige verdeckte Einflussnahmen, sofern sie erfolgt sind, wurden derart sorgf?ltig verschleiert, dass sie sich mit den derzeit verf?gbaren Mitteln nicht belegen lassen. Die gegen Sie, Lady Bareti, erhobenen Anschuldigungen wurden formal protokolliert und unterliegen folglich der Pr?fung gem?? den geltenden verwaltungsrechtlichen Verfahren.?

Ich war im Begriff, auf die offensichtliche Absurdit?t vieler dieser Anschuldigungen hinzuweisen, als Aetherium mit einer leichten Geste ? dem Heben eines Fingers ? mir wortlos zu verstehen gab, zu schweigen. Die Geste erinnerte mich an eine fr?here Zeit: an H?rs?le, Disziplin und unausgesprochene Hierarchien.

?Basierend auf der durchgef?hrten Begehung durch den bevollm?chtigten Ratsbeauftragten, in Zusammenschau mit dem von der Academia Ars Magica offiziell best?tigten Leumund sowie dem vermittelnden Einfluss von Junker Hagrobald von Erlengrund?, f?hrte der Beamte sachlich aus, ?wurden die Mehrzahl der gegen Sie erhobenen Beanstandungen nach eingehender Pr?fung formell fallengelassen. Die von Ihnen vorgelegten Unterlagen belegen zweifelsfrei, dass der Betrieb der Taverne durchg?ngig im Einklang mit den geltenden Vorschriften erfolgte und auch die wasserrechtlich relevante Quelle ordnungsgem?? registriert und gef?hrt wurde.?

Er notierte etwas auf einem kleinen Pergament.

?Obgleich die finale technische Pr?fung des Kamins noch aussteht, ist es mir eine besondere Freude, Ihnen hiermit die offizielle Schanklizenz zu ?berreichen. Diese umfasst die konzessionierte Ausgabe alkoholischer Getr?nke, die gewerbliche Bereitstellung von Speisen sowie die tempor?re Unterbringung von G?sten gem?? den Bestimmungen des geltenden Gastst?ttenrechts.?

Er rollte das Schriftst?ck zusammen, versah es mit einem Siegelband und reichte es mir.

?Bitte verwahren Sie die Lizenz gewissenhaft ? sie ist im Bedarfsfall jederzeit einem autorisierten Vertreter des Rates zur Einsicht vorzulegen.?

Anschlie?end entrollte der Beamte ein weiteres Dokument. ?Gem?? der bestehenden Vereinbarung mit dem Rat der Stadt Moonglow wird Ihnen hiermit formell der Eigentumstitel f?r das 'Flurst?ck 86/1 - Flur 27 - Liegenschaft 7422 im Bereich 7b, nordwestlicher Verwaltungsbogen der Au?enbezirke Insel Moonglow' ?bertragen. Die vertraglich vereinbarte Kaufpreiszahlung ist innerhalb eines Zeitraums von vierzehn Tagen vollst?ndig an die zust?ndige Stadtkasse zu leisten. Die fr?hzeitige ?bergabe des Titels erfolgt im Vertrauen auf Ihren ausgezeichneten Leumund und die ordnungsgem??e Abwicklung aller weiteren Schritte.?

Auch dieses Dokument wurde mir mit einem f?rmlichen L?cheln ?berreicht, woraufhin sich der Beamte erhob.

?Lady Bareti, es ist mir eine besondere Ehre, Sie nun formell als rechtsg?ltig eingetragene B?rgerin der Stadt Moonglow auf unserer Insel begr??en zu d?rfen. Ich w?nsche Ihnen einen erfolgreichen Verlauf Ihrer weiteren Unternehmungen.?

Mit seinem Abschied wich nicht nur der Beamte aus meiner Taverne ? auch die meisten Sorgen der letzten Wochen hatten sich pl?tzlich in Luft aufgel?st.

Aetherium l?chelte noch, als der Beamte die T?r hinter sich schloss.

?Sie haben in dieser Angelegenheit durchaus an Einfluss gewonnen, Lady Bareti ? jedoch nicht ohne Konsequenzen. Ebenso wie Sie nun ?ber neue Unterst?tzer verf?gen, haben Sie sich auch neue Gegner geschaffen. Und gestatten Sie mir die Bemerkung: Ich erinnere mich, dass Sie urspr?nglich nicht die Absicht hegten, sich in eben jene politischen Sph?ren einzubringen.?

Ich wollte etwas erwidern, doch ein Blick von ihm brachte mich zum Schweigen.

?Was Merevan Halbrecht betrifft, so besteht aus gegenw?rtiger Sicht kein Anlass zur Besorgnis mehr. Sein politischer Einfluss innerhalb des Rates ist ma?geblich geschw?cht worden, und auch auf der Ebene adliger Netzwerke wurde ihm die Unterst?tzung entzogen ? insbesondere durch den Junker, der ihn nicht l?nger zu seinem engeren Kreis z?hlt.?

?Da wir vom Junker sprechen?, begann ich schlie?lich, ?d?rfte ich dann davon ausgehen, dass mein Schreiben seine Zustimmung fand??

Aetherium best?tigte mit einem knappen Nicken. ?In der Tat ? er hat sein Wohlwollen zum Ausdruck gebracht. Allerdings ersucht er nun um eine detaillierte Aufschl?sselung des geplanten Vorgehens sowie um einen verbindlichen Zeitplan hinsichtlich der operativen Umsetzung.?

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Noch lange, nachdem sich die T?r hinter Aetherium?geschlossen hatte, blieb es still. Nur das Knacken des Feuers und das ferne Tr?pfeln vom Dachrand begleiteten unsere Gedanken. Die Luft war schwer vom Gewicht des Vergangenen ? und zugleich erf?llt von etwas Neuem. Es war nicht Hoffnung, nicht einmal Erleichterung. Es war die stille Gewissheit, dass nun ein anderer Abschnitt begann.
?Die Mauern stehen, das Feuer w?rmt ? und das Recht tr?gt nun meinen Namen. Die Taverne ist nicht l?nger nur Zuflucht. Sie ist Anspruch. Und Verpflichtung. Wer hier einkehrt, betritt mehr als ein Geb?ude. Er betritt eine Idee. Und jene, die sie angreifen, erkennen nun, dass sie mit Stahl allein nichts gewinnen k?nnen. Magie, Gemeinschaft und Wille sind st?rker als Gier und Gewalt. Wenn dieser Ort eines lehrt, dann dass Widerstand nicht laut, sondern standhaft ist ? und dass selbst Stille eine Form der Antwort sein kann.?
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Tintenfass, Taufe & Turbulenzen ? oder: Wie wir wurden, was wir sind

Beitrag von Bareti »

Episode XVI
?Tintenfass, Taufe & Turbulenzen ? oder: Wie wir wurden, was wir sind?
Erz?hlt von Bareti, Wirtin mit R?ckgrat, Feder ? und Familie.

Es war ein seltener Abend auf der Insel ? die Luft k?hl und klar, der Himmel von Sternen ?bers?t. Das Licht des Himmels spiegelte sich in den Fensterscheiben der Taverne, ?ber deren Kamin das geschnitzte Bild eines Kraken hing. Acht geschwungene Arme breiteten sich ?ber das Holz aus, frisch ge?lt und lebendig wirkend, als w?rde sich das Bild im Spiel des Lichtes bewegen. Inmitten der Tentakel lag ein leerer Kreis ? r?tselhaft, voller Bedeutung, als warte er nur auf diesen Abend. Ein kaum wahrnehmbares Glimmen ging von ihm aus ? wie ein stilles Versprechen. Die Flammen warfen zuckende Schatten an die W?nde, die den Raum wie eine B?hne erscheinen lie?en, als w?rde gleich etwas beginnen.

Drinnen knisterte das Feuer, begleitet vom Duft frischen Brots und w?rziger Kr?uter. Ulaf, der Zwerg, hatte die Sudkessel inspiziert ? wortkarg wie immer, aber mit dem sicheren Blick eines erfahrenen Handwerkers. Niemand zweifelte an seiner Einsch?tzung: Heute w?rde alles gelingen. Sorgf?ltig hatte er einen frischen Krug vom besten Most abgef?llt und sich dann mit einem Ale an den Tisch am Kamin gesetzt. Er warf hin und wieder einen pr?fenden Blick zur T?r ? als erwarte er jemanden oder etwas. Er schien selbst nerv?s zu sein, obwohl er es niemals zugeben w?rde. Und auf seine Weise sorgte auch er f?r Ordnung ? mit Brummen, Knurren und der Entschlossenheit eines Mannes, der l?ngst Teil von etwas Gr??erem war.

Lirael, die Waldelfe, sa? abseits, aber wachsam. Seit sie der Taverne in schweren Stunden zur Seite gestanden hatte, war sie kaum noch weg zu denken. Sie kam nicht immer in die R?umlichkeiten der Taverne, doch ihre N?he war stets sp?rbar. Ihre stille Pr?senz wirkte wie ein lebendiger Zweig im Gef?ge dieses Abends. Niemand sprach sie an, doch jeder sp?rte, dass sie wachte ? nicht ?ber die Taverne, sondern ?ber das, was darin entstehen sollte. Ihre Augen glitten immer wieder zu dem Kraken ?ber dem Kamin, als w?rde sie dort Antworten suchen, die niemand laut aussprach.

Nicoletta stand am Tresen und hatte mit stiller Sorgfalt f?r alles gesorgt. Die Gl?ser waren poliert, die B?nke geordnet, ein Kranz aus Trockenblumen zierte das Fenster. Sie trug ihr Haar heute locker, eine einzelne Str?hne klebte an ihrer Wange, w?hrend sie sich ?ber das Holz beugte. Doch sie wirkte ruhig, bereit. Sie sprach kaum ein Wort, aber sie war pr?sent wie das Herz einer Uhr, das unerm?dlich schl?gt. Am Tresen standen zwei Tonkr?ge bereit, ihre Hand lag eine Weile auf dem einen, bevor sie weiterging. Nicht als Kellnerin, nicht als Magd ? sondern als jemand, der verstanden hatte, dass der Raum nicht nur bedient, sondern auch besch?tzt werden wollte.

Hinten im Schatten sa? Nathanael, ruhig, aber beobachtend. Der Blick meines ehemaligen Sch?lers war ruhig und ernst, und ich wusste, dass er nicht nur wegen mir gekommen war. Seine Pr?senz war wie ein stiller Pr?fstein f?r diesen Abend ? als ob er sp?ren wollte, ob all das mehr war als ein sch?nes Wort. Er hatte sich bewusst nicht in den Mittelpunkt gesetzt, sondern jenen Winkel gew?hlt, aus dem er das Ganze ?berblicken konnte. Seine Finger lagen gefaltet auf dem Oberschenkel, doch die Kn?chel waren leicht angespannt ? ein stilles Zeichen, dass er sich vorbereitete, zu reagieren, sollte etwas aus dem Ruder laufen. Nathanael hatte schon immer dieses stille, fast akademische Misstrauen gegen?ber zu gro?en Worten. Ich erinnerte mich an unz?hlige Stunden, in denen er mit kritischer Stimme meine Argumente zu zerpfl?cken versuchte ? nicht aus Trotz, sondern aus dem tiefen Wunsch, die Wahrheit dahinter zu erkennen.

Dann betrat ich ? Bareti ? den Raum. Die ?rmel hochgekrempelt, ein t?rkises Tuch um die Schultern, in der Hand ein altes, gefaltetes Pergament. Nicht von heute, vielleicht nicht einmal von dieser Zeit. Ich trat an den Tisch am Kamin, strich fl?chtig mit den Fingern ?ber das Pergament und sah in die Runde. F?nf. Ich z?hlte nicht in Zahlen, sondern im Gef?hl. Es waren mehr als genug. Und doch schien ein Teil von mir zu wissen: Was jetzt folgen w?rde, w?rde gr??er sein als jede einzelne von uns.

Ich lie? den Blick noch einmal wandern: Ulaf, der mit seiner Handfl?che ?ber den Krug fuhr, als wolle er pr?fen, ob dieser Moment wirklich real sei. Nicoletta, die sich unauff?llig an eine der Banklehnen gelehnt hatte, bereit, aber in sich ruhend. Lirael, deren Haltung zwischen Vorsicht und Vertrauen pendelte ? als sei sie hier, doch mit einem Teil ihres Seins zugleich im Wald. Und Nathanael, mein Sch?ler, der einst gegangen war, um das Denken zu vertiefen, und nun hier stand ? nicht als Beobachter, sondern als Teil.

Das Pergament in meiner Hand war schwerer geworden. Nicht im w?rtlichen Sinne, aber in Bedeutung. Es war kein Schriftst?ck mehr, sondern ein Gef??. Ein Raum f?r Zeichen. F?r das, was uns verband. Und mir wurde bewusst: Ich musste nicht mehr ?berzeugen. Nicht sprechen, um zu rechtfertigen. Sondern einfach nur beginnen.

Ein leises Knistern des Feuers begleitete diesen Moment, als w?rde auch die Taverne selbst den Atem anhalten.

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?Ich habe lange beobachtet, wie sich dieser Ort f?llt?, sagte ich leise. ?Mit Geschichten. Gedanken. M?glichkeiten.? Ich entrollte das Schriftst?ck und legte es auf den Tisch am Kamin. Eben jener Tisch der irgendwie das Zentrum der Taverne geworden war.?
?Mit Spuren?, f?gte ich nach einem Atemzug hinzu, w?hrend mein Blick ?ber die Gesichter glitt. ?Spuren von Menschen, die kamen, blieben, gingen ? und doch etwas hinterlie?en. Manche sprachen viel, manche gar nicht. Manche bauten, manche heilten, manche tranken nur. Doch alle ? alle ? haben etwas beigetragen.?

Ich hielt inne, sah in die Flammen, dann wieder zu ihnen. ?Dieser Ort hat sich gef?llt mit Tr?umen, die keiner aussprach. Mit ?ngsten, die geteilt wurden. Mit Liedern, die nachts noch in den Dielen summen. Er ist nicht nur gebaut worden ? er wurde erlebt.?

Ich legte eine Hand auf das Pergament. ?Und jetzt ist es an uns, dem Erlebten ein Zeichen zu geben. Keine Mauer, kein Stein, kein Dach ist so stark wie ein Wille, der getragen wird. Ich habe lange gewartet, das auszusprechen. Weil ich sicher sein wollte. Aber heute wei? ich: Wir sind bereit.?

Ich trat zum Kamin, nahm meinen Stab in die Hand ? ein langes, glattes St?ck alten Holzes, das ich einst in den Bergen gefunden hatte. Der Stab hatte mich seither begleitet, durch kalte N?chte und hitzige Debatten, durch Erkenntnisse und Verluste. Er war nie nur ein Werkzeug gewesen ? sondern eine Erinnerung. An Herkunft. An Pflicht. An das, was bleibt, wenn Worte verhallen.

?Dieser Stab steht f?r Magie & Wissen ? f?r das, was in diesem Haus bewahrt und weitergegeben werden soll. F?r das Fragen, das nicht verstummt. F?r das Forschen, das nicht ruht. F?r das Erinnern, das uns verbindet.
Er verk?rpert auch die Unsichtbarkeit der Kraft, die aus dem Inneren kommt ? nicht aus Lautst?rke oder Geltung, sondern aus Erkenntnis. Jeder Kratzer an seinem Holz erz?hlt von einem Ort, an dem ich innegehalten, geforscht oder mich geirrt habe. Es ist nicht das Wissen allein, das uns tr?gt ? es ist die Bereitschaft, es zu teilen, zu hinterfragen, weiterzugeben. Dieser Stab ist nicht nur ein Symbol der Magie, sondern auch der Demut ? vor allem, was wir nicht wissen. Und vor dem Mut, dennoch zu handeln.?


Ich legte ihn langsam, fast ehrf?rchtig, neben das Pergament. Sein Gewicht ber?hrte das Holz kaum, und doch schien der ganze Raum zu sp?ren, dass etwas begonnen hatte.

Ich griff nach dem Dolch, die Klinge war schlicht, aber scharf. Sie spiegelte das Licht der Flammen, als wolle sie pr?fen, ob dieser Moment ihrer w?rdig war.

?Der Dolch, den Nathanael k?rzlich brachte, steht f?r Grenzen & Gegenwehr ? f?r das Wissen, wann ein Nein n?tig ist. F?r das Verm?gen, nicht nur zu tr?umen, sondern zu sch?tzen. F?r die Kraft, sanft zu sein, und dennoch nicht wehrlos. F?r das Ma?, das nicht durch Lautst?rke bestimmt wird, sondern durch Klarheit.
Er erinnert uns daran, dass Schutz nicht immer mit Gewalt einhergeht ? sondern mit Haltung. Dass eine klare Grenze oft leiser, aber wirksamer ist als ein lauter Protest. Dieser Dolch steht nicht f?r Angriff, sondern f?r Entscheidung. F?r das Erkennen, wann genug ist. Wann etwas verteidigt werden muss ? nicht aus Besitzdenken, sondern aus F?rsorge. F?r Menschen. F?r Werte. F?r den Ort, an dem man lebt.
Er mahnt uns, nicht aus Angst zu handeln, sondern aus Einsicht. Und er schenkt uns das Bewusstsein, dass auch in der Verteidigung W?rde liegen kann.?


Ich legte die Klinge ab ? mit der Spitze vom Kreis abgewandt, als Zeichen, dass sie sch?tzen sollte, nicht spalten. Ein leises Knacken im Feuer begleitete den Moment. Als h?tte das Holz verstanden.

Dann nahm ich die Harfe, einst zur?ckgelassen von einem reisenden Barden. Ihre Saiten waren leicht verstaubt, doch als ich mit dem Finger dar?berstrich, erklang ein weicher, tiefer Ton, der sich fast wie ein Atmen anh?rte. Sie war klein, tragbar, und dennoch trug sie eine unerwartete W?rde in sich ? wie das Verm?chtnis all jener, die sich trauten, geh?rt zu werden. 

?Dieses Instrument steht f?r Vielstimmigkeit & Freiheit. Jeder gibt einen Ton ? erst gemeinsam entsteht Klang. Sie mahnt uns, zuzuh?ren. Nicht nur auf Worte, sondern auf Stimmungen, auf Zwischent?ne, auf das, was man nicht sagt. Freiheit beginnt dort, wo viele Stimmen Platz finden.
Sie steht f?r all jene, die nicht lauter, sondern anders sind. F?r das Lied, das leise beginnt und erst durch andere Stimmen w?chst. F?r die Geschichten, die sich verweben, wenn man sie l?sst. Diese Harfe ist nicht nur ein Musikinstrument ? sie ist ein Bild f?r das Leben selbst. F?r das Gleichgewicht zwischen Einzigartigkeit und Zusammenspiel. Und sie erinnert uns: Freiheit ist nicht das Fehlen von Grenzen ? sondern das Vorhandensein von M?glichkeiten.?


Auch sie legte ich ab, vorsichtig, als legte ich ein Versprechen auf den Tisch. Dann wandte ich mich dem Sims zu und holte die Sanduhr. Ihr Glas war milchig, das Innere aus etwas feinerem als Sand, das leise aufw?rts rieselte, obwohl ich sie noch gar nicht gedreht hatte. Sie war alt ? vielleicht ?lter als alle anderen Gegenst?nde auf dem Tisch ? und doch hatte sie nie an Bedeutung verloren.

?Dies ist das Symbol f?r Wille & Wandel ? sie hat Ver?nderung gesp?rt, bevor wir sie wahrgenommen haben. Zeit ist nicht nur ein Fluss ? sie ist ein Werkzeug. Ein Pr?fstein. Ein Versprechen, dass nichts bleibt, wie es war, und dass das gut so ist. Diese Sanduhr erinnert uns daran, dass Wandel nicht Chaos ist, sondern Bewegung. Richtung.
Sie spricht von der Kraft des ?bergangs ? von der Schwelle zwischen Altem und Neuem, auf der wir heute stehen. Manchmal rinnt die Zeit lautlos, fast unbemerkt. Doch dann gibt es jene Augenblicke, in denen sie h?rbar wird ? wie ein Herzschlag, wie ein Ruf, der Ver?nderung fordert. Und in solchen Momenten, wie diesem, h?lt man nicht inne, um aufzuhalten ? sondern um bewusst zu gehen.
Der Sand in ihr ist nicht einfach vergangen. Er ist Zeugnis. Und der, der noch f?llt, ist Einladung. Ver?nderung beginnt nicht drau?en. Sie beginnt in uns ? und diese Uhr erinnert uns daran, dass wir Teil dieses Stroms sind. Nicht getrieben, sondern entschlossen.?


Mit Respekt stellte ich sie dazu. Es war, als ob der Sand f?r einen Moment innehielt.

Danach griff ich zu dem kleinen Kr?uterb?ndel. Lavendel, Thymian, etwas Salbei ? sorgsam gebunden mit einer feinen, hellen Bandage. Es duftete nach Heimkehr und Genesung, nach stillen N?chten und behutsamen H?nden. Ich erinnerte mich an den Fremden, der es einst brachte, ohne Namen, ohne Worte, nur mit einem Nicken.

?Ein Geschenk eines Fremden. Symbol f?r Heilkunst & F?rsorge. F?r das Wissen, dass Hilfe oft leise kommt. Dass Heilen nicht nur Wunden betrifft, sondern auch Gedanken, Erinnerungen, Zwischenmenschliches. Es erinnert uns daran, dass jedes Haus nur dann Heimat ist, wenn es Sorge tr?gt ? f?r andere, aber auch f?r sich selbst.
In diesem B?ndel liegt mehr als Kr?uterkunde ? es ist ein stilles Bekenntnis zur Achtsamkeit. Der Duft von Lavendel lindert nicht nur den Schlaf, sondern auch das Herz. Salbei sch?tzt, Thymian st?rkt ? und zusammen erz?hlen sie von F?rsorge, die ohne Erwartung gegeben wird. Es ist eine Einladung, zu heilen, bevor es schmerzt, und zu erkennen, wann jemand Zuwendung braucht, ohne darum zu bitten. Dieses B?ndel sagt: Du wirst gesehen. Selbst wenn du schweigst.?


Der Schmiedehammer folgte. Es war kein prachtvolles Werkzeug, sondern ein schlichtes, gut genutztes St?ck Eisen mit einem Griff, der an manchen Stellen bereits abgegriffen war. Er war zuf?llig zu den anderen Symbolen dazu gekommen, als der Junge ihn aussortiert hatte. Der Schreinerlehrling hatte sich nichts dabei gedacht und doch etwas beigetragen.

?Ein sp?tes Symbol f?r Handwerk & Versorgung. Er half, diesen Ort am Leben zu halten. Mit jedem Schlag. Er erinnert uns daran, dass nicht jedes Werk gefeiert, aber jedes gebraucht wird. Dass etwas entstehen kann, wenn H?nde schweigen und handeln.?Er erz?hlt vom Alltag, vom Schwei?, von der Geduld. Vom Wiederholen, vom Ausbessern, vom leiser werden, wenn andere laut sind. Dieser Hammer steht nicht f?r das gro?e Werk ? sondern f?r das t?gliche. F?r das, was niemand bemerkt, solange es funktioniert. Und das, was schmerzlich fehlt, wenn es geht. In seinem Eisen steckt der Rhythmus derer, die nicht fragen, ob es gl?nzt ? sondern ob es h?lt.?

Ich legte ihn neben die anderen, und es war, als w?rde der Tisch ein wenig tiefer klingen unter seinem Gewicht. Ein Resonanzboden f?r das Gelebte.

Zuletzt griff ich nach der Laterne. Ihr Glas war leicht milchig, doch der Glanz darin war heller als je zuvor. Sie hatte geleuchtet, als alles noch finster war. Als der Weg zur Taverne kein Weg, sondern ein Wunsch gewesen war. Thorian hatte sie getragen, ohne Ziel ? so hatte er gesagt ? und doch war sie ihm vorausgegangen. Wie ein stummer Ruf. Wie ein Versprechen.

?Sie brachte Thorian hierher. Sie steht f?r Neutralit?t & Offenheit ? Trostspenderin in dunklen Stunden. Sie erinnert uns daran, dass Licht nicht fragt, wen es w?rmt. Dass Offenheit nicht Gleichg?ltigkeit ist, sondern Bereitschaft. Und dass es Orte geben muss, die nicht werten, sondern bergen. F?r einen Moment. F?r eine Nacht. Vielleicht f?r l?nger.
Diese Laterne ist mehr als ein Lichtspender ? sie ist ein Zeichen. Ein Ruf an jene, die im Schatten stehen und doch wissen, dass irgendwo ein Platz f?r sie bereitsteht. Sie brennt nicht hell, sondern warm. Nicht grell, sondern einladend. Sie zeigt nicht den Weg ? sie sagt nur: Hier bist du richtig, wenn du ihn suchst.?Es war kein Zufall, dass die Laterne von Thorian hergebracht wurde. Es war eine Einladung ? und die Taverne hat sie angenommen.?


Ich blickte auf die sieben Gegenst?nde, die nun nebeneinander lagen ? nicht einfach abgelegt, sondern fast ehrf?rchtig positioniert. Jeder trug Erinnerungen. Jeder erz?hlte eine Geschichte. Jeder war ein St?ck dieses Hauses. Und doch war da noch etwas ? ein unausgesprochenes Verlangen nach Vollst?ndigkeit.

Es war, als ob der Tisch selbst gespannt wartete. Als ob das Holz das Gewicht der Bedeutung kannte und sich darunter reckte, nicht aus Last, sondern aus Stolz. Die Gegenst?nde wirkten nicht zuf?llig zusammengetragen, sondern wie Fragmente eines gr??eren Musters ? Teile eines alten Mosaiks, das erst jetzt wieder langsam sichtbar wurde. Die Luft war dicht, nicht schwer, sondern aufgeladen ? wie vor einem Gewitter, das keine Zerst?rung bringt, sondern Klarheit.

Ein Teil von mir erwartete beinahe, dass sich etwas regte. Dass eines der Dinge zu leuchten begann, sich bewegte, ein Zeichen gab. Aber alles blieb still ? und gerade diese Stille war es, die sprach. Sie sagte: Es fehlt noch etwas. Nicht weil das Dargelegte nicht genug w?re, sondern weil es Raum gibt. Raum f?r etwas, das nicht aus Worten besteht, sondern aus Geste. Aus Gemeinschaft. Aus dem Moment, in dem Vollst?ndigkeit nicht erreicht, sondern erkannt wird.

?Ich hatte immer vermutet, es w?rden acht Symbole sein ? eines f?r jeden Arm des Kraken. Acht S?ulen f?r die Taverne. Nicht aus Willk?r, sondern aus Gef?hl ? als ob der Ort selbst nach dieser Zahl verlangte. Als ob mit jeder neuen Geste, jedem stillen Beitrag, einer dieser Arme gewachsen w?re. Und doch w?re es falsch weiter zu warten. Diese sieben ...?

Ich stockte. Etwas vibrierte in der Stille, etwas Unausgesprochenes. Meine Worte versickerten, nicht weil sie fehlten ? sondern weil etwas anderes sich meldete. Der Blick der anderen war nicht mehr auf mich gerichtet, sondern auf etwas am Rand des Tisches. Ein leises Schaben, ein kurzes Klimpern von Metall auf Holz.

?Acht!?, rief Nicoletta pl?tzlich ? ein Ton zwischen Staunen und Erleichterung ? und zeigte auf den Tisch. Dort, zwischen all den Gegenst?nden, stand ein weiterer: ein gef?llter Krug, den Ulaf gerade noch umklammert hielt. Es war kein kunstvolles Trinkgef??, kein silbernes Prunkst?ck, sondern ein schlichter, bauchiger Krug aus Holz mit feinen Metallrahmen. Aus seiner ?ffnung stieg feinster Nebel auf. Der Schaum auf dem Ale schimmerte fast golden.

Der Krug war da. Nicht gebracht. Nicht gew?hlt. Sondern selbstverst?ndlich. Als letzter Stein, der sich nicht einf?gte ? sondern schon immer dazugeh?rt hatte. Und dass Ulaf ihn festhielt, hatte nichts mit Durst zu tun. Es war sein Beitrag. Seine Geste. Sein Schweigen, das deutlicher sprach als viele Worte je k?nnten.

?Jeder ist willkommen. Setzt euch! Trinkt!?, sagte Lirael sanft. ?Die letzte S?ule ist da.?

Ich musste lachen. So f?gte sich alles. Die Erkenntnis war einfach, fast selbstverst?ndlich ? als h?tte sie die ganze Zeit ?ber auf uns gewartet.

?Neutralit?t & Offenheit, die Werte der Gastwirtschaft ? sie sollen unsere achte S?ule sein. Es ist an der Zeit, dass wir diesem Ort Bedeutung geben. Nicht nur als Geb?ude, sondern als Idee. Als B?ndnis. Als Zuflucht f?r Gedanken, die anders sind, f?r Lebewesen, die noch suchen, und f?r jene, die bereits gefunden haben, was sie nie benennen konnten.

Ein Ort, der nicht fragt, woher du kommst ? sondern wohin du willst. Der nicht verlangt, dass du dich ver?nderst, um dazuzugeh?ren, sondern dich willkommen hei?t, damit du du selbst bleiben kannst. Dieses B?ndnis ist nicht in Stein gehauen ? es wird gelebt. Heute. Von uns.?



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Bild
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Ich zog einen Kreis mit Kreide auf den Tisch ? schlicht, klar, mit acht Linien nach au?en. Kein Zauber, kein Glanz. Nur Kreide. Und doch war es ein Moment, der sich in die Luft brannte. Die Stille war nicht dr?ckend, sondern feierlich. Sogar das Knistern des Feuers schien innezuhalten.

?Die Taverne?, sagte ich, und setzte meine Unterschrift auf das Pergament. Die Tinte floss ruhig, als h?tte sie darauf gewartet. Nicht nur auf dem Papier, sondern in der Luft, im Raum, in den Gesichtern um mich. Es war ein leiser Moment, und dennoch f?hlte er sich an wie ein Gewitter ohne Donner: befreiend, kl?rend, unausweichlich.

Ich lie? die Feder ruhen und sah den Kreis vor mir ? f?nf Leben, acht Zeichen, die nun miteinander verwoben waren. Kein Schwur hatte uns verbunden, kein Eid gezwungen ? nur der gemeinsame Wille, dass aus einem Ort ein Zuhause, aus Zufall Absicht und aus einer Idee Wirklichkeit werden durfte.

Die anderen erhoben sich. Einer nach dem anderen. Nicoletta schrieb ihren Namen in feiner Handschrift ? geschwungene Buchstaben, sorgsam gesetzt, als wolle sie nicht nur bezeugen, sondern umarmen. Nathanael f?gte ein altes Zeichen hinzu ? eines aus unseren Studien, das f?r Geduld und Pr?fung stand. Er zeichnete es nicht schnell, sondern mit der Bed?chtigkeit eines Rituals, als sei es ein Siegel ?ber das, was wachsen durfte.

Ulaf stempelte mit grobem Griff ein winziges Relief eines Steins daneben. Es war rau, unregelm??ig, wie das Gestein selbst, das er so oft ber?hrte. Der Abdruck wirkte zun?chst schlicht, aber in seinem Innersten strahlte er Beharrlichkeit und Gewicht aus. Nicht das Zeichen eines Handwerkers ? das eines Bewahrers.

Lirael z?gerte. Ihre Hand ruhte einen Moment auf dem Pergament, als wolle sie sich vergewissern, dass der Ort sie auch wirklich meinte. Dann legte sie ein Blatt auf das Papier, presste es leicht an und nahm es wieder. Der feine Abdruck, kaum sichtbar, blieb wie ein Schatten zur?ck ? wie der Hauch eines Waldes, der nie ganz weicht.

Ein Bund war geschlossen ? nicht mit Schw?ren, sondern mit Zeichen. Nicht mit L?rm, sondern mit Bedeutung. Und als ich in die Runde blickte, wusste ich: Wir hatten etwas geschaffen, das bleiben konnte.

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Notizbuch der Wirtin: ?Heute haben wir ein B?ndnis geschlossen. Vielleicht ist das die tiefste Form von Magie. Denn es war kein einzelner Schwur, keine gro?e Geste, die uns verband ? sondern die stille Bereitschaft, Verantwortung zu teilen. Wir haben uns entschieden, gemeinsam zu stehen, ohne uns zu gleichen. Und vielleicht, nur vielleicht, liegt in diesem bewussten Miteinander ein Zauber, der st?rker ist als jeder Spruch. Einer, der bleibt. Einer, der tr?gt ? und weitergegeben werden kann.

Und nun, da die Kreide verblasst, die Tinte trocknet und der Rauch sich legt, bleibt etwas zur?ck, das kein Feuer nehmen kann: ein Wille, der nicht laut sein muss, um stark zu sein. Ein Wir.?
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