Im Namen der Ilharess

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Tath'raen
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Im Namen der Ilharess

Beitrag von Tath'raen »

Dieser Foreneintrag ist eine Fortsetzung der Geschichte von Lyr'sa und Tath'raen, der sich ursprünglich hier: viewtopic.php?t=251 und hier: viewtopic.php?t=260 entwickelt hat.
Tath’raens Schritte waren leise – nicht aus Rücksicht, sondern aus Gewohnheit. Der Mensch hinter ihm dagegen klang, als würden Pantoffeln über Kies laufen: weich, aber nicht lautlos. Aetherium. Ein Name wie ein Artefakt. Er war zurückhaltend, doch Tath’raen spürte seine Macht wie einen stillen Druck an der Wirbelsäule – dieses feine, schwer zu greifende Echo von Magie. Die Art, wie seine blauen Augen den Tunnel betrachteten, als könnte er die Struktur selbst durchdringen, war unangenehm. Nicht respektlos – aber zu offen. Zu wissend. Sie hatten nicht viel gesprochen. Aetherium hatte keine dummen Fragen gestellt, was ihm Pluspunkte einbrachte. Ein menschlicher Magier, der wusste, wann er den Mund hielt – selten genug.

Dann die Biegung. Der Geruch wechselte: Ruß, heißes Wachs, modriger Tau. Und da war sie. Lyr’sa. Klein. Schmutzig. Mit einem Eimer in der Hand, der aussah, als würde er gleich kippen – so wie sie selbst. Tath’raens Blick traf ihren für einen Moment. Nur kurz. Genug, um die Überraschung darin zu sehen. Nicht Trotz. Nicht einmal Scham. Eher etwas dazwischen.

Dann bemerkte er, wie Aetheriums Schritt hinter ihm langsamer wurde. Der Mensch sagte kein Wort, aber Tath’raen sah aus dem Augenwinkel, wie sich dessen Blick auf Lyr’sa richtete – abschätzend, mit dem kühlen Interesse eines Forschers, der einen Riss in einem Kristall untersucht. Das war nicht gut. Tath’raen machte eine halbe Drehung, gerade genug, um Aetherium zwischen sich und der Szene zu halten. Und dann sprach er: „Was machst du hier?!“ Die Stimme war schärfer, als sie sein musste – ein Werkzeug. „Willst du unseren Gast beschämen? Aus dem Weg!“ Er sah, wie sie zusammenzuckte, wie sie einen Schritt zurückwich, dann seitlich in die nasse Nebengasse schlüpfte. Keine Worte. Kein Blick. Genau so, wie es sein sollte – zumindest nach außen. Aber Tath’raen registrierte das Zittern ihrer Finger um den Eimer. Den Schatten auf ihrem Gesicht. Die Art, wie sie kleiner wurde, als sie es schon war. Er wartete nicht. Drehte sich wieder vorwärts, ließ Aetherium den Weg passieren. Der Magier schwieg – höflich oder klug genug, es nicht zu kommentieren.

Aber tief in Tath’raens Brust, hinter der geflochtenen Kette aus Schweigen, Disziplin und Befehlsgehorsam, legte sich ein Gedanke zur Seite, wie eine scharfe Klinge zur späteren Prüfung: Sie war eine Drow. Er war ein Mensch. Und sie hatte weggesehen. Nicht aus Angst vor ihm. Sondern aus Angst, gesehen zu werden.

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Lyr'sa Teb'inyon
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Besuch in der Taverne

Beitrag von Lyr'sa Teb'inyon »

Der Tag war ihr zu lang geworden. Zu hart. Zu leer. Lyr’sas Hände waren wund vom Schleppen der Kohlepfannen, ihre Kleidung roch nach altem Rauch und noch älterer Verzweiflung. Selbst der Dreck in den Latrinengängen hatte ihr nicht so zugesetzt wie der Anblick der Prozession, bei dem sie wie ein Schatten am Rand gestanden hatte – zu unwichtig für einen Platz, zu stolz für die Gasse. Der kurze Blick von Aetherium hätte Trost spenden können, doch sie hatte ihn nur gespürt, nicht verstanden. Und Tath’raens Tadel hallte noch in ihrem Inneren nach wie ein Peitschenhieb, dem sie nichts entgegengesetzt hatte.

Sie hatte sich abgemeldet, offiziell. Jalilen wie Sie eine war durften sich frei bewegen. War war kein Wanre, keine Sklavin. Nur… überflüssig. Niemand fragte, wohin sie ging. Also ging sie. Fort aus Elashinn, fort aus Schatten und Spott.

Die Taverne lag an der Oberfläche, weit abseits der Stadt. Ein Pfad führte durch geduckte Hänge, durch gelebte Stille, hinaus in einen sanften Dämmer. Baretis Taverne war kein heruntergekommener Ort. Die Balken waren solide, die Fenster sauber. Das Dach neu gedeckt, und der Geruch von Holzfeuer und Braten lag in der Luft. Für eine Drow war es fast… zu hell. Aber es war ein Ort, an dem sie niemand kannte.

Lyr’sa betrat die Schankstube mit dem Ausdruck einer Geflüchteten. Die Wärme darin umfing sie, fast zu freundlich. Eine Waldelfe stand hinter dem Tresen, mit nervösen Händen und einem unsicheren Lächeln. Vielleicht war sie die Tochter der Wirtin? Vielleicht selbst Wirtin? Es war egal. Als sie fragte, was sie wolle, war Lyr’sas Stimme rau:
„Schnaps. Stark. Ich will vergessen.“

Das Glas kam zögerlich. Der erste Schluck brannte wie Reue. Der zweite wie Rache. Der dritte ließ ihre Schultern sinken. Lyr’sa sprach wenig, anfangs. Doch die Stunden vergingen, das Licht wurde weicher, Stimmen wurden lauter. Die Taverne füllte sich mit Reisenden, Söldnern, Oberflächenbewohnern, vielleicht auch Ausgestoßenen. Es knallten Würfel, irgendwo lachte jemand. Und Lyr’sa… begann zu reden.

„Ich bin eine Jalil… und trotzdem nichts. Nichts!“ Ihre Stimme schwankte, ihre Finger klammerten sich ans Glas. Ihre Worte waren ein Gestammel aus Stolz, Schmerz und zu viel Alkohol. „Tath’raen… dieser Jaluk… er befiehlt mir Dinge. Und ich… ich lasse es zu.“

Die Waldelfe hörte zu, überfordert, aber höflich. Lyr’sa fuhr fort, fluchend, schwankend. Sie weinte nicht. Aber es war knapp.

Dann – plötzlich – öffnete sich die Tür. Kühle Nachtluft drang herein. Und mit ihr: Tath’raen.

Er trat ein wie jemand, der wusste, wonach er suchte. Seine Miene war fest, sein Blick sofort auf sie gerichtet. Lyr’sa starrte zurück. Erst trotzig. Dann verzweifelt.

„Du sollst mitkommen,“ sagte er. Ruhig. Aber mit Nachdruck.

„Nein!“ Lyr’sa schlug mit der flachen Hand auf den Tresen. „Ich gehe nicht zurück! Ich… ich bleibe hier!“

„Lyr’sa, du blamierst dich.“

„Blamieren?! Du wagst es!“ Sie griff nach dem Messer, das sie vorher achtlos neben das Brot gelegt hatte. Ihre Hand zitterte. „Fass mich an, und ich…!“

„Genug.“ Die Stimme kam von hinten. Ein breitschultriger Schmied, rußgeschwärzt, mit wettergegerbter Haut, war durch die Nebentür getreten. Offenbar hatte er sie schon eine Weile gehört. „Ich will keinen Ärger. Gib das Messer her.“

„Lass mich! Ich… Ich…“ Ihre Worte verschwammen in einem weinseligen Gemisch aus Wut und Weltschmerz. Sie trat zurück. Zwei Stufen. Stolperte. Der Schmied trat dazwischen, nahm ihr das Messer ab und schob sie mit einem Griff zur Tür. Nicht brutal, aber bestimmt. „Sie gehört zu dir?“ fragte er an Tath’raen gewandt.

„Ja.“

„Dann nimm sie mit. Und sorge dafür, dass sie hier nicht wieder Ärger macht.“

Lyr’sa wehrte sich. Zappelte. Fluchte – in De’shineth. „Sie werden mich töten! Foltern! Ich… ich... ich habe…!“ Doch keiner verstand sie. Außer Tath’raen. Und er schwieg.

Draußen umfing sie die Nacht. Kalte Luft. Ein schmaler Pfad zurück nach Elashinn.

„Ich hasse dich,“ stieß sie hervor, halb gegen ihn gelehnt, halb gestützt.

„Ich weiß,“ sagte er ruhig. „Aber du lebst.“



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P.S.: Ich Schulde Bareti ein i ;)
Zuletzt geändert von Lyr'sa Teb'inyon am 06 Jun 2025, 13:15, insgesamt 2-mal geändert.
Lirael Vanya'thiel
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Re: Im Namen der Ilharess

Beitrag von Lirael Vanya'thiel »

Lirael kniete vor der Taverne und goss die Blumen unter der Veranda. Es handelte sich um Flachs, der mit seinen türkisfarbenen Blüten zu Baretis Lieblingspflanzen gehörte. Lirael bemühte sich, ihnen besonders viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Sie hatte bereits einen Eintrag im Pflanzenführer verfasst, denn diese Pflanze war nicht nur besonders schön anzusehen, sondern auch überaus nützlich. Ihre Fasern konnten zu Stoffen und Seilen verarbeitet werden, und Lirael beabsichtigte, in nächster Zeit Versuche durchzuführen, um zu prüfen, ob sich vielleicht sogar Bogensehnen aus Flachsfasern herstellen ließen.

Während sie dastand und überlegte, wie sie diese Versuche angehen sollte, spürte sie plötzlich die Präsenz eines Wesens, das sich näherte. Oder besser: eines weiteren Wesens, denn Mephrit stand nicht weit von ihr entfernt und verfeinerte gerade seine Schmiedekünste. Bizarrerweise nahm sie seine Anwesenheit jedoch kaum wahr, was sie regelmäßig verwirrte und verunsicherte.

Sie stand auf und wandte sich dem Neuankömmling zu – und erschrak im ersten Moment. Eine dunkle Gestalt näherte sich: die zierliche Statur einer Elfin, aber mit fast schwarzer Haut und hellen Haaren. Zweifellos eine Dunkelelfin, die auf dem Weg zur Taverne war. Der erste Schreck wich Zweifel und Erstaunen. Was mochte eine Elfin an diesen ungewöhnlichen Ort führen?

Lirael kannte die Geschichte der Dunkelelfen nur vage und hatte in ihrem Leben kaum Kontakt mit ihnen gehabt. Und doch war sie hier, in dieser fernen Welt, bereits vor einigen Wochen einer Vertreterin dieses Volkes begegnet. Doch die Unterschiede hätten kaum größer sein können. Die Dunkelelfin, der sie damals auf der Jagd mit Nicolette begegnet war, war prächtig gekleidet gewesen, hatte sich mit fast hochmütigem Stolz bewegt und sie herablassend behandelt. Die Elfin, die nun vor ihr stand, wirkte niedergeschlagen, derart verschmutzt, dass es selbst auf ihrer dunklen Haut auffiel, und anstelle von Hochmut waren Trauer und Erschöpfung in ihr Gesicht geschrieben.

»Schnaps«, ächzte die Elfin.

Lirael brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass die Besucherin nicht, wie erwartet, »Durst« gesagt hatte.

Sie bat die Fremde in die Schankstube, wo sich die Dunkelelfin direkt an die Bar setzte und ihren Wunsch nach Vergessen wiederholte. Fast widerwillig kam Lirael der Bitte nach und schenkte ein Glas starken Strohrum ein, der weit hinten im Regal stand. Mit großer Missbilligung beobachtete sie, wie die zierliche Gestalt das Glas in einem Zug leerte. Die Elfin verlangte nach mehr und begann zu erzählen – oder vielmehr zu klagen, wobei sie sich fast in Tränen auflöste. Vorsorglich stellte Lirael ein Glas Wasser neben das neue Schnapsglas und hörte zu.

Die Elfin berichtete von einem Leben in Qual, das eher an das Dasein eines Sklaven erinnerte als an das einer Angehörigen eines elfischen Volkes – und schon gar nicht der Dunkelelfen.
Während sich der Schankraum allmählich füllte und Lirael auch andere Gäste bedienen musste, versuchte sie dennoch, der jungen Elfin beizustehen. Sie konnte ihr nicht wirklich helfen und verstand nur Bruchstücke ihrer Geschichte, doch eines war klar: Ihr Gegenüber suchte ein offenes Ohr – und vielleicht sogar Schutz.

Gerade als Lirael einem anderen Gast Baretis vorzüglichen Most einschenkte, sah sie aus dem Augenwinkel, wie sich eine Gestalt hinter die Elfin stellte und ihr die Hand auf die Schulter legte. Was sie in diesem Moment am meisten schockierte, war nicht, wie schwer die Zunge der Elfin bereits geworden war, sondern dass die Hand auf ihrer Schulter denselben dunklen Teint hatte. Offenbar war ein weiterer Dunkelelf gekommen, um die Vermisste abzuholen.

Die beiden stritten sich, und Lirael war überfordert. Bevor sie überlegen konnte, wie sie helfen sollte, griff die junge Elfin nach einem Brotmesser, das hinter dem Tresen lag.

Lirael wusste nicht weiter und rief erschrocken nach Mephrit, der hoffentlich noch vor der Taverne arbeitete. Tatsächlich stürmte der stämmige Handwerker herein und erfasste die Situation in Sekunden. Noch bevor Lirael etwas sagen konnte, stand er neben der Elfin, von der die Aggression auszugehen schien. Er nahm ihr das Messer ab und schob sie fast grob in die Arme des anderen Dunkelelfen. Ohne viele Worte packte dieser sie und zerrte sie zur Tür, während die Elfin mit verzweifelter Stimme schrie – ihre Todesangst war fast greifbar.
Noch bevor Lirael hinter der Bar hervorsprinten konnte, waren die Dunkelelfen verschwunden. Als sie nach draußen trat, sah sie sie bereits einige Dutzend Schritte entfernt. Trotz der Dunkelheit erkannte sie, wie die junge Elfin sich wehrte, und ihre Schreie waren selbst für weniger empfindliche Ohren als die ihren deutlich zu hören.

Lirael stand auf der Terrasse und starrte ihnen nach, unsicher, ob und wie sie reagieren sollte. Die letzten Worte der Elfin durchfuhren sie wie ein eisiger Stich:

»Sie werden mich töten! Sie werden mich foltern!«

Sie wollte ihnen folgen, die Elfin retten, sie den Fängen ihres brutalen Begleiters entreißen. Sie war wütend, geschockt, traurig – aber vor allem unentschlossen.

Nach einer Weile – es mochten Minuten oder Stunden gewesen sein – öffnete sich die Tür erneut, und Mephrit trat heraus. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen, wie bei jemandem, der seine Pflicht erfüllt hatte. Er legte Lirael die kühle Metallhand auf die Schulter und sagte in ruhigem Ton:

»Die Regeln der Taverne sind klar. Wir dulden keine Gewalt – und keine Waffen.«

Dann ging er zurück zu seiner Werkstatt und nahm seine Arbeit wieder auf, als wäre es der Tag und nicht die Nacht der anbrach.

Die Wut in Lirael wuchs – auf Mephrit, auf die Gäste, die nichts unternommen hatten, aber am meisten haderte sie mit sich selbst. Wie konnte sie zulassen, dass dieses wehrlose Wesen einfach verschleppt wurde? War es zu spät? Konnte sie ihr noch helfen?

Mit wirren Gedanken und glühender Wut im Bauch ließ Lirael die Taverne hinter sich. Sie konnte an diesem Abend nicht zurückkehren. Stattdessen lief sie in den Wald – ziellos, aber mit der Gewissheit, dass sie dort Ruhe und Rat finden würde.
Lyr'sa Teb'inyon
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Re: Im Namen der Ilharess

Beitrag von Lyr'sa Teb'inyon »

Sie waren nach Elashinn zurückgekehrt, und Tath'raen hatte kein weiteres Wort mehr an sie gerichtet – er stellte sie stumm vor der Tür des Sorn ab, als hätte er genug von ihrer Existenz.

Lyr’sa stand still. Die Tür zum Sorn war geschlossen, aber sie wusste, dass er dahinter war. Vielleicht schlief er. Vielleicht wartete er. Vielleicht beobachtete er sie durch eines dieser kleinen, in die Wand eingelassenen Gitter, wie ein Spinnengott in seiner stillen Geduld.

Der Kater pochte dumpf hinter ihren Schläfen, eine bittere Erinnerung an zu viel Schnaps und zu wenig Stolz.

Der Gang war düster, nur eine flackernde Kristallfackel an der Wand warf tanzende Schatten auf den Boden. Der Ort roch nach kaltem Stein, nach Eisen, nach Dingen, die besser nicht beschrieben wurden. Zwei Stunden waren vergangen. Dann vier. Dann acht.

Sie durfte sich nicht setzen. Der Boden war hart und unrein. Aber ihre Knie schmerzten vom Stehen, ihre Schultern waren schwer von der Anspannung. Kein Wasser. Kein Wort. Kein Blick, der sie eines Besseren belehrte. Nur das Schweigen des Hauses, das ihr sagte, wie tief sie gefallen war.

Einige Diener hatten sie gesehen, mit verächtlichen Blicken oder mildem Spott. Doch niemand sprach sie an. Niemand wagte es – oder hielt es für nötig. Sie war eine Strafe. Ein Beispiel.

Die Tür blieb geschlossen.

Lyr’sa wagte es nicht, sich zu rühren. Ihre Gedanken kreisten wie müde Fliegen: Was wollte Sorn? Was würde er tun? Warum hatte man sie hierhergeschickt – und würde sie heute Nacht wieder hinauskommen?

Der Hunger war zu einem dumpfen Gewicht in ihrem Bauch geworden. Der Durst kratzte ihr die Kehle wund. Irgendwann hatte sie das Zittern nicht mehr unterdrücken können. Und doch stand sie weiter dort. Starr. Still. Erniedrigt.

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Vel’kharon stand reglos in einer Nische des Flurs, den Speer locker an die Schulter gelehnt, das Gesicht wie aus Stein gemeißelt. Doch seine Augen – dunkel und wach – ruhten auf ihrer Gestalt, die da vor der Tür wartet wie eine reuige Dienerin. Lyr’sa. Er kannte ihren Namen, wie man die Namen jener kennt, die zu den höheren Häusern gehören. Höher als er. Immer höher.

Eine Jalil, so tief gefallen, dachte er, und es stieg etwas in ihm auf – kein Mitleid. Niemals das. Etwas anderes. Bitterer. Wie sie da steht. Staub an den Knien. Die Haare wirr. Die Augen leer. Und ich darf sie nicht einmal berühren.

Er wusste, was sie war. Was sie sein durfte. Und was er nicht war – ein Jaluk. Ein Mann. Entbehrlich. Austauschbar. Still. Doch während sie da wartete, gebrochen, entwürdigt, und ihr Rang sie nicht schützte, gestattete er sich einen winzigen, lodernden Funken. Eine Fantasie.

Wenn ich dürfte... Nur ein einziges Mal...

Ein Lächeln zuckte an seinen Lippen, gehässig, hässlich. Dann zwang er es zurück. Seine Hand schloss sich fester um den Speer. Er hatte nichts gesehen. Nichts gedacht. Nur gestanden. Beobachtet. Gewartet.

Denn das war es, was Männer wie er taten. Warten. Und träumen. Von Dingen, die man ihnen niemals geben würde.
Er schüttelte den Gedanken ab. Nur innerlich. Nach außen blieb er diszipliniert.

Bald, dachte er. Vielleicht bald. Wenn die Ordnung wankt. Wenn niemand mehr hinsieht.

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Die Tür öffnete sich mit einem trockenen Knarren. Sorn stand im Rahmen. Eine schlanke Figur, hoch aufgeschossen, das Gesicht von einer Maske bedeckt die lediglich seine Augen - klein, dunkel und voll kaltem Spott - durchscheinen ließen.
Als sein Blick auf sie fiel, verzog sich sein Mund zu einem Grinsen, das so falsch war, dass es fast schmerzte.

„Aaah… da ist ja unser kleiner Sonnenschein“, säuselte er in einem Ton, der triefend vor Spott war. „Hat man dich schon lange warten lassen? Wie unhöflich von uns.“

Er trat einen Schritt näher, beugte sich leicht zu ihr herunter – zu nah, zu vertraulich – und fuhr mit absurder Höflichkeit fort: „Wenn du bitte so freundlich wärst, mir zu folgen. Ich habe mir heute extra Zeit für dich genommen.“

Dann packte er sie ohne weiteres Zögern am Arm, fest, hart, die Finger wie Schraubzwingen. Keine Gnade in der Geste, kein Zögern. Lyr’sa zuckte nicht. Sie wusste, dass jeder Widerstand ihm nur Freude bereiten würde – und sie hatte ohnehin keinen Nerv für weiteres Drama. Der Kater pochte hinter ihren Schläfen, die Kehle brannte, und selbst die Scham war matt geworden.

Also folgte sie ihm, ohne ein Wort.
Die Tür fiel hinter ihnen zu.
Sorn Ky'Alur
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Re: Im Namen der Ilharess

Beitrag von Sorn Ky'Alur »

Das Schlurfen, Scharren und die allgemeine Unruhe vor der Tür ignorierend, widmete sich der Veldruk schlicht den wichtigeren Dingen. Pläne und Taktik, mentalen Sava Zügen gegen imaginäre Gegner, dem Zustand eines Stuhlbeines. All den Dingen die von größerem Interesse waren als die Jalil vor seiner Tür.

Gehört hatte er sie schon als sie die Treppen in den Keller herabgeführt wurde. Laut, mehr konnte er zu ihren Schritten nicht sagen. Was die Ilharess an dem perfiden Spiel um Lyr’sa faszinierend fand entzog sich Sorn, es war auch egal. Ihr vergehen spielte keine Rolle, an den richtigen Tagen reichte es aufzustehen, um den Zorn von jemandem im Haus auf sich zu ziehen, und an diesem Tag schien sie es geschafft zu haben das die Thematik für Personen von Rang interessant wurde.

Einige Stunden später verließ Sorn seine Kammer, eine Maske aus professioneller Gleichgültigkeit und guter Laune in jedem Schritt. Der Blick auf die Jalil vor seiner Tür hätte Mitleid wecken können, wäre der Veldruk zu solchen Dingen noch in der Lage, doch die Kultur der Drow hinterließ auch hier ihre Spuren. Schmerz und Leid waren alles das zurückblieb, maskiert und umwickelt in freundlichen Plattitüden, und entwertender Nichtachtung.

Am Arm geführt, gezogen, gelenkt brachte er seinen Gast durch in die Dunkelheit der Gänge, sie kannten beide ihr Ziel, den Weg und die Unumstößlichkeit dessen, was folgen wird. Sorn machte nie große Geheimnisse daraus. „Phantasie und Vorstellung verbreitet mehr Angst als Wissen.“, waren Sätze mit denen jene sich zu trösten versuchen die nie die Folterkammer des Qu’ellars betreten hatten. Wissen? Ein schlechter Scherz. Könnten sie sich Vorstellen was passiert, wären sie bereits restlos ohne Verstand.

Die Schritte mal lautlos wie Schatten, mal donnernd wie Gewitter aufschlagend auf Stein. Ein Spiel um alle wissen zu lassen er war hier, oder nicht. Der Humor darin verlor sich für viele.
Aus den Augenwinkeln unter der verzierten Maske legten sich Augen auf Vel’kharon, versteckt in seiner Nische. Ein flüchtiges Verlangen, das im Gesicht des Sargtlin zu sehen war, eine Herausforderung gegen jene die über ihm standen. Ohne den Griff um Lyr’sas Arm zu lösen, fand eine Klinge ihren Weg in die freie Hand, und trennte in schnellem, zackigem Schnitt die Spitze des Ohres vom Kopf des Sargtlin. Die gesalzene Klinge ein brennendes Gefühl hinterlassend, ein Schnitt der nie richtig verheilen würde. Eine Erklärung blieb aus, das überraschte Aufschreien verhallte ohne Antwort. Sorn schuldete ihm keine Rechtfertigung, und bot keine an, als er seinen Gast weiter in die Eingeweide des Qu’ellars führte. Die großen Augen, der überraschte Blick der Jalil nur mit einem zischenden: „Auch das ist deine Schuld Lyr’sa. Hättest du dich wie eine Jalil verhalten wärst du nicht hier, wäre er unverletzt. Leid folgt dir, weil du es so wolltest.“

Leise Worte, Laut genug für verletzte Ohren. So zog der Schatten und sein Gast weiter, bis zu ihrem Ziel, einer Taverne anderer Art. Hinter schweren Adamant Toren, in stickiger, metallisch schmeckender Luft, ein letztes „Zum Wohle Lyr’sa, hier ist deine Bestellung.“ Und dann begannen die Prost Schreie.
Lyr'sa Teb'inyon
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Re: Im Namen der Ilharess

Beitrag von Lyr'sa Teb'inyon »

Schmerzen waren das Erste, was sie spürte.

Dann die Kälte. Feucht, klamm, modrig. Wie etwas, das durch die Poren kroch und sich dort einnistete, in jeder Faser. Lyr’sa blinzelte. Dunkelheit. Nur das matte Glimmen eines phosphoreszierenden Pilzes an der Wand ließ Umrisse tanzen.
Sie lag in der Ecke einer Zelle. Oder was davon übrig war. Ein blinder Fleck in Elashinns Unterkellerung, so trostlos wie ihre Gedanken. Der Geschmack in ihrem Mund war erbärmlich – Magensäure und Rum. Ihr Magen krampfte sich schon beim Gedanken daran erneut zusammen, doch er hatte nichts mehr zu geben.
Ich lebe. Der Gedanke kam zögerlich. Und dann: Warum?
Ihr Körper fühlte sich an wie gebrochen. Jeder Muskel brannte, die Haut an Armen und Beinen war wundgescheuert von Fesseln. Die Kehle rau, als hätte man Sand gegurgelt. In ihrem Bauch spannte sich etwas – zu viel Wasser. Wieder. Er wollte mich aufblähen wie einen toten Fisch...
Sorns höhnisches Grinsen brannte sich wie ein Messer in ihr Gedächtnis. Seine süßliche Stimme, falscher als alles, was sie je gehört hatte: „Du hast so brav mitgemacht, Lyr’sa. Fast schon liebenswert.“
Sie hätte ihn töten wollen. Töten sollen. Doch sie hatte sich nicht gewehrt. Nicht wehren können. Und das nagte an ihr mehr als alle Schmerzen zusammen.

Am nächsten Tag – oder war es derselbe? – schleppte sie sich durch das Tor des Pilzwaldes. Ihre Beine zitterten, ihre Lippen waren aufgeplatzt, und dennoch hatte man sie zu den Arbeiten eingeteilt. Baumstämme für einen neuen Lagerbereich. Natürlich. Arbeiten statt sterben. Ein großzügiges Urteil.
Sie hatte die Axt nicht einmal richtig halten können, also schob man ihr eine Metallsäge und einen Ast in die Hand, der eher ein Prügel war als Werkzeug. Die Pilze wuchsen zäh, aus dickem Stammholz mit violetten Adern, das sich wehrte, als hätte es einen eigenen Willen.
Der Rhythmus der Axt wurde langsamer. Jeder Schlag gegen das zähe Pilzholz vibrierte in ihren Armen nach, schwächte die ohnehin müden Muskeln weiter. Schweiß rann über Lyr’sas Schläfen, ihr Blick war trüb, der Magen leer – und der bittere Nachgeschmack des überstandenen Strohrums brannte noch immer in der Kehle.

Sie wollte sich gerade dem nächsten Stamm zuwenden, als ein undeutliches Geräusch sie innehalten ließ. Ein schmatzendes Trappeln – leichtfüßig, flüchtig. Ihr Blick zuckte zur Seite. Zwischen zwei faulig-dampfenden Wurzelstöcken huschte etwas Dunkles hindurch. Dann noch eines. Und ein weiteres.
„Tiefenrothe...?“ Lyr’sa blinzelte. Ihre Augen schärften sich, trotz Müdigkeit und Kopfschmerz. Ja – es waren drei Stück, die sich unbeaufsichtigt zwischen den Pilzstämmen bewegten, sich an Moos und Flechten gütlich taten.
Sie fuhr herum. Das kleine Gehege, das man ihr zugewiesen hatte – ein zusammengeflickter Verschlag mit morschen Ranken und einem Seil aus gesponnener Mykofaser – stand offen. Die improvisierte Verriegelung lag auf dem Boden.
„Nein... nein, nein, nein...“, keuchte sie.
Das war nicht meine Schuld – ich habe das geschlossen! Ich habe es dreimal überprüft!
Doch das würde niemanden interessieren. Wenn etwas schiefging, war es stets die Schuld derjenigen, die ohnehin unter Beobachtung standen. Eine Jalil wie sie, bereits bestraft, bereits gebrandmarkt – sie war das perfekte Ziel.

Wenn diese Tiere Schaden anrichten... wenn man sie draußen sieht... oder gar ein Matronentier verletzt wird...
Ein kalter Stich durchfuhr ihre Eingeweide. Das wird mir angehängt. Ich werde den Preis zahlen. Natürlich... immer ich.
Hastig rannte sie hinter dem Tier her. Dem mit der dunklen Wolle und der violetten Schimmerung. Es hatte sich nicht weit entfernt und stocherte seelenruhig mit der Schnauze in einem modrigen Moosklumpen. Sie griff nach dem Strick, fesselte es diesmal doppelt, mit zitternden Fingern, während sie die anderen mühsam zurück in das Gehege trieb.
Es kostete sie Zeit. Nerven. Kraft, die sie nicht mehr hatte.
Als sie sich schließlich wieder aufrichtete, schweißnass, abgehetzt und mit bebenden Armen – da bemerkte sie, dass sie nicht mehr allein war.

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Vel’kharon sah ihr schon eine Weile zu. Die Art, wie sie sich bewegte – schwankend, schmerzverzerrt, aber dennoch stolz – reizte ihn. Diese verfluchte Jalil hatte es trotz allem immer noch nicht ganz aufgegeben. Dumm oder stur?
Er konnte sie nicht leiden. Nicht nur, weil sie ihn bei ihrem Auftritt vor Sorn wie Dreck behandelt hatte – das tat jede Jalil –, sondern weil sie ihn ignorierte. Als wäre er Luft. Ein Mann. Ein Werkzeug. Ein Schatten am Rand.
Aber jetzt war sie schwach. Verwundet. Ausgezehrt. Erniedrigt.
Und genau darin lag die Versuchung.

„Eine Frau wie sie sollte mal spüren, wie es ist, wenn nicht sie das Sagen hat…“ dachte er bitter. „Einen Tag lang… nur einen Tag lang der Spieß umgedreht. Nur ein bisschen Druck. Ein bisschen Angst. Das, was sie sonst mit einem Blick auslösen. Nur gerechter Ausgleich.“
Er trat näher. Das Geräusch seiner Schritte war kaum mehr als ein Rascheln im Moos.
„Ich könnte...“
Sein Griff um das Werkzeug wurde fester.
„... nur ein kleines bisschen. Wer würde schon zuhören, wenn ich sage, sie hat zuerst geschlagen?“
Er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.
Dann sprach er sie an.

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Sie arbeitete schweigend, mechanisch. Bis er kam.

Vel’kharon. Der Sargtlin aus dem Flur. Natürlich der.
Er kam näher, langsam, wie ein Schatten. „Siehst müde aus, Jalil“, zischte er, die Stimme tief, voller Spott. „Vielleicht sollte man dich doch wieder füttern… mit Rum und Strick.“
Er trat näher, zu nah, riss ihr das Werkzeug aus der Hand. Ein Stoß. Dann noch einer. Nicht hart, aber demütigend. „Los, arbeit schneller! Vielleicht hilft ein kleiner Klaps...“ Seine Hand zuckte vor – ein Schlag, der sie am Hinterkopf traf.
Etwas in Lyr’sa riss.

Sie fuhr herum, ohne nachzudenken. Der Ast den Sie trug war schwer, aber ihre Wut trug ihn mit Leichtigkeit. Der erste Hieb traf Vel’kharon mitten ins Gesicht – ein feuchter, splitternder Laut, gefolgt von einem dumpfen Aufschrei. Er taumelte zurück, Blut spritzte auf die Pilzstämme. Sie ließ nicht nach. Noch einmal, dann noch einmal, dann...
Eine Hand packte ihren Arm.
„Lyr’sa.“ Die Stimme war ruhig, aber fest. Tath’raen.
Sie wirbelte herum – ein Reflex – und ihre geballte Faust traf ihn im Gesicht. Nicht hart, aber hart genug. Seine Lippe platzte auf, ein scharfer Laut entwich ihm. Blut. Er wischte es achtlos weg. Ihre Augen funkelten.

„Fass mich nicht an! Nicht du! Nicht noch einer! Ihr denkt alle, ihr könnt—“
Sie hob den Ast noch einmal – dann ließ sie ihn fallen. Schwer. Laut. Atemlos stand sie da, bebend, zitternd vor Anspannung und Erschöpfung.
Tath’raen sah sie lange an. Das Blut lief in einem schmalen Streifen an seinem Kinn herab.
Dann – unerwartet – zuckte sein Mundwinkel. Ein Lächeln. Nicht gehässig. Eher… seltsam anerkennend.
Er sagte nichts.
Drehte sich um. Und ging.
Lyr’sa blieb zurück zwischen gesplittertem Holz, zwei blutenden Männern – und einem Zorn, der langsam von ihr abfiel, wie Nebel nach einem Sturm.
Tath'raen
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Re: Im Namen der Ilharess

Beitrag von Tath'raen »

Tath'raen trat langsam durch die äußeren Korridore der Oberetage, während der kalte Schweiß an seinem Rücken zu trocknen begann. Der metallische Geschmack von Blut hing noch auf seiner Zunge, aber das beschäftige nicht seine Gedanken. Es war ihr Schlag. Ihre Wut. Und die Art, wie sie ihn angesehen hatte.

Er schloss die Tür zu seinem Quartier hinter sich. Kein unnötiger Blick zurück. Kein Seufzen. Nur Bewegung. Seine Rüstung war verschmiert von Sporen, getrocknetem Pilzsaft und dem Blut eines Sargtlin, der heute seine Lektion erhalten hatte. Tath'raen war kein Mann der Worte, doch sein Blick blieb einen Moment an dem kleinen, blutigen Rinnsal auf der Brustplatte haften. Eine Erinnerung. Er zog sie aus. Schicht für Schicht. Mechanisch. Wusch sich im stillen Wasserbecken, das neben dem Waffenständer eingelassen war, dann griff er zu seiner besten Garnitur. Die polierteste Rüstung, tiefschwarz mit mattem Glanz, verstärkt an den Schultern und mit den Zeichen seines Hauses, dezent, aber klar: Ky’Alur. Er war nicht eitel. Doch der Weg zur Ilharess verlangte Sorgfalt – und Respekt.

Er trat aus seinem Quartier. Der Gang vor ihm war leer. Seine Schritte hallten nur leise durch die Gänge. Er bewegte sich mit jener Kontrolle, die man bei Kriegern in seinem Stand erwartete – nicht aus Stolz, sondern aus Gewohnheit. Zwei Diener des Hauses gingen an ihm vorbei, gesenkter Blick, stumm. Sie wussten, wohin er unterwegs war. Und warum. In diesem Haus wusste man immer, wohin jemand ging. Und wann er zurückkehren würde – oder nicht.

Tath’raen blieb kurz vor dem inneren Sanktum stehen, dem kreisrunden Atrium, das den Empfangssaal der Ilharess umgab. Die Wächter vor dem Tor der Audienzhalle warfen ihm einen knappen Blick zu, aber sie machten keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Man hatte ihn erwartet. Jeder wusste, wohin jemand ging. Er wartete. Wie immer. Den Blick gesenkt, wie es sich gehörte. Die Halle war still, nur das leise Tropfen von Wasser in einem entfernten Becken durchbrach die Ruhe. Nach Minuten öffnete sich lautlos die Pforte zur inneren Kammer. Er trat ein.

Die Ilharess saß auf ihrem Thron. Bewegte sich nicht. Ihre Augen waren wie Klingen – in jedem Moment bereit, zu schneiden. Tath’raen kniete nieder. Den Blick noch immer gesenkt. „Ilharess,“ sagte er mit ruhiger Stimme, „ich berichte über den Vorfall im Pilzwald.“ Keine Regung. Kein Wort. Nur das kaum hörbare Tippen eines Fingernagels auf einem Marmorthron. Er fuhr fort: „Der Sargtlin Vel’kharon hat seine Position missbraucht. Er suchte... Macht, wo ihm keine gegeben wurde. Lyr’sa hat reagiert. Mit Kraft. Unerwarteter Entschlossenheit.“ Eine Sekunde lang hob er den Blick leicht, nur bis auf Kniehöhe. „Ich habe den Zwischenfall unter Kontrolle gebracht. Die Tiere sind zurück im Gehege. Die Ordnung wurde wiederhergestellt.“ Erneut ein langsames, fast beiläufiges Tippen mit einem Fingernagel auf der marmornen Armlehne des Throns. Kein Tadel. Kein Lob. Tath’raens Stimme wurde etwas ruhiger, beinahe – vorsichtig – mit einem Hauch von Stolz, als er sagte: „Sie ist wütend. Und verletzt. Aber sie lebt. Und... sie kämpft wieder. Ich bin zuversichtlich, dass sie den Weg zurück zur Dunkelheit finden wird.“ Er schwieg kurz. „Soll ich meine Aufgabe fortsetzen?“ Ein Nicken. Kaum sichtbar. Aber endgültig. Tath’raen senkte tief seinen Kopf in Ehrerbietung: „Wie ihr befehlt, Ilharess.“ Dann schwieg er. Wartete, bis sie leicht, nur ein paar Fingerbreit, eine Hand hob – ein Geste, die so viel bedeutete wie geh jetzt. Kein Wort. Keine Belohnung. Aber auch keine Strafe. Er stand auf. Wandte sich um und verließ den Raum.

Seine Schritte waren leise, sein Gesicht wieder in der gewohnten Maske. Aber in ihm arbeitete etwas. Nicht Zweifel. Nicht Reue. Vielleicht Hoffnung. Für Lyr’sa. Aber auch das würde er niemandem sagen.

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