Die verschlungenen Pfade des Wissens

Allgemeines Rollenspiel Forum für Geschichten und Geschehen.
Antworten
Alniira Vrammyr
Beiträge: 42
Registriert: 07 Mai 2025, 17:45
Kontaktdaten:

Die verschlungenen Pfade des Wissens

Beitrag von Alniira Vrammyr »

Die verschlungenen Pfade des Wissens

Die Morgenr?te der Oberwelt, ein fahles, k?hles Violett am Horizont, malte lange, zitternde Schatten in die tiefen Schluchten Elashinns. F?r Alniira, die ihre Tage tief in den Katakomben des Hauses Ky'Alur verbrachte, war es ein weiterer Zyklus im unerm?dlichen Dienst eines Systems, das zwar nicht ihr eigenes war, dessen Elemente sie jedoch geschickt zu manipulieren verstand. Doch der heutige Auftrag, direkt von der Ilharess selbst erteilt, versprach eine willkommene Abwechslung von der gewohnten Routine des Schmiedens und des strategischen Beziehungsgeflechts im Haus. Es war eine Sendung, die nach dem Tageslicht schrie.

Die Ilharess Jhea'kryna Ky'Alur hatte sie in ihren privaten Gem?chern empfangen, eine seltene Ehre, die Alniira mit k?hler Fassade, aber wachem Verstand registrierte. Das auf feinstes Spinnenseidpergament geschriebene Schreiben, das sie Alniira mit einer knappen Geste ?bergab, war kurz und pr?zise, fast schon abrupt: Eine Botschaft an Bareti, die Wirtin der Taverne in Moonglow. Die ?berbringung war Alniiras Aufgabe. Doch der eigentliche Grund f?r den Auftrag war ein uraltes Buch, das Alniira aus den Tiefen des Archivs holen und zusammen mit dem Brief an Bareti ?bergeben sollte. Der Titel des Folianten, den sie Bareti ?berbringen sollte, war "Die Prophezeiung von Zelraun dem Zerfaserten".
?Ein Buch??, murmelte Alniira innerlich, w?hrend sie das Pergament in ihren H?nden wog, dessen feine Textur ihre Sinne reizte. ?Eine Matrone von Ky'Alur, die ein Buch aus unserem Archiv zur Wirtin einer Oberwelt-Taverne sendet? Das ist ein weiterer, unerwarteter Strang im Gef?ge der Ilharess' Aktivit?ten, den ich noch nicht ganz entwirrt habe. Doch Wissen ist Macht, und dieses Buch muss von Bedeutung sein, wenn sie es an die verhasste Oberfl?che senden l?sst.?
Ihr erster Weg f?hrte sie zum Archiv des Hauses Ky'Alur, einem Ort, der selbst unter Drow selten und nur mit gr??tem Respekt betreten wurde. Es war kein Ort des Studiums f?r die meisten, sondern ein kaltes Labyrinth aus Wissen, das Lolth f?r ihre Priesterinnen und Magier als Waffe bereit hielt ? ein verschlossener Hort uralter Geheimnisse.

Die G?nge waren schmal, ihre W?nde aus unbehauenem Basalt, die Regale reichten bis zur gew?lbten Decke, gef?llt mit unz?hligen Folianten, vergilbten Rollen und verrosteten Metallkisten, die Jahrhunderte, ja, Jahrtausende von Drow-Geschichte, Magie, Intrigen und vergessenen Schrecken h?teten. Der Geruch von altem Pergament, trockenem, modrigem Leder und der s??lichen, fast bet?ubenden Note von Konservierungsmitteln hing schwer und staubig in der feuchten, k?hlen Luft, die kaum zirkulierte.

Als Alniira den massiven, mit magischen Glyphen verzierten Eingang des Archivs erreichte, bemerkte sie die beiden Drow-Wachen, zwei Sargtlinge, die stoisch vor der schweren Bronzet?r postiert waren. Ihr Blick fiel auf den j?ngeren der beiden, dessen R?stung nun einen subtilen, dunklen Schimmer trug und dessen Gelenke sich, wie sie wusste, lautloser bewegten.

?Eine gezielte Geste zahlt sich aus?, dachte Alniira mit einem inneren, zufriedenen Nicken. Das kleine, kunstvoll gefertigte Sch?rfwerkzeug und das spezielle R?stungs?l, das sie ihm vor Wochen heimlich zukommen lie?, hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Weniger Fragen w?rden gestellt, wenn die kleine Geste des Vertrauens ihren Weg gefunden hatte. Die Drow-Wache w?rde sich vielleicht fragen, wer so etwas getan hatte, aber die Effizienz seiner Ausr?stung sprach f?r sich.

Sie nickte den Wachen kurz und ohne viel Aufhebens zu, ihr Blick k?hl und bestimmt. Die Wache, der sie das Geschenk gemacht hatte, erwiderte ihren Blick kaum merklich, ein winziges Zucken in seinen Augen, bevor er wieder starr nach vorne blickte. Die Fragen, die sie normalerweise erwartet h?tte, blieben aus. Eine fl?chtige, kaum h?rbare Best?tigung und die schwere T?r schwang knarrend auf, um Alniira in die fl?sternde Dunkelheit des Archivs zu entlassen.

Im Inneren begegnete ihr ein bekannter, m?rrischer Blick, der die kalte Atmosph?re des Archivs noch eisiger machte. Ly'Saar, der griesgr?mige Drow-Magier des Hauses, stand wie ein verschatteter Gargoyle inmitten der Regale, seine Augen, die wie zwei rote Glutpunkte in der endlosen Dunkelheit gl?hten, folgten jeder Bewegung Alniiras mit einer unerbittlichen Intensit?t. Er war der H?ter dieses Wissens, und er liebte es nicht, wenn es unbefugt oder von Personen betreten wurde, die er als unw?rdig empfand.

?Das Buch, das die Ilharess begehrt?, knurrte Ly'Saar, seine Stimme war rau wie Ger?ll, das ?ber Stein geschleift wurde, ein Echo in der gespenstischen Stille. ?Es ist nicht f?r jedermanns Augen bestimmt. Du findest die Abschrift in der Sprache der ungebildeten im dritten Gang von hier, Sektor B, viertes Regal von oben, die schwarze Lederbindung. Beeile dich. Ich habe keine Zeit f?r deine? Unkenntnis.? Ly'Saars Blick hielt Alniiras fest, ein k?hler, absch?tzender Ausdruck, der ihre Seele zu durchbohren schien.
?Unkenntnis??, dachte Alniira sp?ttisch, ihre innere Stimme war scharf wie eine neu geschliffene Klinge, w?hrend sie den ersten Schritt in die labyrinthartigen G?ngen machte. ?Er sieht nur das, was er sehen will. Eine Jabress d?lil Velk?lar, die in seinen Augen keine Daseinsberechtigung in diesen heiligen Hallen hat, die ausschlie?lich den Priesterinnen und Magiern vorbehalten sind. Aber ich bin hier, um Wissen zu erlangen, Ly'Saar. Wissen, das deine starren Dogmen und Rituale niemals zulassen w?rden. Und mein Weg ist effizienter als deiner.?
Alniira schritt durch die engen G?nge, der Blick Ly'Saars bohrte sich wie ein unsichtbarer Dolch in ihren R?cken. Ihr Geh?r war gesch?rft, ihre Sinne nahmen jede winzige Ver?nderung in der Luft wahr ? das leise Knarren der Regale unter der Last der Jahrhunderte, das ferne Tropfen von Wasser in den tieferen Ebenen des Archivs, das kaum wahrnehmbare Rascheln alter, br?chiger Seiten. Ihr Blick glitt ?ber die unz?hligen Titel, die auf den vergilbten Buchr?cken prangten, jede ein Echo einer fremden, faszinierenden Welt, die sie langsam zu entschl?sseln begann:

?K'char tlu'suss ? K'lar o'lor d'l'el, tel'olar zhalia? (Die Kunst des Fl?stermordes ? Eine Abhandlung ?ber lautlose Attentate) ? Ein Foliant, dessen Inhalt die Schatten selbst zu fl?stern schien.

?Lolth zhah'suss ? Q'lath o'lor K'lar Qu'ellar, u'loel z'orr? (Lolths Schatten ? Rituale der Dunklen Spinneng?ttin und ihre Opfergaben) ? B?cher, die von den blutigen Dogmen, die sie so sehr verabscheute.

?Fyr'or dos'ul ? Xanalor u'lor Dos'uss, q'lar u'loel xan'naut? (Die vergessenen Pfade des Unterreichs ? Karten und Legenden) ? Karten, die vielleicht Wege zu unentdeckten Erzvorkommen enthielten.

?Jiv'el u'lor Illythiiri ? Xana'lor shiar'naut? (Beherrschung der Mind Flayer ? Techniken der Gedankenmanipulation) ? Eine gef?hrliche Macht, die sie vielleicht eines Tages verstehen musste.

?V'el'ggar u'lor Ry'lolth ? Xana'lar o'lor Qu'ellar Menzoberranzan? (Chroniken des Verrats ? Eine Geschichte der H?user Menzoberranzans) ? Die ewige Lektion, dass in der Drow-Gesellschaft jede Struktur zerfallen kann.

Jeder Titel war ein Element in einem noch gr??eren, komplexeren Gef?ge, ein Hinweis auf die grenzenlose Komplexit?t dieser Welt. Doch dann, als sie sich dem dritten Gang n?herte, fiel ihr Blick auf etwas anderes. Ein Foliant, dicker und ?lter als die meisten anderen, dessen robustes, von der Zeit gegerbtes Ledereinband von unz?hligen Ber?hrungen glatt geschliffen war. Der Titel war in einer alten, flie?enden Drow-Schrift verfasst, die nicht jeder Magier beherrschen w?rde, ein Zeichen seines wahren Alters und seiner Seltenheit: ?Alch'em'rakas u'lor Min'er'alyn?. Alchemie und Mineralien.
?Alchemie? Mineralien??, fl?sterte Alniira innerlich, ein Funke z?ndete in ihrem Geist, hei?er und intensiver als jeder Schmelzofen. ?Das ist es! Das Wissen, das ich brauche. Nicht nur ?ber die Umwandlung von Materie, sondern ?ber die tiefsten Eigenschaften der Erde, der Steine, der Erze. Nicht die oberfl?chliche Kenntnis, die man f?r gew?hnliches Schmieden braucht, sondern die verborgenen Geheimnisse der Substanzen selbst, ihre Strukturen, ihre wahren Kr?fte. Dieses Wissen... es k?nnte mir den Schl?ssel geben f?r Cassius Dessin Probe?
Ihr Herz schlug schneller, ein wilder Rhythmus der Gier, die nichts mit der Macht der Drow-H?user oder der Gunst Lolths zu tun hatte, sondern mit dem reinen, unverf?lschten Streben nach Perfektion. Dieses Buch k?nnte der unbezahlbare Schl?ssel sein, um es zu verstehen, zu verarbeiten, zu formen.

Sie erreichte das vierte Regal und fand das von Ly'Saar beschriebene Buch der Ilharess: "Die Prophezeiung von Zelraun dem Zerfaserten". Eine schlichte, schwarze Lederbindung, unscheinbar im Vergleich zu den anderen, doch zweifellos das Richtige. Sie nahm es an sich, wog es in ihrer Hand, w?hrend ihr Blick immer wieder zu dem alchemistischen Folianten glitt, dessen Anziehungskraft sie kaum widerstehen konnte.

Auf dem R?ckweg, als sie Ly'Saars strengen, forschenden Augen wieder begegnete, traf sie eine blitzschnelle Entscheidung, eine Geste von atemberaubender K?hnheit. W?hrend sie scheinbar beil?ufig das Buch der Ilharess in ihre ?u?ere Tasche gleiten lie?, griff ihre andere Hand mit einer ge?bten Bewegung, flinker als eine Katzenpfote, nach dem Folianten ?Alch'em'rakas u'lor Min'er'alyn?. Ein schneller, kaum wahrnehmbarer Zug, eine Bewegung, die sie seit ihrer Kindheit ge?bt hatte, um Kleinigkeiten vor den Augen ihrer Schwestern zu verbergen. Der Foliant verschwand unter ihrem Mantel, verborgen unter den Falten ihrer dunklen Kleidung, ein weiteres Geheimnis, das nun allein ihr geh?rte.

Ly'Saar stand da, seine Augen fixierten Alniira, ein unleserlicher, steinerner Ausdruck auf seinem Gesicht. Er blinzelte nicht. Er sagte kein Wort, seine Pr?senz war wie eine kalte Mauer. Alniira achtete darauf, nicht den Anschein von Hast oder Unruhe zu erwecken. Sie wusste, dass sie ihre Handlungen perfekt getarnt hatte.
?Er hat nichts gesehen?, dachte Alniira, ihre innere Stimme k?hl und triumphierend. ?Seine Aufmerksamkeit ist auf das Hier und Jetzt gerichtet, auf die Einhaltung der Regeln, nicht auf das, was sich in den Schatten seiner G?nge bewegt. Mein Griff ist zu sicher, meine Bewegung zu flie?end gewesen. Ich war schneller als sein Blick.?
?zumindest dachte sie es

Mit dem Buch der Ilharess "Die Prophezeiung von Zelraun dem Zerfaserten" sicher verstaut und dem gestohlenen Folianten ?Alch'em'rakas u'lor Min'er'alyn? unter ihrem Mantel, verlie? Alniira das Archiv. Der Blick Ly'Saars, so sie ihn wahrnahm, blieb unbewegt, starr auf den Eingang gerichtet. Die Drow-Wachen nickten ihr beil?ufig zu, als sie durch die T?r schritt, ihre Gedanken bereits woanders. Nun war es Zeit, die lange, gef?hrliche Reise nach Moonglow anzutreten, zu Bareti, der Wirtin. Der offizielle Auftrag war klar, aber Alniiras eigene Mission hatte gerade erst eine neue, aufregende Wendung genommen.


OOC:
Bezugnehmend auf :
viewtopic.php?t=328
viewtopic.php?t=251
Jhea'kryna Ky'Alur
Beiträge: 58
Registriert: 07 Mai 2025, 09:46
Kontaktdaten:

Zuvor in den Gem?chern der Ilharess

Beitrag von Jhea'kryna Ky'Alur »

In der k?hlen Stille ihres Schreibzimmers, umgeben von pergamentbespannten W?nden und wachenden Runen, lie? Jhea?kryna Ky?Alur ihre Fingerspitzen langsam ?ber das alte Manuskript Zelrauns gleiten. Die Schrift war br?chig, an manchen Stellen beinahe selbstverzehrend ? als h?tte der Text sich gegen die Zeit gewehrt. Und dennoch: Wahrheit flackerte darin, so tief und scharf wie Spinnenz?hne.

Bareti. Sie hatte zugeh?rt, als andere schrien. Hatte verstanden, als andere sich hervortun wollten. In all der Kakophonie an der AAM war sie eine der wenigen Stimmen gewesen, die Substanz trugen.

Vielleicht, so dachte Jhea?kryna, war es an der Zeit, ihr mehr zu geben. Eine Pr?fung. Oder eine Saat.

Sie trat an den Tisch, rief nach einem ihrer niederen Schreiber. Eine Handbreit sp?ter beugte sich der junge Akolyth in Demut vor ihr. ?Eine Abschrift?, sagte sie leise, aber unmissverst?ndlich. ?Vom Traktat Zelrauns. Keine Auslassungen, keine Korrekturen. Jeder Riss, jede Anmerkung ? erhalte sie.?

Der Akolyth verneigte sich tief, und Jhea?kryna wandte sich bereits wieder ab, als sie ihre Gedanken weiterspann.

Alniira.

Sie war keine Botin. Und dennoch: Es w?rde ihr Gelegenheit geben sich in Ihren eigenen Netz zu verfangen. Begehrlichkeiten zu n?hren, Versuchungen nachzukommen.


????? ????? ????? ????? ?????

An Magistra Bareti, pers?nlich.

Hochgesch?tzte Magistra,
werte Freundin,

Euer Verstand hat mich beeindruckt, als viele den ihren verloren. Ihr Geh?r war sch?rfer als das der meisten, und Ihr Schweigen gewichtiger als jedes Wort.

Ich sende Euch hiermit eine vollst?ndige Abschrift des Traktats jenes Wahnsinnigen, den Ihr bereits zu zitieren vermochtet -

Zelraun, der Zerfaserte

Ihr kennt die Verse, doch kennt Ihr auch die R?nder? Die glimmenden Splitter seiner letzten Zeilen? Vielleicht.

Lest, was zwischen den Linien fault. Und berichtet mir, was Ihr findet.

M?ge Euer Blick ebenso klar bleiben wie er es war, als wir uns begegneten.

?
Ky?Alur
????? ????? ????? ????? ?????


Unter dem Namen Ky'Alur prangt des Siegel der Ilharess.
Ein Abdruck des Siegelringes auf schwarzem Wachs.
Jhea'kryna Ky'Alur
Beiträge: 58
Registriert: 07 Mai 2025, 09:46
Kontaktdaten:

In den Gem?chern der Ilharess

Beitrag von Jhea'kryna Ky'Alur »

Der kalte Schein der phosphoreszierenden Lichter, die an den hohen W?nden Elashinns langsam aufglommen, warf kalte Schatten auf die schwarzen Marmorplatten des Balkons. In der Ferne zitterte das Licht ?ber den Spinnennetzen der ?u?eren Plattformen wie Nebel ?ber stillen Wasserfl?chen. Zwischen ihnen ? wie aus einer anderen Welt ? sa? Jhea?kryna Ky?Alur zur?ckgelehnt in einem geschwungenen, metallenen Sessel. Vor ihr auf einem kleinen Tisch ruhte ein Kelch aus obsidianfarbenem Glas, halb gef?llt mit dunkelrotem Wein. Die Ranken ihres Umhangs hatten sich gel?st, wie von selbst, und fielen wie fl?ssige Schatten ?ber ihre Schultern.

Sie hob kaum den Blick, als Ly?saar leise, aber mit fester Stimme das Wort ergriff. Er stand exakt im Lichtschatten zwischen zwei Fackeln, die Flammen warfen seine Silhouette hart gegen die Wand hinter ihm.

?Die Jabbress Alniira hat ihre Aufgabe erf?llt ? zumindest vordergr?ndig. Sie hat das Buch mitgenommen, wie ihr es befohlen habt. Doch sie konnte der Versuchung nicht widerstehen? Sie hat einen zweiten Folianten entwendet. ?Alch?em?rakas u?lor Min?er?alyn?. Alchemie und Mineralien. Wertvoll, selten. Kaum jemand h?tte ?berhaupt erkannt, was sie da an sich nahm.?

Ein kaum h?rbares Klingen entstand, als Jhea?kryna ihren Kelch hob, einen winzigen Schluck nahm, und dann das Glas bed?chtig zur?ck auf den Tisch stellte.

?So jung...?, sagte sie leise, und ihr L?cheln war so sanft wie das Messer an der Kehle eines Schlafenden. ??und schon verfangen im Netz.?

Ly?saars Stimme blieb ruhig, doch seine Stirn war leicht gerunzelt. ?Ich h?tte sie aufhalten k?nnen.?

?Das wei? ich?, erwiderte Jhea?kryna und richtete nun ihren Blick direkt auf ihn ? ein Blick, der mehr wog als Worte. ?Aber du hast es nicht. Weil du gelernt hast, wie man jagt, Ly?saar. Nicht indem man jedes Reh erschl?gt, das den falschen Pfad w?hlt ? sondern indem man es laufen l?sst. Dorthin, wo es am besten f?llt.?

Ein Schimmer von Belustigung glomm in ihren Augen auf. Sie deutete auf den freien Platz ihr gegen?ber. ?Setz dich. Du wirkst... aufrecht genug f?r einen, der gerade einen kleinen Verrat beobachtet hat.?
Er z?gerte nur kurz, ehe er sich ihr gegen?ber niederlie?, die H?nde in den Scho? gelegt, wachsam. Jhea?kryna schenkte nach, auch in seinen Kelch ? ohne zu fragen. Sie genoss diese kleinen Gesten der ?berlegenheit.
Dann, w?hrend er trank, beugte sie sich leicht vor, der Tonfall nun w?rmer, fast verspielt:

?Glaubst du, sie wei?, wie sehr sie sich gerade blo?gelegt hat? Dass sie nun zwei B?cher mit sich tr?gt, die mehr Gewicht haben als sie selbst??

Ly?saar antwortete nicht sofort. Jhea?kryna fuhr fort, ihr Blick nun auf die dunkle Stadt gerichtet, wo irgendwo unter ihnen Alniira sich auf ihren Auftrag vorbereitete.

?Vielleicht wird sie gl?nzen. Vielleicht bricht sie. Aber eines ist sicher: Sie ist nun Teil eines Spiels, das sie noch nicht einmal ganz versteht.?

Sie drehte sich wieder zu ihm, ein leises, vieldeutiges L?cheln auf den Lippen.

?Und du, Ly?saar, bist mein Zeuge ? und vielleicht mehr.?

Ein kurzer Moment der Stille lag zwischen ihnen, erf?llt nur vom kaum wahrnehmbaren Fl?stern der Magielaternen und dem Rauschen der Tiefe unter Elashinn.

?Behalte sie im Blick. Aber r?hre sie nicht an ? noch nicht. Ich will sehen, wie weit sie geht... bevor sie f?llt. Oder steigt.?
Benutzeravatar
Bareti
Beiträge: 46
Registriert: 07 Mai 2025, 09:46
Wohnort: Moonglow
Kontaktdaten:

Re: Die verschlungenen Pfade des Wissens

Beitrag von Bareti »

Die Taverne war ruhig gewesen, als die Drow erschien ? schlicht gekleidet, mit einer Haltung, die sowohl Vorsicht als auch Zielstrebigkeit verriet. Ihre Schritte waren lautlos auf den alten Dielen, und doch war ihre Pr?senz deutlich zu sp?ren ? wie ein Schatten, der mit Absicht geworfen wurde. Die wenigen G?ste im Schankraum warfen ihr verstohlene Blicke zu, doch Bareti trat bereits hinter dem Tresen hervor, ehe jemand Ansto? nehmen konnte. Sie kannte diesen Blick. Nicht drohend ? aber wachsam, wie jemand, der gewohnt war, unter jenen zu weilen, die lieber schwiegen als erkl?rten.

Dass sie sich ein Zwergenbier bestellte, ?berraschte. Nicht wegen des Getr?nks selbst ? sondern wegen der Selbstverst?ndlichkeit, mit der sie es tat. Kein Z?gern, kein Umschauen. Bareti erwiderte die Bitte mit einem kaum merklichen Nicken und griff zum Krug. Bareti, fast schon am?siert ?ber die Wahl, schenkte ihr eines der Umrazimer-Biere ein ? fast perfekt gezapft, wie Ulaf es sie gelehrt hatte. Das Sch?umen war knapp, das Glas kalt, und der letzte Tropfen landete mit einem zufriedenen Zischen. Bareti hatte ge?bt ? nicht weil sie es musste, sondern weil sie es wollte. Der Zwerg hatte ihr nie Komplimente gemacht, aber das leise Nicken, das er einst geworfen hatte, als sie das Bier zum ersten Mal richtig einschenkte, war ihr mehr wert gewesen als jede Auszeichnung der Zirkel.

Die Fremde nahm das Bier entgegen, ohne Hast, und ?berreichte kurz darauf das Schreiben. Ihre Augen ruhten lange auf Baretis Miene, w?hrend sie sprach ? oder vielmehr fragte. Es war keine plumpe Neugier, sondern ein geschliffenes Tasten. Bareti musste innerlich schmunzeln. Wer jemanden pr?fte, offenbarte oft mehr als er erfragte.

Als die Drow ihr schlie?lich auch den in dunkles Leder gebundenen Folianten ?bergab, antwortete Bareti scheinbar beil?ufig auf eine der Fragen: Der n?chste Fall eines Sternes? ?Die Sch?delw?ste?, hatte sie gesagt ? doch nicht, weil sie eine Eingebung hatte, sondern weil sie begonnen hatte, die Vektoren zu berechnen. Der Einschlagswinkel, das Verhalten der Himmelsk?rper zur Zeit der letzten Fragmentst?rze, die vergleichbare Gr??e der im Text erw?hnten Splitter ? all das wies auf eine Region, die abseits lag und doch zug?nglich war. Ein Ort, an dem das Gewebe der Welt bereits d?nner wirkte. Ihre Stimme war ruhig, aber ihr Verstand war es nicht: Er pr?fte, rechnete, sch?tzte ab. Und w?hrend sie sprach, schien es beinahe, als h?tte sie die Antwort nicht gegeben ? sondern gerade erst entdeckt.

Ein kurzer Austausch ?ber Etikette und Weitsicht folgte, dann leerte die Drow rasch das Glas und ging. Ohne Hast. Wie jemand, der wusste, dass jede Antwort nur ein weiteres Tor war.

????? ????? ????? ????? ?????


Das Siegel war ungebrochen, als Bareti es auf dem Schreibpult ablegte. Alniira hatte keine Miene verzogen, als sie ihr das versiegelte Schreiben samt eines in dunkles Leder gebundenen Buches ?berreichte ? nur ein kaum sichtbares Neigen des Kopfes, bevor sie sich ihrem Getr?nk widmete.

Nun lag es da. Schwarzes Wachs, ein Abdruck wie eine Dorne, gestochen scharf. Die Zeichen fremd, und doch zu deutlich, um harmlos zu sein. Es roch nach Spinnenseide, nach Tiefe, nach Entscheidung.

Mit bed?chtiger Ruhe brach Bareti das Siegel, entrollte das Schreiben ? und hielt f?r einen Moment den Atem an. Der Ton war deutlich. Nicht drohend, nicht schmeichelnd, sondern gezielt und fast etwas zu freundlich. Wie ein Dolch, der in Samt geh?llt war.

Sie las.
?Euer Verstand hat mich beeindruckt, als viele den ihren verloren. [...] Lest, was zwischen den Linien fault. Und berichtet mir, was Ihr findet.?
Ein Flattern ging durch ihre Gedanken, aber sie hielt ihn fest, diesen Moment ? bannte ihn mit einem gezielten Griff nach ihrem Notizbuch. T?rkisfarbene Tinte zeichnete erste Linien, w?hrend sie das beiliegende Manuskript aufschlug.

Was sie in H?nden hielt, war keine originale Handschrift ? das erkannte Bareti sofort. Und doch: Es war eine Abschrift von solcher Pr?zision, dass sie staunte. Die Linienf?hrung war altmeisterlich, jedes Zeichen eine Nachahmung mit beinahe ehrf?rchtiger Genauigkeit. Es war in der Allgemeinen Sprache verfasst, entgegen ihrer Erwartung eines Werkes in Elthered, und dennoch wirkte es wie ein Artefakt vergangener Zeitalter. Die Seiten trugen Risse, nicht durch Alterung allein, sondern durch bewusste Erhaltung jedes Fehlers, jeder Randnotiz. Eine Kopie ? aber eine, die den Atem der Zeit in sich trug.

Zelraun. Der Zerfaserte. Der Prophet des Verfalls

Die Worte waren... kein Wahnsinn, nicht g?nzlich. Vielmehr wie Rinde ?ber etwas, das zu tief wuchs, um es noch Baum zu nennen. Sie las von Himmelsk?rpern, von ?derungen des ?thers, von einem Fall, der keiner war, sondern ein Schl?ssel. Vom offenen Tor.
?Er schlug ein s?dlich der Insel des Glases...?
Die Feder z?gerte. Dann schrieb sie:
Nicht Einschlag, sondern Eintritt. Nicht Zerst?rung, sondern Neuordnung. Tr?gt der Zerfall selbst Bedeutung?
Sie sog Luft ein und lie? den Blick ?ber das letzte Fragment gleiten:
?Denn Wasser l?scht. Stein bewahrt. Und im Stein liegt Erinnerung.?
Wie ein Echo ihrer eigenen Gedanken ? das Fasslager, die eingemauerten Runen, der alte Grundriss der Taverne. Und dann fiel ihr etwas auf: Beide beschriebenen Sterne ? jener in der Vision Zelrauns und jener, den sie gerade erst hatte Fallen sehen ? waren ins Wasser gest?rzt. Nicht aufs Land. Vielleicht war das... gut? Wenn Zelraun recht behielt, dann mochte das Wasser nicht nur l?schen, sondern bewahren. Vielleicht hatte das Meer mehr bewahrt, als es preisgab. Ein tr?stlicher Gedanke ? oder ein tr?gerischer. Bareti schloss das Buch.

????? ? ????? ????? ????? ? ?????
Bild
????? ? ????? ????? ????? ? ?????


????? ????? ????? ????? ?????

An Ilharess Ky?Alur, durch H?nde von Alniira ?berbracht
Hochgeachtete Ilharess Ky?Alur,
werte Freundin,

ich war zutiefst beeindruckt von Eurer Weitsicht und der Sch?rfe Eures Verstandes. Es ist selten, dass eine Beobachtung zugleich so pr?zise wie zur?ckhaltend wirkt ? und doch wart Ihr es, die inmitten des Get?ses der Selbstinszenierungen mit bed?chtiger Klarheit spracht.?

Das von Euch ?bersandte Schreiben ist wohlbehalten bei mir eingetroffen, ebenso die Abschrift des Werks des sogenannten Zerfaserten. Ich danke Euch vielmals f?r euer Vertrauen.

Ich habe gelesen. Und ich werde weiter lesen.

Zelrauns Worte sind wie Sedimente, geschichtet zwischen Vision und Wirklichkeit. Der ?Veldrin?draeth? ist mehr als nur ein Ereignis ? er ist ein Prinzip. Ein Schnitt im Gewebe der Zeit, vielleicht sogar ein urzeitlicher Wille. Seine Bilder sind erschreckend pr?zise, seine Sprache fragmentiert ? doch nicht ohne Ordnung.

Ich finde in seinen Zeilen nicht blo? Warnung, sondern Einladung. Und in der Einladung liegt Pr?fung.

Beachtet die Muster neben dem III Absatz!

Ihr habt mich an die R?nder gef?hrt. Ich werde sehen, wie tief sie reichen.

In Freundschaft und hochachtungsvoll,

Bareti

????? ????? ????? ????? ?????
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast