Der Turm des Wissens. Gab es ihn wirklich?
Niemals hatte ihn ein lebendes Wesen gesehen. Es gab nur Gerüchte, Sagen und Erzählungen, die man hinter der vorgehaltenen Hand erzählte. Die Magier von Schattenwelt hatten seit Generationen nach ihm gesucht, doch jeder Mann und jede Frau, die sich auf die Suche gemacht hatte war eines Tages spurlos verschwunden. Keiner konnte sagen, ob sie noch lebten, oder ob sie den Turm gefunden hatten.
So kam es, das der Turm des Wissens mit der Zeit in Vergessenheit geraten war. Bis eines Tages ein Ereignis eintrat, das die ganze Schattenwelt betraf und die Magier des Landes an diesen Turm erinnerte.
Die Wesen der Schattenwelt waren wieder in ihr normales Leben zurück gekehrt. Marrach war besiegt und die Vögel sangen lauter als jemals zuvor.
Überall?
Nein, denn tief unten in der Erde gab es ein Volk, das auf einen bestimmten Moment wartete, von dem seine Legenden berichteten.
Und dieser Tag kam. Ohne Vorwarnung!
Es war ein wunderschöner Tag. Einige Krieger hatten sich zusammengetan um in den Höhlen von Covetous mal wieder nach dem Rechten zu sehen, während in der Akademie der Magier der Unterricht abgehalten wurde. Verliebte spazierten mit verträumten Blicken an den Flußufern entlang und in den Städten herrschte reges Treiben. Es war um die Mittagszeit, als plötzlich ein helles Licht am Himmel erschien das erst langsam, dann immer schneller werdend, seine gerade Bahn am Himmel zog.
Es dauerte eine Weile, bis die Wesen von Schattenwelt darauf aufmerksam wurden, da dieses Licht die Sonne noch nicht überstrahlte. Doch nach einer Weile war ein leises Grollen zu hören und da dieses von oben kam, schaute schließlich bald jeder nach oben und sah dieses Licht.
Das Grollen schwoll an und wurde bald zu einem bedrohlichem Poltern und grummeln. Gleichzeitig wuchs der Lichtball und erst in diesem Moment begriffen viele, das dies ein Stern sein mußte, der auf Schattenwelt hinabstürzte.
Viele vom Volke der Barbaren warfen sich winselnd auf den Boden und riefen immer wieder in Panik, das ihnen nun der Himmel auf den Kopf fallen würde. Für eine kurze Weile brach unter der Bevölkerung von Schattenwelt eine Panik aus und jeder versuchte sich ein geeignetes Versteck zu suchen. Doch genau in diesem Moment explodierte der Lichtball in einer gewaltigen Explosion und für wenige Sekunden mußte jedes Lebewesen die Augen schließen, da es sonst erblindet wäre.
Als sie die Augen wieder öffneten, konnten sie gerade noch erkennen, das mindestens drei glühende Brocken auf Schattenwelt hinabstürzten, die ein dünne schwarze Rauchfahne hinter sich her zogen. Doch der Wind verwehte den Rauch sehr schnell, so daß keiner genau sehen konnte, wo diese Brocken herabgefallen waren.
Schnell stellte man Suchtrupps zusammen, den nicht wenige glaubten, das dies ein Werk von Marrach gewesen sei und er nicht tot wäre. Einige behaupteten sogar, das die drei Brüder einen Weg aus dem Schattenreich gefunden hatten.
Doch die Suche blieb ergebnislos. Keines der drei Stücke wurde gefunden.
Tief unten in der Erde aber brach ein großer Jubel aus. Denn dies war das Zeichen auf das die Drow der Unterwelt gewartet hatten. Nun war es endlich an der Zeit sich das zurückzuholen, was ihnen die Menschen einst genommen hatten. Das Gebiet um Vesper und die Stadt. Endlich sollte Lloth einen Stützpunkt auf der Oberwelt bekommen um ihren ärgsten Feind an einer zweiten Front entgegen treten zu können.
Längst hatte Triel Dro'Olathurl ihre Fäden gesponnen und sogar schon Verbündete auf der Oberwelt gesucht. Ihr Haus war neben dem Haus Baenre das stärkste Haus der Unterwelt und selbst wenn alle ausgebildeten Krieger und Kriegerinen gleichzeitig an die Oberfläche vordringen würden, gäbe es hier unten kein Haus, das es wagen würde den verbleibenden Rest anzugreifen, da sie immer noch zahlenmäßig unterlegen wären.
Einige der jungen und unausgebildeten Krieger wollten dagegen aufbegehren, das Triel sie nicht mitnehmen wollte. Da befahl sie ihnen an die Oberfläche zu gehen und jede Weißhaut zu töten, die sie antreffen würden.
Laera Dro'Olathurl, engste Vertraute Triel's und einzige Freundin sah den davoneilenden Kriegern hinterher. Kopfschüttelnd sah sie auf ihre Herrin,
"Du schickst sie bewußt in den Tod, das weißt Du, oder?"
Triel sah an ihr vorbei und antwortete nur,
"Xas!"
Wie konnte sie ihr auch klar machen, das dies alles zu einem Plan gehörte der in wesentlich höheren Regionen ausgearbeitet worden war, in den nur sie und vor seinem Tod ihr Vater eingeweiht worden waren.
Ein paar Tage später trafen die jungen und unerfahrenen Krieger auf der Oberwelt ein. Sie kannten ihr Ziel, es hieß Vesper. Doch ein paar Meilen davor trafen sie das erste mal auf die Weißhäute. Diese hatten sich hier versammelt um zu trainieren, so kamen ihnen die Drowkrieger gerade Recht. Einer nach dem anderen wurde niedergemetzelt und keiner konnte entkommen. Selbst die Töchter Lloth's, die ihnen Laera hinterher geschickt hatte, konnten sie nicht mehr retten, obwohl sie unter den Oberflächenbewohnern wüteten wie nie zuvor und ihnen großen Schaden zufügten.
Etwa zur gleichen Zeit tauchte in Britain, der Hauptstadt von Schattenwelt ein seltsamer Mann auf. Er nannte sich Rondalus und wer ihm lange genug in die Augen sah, konnte erkennen, das dieser Mann wesentlich älter sein mußte, als sein äußeres auf den ersten Blick hergab.
Er schien nach diesen Bruchstücken zu suchen, die auf Schattenwelt hinabgefallen waren, doch niemand konnte ihm seine Fragen beantworten. Dann traf er jedoch auf einen jungen Mann namens Aron und dieser erzählte ihm, das er gesehen hätte das weit im Westen wohl eines hinabgefallen sein mußte, außerdem hätte er bei einem der vielen Anschläge an einigen Rathäusern eine Notiz eines Fischers Namens Rhonan gelesen, der einen seltsamen Stein verkaufen wollte, der angeblich vom Himmel gefallen sei.
Rondalus schien aufgeregt und bat Aron darum ihm den Weg zu zeigen, doch der schien davon nicht so begeistert zu sein. Er vermutete, das wohl auch andere Wesen hinter diesen Brocken her wären und das es vielleicht zum Kampf kommen könnte. Daraufhin schlug Rondalus vor, das man sich ja als Verstärkung ein paar kräftige Männer mitnehmen könnte und vielleicht den einen oder anderen Magier.
Nachdem dies nun also geklärt war, fand man auch schnell ein paar mutige Männer und Frauen, die sich den beiden anschließen wollten. Die Gebrüder Hal, Helle, Trohal und Wothan, sowie den vierten Bruder im Bunde Nio. Dieser war jedoch im Gegensatz zu seinen Brüdern ein Zwerg und Rondalus bezweifelte, das es sich wirklich um Brüder handelte, sprach dies jedoch nicht laut aus!
Dann waren noch Kim Leong und eine junge Kriegerin namens Robina dabei.
Die Reise war beschwerlich und schon bald machten sich die Strapazen bei Rondalus bemerkbar. Mehrmals mußten sie eine Rast einlegen. Kim fragte Rondalus als erster, warum ein so junger Mann so schlecht zu Fuß wäre und da erst erfuhr die Gruppe wer Rondalus wirklich war.
Ein Wissensmagier aus dem Turm des Wissens. Er war schon Uralt und nur innerhalb des Turmes blieb sein Körper Jung, doch hier draußen, weit weg vom Turm alterte er schneller als jedes andere Lebewesen. Auf die Frage, ob dies etwas mit den Brocken zu tun hätte, die vom Himmel gefallen seien, schüttelte er nur den Kopf.
Doch was er mit diesen Brocken wirklich vorhatte, wollte er vorerst nicht verraten. Nur eines wurde den Männern und Frauen der Gruppe recht bald klar. Er hatte nichts böses im Sinn!
Etwa zum gleichen Zeitpunkt trafen sich Triel Dro'Olathurl und Vierna Do'Urden. Da das Haus Noquar gerade auf einem kleinem Kriegszug weit im Süden von Schattenwelt war und dort ganze Ettinhorden auslöschte, mußte die Ilharess des Hauses Dro'Olathurl selbst mit den Drow der Oberwelt in Kontakt treten. Innerlich kochte sie vor Wut über die Unverfrorenheit der Noquar, die Absprache zu mißachten, doch da genau jetzt der Zeitpunkt gekommen war zuzuschlagen mußten die Häuser der Drow auf der Oberwelt informiert werden.
Gemeinsam mit Vierna verabredete sie einen Zeit- und einen Treffpunkt, an dem alle Drowhäuser der Oberwelt zusammenkommen sollten um über den bevorstehenden Angriff auf Vesper informiert zu werden.
Und bei diesem Treffen traf Triel das erste mal auf eine Drow, die nicht an Lloth glaubte. Tin Tamara!
Wie fast immer hatte Triel zu ihrem Schutz ein paar der Töchter von Lloth mit an die Oberfläche genommen, diese jedoch etwas versteckt in den Bergen zurück gelassen. Eine dieser Riesenspinnen war ihr jedoch gefolgt.
Natürlich verstieß sie dabei gegen das Wort von Triel und wäre sowieso getötet worden, doch dies übernahmen einige der Weißhäute und...
Tin Tamara!
Während die kleine Armee auf die Spinne einschlug, wandte sich Triel mit funkelnden Augen zu Vierna um und sagte mit zusammengebissenen Zähnen,
"Ein Drow der nicht an Lloth glaubt, ist kein Drow und somit nichts anderes als eine Weißhaut."
Vierna, die vergnügt beobachtete wie die Spinne den Kämpfern heftige Wunden beibrachte und sogar einige tötete, lächelte nur. Ohne den Blick vom Kampf abzuwenden sagte sie leise,
"Und dafür wird sie eines Tages sterben. Wenn nicht durch meine Hand, dann zumindest durch die Hand eines meiner Untergebenen."
Keiner von beiden konnte zu diesem Zeitpunkt wissen, das diese Drow bereits ein paar Tage später unter mysteriösen Umständen ums Leben kam.
Nach einigen Tagen näherte sich die kleine Gruppe um Rondalus einer kleinen verlassenen Stadt, ihr Name war Scara Brae. Doch kaum hatten sie die Stadtgrenze erreicht, schien Aron der Mut verlassen zu haben. Je näher sie der Stadt gekommen waren, desto unsicherer wurde er. Der Angstschweiß lief ihm nur so von der Stirn und als die Männer die Stadtgrenze erreichten, rannte er laut schreiend davon.
Niemand wußte was in ihn gefahren war. Ratlos standen die Männer und Frauen am Eingang der Stadt und überlegten, ob sie ihm nun folgen- oder ob sie in die Stadt gehen sollten. Rondalus war es schließlich, der sie aufforderte, die Stadt zu durchsuchen. Sie hätten diesen langen Weg schließlich nicht auf sich genommen, um jetzt einem Feigling hinterher zu rennen. Das sah die Gruppe ein und jeder nahm sich ein Haus vor.
Nach einer Weile trafen sie auf einen alten Fischer, der sich ängstlich umschaute und einen Fluchtweg suchte. Er lebte alleine in dieser Stadt und so viele Wesen, die von allen Seiten auf ihn zukamen, verängstigten ihn.
Doch schnell konnte aufgeklärt werden, das ihm keiner etwas tun wollte und die Hal Brüder fanden auch schnell heraus, das es sich bei dem altem Mann um den gesuchten Fischer handelte.
Rondalus wurde nervös. Nie zuvor war er seinem Ziel so nahe gewesen. Er bat den alten Mann ihm diesen Stein, der vom Himmel gefallen war, einmal zu zeigen und tatsächlich hatte dieser ihn sogar dabei. Die Hände von Rondalus zitterten als er dem Fischer den Stein zurück gab und mit aufgeregter Stimme versuchte er den Mann dazu zu überreden ihm diesen Stein zu geben. Doch der alte Fischer lächelt listig und meinte das man ihm dafür schon eine Summe von 1000 Goldstücken geben müsse. Die Fischerei lief nicht mehr so gut, außerdem gäbe es hier keine Kunden, die ihm die Ware abnehmen.
Verzweifelt warf die kleine Gruppe alles Gold zusammen, das sie bei sich trug, doch mehr als 500 Goldstücke wurde es nicht.
Schließlich beschloß man in der Nähe der Stadt auf die Suche nach Orks zu gehen. Diese stahlen ja das Gold ihrer Opfer und wenn man hier welche finden würde, dann würde man auf diese Art schon an genug Gold kommen.
Doch die Suche blieb Erfolglos und immer weiter von der Stadt entfernt suchte man nach einer Möglichkeit.
Rondalus wurde schnell müde und die Gruppe beschloß erst einmal alleine weiter zu suchen. Zum Schluß waren sie sogar schon soweit, das sie anfingen jeden Stein umzudrehen um darunter vielleicht einen Schatz zu entdecken.
Wütend und enttäuscht machten sie sich auf den Rückweg, als ihnen, völlig außer Atem, Rondalus entgegen gerannt kam.
Er war schwer verwundet und die Krieger mußten viele Bandagen verbrauchen um den Wissensmagier zu heilen, erst dann erzählte er ihnen das dort, wo er auf ihre Rückkehr gewartet hatte, plötzlich Lizards aufgetaucht waren, die ihn sofort angegriffen hatten.
Die Männer und Frauen der kleinen Gruppe lächelten mißtrauisch. Sie waren durch kein Sumpfgebiet gekommen, wo also sollten diese Sumpfbewohner hergekommen sein?
Als sie jedoch den Ort erreichten, wurden sie bereits von einer riesigen Horde Lizards erwartet.
Bevor sie überhaupt reagieren konnten, lagen Kim Leong und Robina schwerverletzt auf der Erde. Nur mühsam gelang es den Hal Brüdern die Lizards abzuwehren, während Rondalus versuchte die Schwerverletzten in Sicherheit zu bringen. Mehrmals wurde er dabei von den Lizards angegriffen, doch immer wieder war rechtzeitig einer der Brüder zur Stelle und deckte ihm den Rückzug.
Dann rief plötzlich einer von ihnen, der gebückt über einem der toten Lizards kniete,
"Er hat Gold dabei, nun haben wir genug, laßt uns abhauen."
Diese Aufforderung brauchte keine Bestätigung, denn schon drang die nächste Angriffswelle der eigentlichen Sumpfbestien näher. So schnell sie konnten, rannten sie davon. Dabei trugen immer zwei jeweils einen der Schwerverletzten.
Als sie schließlich völlig außer Atem den Platz erreichten, wo der Fischer auf ihre Rückkehr wartete, meinte Rondalus so leise, das es kaum jemand hören konnte,
"Nun wissen wir wenigstens wovor dieser Aron wohl geflüchtet ist!"
Als der Fischer erfuhr, das es seinetwegen Verletzte und sogar fast Tote gegeben hat, schämte er sich. Doch die Brüder beharrten darauf, das er jetzt das Gold nehmen sollte und ihnen gefälligst diesen Himmelsstein auszuhändigen hätte. Und so geschah es dann auch.
Als Rondalus den Stein in den Händen hielt, glänzten seine Augen vor Freude und sofort fing er an leise uralte magische Worte zu sprechen.
Die Kugel fing an zu schweben und sank dann langsam zur Erde hinab. Plötzlich erschien ein kleiner blauer Funkenregen, der aus ihrem Inneren zu kommen schien. Die Worte des Magiers wurden lauter und der Funkenregen veränderte seine Farbe in Weiß. Aber nach einer Weile brach er erschöpft zusammen und sofort erlosch der Funkenregen und die Kugel fiel gänzlich zu Boden!
"Es müssen alle drei sein." stammelte er.
Tief unten in der Erde...
Zwei Stimmen...
"NIEMALS HÄTTE SIE KONTAKT AUFNEHMEN DÜRFEN!" Die Stimme schien erregt und wütend!
Eine männliche Stimme antwortete,
"Ach Quatsch. Sieh es doch mal so, wenn Raynor Recht behält, werden die Drow der Oberwelt vernichtet und dann können wir endlich das Gebiet zurück erobern."
Es dauerte eine Weile, dann sprach wieder die erste Stimme. Jetzt erkannte man, das es sich um eine Weibliche Stimme handelte,
"Mir geht es gar nicht um diese Triel Dro'Olathurl. Ihr Haus ist sowieso dem Untergang geweiht, wenn das Urvolk wieder die Macht ergreift. Alle Anhänger Lloth's werden sterben!"
Die männliche Stimme lachte leise auf,
"Sicher werden sie das. Die Frage ist nur, ob Raynor sein Wort halten wird..." es folgte eine kurze Pause, "...und wenn ich ehrlich bin, glaube ich das nicht!"
"Du zweifelst an den Worten eines Gottes?" fragte die weibliche Stimme.
"Nein. Ich zweifle nicht."
Eine dritte Stimme erklang,
"Leise, da kommt jemand!"
Nach einer Weile erklang eine vierte Stimme,
"AH hier seid ihr! Die Valharess sucht Dich!"
Die männliche Stimme antwortete mit gehässiger Stimme,
"Na und?"
Die erste Stimme fuhr ihn an,
"Verdammt, die Zeit ist noch nicht soweit. Geh und Besuch deine Geliebte!"
Die Stimme, die vorher gewarnt hatte fügte lachend hinzu,
"Und viel Spaß, haha!"
Nachdem Kim Leong und Robina in Britain wieder genesen waren, traf sich die Gruppe um den Wissensmagier Rondalus erneut und wurde sogar von einigen neu hinzugekommenen Kriegern verstärkt. Ein Wanderer hatte erzählt, daß ein Priester in Minoc im Besitz eines der Steine sein sollte die vom Himmel gefallen waren.
Rondalus drängte die Anwesenden so schnell wie möglich nach Minoc aufzubrechen.
Es hatten zwar nicht alle Runen nach Minoc, aber einige waren zumindest in der Lage ein magisches Portal zu öffnen, so das die Gruppe ohne große Verzögerung in Minoc ankam.
Schnell verteilten sich die Leute und suchten nach dem Priester. Die Hal Brüder waren es schließlich die ihn aufstöberten.
Im ersten Moment fürchtete sich der Priester, der Xiam genannt wurde, zwar vor den vielen Menschen, als ihm die Brüder jedoch erklärten, daß Rondalus der Wissensmagier diesen Stein suchen würde, wurde er hellhörig.
Viel hatte er vom Turm des Wissens gehört und jetzt und hier auf einen dieser sagenumwobenen Magier zu treffen lies ihn seine Angst schnell vergessen. Nachdem er sich vergewissert hatte, das Rondalus tatsächlich im Besitz eines der Steine war, übergab er ihm seinen eigenen Stein.
Dem Magier traten Tränen der Freude in die Augen. Er schien seinem Ziel schneller als gedacht näher zu kommen. Doch gleichzeitig merkte er auch das die Entfernung zum Turm des Wissens an seiner Lebensenergie zerrte. Er wurde immer schwächer und die Zeit drängte.
Der Priester bot sich an die Gruppe zu begleiten, da er gesehen hatte, wie eine Horde Orks den dritten Stein aufgesammelt hatte.
Rondalus mußte ablehnen die Gruppe weiter zu begleiten, er wollte statt dessen in Minoc auf ihre Rückkehr warten. Die Anstrengung einer so weiten Reise, die nicht durch eines der magischen Portale verkürzt werden konnte, weil niemand genau wußte wo sich diese Orks aufhielten, würde er nicht mehr überleben.
Kim bot sich an bei dem Magier zu bleiben, doch Rondalus winkte dankend ab. Dabei meinte er nebensächlich, das die Kraft des Barden den anderen wesentlich besser dienen könnte als einem altem Mann.
Kim schien zwar nicht erfreut darüber zu sein, das er den alten Mann alleine zurück lassen sollte, doch insgeheim gab er ihm Recht. Schon mehr als einmal hatte seine Laute die Gegner verwirrt, so daß sie sich gegenseitig zerfleischten. So brach die kleine Gruppe auf.
Es wurde eine aufregende und langwierige Suche.
Mehrere Tage durchwühlten sie den Wald nördlich von Britain und südlich der großen Bergkette. Mehr als einmal gerieten sie dabei in große Gefahr und nur die Hilfe und der Zusammenhalt aller Anwesenden rettete sie vor dem Hungertod oder den hinterhältigen Fallen, die ihnen in den Weg gelegt wurden.
Schließlich stießen sie tief im Wald auf ein Orklager. Bevor sie überhaupt dazu kamen, mit den stinkenden Wesen zu reden, sprangen diese über die Palisaden ihres Lagers und stürzten sich mit wütendem Geschrei auf die Eindringlinge.
Dachten die Krieger am Anfang noch das sie leichtes Spiel mit den Orks hätten, wurden sie schnell eines besseren belehrt und nur eine ausgefeilte Taktik rettete sie vor dem Tod. Als sie sich schon sicher glaubten, trat aus dem großem Haupthaus ein mächtiger Orkschamane und sprach Zauber aus, die ihnen die Kräfte entzog. Dabei hielt der Schamane den fehlenden dritten Stein in die Luft und kleine Blitze zuckten daraus hervor.
Kim, bereits schwer angeschlagen, spielte eines seiner gefürchteten Lieder und seine Kampfgefährten hielten sich entsetzt die Ohren zu. Der einzige, dem die Lieder des Barden nichts ausmachten, war der Priester. Das gab ihm die Ruhe sich um die Verletzten zu kümmern.
Doch die Orks wandten sich plötzlich um und griffen ihren eigenen Schamanen an. Der sah keine andere Möglichkeit als seine eigenen Männer zu töten.
Gleichzeitig brach Kim erschöpft zusammen. Aber die Zeit hatte genügt und gemeinsam drangen seine Gefährten auf den Schamanen ein. Bevor er sich erholen oder verstecken konnte, erschlugen ihn die Männer und Frauen.
Jubelnd hielten sie den Stein in die Luft, als vom nahen Waldrand ein wütendes Geheul erklang. Etwa 100 Orks stürmten auf das Lager zu und die Männer erkannten, das sie sich beeilen mußten. Einer der mächtigeren Magier öffnete ein magisches Portal nach Minoc und bevor die Orks heran waren, verschwand der Letzte in dem Tor und hinter ihm schloß es sich!
Als Rondalus die Männer mit dem Stein auf sich zukommen sah, brach er in Tränen der Freude aus. Doch alle die ihn schon ein paar Tage zuvor gesehen hatten, konnten erkennen, das er in den wenigen Tagen um Jahre gealtert war.
Als er den Stein erhielt, schien er die Welt um sich herum zu vergessen. Mit eiligen Schritten ging er auf einen kleinen freien Platz vor der Bank von Minoc und legte die drei Steine in einem gleichschenkligen Dreieck um sich auf den Boden. Die Männer und Frauen folgten ihm und sahen teilweise Mißtrauisch und teilweise begierig zu.
Rondalus erhob die Arme zum Himmel und murmelte ein paar uralte Worte, die keiner verstand.
Nach einer Weile begannen die Steine blau zu leuchten und sie erhoben sich langsam in die Höhe, bis sie etwa zwanzig Zentimeter über dem Boden schwebten.
Doch obwohl der Magier sein beschwörenden Worte immer lauter aussprach, schien nichts anderes zu passieren.
Was die Männer und Frauen jedoch nicht sahen, war das helle Licht, das weit entfernt im Süden über Schattenwelt erschien und langsam Richtung Minoc wanderte. Doch viele andere Bewohner von Schattenwelt sahen das Licht, das den Himmel erhellte und folgten ihm.
Erst als das Licht direkt über Minoc zum Stillstand kam, sahen die Anwesenden nach oben und in dem Moment fuhr ein weißer Strahl aus der Mitte des Lichtes hinab zur Erde und hüllte den Wissensmagier ein.
Überall in und um Minoc öffneten sich magische Portale und hunderte von Schaulustigen drängten auf den Platz um nachzusehen, was hier passierte.
In diesem Moment schrie Rondalus laut auf,
"ZEIG DICH - BUCH DER ZEIT, LASS MICH AN DEINEM WISSEN TEILHABEN!"
Ein paar der älteren Magier zuckten zusammen.
Das Buch der Zeit?
In alten Sagen stand geschrieben, das es keinem anderen Wesen erlaubt sei, dieses Buch zu lesen als einem Gott und es sollte nur einen einzigen geben, der das Buch tragen und berühren konnte.
Tharkun, der ebenfalls anwesend war, ahnte bereits was mit diesem - für ihn fremden - Magier geschehen würde und kaum das er daran gedacht hatte, geschah das Unfaßbare.
Rondalus schrie vor Schmerzen laut auf und im gleichem Moment veränderte sich seine Haut. Sie wurde zu Stein!
Alle Anwesenden sprangen entsetzt ein paar Schritte zurück. Nur Kim und der Priester traten an den nun versteinerten Wissensmagier heran. Gleichzeitig erlosch das Licht und die Steine hörten auf zu leuchten. Sie fielen zu Boden und zerbröselten zu Staub.
Der Priester erkannte jedoch in den Augen des Magiers noch Leben und trat dicht an ihn heran. Leise vernahm er die Worte des zum Tode verurteilten.
Rondalus hatte das Buch der Zeit gesehen und ein Kapitel daraus gelesen.
Mit letzter Kraft erzählte Rondalus, ohne seinen Mund bewegen zu können, was er gelesen hatte. Kim und Xiam erbleichten als sie die Wortfetzen zusammen setzten.
Vesper würde fallen. Schon in naher Zukunft und es würde eine gewaltige Schlacht geben in der hunderte ihr Leben lassen müßten. Doch diese Schlacht würde nicht das Schicksal von Vesper entscheiden...
Bevor Rondalus aber mehr erzählen konnte, zerfiel er zu Staub.
Bedrückt starrten sich die Männer und Frauen auf dem Platz an. War es das Wert gewesen, für so eine Nachricht sein Leben zu opfern?
Nicht wenige nahmen die Nachricht auf die leichte Schulter und lachten darüber. Viele hatten die Übergriffe der Drow in der Nähe von Vesper mitbekommen und sie fürchteten sich nicht vor so ein paar Schwächlingen aus der Unterwelt.
Doch diejenigen, die vom Tribunal der Finsternis waren, lächelten geheimnisvoll und zogen sich unbemerkt zurück. Längst hatte ihr Führer Beelzial sie darüber informiert, das es bald zu einer Schlacht kommen würde und mit Raynor's Hilfe würden sie schließlich als Sieger das Feld verlassen.
Doch noch ahnte niemand was wirklich auf sie alle zukommen sollte...
Raynor, ein Gott wie Lloth und Rondra, hatte sich mit einigen der Drow vom Urvolk verbündet. Sie fühlten sich schon lange von Lloth im Stich gelassen und haßten ihre eigenen Nachfahren. Früher hatte das Urvolk über die Drow geherrscht, doch mit der Zeit übernahmen die Nachfahren diese Aufgabe selbst und das Urvolk trat nur noch in einer Art beratenden Tätigkeit auf.
Über Jahrtausende war das gut gegangen und nur wenige der Eingeweihten wußten überhaupt noch von der Anwesenheit des Urvolkes.
Als die Zeit kam, da immer mehr Drowhäuser an die Oberfläche krochen, wurde unter einigen vom Urvolk die Stimmen laut, daß dies der falsche Weg war. Die Drow waren die Herrscher der Unterwelt und hatten nichts an der Oberfläche zu suchen.
Diesen Streit, von dem Anfangs niemand etwas mitbekam nutzte Raynor, der Lloth seit den Spielen haßte wie die Pest. Damals Als Kush noch nicht der war, der er heute war, als Icho'Tolot noch nicht durch das Tor der Zeit getreten war...
...damals hatte sie ihn geschlagen und viele Spiele lang mußte er aussetzen.
Er hatte sie verfolgt, durch alle Welten, die sie heimgesucht hatte und hier hatte er endlich die Möglichkeit, ihr diese Niederlage heimzuzahlen.
Wie lachte er, als Kush Lloth in den Körper der Riesenspinne bannte, doch seine Freude dauerte nicht lang, denn mit den Drow baute Lloth bald eine Macht auf, welche diese Welt mit Links beherrschen konnte.
So suchte sich Raynor ein Geschöpf, der ihm dienen würde und es dauerte Jahrtausende, bis er auf Beelzial stieß. Dieser mächtige Magier verschrieb ihm seine Seele und würde ihm sogar durch das Tor am Ende der Zeit folgen und damit begann Raynor das Tribunal der Finsternis aufzubauen.
Doch niemals ließ er die Drow und Lloth aus den Augen. Und als viele Drowhäuser an die Oberfläche wanderten, sah er seine Chance gekommen. Mit Beelzials Hilfe streute er unter dem Urvolk der Drow das Mißtrauen gegen Lloth aus, die sich nur noch um deren Nachfahren zu kümmern schien.
Triel Dro'Olathurl blickte die Valharess lange an. Sie wußte, das sie nicht widersprechen durfte, aber in ihr nagten tiefe Zweifel. Sie entschloß sich doch noch etwas zu dem vorhergehenden Gespräch zu sagen,
"Gesetzt den Fall, das Raynor's Anhänger angreifen, bevor wir Vesper eingenommen haben, was dann? Nur ein Haus, außer dem meinem, steht noch auf eurer Seite und nur wenige vom Urvolk. Ihr wäret schutzlos dem Ansturm dieser Verblendeten ausgeliefert."
Die Valharess nickte traurig und antwortete,
"Aber diese Entscheidung liegt alleine in Lloth's Willen. Wenn es dir und den Drow der Oberwelt gelingt, Vesper einzunehmen, dann haben wir endlich wieder eine Position auf Schattenwelt und Raynor ist niemals stark genug gegen zwei Fronten gleichzeitig zu kämpfen. Viele, die ihm jetzt bereits folgen werden sich wieder von ihm abwenden und zu Lloth zurückkehren."
Lange dachte Triel über die Worte der Valharess nach und langsam begriff sie, warum Ihr Vater diese Frau so verehrt hatte. Während sie mit ihrer riesigen Armee an die Oberfläche schritt, um sich dort mit den Do'Urden, Hun'ett und den Noquar zu vereinen, wurde ihr langsam klar, das dieser heilige Krieg der Drow so gut wie gar nichts mit den Weißhäuten auf der Oberfläche zu tun hatte. Es ging einzig um Raynor und Lloth. Zwei Götter, die sich seit Anbeginn der Zeit haßten und diesen Kampf nun hier auf Schattenwelt beenden wollten. Die Drow waren nur Schachfiguren in einem weiterem Spiel und die anderen Rassen und Völker lästige Hindernisse, die im Wege standen. Aber warum hatte die Valharess verboten Beelzial und seine Anhänger Raynor's direkt anzugreifen? Warum durfte Triel Vierna und die anderen Drow nicht einweihen? War das auch Lloth's Wille?
Währenddessen hatte sich oben auf der Schattenwelt herum gesprochen, das Vesper in Gefahr war. Aus vielen Teilen des Landes kamen wackere Kämpfer um die Stadt, die bereits Marrach und die Pest überstanden hatte, vor dem drohendem Untergang zu retten.
Beelzial hatte zwar versucht die Stadt zu besetzen, als jedoch immer mehr Elfen, Zwerge und Menschen in die Stadt kamen, zog er sich mit seinen Männern erst einmal zurück.
Doch es gelang ihm einen starken Verbündeten zu finden. Eine Gilde, die sich selbst die Vergessenen nannte, war bereit ihm zu helfen, wenn der Zeitpunkt gekommen wäre. Dafür verlangten sie einen Preis.
Sie wollten einen Anteil an der Stadt, denn sie sahen nur ihren eigenen Gewinn. Keiner von ihnen bemerkte, wie sich Raynor's Willen in ihren Köpfen einnistete und sie verblendete. Beelzial rieb sich jedoch die Hände. Nun brauchte er nur noch abzuwarten. Er würde zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Denn das die Drow den Kampf um die Stadt gewinnen würden, solange er nicht mit seinen Männern eingriff, war ihm sofort klar. Aber dann konnte er mit frischen Kriegern und Magiern in die Stadt gehen und den Drow in den Rücken fallen. Sollten wider Erwarten doch die Verteidiger die Oberhand behalten, dann würde er eben diese Töten!
Die Drow fielen von allen Seiten gleichzeitig in die Stadt ein und die Riesenspinnen - die Töchter Lloth's - folgten Laera Dro'Olathurl in den südlichen Teil der Stadt.
Wo immer die Spinnen oder die Drow auf fremde Lebewesen stießen kam es zum Kampf. Dabei war es den Drow egal, ob sie wehrlose Frauen und Kinder abschlachteten. Während Triel von Süden her in Richtung Marktplatz marschierte und hinter sich eine Welle der Vernichtung und vom Blut getränkte Erde zurück lies, fielen die Häuser Noquar und Hun'ett von Westen in die Stadt ein. Gleichzeitig trafen die Do'Urden vom Norden her auf dem Marktplatz ein und richteten gemeinsam ein Massaker unter den Verteidigern der Stadt an.
Die Drow waren im Blutrausch und obwohl ihnen die Verteidiger heftige Wunden zufügten, kämpften sie weiter. Auf beiden Seiten gab es Tote und Schwerverletzte. Während die Verteidiger jedoch versuchten ihre Verletzten zu bergen und zu heilen, fielen immer mehr Drow über sie her und schlugen auf die Wehrlosen ein.
Die Bewohner der Stadt, die gerade erst zurückgekehrt waren um ihre, von der Pest befreiten, Stadt wieder aufzubauen wurden von den Drow ohne Gnade nieder gemetzelt.
Schließlich sahen die Verteidiger ein, das Vesper verloren war. Ob es nun eine geordnete Flucht war, sei einmal dahin gestellt, doch wer noch laufen konnte, tat dies. Wer dazu nicht mehr in der Lage war dem wurde einfach von den Drow die Kehle durchgeschnitten.
Die Drow brachen in Jubel aus und ein Geheul, das diese Stadt noch nie gehört hatte, klang durch die Gassen der Hafenstadt.
Doch der Kampf hatte auch an ihren Kräften gezehrt und nun machte sich der stundenlange Kampf langsam bemerkbar.
Genau in diesem Moment trat Beelzial seinen Siegeszug über die Drow an. Überall in der Stadt, die von verletzten und des Kämpfen müden Drow nur so wimmelte, öffneten sich magische Portale und heraus traten seine Männer und die Gildenmitglieder der Vergessenen. Bevor die Drow überhaupt begriffen, was geschehen war, starben die ersten durch die magischen Angriffe. Einer der Männer vom Tribunal der Finsternis sprach einen gewaltigen Feuerballzauber in die Richtung wo Triel Dro'Olathurl stand, doch im letzten Moment warf sich Laera Dro'Olathurl dazwischen.
Aber Triel hatte nicht die Zeit sich um die Schwerverletzte zu kümmern, von allen Seiten drangen die neuen Angreifer auf die Drow ein. Ein heilloses Durcheinander brach aus. Von einem geordneten Verhalten der Drow konnte keine Rede mehr sein. Jeder kämpfte nur noch ums nackte Überleben. Der Angriff der Raynor Anhänger war genau im richtigen Moment gekommen, das sah Triel in diesem Moment ein. Die Valharess hatte zwar vorausgesehen, das Beelzial in den Kampf um Vesper eingreifen würde, aber auch sie hatte die Macht dieses Mannes unterschätzt.
Ein Blitz traf Triel und riß eine tiefe Wunde über ihren Rücken, gleichzeitig versuchte sie mehreren Schwerthieben auszuweichen. Aus reiner Verzweiflung warf sie sich nach vorne und überrumpelte damit einen Gegner. Als sie zusammen zu Boden stürzten, stach sie ihm mit den Fingern die Augen aus. Ein kleiner Blick über das Geschehen rundherum genügte ihr um zu erkennen, das diese Schlacht verloren war. So schnell sie konnte rappelte sie sich auf und dabei sah sie kurz, wie Crow Do'Urden einen Menschen mit der bloßen Faust den Kopf von den Schultern schlug, der gerade Vierna von hinten erstechen wollte. Aber sie sah auch, wie Crow im gleichen Moment von etwa sechs bis sieben Pfeilen getroffen wurde und in die Knie sackte.
Als Triel gerade stand, traf sie ein geworfener Speer mitten in die Brust und nur ihre schwere Rüstung rettete ihr in diesem Moment das Leben. Doch der Treffer warf sie wieder nach hinten und das Schwert eines Elfen traf ihr linkes Bein und zerfetzte wichtige Muskeln.
Sie wußte später nicht mehr, wie sie es doch noch geschafft hatte dieser Falle zu entgehen, aber jetzt lag sie halbtot in einer kleinen Höhle, auf dem Rückweg in die Unterwelt. Sie hatte versagt und die Valharess würde sie dafür töten, aber das war Triel egal.
Plötzlich öffnete sich direkt vor Triel der Boden und eine riesige Spinne kroch aus dem Loch hervor. Bevor Triel reagieren konnte, spürte sie wie der Geist von Lloth in ihre Gedanken eindrang. Tausende von kleinen Nadelspitzen durchbohrten ihr Gehirn und winselnd lag die Ilharess auf der Erde, aber von einem Moment zum anderen war es vorbei und wie aus weiter Ferne hörte Triel die Stimme ihrer Göttin in ihrem Schädel nachhallen,
"Raynor... dieses Spiel wirst DU verlieren, selbst wenn der Tod dein Freund ist..."
Als die Spinne wieder in die Erde gekrochen war und sich der Boden hinter ihr geschlossen hatte, erhob sich Triel und schrie mit letzter Kraft,
"LLOTH HÖRST DU MICH? ICH WERDE ALLES TUN DAMIT DU ÜBER RAYNOR UND DEN TOD SIEGST! LLOTH TL MALLA JAL UL ULTRINNAH ZHA XUNDUS"
Dann brach sie erneut zusammen, doch von überall sprangen helfende Hände herbei und während sie in eine erlösende Bewußtlosigkeit sank, hörte sie die Stimmen von vielen Drow, die ebenfalls entkommen waren und ihr in die Unterwelt gefolgt waren.
"Und wir werden Dir dabei helfen!"
Müde starrte die Valharess auf die Überbringerin der Nachricht.
"Alle Tot?" fragte sie.
Die Drow kniete vor dem Thron und schüttelte den Kopf,
"Nein etwas mehr als zwei Handvoll sind auf dem Weg in die Unterwelt. Triel ist ebenfalls unter ihnen!"
Die Valharess atmete unbemerkt auf und fragte leise,
"Und Viconia Hun'ett? Lebt sie noch?"
Die Drow gab keine Antwort. Mit einer Handbewegung erlaubte sie der Drow zu gehen. Als diese den kleinen Saal verlassen hatte sah sich die Valharess um und erblickte Frsark, ihren heimlichen Geliebten. Als Oberbefehlshaber ihrer Garde gab sie ihm den Befehl, den Drow von der Oberfläche, seine besten Kriegerinen entgegen zu schicken. Wie konnte sie auch ahnen, das sie damit das Todesurteil von Triel Dro'Olathurl unterschrieb.
Als der Mann den Raum verlassen hatte, trat aus dem Dunkel hinter ihr eine seltsam gekleidete Frau in einer langen Robe. Sie hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, so daß niemand ihr Gesicht erkennen konnte,
"Dieser Sieg Raynor's wird seine Anhänger unter dem Urvolk erst Recht aufstacheln, nun da ihr geschwächt seid."
Die Valharess sah nicht einmal auf, als sie antwortete,
"Wenn Triel noch lebt, dann steht das Haus Dro'Olathurl noch hinter mir und selbst die, die nicht mit an die Oberfläche gegangen sind um dort zu sterben sind immer noch eine gewaltige Macht in diesem Reich."
"Aber," fuhr die seltsame Frau unter der Kapuze fort, "selbst mit den beiden Häusern Baenre und Dro'Olathurl wird es schwer werden, gegen die restlichen Häuser und das Urvolk zu bestehen."
Jetzt sah die Valharess auf und ihr forschender Blick versuchte das Gesicht der Drow im Schatten der Kapuze zu erkennen. Mit eisiger Stimme erwiderte sie,
"Und warum helft ihr uns dann nicht? Seid nicht ihr ebenfalls vom Urvolk?"
Für eine Weile herrschte Totenstille, dann sprach wieder die Frau,
"Das Urvolk ist in zwei Lager gespalten, das weißt Du. Doch diejenigen unter ihnen, die weiterhin treu an Lloth glauben, wollen abwarten was geschieht. Sie haben Lloth immer treu gedient, doch niemals war es ihre Aufgabe selbst zur Waffe zu greifen, das übernahmt schon immer ihr!"
"Seltsamerweise sehen diejenigen deines Volkes das aber etwas anders, die an Raynor glauben!" erwiderte die Valharess mit unterdrücktem Haß in der Stimme.
Die seltsame Frau schlug als Antwort die Kapuze zurück und das erste mal seit fast dreihundert Jahren sah die Valharess das Gesicht dieser Frau. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen,
"WAS..." stöhnte sie auf, "...was... wer... wer bist Du?" stotterte sie.
Die Frau sah aus, als ob sie gerade dem Kindesalter entsprungen war. Ihre langen weißen Haare fielen tief auf ihre Brust hinab, doch die rötliche Hautfarbe ließ sofort erkennen, das es sich nicht um eine Drow oder um eine Frau aus dem Urvolk handelte. Mit starrem Blick fixierte sie die Valharess und das erste mal, seit dem diese Frau von den Weisen des Urvolkes als die Beraterin der Valharess ausgesucht worden war, klang die Stimme der Frau nicht mehr sanft und ruhig, sondern fest und bestimmend,
"Mein Volk lebt schon lange nicht mehr, Valharess! Aber ich war die Erste die Lloth in die Unterwelt folgte und dies hier alles mit aufbaute. Ich war es, die dafür sorgte, das Du diesen Platz erhieltest und ich war es die dafür sorgte das Du diesen Platz mehr als vierhundert Jahre nicht verlassen musstest. Jetzt endlich kommt es zur entscheidenden Schlacht zwischen den Göttern und wie kleine Hasen sucht ihr die Hilfe bei anderen. Das Urvolk ist alt und gebrechlich. Raynor versprach ihnen ihre alte Stärke zurück, doch er wird sein Versprechen nicht halten. Wenn Du diese letzte Schlacht verlierst Valharess, wird Raynor seine Diener hier hinab schicken und dann werden die Drow für immer von dieser Welt gefegt. Dir bleibt nichts anderes übrig als endlich zu kämpfen. Die einzige Chance die ihr noch habt ist der Sieg!"
Die Valharess war Leichenblaß geworden. Langsam nickte sie zustimmend.
Die verletzten Männer und Frauen hatten sich gegenseitig geholfen und geheilt, doch der Schmerz, den diese Niederlage in ihren Seelen hinterlassen hatte, saß zu tief um durch ein paar Bandagen oder Heilzauber geheilt zu werden.
Es war verdammt still als die kleine Gruppe immer tiefer in die Dunkelheit vordrang. Keiner sagte ein Wort, nicht einmal ihr Atmen hörte man. Manchmal löste sich ein kleiner Stein unter den Füßen und polterte ein paar Meter den Gang hinab um dann mit einem leisem Klickern irgendwo vor ihnen in der Dunkelheit gegen die Gangwand zu stoßen.
Nach einigen Stunden kamen sie an eine Abzweigung und Triel ging wortlos in den nach oben führenden Gang hinein. Vierna sprang an Crow und Belgos vorbei, die sich seltsamerweise mal nicht hasserfüllt anstarrten und hielt Triel an der Schulter zurück,
"Da geht's in die falsche Richtung, Triel!"
Triel sah mit müdem Blick auf Vierna und nickte leicht,
"Ich weiß, doch der andere Weg führt direkt zu den Gebieten der Häuser. Dieser hier..." dabei zeigte sie in den leicht ansteigenden Gang ist nur ein Umweg."
Vierna hob stirnrunzelnd eine Augenbraue,
"Aber warum willst Du dann den längeren Weg gehen? Je eher wir bei unseren Leuten ankommen, desto eher können wir mit Verstärkung zurück an die Oberfläche kehren!"
Belgos Noquar war hinzu getreten und sah mit glitzernden Augen auf Triel Dro'Olathurl,
"Vierna hat Recht. Wir sollten zusehen, das wir so schnell wie möglich Verstärkung holen!"
Triel sah von einem zum anderen und auch in die Gesichter der anderen, die herangetreten waren, dann traf ihr Blick auf Dan'tra Noquar. Die beiden musterten sich eine Weile und Triel konnte spüren, das die Ilharess des Hauses Noquar sie in den tiefsten Winkeln ihrer Seele haßte. Schließlich blickte sie wieder zu Vierna,
"Wir haben drei Möglichkeiten. Entweder ihr vertraut mir und wir gehen diesen Weg, oder wir gehen den direkten!"
Talice Do'Urden zischte aus dem Hintergrund, das sind erst zwei Möglichkeiten. Welche ist die dritte?"
Triel sah in die Richtung aus der sie gekommen waren und sagte leise,
"Wir warten hier ob wir verfolgt werden, töten die Verfolger und gehen dann den direkten Weg!"
Vierna sah fassungslos auf Triel,
"Du glaubst wir werden verfolgt?"
Triel zuckte mit den Schultern,
"Ich weiß es nicht. Aber wenn wir verfolgt werden, dann ist der längere Weg besser geeignet die Verfolger in die Irre zu führen. Oder glaubst Du das es gut wäre, wenn die Weißhäute den direkten Weg in die Unterwelt kennen?"
Vierna sah fragend in die Runde, doch Dan'tra war es schließlich die es aussprach und ihre Frage richtete sich an alle Anwesenden,
"Also müssen wir eine Entscheidung treffen. Was machen wir also?"
Crow bot sich an zurück zu bleiben, er hatte die Dunkelheit der Unterwelt schon immer gehaßt und er wollte eventuelle Verfolger aufhalten. Vierna blickte lange auf Crow und sie konnte die leichte Sehnsucht im Kampf zu sterben in seinen Augen erkennen. Ihr Blick wanderte kurz zu Viconia, die mit eiskaltem Blick die anwesenden Noquar musterte.
Triel wollte etwas sagen, doch Vierna winkte lässig ab und Triel schwieg.
Langsam trat sie auf Crow zu und reichte ihm einen kleinen Beutel mit Nahrungsmitteln, dann sagte sie emotionslos,
"Du wirst hier auf uns warten, bis wir zurück kehren. Kommen Verfolger hier entlang - tötest Du sie. Verlässt du diese Höhle bevor wir zurück sind - Töte ich dich!"
Dann wandte sie sich ohne eine weitere Regung zu zeigen ab und schritt langsam in den Gang hinein, der in die Tiefe führte und den kürzeren Weg zum Ziel versprach.
Alle folgten wortlos, selbst Triel sagte kein Wort, obwohl sie immer noch der Meinung war, das dieser Weg ins Verderben führte.
Crow sah den davon Eilenden nach und bemerkte kurz das Aufblitzen in Viconia's Augen, als sie sich noch einmal umwandte, dann hatte die Dunkelheit sie verschluckt.
Es wurde still.
Langsam zog er sein Schwert aus der Scheide und begann es an einem Stein zu schärfen.
Talice, die hinter Vierna und Triel ging, bemerkte, das sich die Ilharess des Hauses Dro'Olathurl öfters nervös umsah und länger als jeder andere in die kleinen Seitengänge blickte. Sie schien sich vor irgendetwas zu fürchten.
Ohne das es ein anderer mitbekam, gab sie Nyrax ein Zeichen und zischte ihm kurz zu was sie beobachtet hatte, dann tauschten sie wie zufällig die Plätze, so das Nyrax jetzt hinter Triel ging.
Doch Belgos hatte dieses Manöver bemerkt und sah misstrauisch auf die beiden Do'Urden. Unbewußt verkrampfte sich seine Hand um den Griff seines Schwertes. Er nahm sich vor diese hinterhältige Dro'Olathurl nicht mehr aus den Augen zu lassen.
So wanderten sie etwa zwei Tage lang und kaum ein Wort wurde gesprochen.
Viconia und ihre Angehörigen des Hauses Hun'ett schienen besonders still zu sein, denn sie waren noch nie zuvor in diesen Höhlen gewesen und anders als bei den anderen Häusern, gehörten sie zu den Drow, die auf der Oberwelt geboren waren und nicht in der Unterwelt.
Schließlich erreichten sie ein Felsplateau, das in einer riesigen Höhle lag. Mehrere hundert Meter unter ihnen brodelte ein Lavasee und etwa 1000 Meter entfernt auf der anderen Seite gab es ein ähnliches Plateau.
Vierna stand gemeinsam mit Triel am Abgrund und starrte auf die Überreste einer zerstörten Hängebrücke. Nur ein Seil lief noch quer durch die Höhle zur anderen Seite.
Belgos trat heran und berührte wie zufällig Triel's Schulter, so das sie leicht ins Wanken geriet, als er sich zu dem Seil hinab bückte und kräftig daran zerrte. Vierna riss Triel zurück, die fast in den Abgrund gestürzt wäre, so das diese nach hinten gegen Viconia und Irae Do'Urden stolperte.
Gerade meinte Belgos, als hätte er nicht mitbekommen, daß er Triel fast getötet hätte,
"Das Seil scheint noch intakt zu sein, wir können uns ja daran auf die andere Seite hinüber hangeln..." als er von Vierna einen Tritt in den Rücken bekam, der ihn im hohen Bogen über den Rand des Abgrundes hinaus beförderte.
Blitzschnell griff er nach dem Seil und hielt sich daran fest. Vierna betrachtete ihn belustigt und meinte dann trocken,
"Stimmt, es scheint stark genug zu sein!"
Dan'tra Noquar trat mit gezogenem Schwert an sie heran und zischte sie leise an,
"Das tat nicht Not Ilharess, er hätte sterben können!"
Vierna musterte sie kalt und in ihren Augen glomm ein kleiner Funken Haß auf das Haus Noquar. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie ihre Angehörigen die Hände auf ihre Waffen legten und auch die Hun'ett ließen ihre Blicke nicht von den Noquar.
"Xas, Dan'tra! Aber er tat es nicht und nun wissen wir mit Sicherheit das dieses Seil uns trägt!"
Dann sah sie zu Belgos, der immer noch einige Meter entfernt an dem Seil hing und rief ihm zu,
"Nun klettere schon, wenn Du die halbe Strecke hinter Dir hast, werde ich Dir folgen. Hole ich dich ein, stoße ich dich in die Tiefe MANN!"
Dieses letzte Wort klang so verächtlich, das Belgos für einen Moment blass wurde, dann begann er zu klettern.
Schnell folgte ihm Vierna und nach einer Weile Triel. Als Belgos die andere Seite erreichte folgten ihnen die Noquar, dann die Do'Urden und zum Schluß die Hun'ett.
Als schließlich der letzte das Plateau erreicht hatte beschlossen alle, erst einmal eine Pause zu machen, da sie noch einen weiten Weg vor sich hatten. Triel verteilte ihren letzten Wasservorrat, meinte aber, das sie innerhalb der nächsten Stunden an einen unterirdischen See kommen würden, der aus frischem Süßwasser bestehen würde. Gerade gab sie Belgos Noquar einen Schluck aus ihrem Wasserbeutel, sie bemerkte den hasserfüllten Blick, überging ihn jedoch, da durchschnitt ein leises Surren die Stille.
Alle blickten auf, um zu erkennen woher das Geräusch gekommen war und im gleichen Moment gab es ein dumpfes Klatschen und Triel stöhnte leise auf. Belgos, der sie nicht aus den Augen gelassen hatte, lies erschreckt die Wasserflasche fallen.
Ein Strahl Blut, der aus der tiefen Wunde in Triel's Hals schoss, bespritze sein Gesicht.
Ihre Hände umfaßten den Schaft des Pfeiles, der sich quer durch ihren Hals gebohrt hatte. Langsam sank sie in die Knie.
Vom Eingang des Tunnels erklang leises gehässiges Lachen und dann erschienen etwa 50 tiefschwarz gekleidete Drow, die allesamt ihre Bögen auf die Männer und Frauen auf dem Plateau gerichtet hatten...
Belgos fing sofort an die magischen Kräfte zu sammeln und konzentrierte sich für den ersten Angriffszauber. Viconia zog ihr Elfbane und wollte sich auf die Neuankömmlinge stürzen, doch Dinin und Elvanshalee hielten sie zurück. Es gelang ihr zwar sich von ihnen zu lösen, doch gleichzeitig fing Vierna an zu sprechen,
"Wartet!", dabei zog sie der toten Triel Dro'Olathurl den Pfeil aus ihrem Hals und betrachtete ihn mit Genugtuung, "Senkt die Waffen Freunde."
Dann wendete sie sich zu den Kriegerinen in den schwarzen Rüstungen und begann zu sprechen,
"Vendui' tapfere Kriegerinen der Valharess. Ich bin Vierna Do'Urden, Ilharess del Qu'ellar und es ist mir eine große Freude euch zu sehen." Sie zeigte kurz auf die Tote und fuhr fort, "Diese schwache Ilharess führte uns ebenso in das Verderben, wie es bereits ihr Vater vor ihr tat. Aber ich denke das wißt ihr bereits."
In Gedanken fügte sie hinzu >Schade nur, daß ich sie nicht selber töten konnte<,
"Bringt uns zur Valharess, sie wird uns sicher schon erwarten!"
Langsam kamen die schwarz gekleideten Kriegerinen näher und nach wenigen Sekunden hatten sie die Oberweltdrow so eingekreist, das denen nur noch die Flucht über das Seil zurück geblieben wäre.
Hochaufgerichtet standen Vierna und Viconia neben der toten Triel und sahen ihren Gegnern entgegen. Vierna wußte, wenn sie mit ihrer Vermutung recht hätte und es sich hier tatsächlich um die Kriegerinen der Valharess handeln würde, das sie sowieso kaum ein Chance gegen diese kleine Übermacht hätten.
Aus dem Pulk der Gegner löste sich eine Frau und trat auf die kleine Gruppe zu, die am Rand des Abgrundes stand. Wortlos schritt sie an Vierna und Viconia vorbei und beugte sich zu Triel hinab. Mit einer kurzen Handbewegung untersuchte sie am Hals der Toten den Puls und richtete sich dann lächelnd wieder auf. Mit einem Blick der selbst Viconia, die stolzeste aller Oberweltdrow das Blut in den Adern gefrieren lies, musterte die fremde Drow erst Viconia und Vierna und dann jeden einzelnen der kleinen Gruppe.
Als ihr Blick den von Belgos traf, schien sie leicht zusammen zu zucken, doch dies bemerkten nur Belgos selber und Vierna, sowie Viconia, da diese beiden in ihrer unmittelbaren Nähe standen. Schließlich fiel ihr Blick wieder auf Vierna und ohne ein Wort zu sagen hielt sie ihr die linke Hand entgegen, mit der geöffneten Handfläche nach oben. Dabei sah sie kurz auf den Pfeil, den Vierna immer noch in der Hand hielt.
Vierna kochte innerlich vor Wut.
Wer auch immer diese Frau war, sie war keine Ilharess und hätte eigentlich mehr Respekt vor ihr zeigen sollen. Doch als sie der Frau in die Augen starrte, während sie ihr den Pfeil in die Hand legte, zuckte Vierna leicht erschrocken zusammen.
Diese Frau war eine Drow, das war unverkennbar, aber in ihren Augen lag etwas, das nicht Drowisch schien. Irgendetwas in Vierna schrie entsetzt auf und sie erkannte gleichzeitig was für einem Wesen sie hier gegenüber stand.
Als Viconia leicht die Luft einsog um der fremden Drow eine Frage zu stellen, zischte Vierna sehr leise eine Warnung,
"Ein Wort und wir sind alle Tot!"
Die Drow steckte den Pfeil in einen Halfter, der sich auf ihrem Rücken befand und ging wortlos zu ihren Leuten zurück. Dort gab sie einigen Kriegerinen einige Zeichen und diese steckten ihre Waffen weg und kamen auf die kleine Gruppe zu.
Viconia sah sich zu Vierna um und als Dan'tra Noquar hinzugetreten kam, fragte Viconia gerade,
"Seid wann hast Du solche Angst um dein Leben?" das klang etwas verächtlich und Vierna Blick sprach Bände als sie antwortete,
"Du kennst Lloth's Töchter?"
Viconia nickte,
"Xas, wir halten uns ebenfalls einige dieser Riesenspinnen als Haustiere!"
Doch Vierna lächelte plötzlich eiskalt, dann sprach sie hastig, damit die herannahenden fremden Drow sie nicht hören konnten,
"Dies sind ebenfalls Lloth's Töchter! Nur aus einer Zeit als Lloth noch nicht dazu verdammt war in ihrer Gestalt als Spinne gefangen zu sein."
Dan'tra wandte sich entsetzt um und starrte auf die Kriegerinen, die gerade dabei waren die ersten Leute zu entwaffnen.
Viconia schluckte, dann fragte sie leise,
"Das ist das Urvolk?"
Vierna nickte nur, antwortete jedoch nicht, da die Kriegerinen sie jetzt erreicht hatten und ihnen die Waffen abnahmen.
Wie konnte sie auch wissen, das sie der Wahrheit zwar sehr nahe gekommen war, sie jedoch noch nicht gänzlich erkannt hatte.
Als eine der Drow auf Belgos zu trat, machte er einen Schritt zurück. Niemals würde er sich von seiner wertvollsten Waffe trennen, seinem Buch der Macht. Doch die Kriegerin nickte ihn nur an und lächelte geheimnisvoll. Dann schritt sie an ihm vorbei auf Nyrax zu und nahm ihm die Waffen und alles was er für einen Kampf benutzen konnte ab. Nyrax starrte wütend in Vierna's Richtung, doch die schüttelte leicht den Kopf und er ergab sich in sein Schicksal.
Einige Minuten später wurden die Drow der Oberwelt in den dunklen Eingang des Tunnels geführt. Nur Belgos, der automatisch seiner Ilharess folgen wollte, wurde von einer Kriegerin zurück geschubst. Wütend und fragend sah er sie an, doch sie lächelte nur geheimnisvoll und verschwand dann ebenfalls in der Dunkelheit.
Fassungslos sah noch eine Weile in den dunklen Eingang, dann lächelte er plötzlich gehässig und wandte sich in Richtung der toten Triel Dro'Olathurl. Während er auf sie zu schritt zog er seinen kleinen Opferdolch und prüfte dessen Schärfe.
Bei der Leiche angekommen bückte er sich zu ihr hinab und zerschnitt mit schnellen Handbewegungen den ledernen Brustpanzer der Toten. Dann setzte er den Dolch auf die Brust der Drow und wollte gerade anfangen ihn in den Körper der Toten zu drücken, um ihr das Herz heraus zu schneiden, als in seinem Kopf eine Stimme erklang. Gleichzeitig fiel ein riesiger dunkler Schatten von oben auf ihn herab,
"BELGOS NIMMST DU IHR HERZ, TÖTE ICH DICH UND VERSPEISE DEINES!"
Belgos zuckte zusammen und starrte entsetzt nach oben. Eine riesige Spinne, größer als alle die er jemals zuvor gesehen hatte fiel von oben herab und landete nur Zentimeter neben ihm und der toten Triel!
Sein Mund wurde mit einem mal so trocken, das er drohte zu ersticken. Irgendetwas schnürte seine Kehle zu und mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf die Spinne.
"Lloth..." stammelte er und in seinem Kopf entstand ein zustimmendes grausames Lachen.
Erstarrt vor aufkeimender Panik und Ehrfurcht kreisten seine Gedanken wild durcheinander. Was wollte Lloth von diesem Kadaver und wieso war ausgerechnet er dazu auserwählt hier und jetzt auf die Göttin zu treffen?
Mit einer Leichtigkeit, die so einem riesigen Tier nicht zuzumuten war, umkreiste die riesige Spinne Belgos und dabei erklangen Worte in seinem Kopf. Jedes Wort stach wie eine Stecknadelspitze in sein Gehirn und und marterte ihn. Doch mit aller Kraft kämpfte er gegen den Schmerz an und versuchte durch den Schleier, der sich um seinen Geist legte, die Worte seiner Göttin zu verstehen und zu begreifen.
Aber so sehr er sich auch anstrengte, es schien als ob sie sich mit seinem Unterbewußtsein unterhielt und nicht mit ihm.
Dann wurde ihm schwarz um die Augen und er verlor das Bewußtsein.
Als er nach einigen Stunden wieder zu sich kam, fühlte er, wie jemand seine Stirn mit einem feuchtem Tuch kühlte. Langsam schlug er die Augen auf und blickte direkt in das Gesicht von Triel Dro'Olathurl.
Erschreckt zuckte er zusammen und sprang auf.
Triel erschrak ebenfalls, hielt aber ihre kniende Position bei und sah ihn lächelnd an.
"WAS ZUR HÖLLE..." schrie Belgos und griff zu seinem Dolch. Im gleichem Augenblick durchzuckte ihn ein heftiger Schmerz und ein Funken Erinnerung drang an die Oberfläche empor. Mit weit aufgerissenen Augen sah er auf Triel hinab.
"Nein" stammelte er, "Nicht so..."
Doch in seinen Gedanken entstand immer mehr das Bild zweier Liebenden, die sich in heftiger Umarmung wälzten, Nackt!
Über Triel's Wangen liefen kleine Tränen und sie versuchte etwas zu sagen, doch es klang nur nach einem vergeblichen Krächzen und Belgos konnte die Wunden an beiden Seiten ihres Halses sehen.
Langsam beugte sie sich vornüber und schrieb ein paar Worte in den leicht sandigen Boden >Es ist Lloth's Wille<
"NEIN!" schrie Belgos und sank in die Knie.
Mit aller Härte wurde ihm bewußt, das er mit dieser toten Frau geschlafen hatte und das es Lloth gewesen war, die ihn dazu gebracht hatte. Sie war es auch gewesen, die während dieser Zeit im Körper von Triel gesteckt hatte.
Erst nach seinem Erguss in den Körper der toten Ilharess des Hauses Dro'Olathurl hatte sie den Körper wieder verlassen und Triel wieder zum Leben erweckt.
Belgos vergrub sein Gesicht in den Fäusten und weinte wie ein kleines Kind.
Was hatte er nur getan, das ihn seine Göttin so strafte?
Zusammengekrümmt saß er stundenlang wimmernd in der Dunkelheit.
Stunden?
Zeit hatte schon keine Bedeutung mehr für ihn, beiläufig nur nahm sein am Rande des Wahnsinns stehender Verstand das Vergehen derselben wahr. Immer wieder tauchte vor ihm das Bild der letzten Stunden auf, wild rebellierte sein noch verbleibender Rest Verstand gegen das Geschehene, den Körper krümmend als sich Wogen der Übelkeit über den Boden ergossen. Und selbst nach Stunden des Ausmergelns, nachdem jede Unze Galle seinen geschundenen Körper bereits verlassen hatte, unterlag er noch Krämpfen der Pein.
Mühsam schaffte er es, sich an den kleinen Rest des Verstandes zu klammern, voller Abscheu zu dem Ding herüber blickend.
Mehr in Gedanken als wirklich zu sprechen, auch unfähig die Worte zu artikulieren,
"Warum? Ist das der Dank ?"
Ein weiterer schmerzhafter Weinkrampf durchzog ihn. Den Kopf müde schüttelnd.
"Ich kann es nicht begreifen..."
Er griff zu seinem Dolch, in den Augen das letzte bißchen verbliebener Kraft sammelnd.
"Es muß enden..."
Mit letzter Kraft spannte er seine geschwächten Muskeln an, visierte Triel und bereitete sich darauf vor sie anzuspringen, die Zähne zu einem irren Grinsen gebleckt.
Viele Stunden später standen die anderen Mitglieder der kleinen Gruppe in einem winzigem Verlies, das durch eine dicke Eisentür, mit einem kleinem Sichtfenster, gesichert war. Keiner der Anwesenden war noch im Besitz seines Zauberbuches oder gar der für manchen Zauberspruch benötigten Reagenzien. Sie besaßen keine Waffen mehr.
Viconia trat wütend gegen die schwere Tür, gab diese sinnlose Aktion jedoch nach einer Weile auf.
"Was haben die mit uns vor verdammt?" schrie sie in die dunkle Zelle.
Vierna, die ein paar Meter entfernt an der nassen Zellenwand lehnte, antwortete leise,
"Sie sind die ersten Töchter Lloth's. Es steht uns nicht zu ihr Verhalten anzuzweifeln."
Ryltar Do'Urden brauste auf,
"Mir ist scheißegal wer diese Wesen sind. Sie sind Drow. Und kein Drow darf es wagen mich in ein dunkles Verlies zu sperren..."
Er kam nicht weiter, da ihm irgendjemand mit voller Wucht ins Gesicht schlug und er der Länge nach hinfiel. Dann hörte man Dan'tra Noquar's Stimme,
"Schweige Du Narr. Wenn Vierna sagt das dies Lloth's Töchter sind, dann wird es einen Grund haben, das wir hier sind. Und sterben sollen wir sicher nicht, die Möglichkeit uns zu töten haben sie bereits mehrmals gehabt!"
Aus dem Dunkel erklang eine leise Stimme,
"Damit hast du sicher Recht Ilharess, aber wenn du noch einmal einen Do'Urden schlägst, fresse ich dein Herz bei lebendigem Leib."
Diese Stimme gehörte Laele Do'Urden!
Vierna fragte jedoch mit eiskalter Stimme in die Runde,
"Vorschläge wie wir uns weiter verhalten sollen oder wie wie hier heraus kommen?"
Aber alle zuckten nur ratlos mit den Schultern. Wütend trat Dan'tra Noquar an die Tür heran, vergeblich versuchte sie die vier Wächterinnen auf sich aufmerksam zu machen. Sie sah durch das kleine Fenster in der Tür wie die vier sich angeregt unterhielten und nach einer Weile lauschte sie nur noch dem Gespräch der Kriegerinen.
Mit Handzeichen forderte sie ihre Mitgefangenen auf zu schweigen, damit sie besser verstehen konnte worum es in diesem Gespräch ging. Eine der Wächterinnen sagte gerade,
"Sie wird sie umbringen lassen, die Ähnlichkeit ist zu groß!"
"Warum?" fragte eine andere.
"Glaubst Du," antwortete eine dritte, "sie wird es zulassen das eine Oberweltlerin, die genauso aussieht wie sie, lebend davon kommt, wenn sie den Thron besteigt?"
Die weiteren Worte wurden zu leise gesprochen als das Dan'tra etwas verstehen konnte. Langsam wandte sie sich um und sah in die Gesichter der anwesenden Frauen.
Vierna trat an sie heran und sah sie fragend an,
"Sag uns was du erfahren hast. Deine Augen versprühen Angst!"
Dan'tra sah Vierna in die Augen und erzählte von dem Gehörtem.
Alle Gefangenen hörten die Worte und jeder blickte auf den anderen.
Viconia trat zu Vierna und Dan'tra,
"Das bedeutet das mindestens einer von uns sterben wird."
Nyrax sagte leise aus seiner Ecke heraus,
"Das bedeutet, daß einer von uns dafür sorgen muß, daß dies nicht geschieht!"
Und dann hatte Ryltar Do'Urden plötzlich einen Vorschlag.
Jemand tippte Crow von hinten auf die Schulter und er erschrak fast zu Tode. Niemals hatte es jemand geschafft sich so lautlos an ihn heran zu schleichen, doch er mußte auch zugeben, das die Angst um seine Mutter und seine Tochter ihn am klarem Denken hinderte.
Mit einem Ruck sprang er auf und griff dem Schleicher an die Kehle. Er erkannte Arkhan, den Hauslosen Drow,
"Wage es nie wieder dich so an mich heran zu schleichen du Nichts!"
Dann schob er ihn von sich und starrte in den Gang hinein, in dem seine Leute verschwunden waren.
Arkhan rieb sich den schmerzenden Hals und murmelte etwas unverständliches, doch eigentlich hatte er mit dieser Reaktion gerechnet. Obwohl er wie alle Drow in Vesper gekämpft hatte und an Lloth glaubte, klang seine Stimme leicht wütend, als er zu Crow sagte,
"Ich bin wie du ein Drow und stamme aus dieser Welt, also laß uns gemeinsam gehen und die anderen einholen. Unser Zwist kann warten!"
Ohne sich umzuwenden nickte Crow und rannte in den Gang hinein, viel zu lange hatte er schon gezögert. Eine innere Stimme sagte ihm das seine Familie in ernster Gefahr war,
"Schnell," rief er über die Schulter, "Ich spüre das sie in Gefahr sind!"
Arkhan folgte ihm ohne Widerrede. Für eine Weile würden sie sich gegenseitig helfen. Was jedoch am Ende dieses Abenteuers auf sie warten würde, vermochte keiner von beiden zu sagen!
Drei Tage später...
Belgos starrte immer wieder zwischen seinem Dolch und Triel hin und her. Einmal hatte er ihn schon in ihre Richtung geworfen, doch mitten im Flug hatte der Dolch seine Bahn verändert und war zu ihm zurückgekehrt, um direkt vor seinen Füßen auf dem Boden zu landen.
Ganz langsam begriff er, das Lloth etwas sehr schlimmes oder sehr gewaltiges mit dieser Frau vor hatte und das es Auswirkungen auf das ganze Unterreich der Drow haben würde. Vielleicht durfte er sie einfach nicht töten, vielleicht mußte er sie sogar beschützen?
Sein Haß auf Triel Dro'Olathurl stieg ins unermessliche, aber irgendwo in seinem Hirn marterte ihn der Gedanke, das es gar nicht Triel gewesen war, sondern Lloth selbst, die ihn zu diesem Akt getrieben hatte.
"Warum zur Hölle weihst Du mich in deine Pläne nicht ein, wenn du mich schon benutzt?" murmelte er leise vor sich hin, als Triel sich plötzlich erhob und auf das Seil blickte, das zur anderen Seite führte.
Belgos folgte ihrem Blick und erkannte zwei Drow die sich am Seil entlang hangelten und nach wenigen Minuten das Plateau betraten.
Als er Crow erkannte atmete er erleichtert auf, als sein Blick jedoch auf Arkhan fiel spuckte er verächtlich aus,
"Was will dieser Hauslose Dreck hier unten?"
Doch Crow ging nicht weiter auf die Frage ein und trat an Triel heran,
"Was ist geschehen? Wo sind Vierna, Viconia und die anderen?"
Triel sah ihn hilflos an und öffnete den Mund zu einer Antwort, doch mehr als ein Krächzen gab sie nicht von sich. Crow riß erstaunt die Augenbrauen hoch und starrte auf ihre frischen Wunden am Hals.
Belgos war heran getreten und antwortete statt dessen,
"Diese Hure hat uns in einen Hinterhalt gelockt und unsere Familien wurden gefangen genommen!"
Bevor Crow antworten konnte, sprang Triel an ihm vorbei und schlug wie eine Furie auf Belgos ein. Dabei gab sie fiepende krächzende Laute von sich. Erst als Arkhan und Crow sie gemeinsam zurück rissen und sie mit aller Kraft festhielten, beruhigte sie sich wieder.
Belgos blutete aus mehreren Wunden im Gesicht. Ihre kräftigen Fingernägel hatten tiefe Wunden hinterlassen. Wütend erhob er sich und ballte seine Fäuste in ihre Richtung,
"Wenn ich dich nur töten könnte Du Hexe!" fauchte er.
"VERDAMMT," schrie Crow laut und seine Stimme wurde hundertfach von den Wänden der riesigen Höhle zurück geworfen, "WAS ZUR HÖLLE IST MIT EUCH LOS?"
Belgos lies resignierend die Schultern sinken und antwortete leise,
"Vierna sagte es wären die Krieger der Valharess, deshalb wehrten wir uns nicht, aber sie nahmen uns alle Waffen ab und führten dann die anderen weg. Nur Triel und mich ließen sie hier zurück."
Das Triel von den angeblichen Valharess Kriegerinen getötet worden war, verschwieg er! Auch was danach passiert war verschwieg er, denn ihm war klar, das Crow ihn sofort töten würde, wenn er erfuhr, das er - Belgos - Kontakt mit Lloth gehabt hatte!
Crow blickte ohne zu Antworten in Richtung des Tunneleinganges. Er verzog keine Miene und mit einem Ausdruck in der Stimme, der nichts gutes verhieß sagte er,
"Ich werde jetzt da hinein gehen und komme was wolle, ich werde meine Mutter und meine Tochter lebend wieder sehen!"
Dann schritt er auf den dunklen Tunnel zu.
Ohne ein Wort zu sagen folgte Triel Dro'Olathurl ihm.
Vierna musterte Ryltar einen Augenblick und nickte dann,
"Er hat Recht!"
Langsam sah sie sich um und trat dann auf Irae zu. Leise sprach sie zu ihr.
"Was wird das?" fragte Dan'tra mißtrauisch und Vierna antwortete,
"Deine Versuche mit den Wächterinnen zu reden habe ja nicht gerade gefruchtet, oder? Also müssen wir sie in die Zelle locken. Ich will sie Lebend, zumindest eine. Wenn nicht..." sie zuckte mit den Schultern, "...dann haben wir wenigstens ihre vier Schwerter!"
Irae Do'Urden wälzte sich laut stöhnend auf dem Boden, während sich alle anderen Frauen in den Hintergrund der Zelle zurückgezogen hatten. Ryltar Do'Urden trat wie ein Berserker gegen die Tür und schrie dabei,
"VERDAMMT SIE STIRBT, WILL UNS DENN KEINER HELFEN?"
Durch die kleine Öffnung erkannte er, das die Wächterinnen aufmerksam wurden und näher traten.
"Zurück von der Tür!" herrschte ihn die vorderste an und er trat ein paar Schritte in den Raum. Seine Gedanken kreisten die ganze Zeit darum, das sie keine Waffen hatten und sich die Frauen in der Zelle zusammenreißen mussten, nicht in den folgenden Kampf einzugreifen. Schließlich durfte keine von ihnen sterben.
"Was ist mit ihr?" fragte die Wächterin durch die Tür und Ryltar antwortete,
"Sie hat Schmerzen. Sie Stirbt!"
Es dauerte eine Weile und die Wächterin schien zu überlegen. Doch wenn die Drow in der Zelle wirklich im sterben lag, würde das ebenfalls ihren Kopf kosten, wenn es die Falsche war die starb.
Das Schloß der Tür wurde mit einem lauten Rasseln geöffnet und Ryltar blickte kurz auf Nyrax und Nadal, die jeweils ein paar Schritte links und rechts von der Tür standen.
In diesem Moment öffnete sich die Tür und die erste Wächterin kam mit gezogenem Schwert in die Zelle hinein.
Hasserfüllt blickte Nyrax Do'Urden auf die Wächterinnen.Er konnte es nicht glauben, daß seine sonst so stolze und starke Familie in einem Kerker saß.
Die erste Wächterin betrat den Raum, konzentriert und voller Hass beobachtete er jede Bewegung von ihr. Er sah zur Tür und bemerkte eine weitere Wächterin eintreten.
Er dachte das es am besten wäre die letzte Wächterin zuerst zu töten. Er vermutete, das es drei Wächterinnen sein mussten, da er immer drei verschiedene Stimmen vor der schweren Stahltüre gehört hatte. Er sah die dritte Wächterin in den Raum kommen und ohne einen weiteren Gedanken stürmte er von hinten auf die Wächterin los und legte seinen Arm gewaltsam um ihren Hals. Er würgte sie so fest, daß der Wache langsam ihr Elfbane aus der Hand glitt. Seine Gedanken waren geprägt von unbeschreiblich brutalen Racheplänen. Er war so vertieft, die Wächterin zu würgen, daß er seine Umwelt nicht mehr wahr nahm.
Dann hörte er plötzlich einen Schrei,
"Nyrax! Gib Acht!!"
Er vernahm zwar den Schrei, fühlte sich jedoch nicht angesprochen, bis er schnell aufeinander folgende Schritte und einen Kampfschrei von hinten hörte. Erschrocken wandte er seinen Körper um 180 Grad. Sein Arm, der immer noch verkrampft um die Kehle des fast leblosen Körpers griff, riß die Wächterin durch seine enorme Kraft, gebildet aus Rache und Hass wieder vor sich. Nicht einmal einen Meter vor sich entdeckte er eine Wächterin, welche ihr Schwert auf ihn und den Kadaver richtete. In seiner Hilflosigkeit stieß er die Halbtote mit einem mächtigen Stoß in das Schwert der vierten Wächterin.
"Narr !" Mit diesem an Nyrax gerichteten Ruf sprang Nadal Noquar auf. Der Überraschungsmoment...dahin. Die Chance alles ohne Alarm durchzuziehen.....auch verloren. Die Unbeherrschtheit von Nyrax zwang ihn zum Handeln.
Vier, es sind vier Wächterinnen. Wie eine gespannte Stahlfeder sprang er auf die Drow zu die den Raum als zweite betreten hatte. Er nutzte die Tatsache das sie ihm den Rücken zugewandt hatte. Sein Fuß schoß hoch und traf ihre rechte Niere mit elementarer Wucht. Mit einem Röcheln brach sie zusammen.
Nadal beugte sich zu dem sich windenden Körper herunter und brach ihr mit einer schnellen Bewegung das Genick. Ein Geräusch wie von einem morschen Stück Holz, auf das man tritt, zeigte ihm das Gelingen seines Vorhabens an.
Ein beiläufiger Griff und er hatte ihren toten Fingern das Schwert entwunden.
Laele trat der ersten Wächterin in die Kniekehlen, so das sie stürzte und mit einer geschickten Bewegung bekam sie die Wächterin so zu fassen, das sie ihr langsam die Luft abdrücken konnte, ohne das diese etwas dagegen unternehmen konnte.
Währenddessen warf Nadal Nyrax das Elfbane zu, da dieser dichter an der vierten Wächterin war als alle anderen. Doch Nyrax griff daneben und verletzte sich schwer an der rechten Hand. Ein Finger kullerte zu Boden. Doch davon merkte er im ersten Moment nichts. Geschickt wirbelte er das Schwert herum und warf es der fliehenden Wächterin mit voller Wucht in den Rücken. Noch bevor sie auf dem Boden aufschlug war er schon heran und trat noch einmal zu. In blinder Blutgier griff er nach dem Schwert und riß den Kopf der halbtoten Drow an den Haaren hoch, dann setzte er ihr das Schwert an die Kehle und zog durch. Wieder und wieder.
Erst als er die Blicke der anderen auf sich spürte kam er langsam wieder zu Bewußtsein und in diesem Moment durchzuckte auch der Schmerz seiner stark verletzten rechten Hand durch seinen Körper. Ihm wurde schwarz vor Augen.
Als Viconia den kalten und feuchten Kerker verlassen wollte, fiel ihr plötzlich etwas ein. Hastig wandte sie sich um und Ryltar und Dinin rannten direkt in sie hinein. Dabei ließen sie den bewußtlosen Nyrax fallen, der stark mit dem Kopf aufschlug.
Bevor einer von beiden jedoch empörend aufschreien konnte, schob Viconia die beiden einfach zur Seite und betrat wieder die Zelle.
Langsam bückte sie sich zu einer der toten Wächterinnen hinab.
Sorgsam untersuchte sie die seltsame Knochenrüstung.
Vierna und Dan'tra traten an sie heran und beobachteten sie.
"Was hoffst Du zu finden Viconia?" fragte Vierna, fuhr jedoch ohne eine Antwort abzuwarten fort, "Diese Knochenrüstungen halten doch nicht viel aus!"
Viconia aber sah sie triumphierend an und zog der Toten umständlich den Knochenpanzer aus. Schnell schlüpfte sie hinein und der Panzer passte wie angegossen über ihre bisherige Rüstung,
"Tja," meinte sie, "wenn ihr der Meinung seid, etwas zusätzlicher Schutz könnte nicht schaden, dann zieht ebenfalls solche Dinger über, ansonsten bekommen meine Krieger so etwas!" Dabei zeigte sie auf die drei anderen Toten und ihre Rüstungen.
In der Tür stöhnten Dinin und Ryltar als sie Nyrax wieder anhoben und ihn hinter den anderen aus der Zelle trugen.
Dan'tra beugte sich nun ebenfalls zu einer der Wächterinnen hinab und untersuchte die Rüstung, plötzlich glitzerte ein Funken in ihren Augen, als sie zu Viconia und Vierna hoch sah,
"Diese Rüstungen sind magischer Natur!" Gleichzeitig machte sie sich, wie schon vorher Viconia, ans Werk die Leiche auszuziehen.
Vierna folgte ihrem Beispiel und gab Laele ein Zeichen, die vierte Rüstung an sich zu nehmen.
Nach einer Weile folgten die Vier den anderen auf den Gang.
Zur Linken Hand ging es tiefer hinab, aber zur rechten Seite lag eine Treppe die hinauf führte,
"Diesen Weg!" sagte Viconia im Befehlston und schritt voran.
Vierna schüttelte verächtlich den Kopf, folgte ihrer ehemaligen Enkeltochter jedoch. Schließlich waren sie diesen Weg ja auch gekommen.
Kurz bevor sie die Treppe erreichten, passierten sie eine weitere Zelle und wie zufällig sah Laele in das kleine Sichtfenster der Tür.
Ein leichenblasses total ausgehungertes Gesicht einer jungen Drow blickt ihr aus toten Augen entgegen. Die Frau schien von innen an der Tür zu lehnen und das bisschen Licht das vom Gang in die Zelle fiel aufzusaugen. Ihre Augen waren an die Decke gerichtet, dort wo die kleine Öllampe hing. Erst dachte Laele die Drow wäre tot, doch plötzlich zuckten die Wimpern der Drow.
Laele sprach die Drow an, doch diese reagierte kaum. Leise sagte sie mit ausgetrockneter Stimme,
"...seht das Licht. Er fürchtet das Licht..."
Gemeinsam mit Vierna und Viconia betrat sie die Zelle, die nur mit einem Riegel von Außen verschlossen war. Bevor jedoch eine der beiden Ilharess etwas zu der ausgemergelten Drow sagen konnte, zog Laele ihr mit dem erbeutetem Elfbane einmal quer über die Kehle und blickte sich triumphierend zu den beiden um.
Vierna sah wütend auf Laele und bevor sie mitbekam was geschah, schlug Vierna ihr mit der Faust mitten ins Gesicht.
"WAS SOLL DAS?" schrie Viconia ihre Großmutter an, als aber der Blick von Vierna auf sie fiel, verstummte sie schlagartig.
Etwas im Blick von Vierna sagte ihr, das jetzt jedes Wort unweigerlich den Tod zur Folge hätte. Wütend schluckte sie und sagte kein Wort mehr.
Als Vierna anfing zu sprechen, klang ihre Stimme wie ein Reibeisen und keiner wagte es sie zu unterbrechen, nur Nyrax stöhnte leise, während er sich den Kopf hielt,
"Seit dem wir Triel in die Unterwelt gefolgt sind, benehmt ihr euch wie kleine dumme Menschenkinder." Ihr Blick wanderte von einem zum anderen, "Keiner von euch hat bis jetzt überhaupt begriffen, was hier unten passiert sein muss. Nicht mal ich weiß es. Aber ich renne wenigstens nicht mit der Elfbane herum und schneide jedem Drow die Kehle durch. Niemals, seit dem ich regelmäßig in die Unterwelt ging, bin ich gefangen genommen worden, oder gar eingesperrt gewesen. Wenn das hier die neue Unterwelt ist, dann muss etwas geschehen sein, das weitaus wichtiger ist, als ein weiterer Toter auf irgendeiner Liste."
Ihre Stimme klang gepresst und wer Vierna gut kannte, wußte in diesem Moment, daß sie kurz davor war zu explodieren. Durch zusammen gebissene Zähne sprach sie weiter und wieder wanderte ihr Blick von einem zum anderen,
"Wenn ihr euch nicht endlich wie richtige Drow benehmt und meinem Befehl..." dabei sah sie erst Dan'tra und dann Viconia an, "...folgt, dann schwöre ich euch richte ich höchstpersönlich ein Blutbad unter euch an!"
Viconia kochte innerlich vor Wut und jede Faser ihres Körpers zuckte danach, Vierna zu töten. Nicht anders erging es Dan'tra, doch bevor eine der beiden Ilharess etwas sagen konnte, sprang Nadal Noquar vor seine Ilharess und zeigte mit der Faust in Vierna's Richtung,
"DU HAST DEN NOQUAR ÜBERHAUPT NICHTS ZU BEFEHLEN!" schrie er empört.
Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde und Vierna hatte die Waffe, die sie der Wächterin abgenommen hatte gezogen und einmal quer durch das Gesicht des Drow gezogen.
Blut spritzte und Vierna schrie voller Wut auf,
"DU NARR" gleichzeitig stieß sie ihm das Schwert bis zum Heft in den Bauch.
Es ist wahr, Nadal wahr schon immer sehr unbeherrscht. Mehr als einmal schon hatte er die harten Worte seiner Schwester zu ertragen gehabt. Sie hatte ihm vorhergesagt das ihm das eines Tages den Tod bringen würde.
Von Anfang an, seit sie hier in der Unterwelt waren, war er von dem Gedanken besessen das die falsche Ilharess das Kommando hatte. Das und sein Hass auf die Do'Urden ließen ihn einmal mehr die Kontrolle verlieren. Es war ihm egal das er unbewaffnet war, auch der Rang Vierna's verlor jede Bedeutung für ihn und dann brach der verhängnisvolle Satz aus ihm hervor.
Niemals hätte er mit einer solchen Reaktion gerechnet. Ohne erkennbaren Ansatz schoss die Klinge auf ihn zu, nahm ihm jede Möglichkeit auszuweichen. Es war ein gerader, harter Stoß von einer Frau die mit dem Schwert umzugehen wußte. Die Waffe durchbohrte seinen Körper scheinbar ohne den geringsten Widerstand.
Schmerz?
Nein, da war kein Schmerz. Es fühlte sich eher wie ein betäubender Schlag in die Magengrube an. Das die Klinge neben seiner Wirbelsäule wieder ausgetreten war registrierte er nicht einmal. Nadal starrte Vierna einen Moment aus weit aufgerissenen Augen an. Mit einem Ruck riß sie das Schwert wieder an sich. Schwäche stieg in ihm auf. Der Geschmack von Blut machte sich in seinem Mund breit. Die Beine wollten ihn nicht mehr tragen. Das er zusammenbrach und der Länge nach auf den Boden schlug nahm sein Gehirn nicht bewusst wahr. Sein Blut ergoß sich auf den kalten Stein und ließ ihn den Tod erwarten. Doch er lebte immer noch... wieso?
Eine kurzes rekapitulieren seiner Anatomiekenntnisse ließ ihn erkennen was ihm hier zugedacht wurde. Diese Art von Bauchverletzung würde nicht sofort zum Tod führen - nein - es würde ein qualvolles Dahinsiechen werden.
Plötzlich tauchte das Gesicht seiner geliebten Schwester in seinem Blickfeld auf. Sie versorgte die Wunde so gut es ging, doch wichtiger waren ihre Worte, das war es was seinem Lebenswillen neue Nahrung gab.
Oh ja...
Vierna Do'Urden sollte besser hoffen das er diese Verletzung nicht überleben würde!
Vierna wischte die Klinge der Waffe an ihrer Rüstung sauber und wandte sich auf dem Absatz um, dabei sagte sie, als wäre nichts Gesuchen,
"Jetzt gehen wir in die Waffenkammer und rüsten uns aus. Anschließend statten wir der Valharess mal einen Besuch ab und fragen sie was das hier alles soll!"
Dan'tra kniete sich zu Nadal hinab und streichelt ihm sanft über die Stirn. Sein Atem ging flach, aber noch lebte er! Mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen sah sie Vierna hinterher und sie schwor sich, das diese Tat nicht ungerächt bleiben sollte.
Als Vierna die ersten Stufen erreichte, fing plötzlich der Boden des ganzen Kerkers an zu wanken und von irgendwoher drang der Lärm einer gewaltigen Explosion zu ihnen hinunter. Putz und Staub löste sich von den Wänden und der Decke und an mehreren Stellen erschienen kleine Risse in den Wänden.
Crow, Belgos, Arkhan und Triel schlichen langsam an den kleinen Felsen heran, der ihnen die Sicht nach vorne versperrte. Sie wußten, das sie sich einer großen Stadt näherten und das die Gefahr, gesehen zu werden, sehr groß war.
Vor ihnen befand sich eine große Höhle, doch noch versperrte ihnen dieser Felsbrocken die Sicht auf die Stadt.
Sie hatten ihn fast erreicht, als sie leise Stimmen vernahmen.
Mit der Hand gab Crow seinen Begleitern ein paar Zeichen und ließ sich dann auf den Boden gleiten. Belgos und Arkhan taten es ihm gleich und krochen langsam auf die rechte Seite des Felsens, während Triel dem Do'Urden zur linken Seite folgte.
Als sie vorsichtig um die Ecke sahen, konnten sie folgende Szene beobachten.
Zwei Drow mit den dunklen Knochenrüstungen hielten drei weitere Drow mit den Schwertern in Schacht. Dabei redeten die beiden ununterbrochen auf die drei ein. Gerade in diesem Moment fuhr eine der drei Drow wütend hoch und schrie die beiden Drow an, doch die Antwort war nur ein kurzes Zucken mit dem Schwert und die Drow sank mit durchschnittener Kehle zu Boden. Ihre Mörderin lachte schallend auf.
Crow konnte das wütende Funkeln in den Augen ihrer Kolleginnen erkennen und erkannte gleichzeitig ihre Hilflosigkeit.
Sein Blick traf kurz den von Triel, die ihn Schulterzuckend musterte, dann blickte er zu Belgos und Arkhan. In diesem Moment erblickter er Tsabrak Do'Urden, der ihn vergnügt musterte. Der Drow stand einige Meter hinter ihnen und schien ihnen schon eine ganze Weile gefolgt zu sein. Doch Crow hatte andere Sorgen als Tsabrak und winkte ihm zu in Deckung zu gehen. Er gab Belgos ein Zeichen und gemeinsam stürzten sie sich jeweils auf eine der Drow, die ihnen den Rücken zukehrten.
Triel und Arkhan sprangen an den beiden vorbei und schlugen die erschreckten Gefangenen der beiden nieder.
Belgos und Crow hatten die beiden bewußtlosen Drow mit den Händen auf dem Rücken gefesselt, in Deckung gezogen. Arkhan hatte ein Stück Stoff seines Umhanges abgerissen und es ihnen in den Mund gestopft.
Als die beiden nach einer Weile die Augen aufschlugen husteten sie krampfhaft, doch dann erkannten sie ihre Lage und wurden ruhig. Crow kitzelte eine der beiden mit seiner Elfbane am Hals und fragte mit warnenden Unterton in der Stimme,
"Ihr werdet nicht schreien, wenn ich euch den Knebel entferne?"
Die beiden schluckten und die Drow mit dem Elfbane am Hals schüttelte verneinend den Kopf. Belgos beugte sich hinab und entfernte ihr den Knebel. Nach Luft japsend atmete die Befreite auf. Bevor Crow eine weitere Frage stellen konnte, sprach die Drow keuchend,
"Zur Hölle wir sind doch nicht eure Feinde," sie nickte in Richtung der beiden Toten, "Die sind es!"
Belgos sah zu den Toten und Crow fragte, während er den Druck des Elfbane verstärkte,
"Und wer sind die?"
Die Drow spuckte in die Richtung und es klang verächtlich, als er sagte,
"Abtrünnige! Vom Urvolk!"
Kaum hatte sie das letzte Wort ausgesprochen, als Triel zu ihr heran gesprungen kam und der Frau ohne Vorwarnung ins Gesicht trat. Es gab ein lautes Knacksen, als das Nasenbein der Drow brach und Crow wurde mit einem Schwall Blut bespritzt.
Belgos reagierte als erster und riß Triel an den Haaren zurück,
"WAS SOLL DAS DU HURE?" schrie er sie an.
Mit funkelnden Augen riß Triel ihr Schwert heraus und wollte sich mit einem krächzenden Schrei auf Belgos stürzen, doch Tsabrak warf sich dazwischen und beide stürzten ineinander verknäult zu Boden. Woher sollte Triel in diesem Moment auch wissen, das der Krieg bereits ausgebrochen war und jeden Moment die Armeen aufeinander treffen würden. Niemand durfte offiziell über die Abtrünnigen sprechen.
"RUHE VERDAMMT!" schrie Crow außer sich vor Zorn und augenblicklich herrschte Stille.
Die Drow mit der gebrochenen Nase war wieder bewußtlos, aber die Zweite starrte mit einen seltsamen Ausdruck in den Augen auf Triel Dro'Olathurl. Als sich ihre Blicke trafen senkte sie untergeben das Haupt.
Crow, der das bemerkte sah ungläubig von einem zum anderen und fragte dann in Richtung Triel,
"Du kennst diese Drow?"
Triel, die ebenfalls bemerkt hatte, wie die Frau ihren Blick gesenkt hatte schüttelte verständnislos den Kopf. Der Versuch zu sprechen mißlang, aber Crow hatte sie auch so verstanden.
Während Crow sich wieder zu der geknebelten Drow wandte, half Arkhan Triel hoch.
Wie sich heraus stellte, waren die beiden Drow Dienerin der Valharess und gerade auf dem Weg zum Haus Dro'Olathurl gewesen.
Die Valharess hatte von der Niederlage der Ilharess gehört und eigentlich gehörte sie dafür bestraft, doch zur Zeit hatte sie ganz andere Probleme.
Crow, Belgos, Tsabrak und Arkhan erfuhren innerhalb weniger Minuten soviel über das Drowreich unter der Erde, wie kaum ein anderer Drow jemals vorher erfahren hatte. Die Dienerin verschwieg nichts und als sie endete, sahen sich die fünf bestürzt an.
Crow, der leichenblaß an dem Stein lehnte, meinte fassungslos,
"Niemals hätte ich gedacht, das die Drow einen anderen Glauben annehmen könnten, sicher es gab auf der Oberwelt ein paar die nicht an Lloth glaubten, aber..."
Er brach in Tränen aus.
Tsabrak löste die Fesseln der Dienerin und diese begann sofort sich um ihre Gefährtin zu kümmern, die immer noch bewußtlos auf der Erde lag. Belgos aber zischte in Triel's Richtung,
"HA, Wärest Du nicht so unverfroren gewesen und an die Oberfläche gekommen, dann wäre es niemals so weit gekommen. Die Valharess hat dich hier unten gebraucht aber du..."
Etwas in dem Blick, den ihm Triel zuwarf, lies ihn verstummen. Nicht, weil es Wut war, die aus ihren Augen sprach, sondern tiefe Trauer. Nachdenklich betrachtete er sie. Schließlich fragte er,
"Oder war es gar die Valharess, die dich damit beauftragte?"
In Triel keimte plötzlich ein Funken Hoffnung, ohne ein Wort zu sagen wandte sie sich um und rannte in den dunklen Tunnel hinein. Wie hätte sie auch, ohne sprechen zu können, den Rest Wahrheit erklären können. Nun aber wurde es Zeit. Sie mußte rechtzeitig zurück sein, sonnst war alles verloren.
Arkhan sah ihr hinterher und als er sie nicht mehr sehen konnte, sah er in die Gesichter seiner Gefährten,
"Ich denke wir alle haben uns in Triel mehr getäuscht als wir zugeben wollen. Der Haß den wir Häuser untereinander hegen ist genau die Waffe die Raynor jetzt gegen uns genutzt hat!"
Die Dienerin meldete sich wieder zu Wort,
"Genau das ist es was Lloth geschwächt hat! Nur Zwei Häuser der Unterwelt stehen noch auf der Seite der Valharess. Die Dro'Olathurl und das Haus Baenre."
Crow musterte die Frau und fragte schließlich,
"Aber was zur Hölle hatte das Haus Dro'Olathurl auf der Oberfläche verloren, wenn doch hier unten die Hölle ausbricht?"
Die Dienerin musterte ihn eine Weile und meinte dann seelenruhig,
"Ich schätze, das diese Art der Kriegführung etwas zu hoch für dich ist DROW."
In Crow's Gesicht kam wieder Farbe und seine Augen funkelten rot vor Wut über diese Antwort, doch Belgos trat zwischen die beiden und sprach zu der Dienerin,
"Selbst wenn diese Art des Krieges zu hoch für uns ist, wir alle hier glauben an Lloth und jeder von uns würde sein Leben für sie geben." In Gedanken fügte er hinzu <Solange sie mich dabei in Frieden läßt>
Er wollte noch etwas hinzufügen, aber kaum hatte er die Worte zu Ende gedacht, als es in der Stadt eine gewaltige Explosion gab. Der Donner wurde tausendfach von den Wänden zurück geworfen, riesige Steinbrocken lösten sich von der Decke und stürzten mehrere hundert Meter in die Tiefe auf die Häuser hinab.
Als sich das Grollen etwas gelegt hatte und der Boden nicht mehr schwankte, sprang die Dienerin auf und schrie voller Panik,
"SIE GREIFEN AN..." gleichzeitig rannte sie um den Felsen herum in Richtung der etwas tiefer liegenden Stadt.
Crow und seine Gefährten rannten hinter der Dienerin hinterher. Die Bewußtlose ließen sie einfach liegen. Doch der Abstand zu der Davoneilenden war zu groß und die dichten Staubschichten verhinderten immer wieder die freie Sicht.
Plötzlich stießen sie auf eine kleine Gruppe von etwa 20 Drow, die ihnen mit Haß in den Augen entgegen stürmte,
"IM NAMEN RAYNOR'S!" riefen sie, als sie sich auf Crow und die anderen stürzten
Die Tür der Waffenkammer war aus den Angeln gerissen und hing schräg im Rahmen. Die kleine Gruppe versorgte sich so schnell es ging mit Waffen und stürmte dann ein weiteres Stockwerk nach oben.
Anders als die Häuser auf der Oberwelt, hatten die Häuser hier unten nur ein Stockwerk, dafür aber meistens mehrere Kellergeschosse.
Laele und Dinin hatten die Aufgabe übernommen, die verletzten Drow zu beschützen, aber keine von beiden sah es ein, einem der beiden zu helfen. Mühsam schleppte sich sie sich gegenseitig die Treppen hoch.
Als die Gruppe endlich komplett aus der Tür des Erdgeschosses herausgetreten war, sahen sie das Chaos, das hier angerichtet worden war.
Vierna, die bereits mehrmals hier unten gewesen war, rief über den Lärm, der ein paar Häuser weiter zu hören war hinweg,
"Wir befinden uns innerhalb des Palastgeländes"
Dann stürmte sie ohne sich umzuwenden nach Rechts auf den Lärm zu. Die anderen folgten ihr.
Erst als sie um die Ecke des letzten großen Hauses bog und der Lärm schlagartig zu nahm, erkannten sie wer für den Lärm verantwortlich war.
Vor ihnen lag ein riesiger Platz, auf dessen anderen Seite eine gewaltige Mauer das Gebiet der Valharess schützen sollte. Doch in der Mauer klaffte ein riesiges Loch. Etwa 400 - 500 Drow versuchten wie eine lebende Mauer das Loch zu stopfen, denn von der anderen Seite drängten Tausende dagegen.
Die kleine Gruppe konnte nicht viel erkennen, nur soviel war ihnen in diesem Moment klar. Hier herrschte Krieg und zwar ein Krieg, gegen den die Schlacht um Vesper wie ein Kinderspiel gewirkt hatte.
Kopfschüttelnd stand Vierna mit kampfbereiter Waffe und sah auf den Tumult einige hundert Meter vor sich. Viconia war neben sie getreten und sah ebenfalls fassungslos auf das Geschehen,
"Was zur Hölle ist hier los?" fragte sie leise.
Vierna zeigte mit dem Schwert auf Drow, die versuchten die Meute draußen zu halten.
"Siehst du ihre Rüstungen?"
Viconia nickte,
"Ja. Das sind die Drow, die uns eingekerkert haben!" Ihr griff um das Elfbane wurde fester und die Knöchel ihrer Hand wurden sichtbar.
Dan'tra die ebenfalls neben den beiden stand, schüttelte den Kopf,
"Ja aber ein Teil der Angreifer tragen die gleichen Rüstungen!"
Bevor Vierna aussprechen konnte, was sie dachte, erklang hinter ihnen eine Stimme. Keiner hatte gemerkt, das sich ihnen von hinten etwas näherte. Erschreckt fuhren sie herum.
"Hätte irgendjemand die Güte mir zu erklären, was ihr hier macht und wieso ich euch nicht töten lassen soll?"
Viconia erkannte die Stimme bereits, bevor sie die Sprecherin sah. Es war die Valharess.
Nadal, der zusammen mit Nyrax der letzte in der Gruppe gewesen war, versuchte sich etwas zu schnell umzudrehen. Ein wahnsinniger Schmerz raste durch seinen Körper, seine Adern schienen sich mit flüssigem Feuer zu füllen. Augenblicklich tränkte sich der weiße Verband wieder mit Blut und ihm wurde schwarz vor Augen. Die Ohnmacht schien wie von Lloth geschickt worden zu sein und er war dankbar dafür.
Die Valharess, die nur wenige Schritte von ihm entfernt gestanden hatte, sprang hinzu und fing Nadal auf, der gerade im Begriff war zu stürzen. Vier weitere Kriegerinen der Valharess traten ebenfalls heran und nahmen ihr den Verletzten ab. Wortlos führten sie ihn durch die Mitte von etwa hundert Kriegerinen, die hinter der Valharess standen.
Viconia, Dan'tra und und Vierna traten vor und sahen der Valharess entgegen. Mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen fragte Viconia leise,
"Warum habt ihr uns einkerkern lassen?"
Doch zur Überraschung aller Oberweltdrow schüttelte die Valharess nur leicht den Kopf und antwortete,
"Glaubst Du wirklich ich hätte dich einkerkern lassen? Warum sollte ich das tun? War ich nicht erst vor ein paar Monaten oben bei dir und vollzog für dich das Blutritual und machte dich somit zu einer vollwertigen Drow?"
Sie trat dich an Viconia heran und sah ihr kalt in die Augen, schließlich fuhr sie fort,
"Ich hatte viel Hoffnung in euch gesetzt und das ihr es schaffen könntet Raynor's Macht zu schwächen. Doch stattdessen habt ihr versagt und Vesper fiel an Raynor's Männer." sie schluckte bevor sie weiter sprach. "Ich gab euch meine stärkste Ilharess zur Hilfe, doch auch sie versagte. Aber..." dabei zeigte sie an der kleinen Gruppe Drow vorbei auf das Kampfgetümmel an der Mauer, "...sofern ihr weiter dem Willen Lloth's folgen wollt, dann will ich vergessen, das ich es mit Versagern zu tun habe."
"Wie könnt ihr an unserer Loyalität zu Lloth zweifeln?" funkelte Vierna die Valharess an.
Mit wütender Stimme wandte sie sich zu ihren Gefährten und Gefährtinnen um und rief, während sie das Elfbane in die Höhe riß,
"Laßt uns unsere Ärgernisse vergessen, hier geht es um mehr!"
Alle hoben ihre Waffen in die Luft und jedem war anzusehen, das sie bereit waren zu sterben!
Während alle losstürmten um sich den Verteidigern anzuschließen, wandte sich Vierna mit einem listigen Ausdruck in den Augen zur Valharess um und meinte leise,
"Sollten wir das hier überleben, dann hoffe ich auf eure Hilfe!"
Bevor die jedoch antworten konnte rannte sie den anderen hinterher und rief dabei,
"Lloth tlu malla; jal ultrinnan zhah xundus!"
Es gab kein Oben,Unten, Vorne oder Hinten mehr. Drow kämpfte gegen Drow und das einzige woran man seinen Gegner noch erkennen konnte waren seine Worte die er schrie. Überall lagen Tote oder Schwerverletzte. Bis zu den Knöcheln wateten die Kämpfer im Blut.
Die Magier unter den Kämpfern konzentrierten sich auf das Heilen ihrer Angehörigen, sofern sie Zeit dazu fanden. Einen Angriff auf irgendjemanden zu Zaubern war einfach Sinnlos, da man seine eigenen Leute mit verletzen würde.
Obwohl keiner der Drow von der Oberwelt die Ausbildung der Garde genossen hatte, schienen gerade sie es zu sein, die heftiger und gnadenloser kämpften als ihre Artgenossen aus der Unterwelt.
War es ihr glaube an Lloth oder war es der Haß auf alles was nicht an Lloth glaubte?
Viconia und Vierna standen Rücken an Rücken, beide bluteten aus unzähligen Wunden, doch keine von beiden wollte die erste sein die zu Boden ging.
Nicht anders war es bei den anderen Oberweltdrow. In diesem Kampf gab es keine Unterschiede zwischen den Häusern mehr, dieser Krieg war ein heiliger Krieg und man kämpfte für den Gott an den man glaubte.
Talice Do'Urden und Kalde Do'Urden versuchten krampfhaft den Anschluß an Vierna und Viconia zu halten, gemeinsam mit Dinin Hun'ett und Elvanshalee Hun'ett kämpften sie nur wenige Meter von ihren Ilharessen, doch für jeden Gegner den sie erschlugen oder zu Fall brachten warfen sich zwei Neue dazwischen.
Gerade in diesem Moment, konnte Talice einen Schwerthieb nicht rechtzeitig ausweichen und die Waffe trennte ihr das linke Ohr ab und fuhr tief in ihre Schulter. Ihr Blut spritzte Kalde in die Augen und er mußte für eine Sekunde die Hand vor das Gesicht reißen um seine eigenen Augen zu schützen. Diese Ablenkung nutzte einer seiner Gegner und stieß ihm das Schwert durch den rechten Oberschenkel.
Er fiel zu Boden, Doch Dinin und Elvanshalee sprangen über ihn hinweg und das Elfbane von Dinin trennte dem Drow, der Kalde zu Boden gebracht hatte, den Kopf vom Rumpf.
Laele, die gerade über einem Gegner gehockt hatte und ihm im Blutrausch zum zehnten mal das Schwert in den Magen rammte wurde von Dan'tra aus ihrer Trance gerissen. Wie durch einen Schleier sah sie auf die Ilharess und folgte ihrem Fingerzeig. Entsetzt sah sie zwischen den Kämpfern Kalde zu Boden gehen. Sie konzentrierte sich und versuchte einen Heilzauber auszusprechen, aber immer wieder wenn die arkanen Mächte gerade bereit waren ihr zu dienen, wurde sie abgelenkt.
Dan'tra kämpfte wie eine Berserkerin, doch erst als plötzlich die Valharess mit fünf weiteren Drow an ihrer Seite auftauchte und sie gemeinsam einen Kreis um Laele bildeten, gelang es der Do'Urden sich genügend zu konzentrieren. in aller Eile sprach sie einen Heilzauber nach dem anderen auf ihre Gefährten. Plötzlich tauchte vor ihr eine seltsam gekleidete Gestalt auf, wie aus dem Nichts schien sie entstanden zu sein. Erst wollte sie sich auf diese Gestalt stürzen, doch in dem Moment nahm die Frau ihre Kapuze ab und Laele hielt erstaunt inne.
Dies war keine Drow, auch wenn sie die langen weißen Haare wie die Drow hatte, aber ihre rötliche Hautfarbe bewies eindeutig, das sie einer anderen Rasse abstammen mußte. Die Frau lächelte ihr zu und rief über den Kampflärm hinweg zu Laele,
"Nimm mich auf die Schulter!"
Verdutzt half Laele der Frau auf die Schulter, so das diese jetzt weithin für alle Kämpfer sichtbar zu sehen war. Aber auch sie konnte mehr sehen als vorher. Die Frau hob beide Hände in die Luft und ein magisches Leuchten ging von ihr aus.
Dan'tra, die sich einmal kurz umgeblickt hatte, sah Laele in der Mitte des kleinen Kreises stehen und die Fremde auf ihrer Schulter. Aus ihren Händen zuckten kleine helle Leuchtkugeln. Bevor sie reagieren konnte, wurde sie von einer dieser Kugeln getroffen und augenblicklich schlossen sich all ihre Wunden. Sie sah noch wie ein Schwall Pfeile den Körper der seltsamen Magierin trafen, doch diese fielen ohne Schaden anzurichten auf den Boden.
Dann wurde Dan'tra wieder vom Kampf eingeholt.
Crow, Belgos, Arkhan und Tsabrak hatten, wenn auch schwerverwundet, tatsächlich diese Übermacht der zwanzig feindlichen Drow besiegt. Aber der Kampflärm, der von allen Seiten der riesigen Höhle zurückgeworfen wurde und aus dem Zentrum der Stadt zu kommen schien war unüberhörbar.
Tsabrak hielt sich eine schwere Brustwunde und Belgos hing eines seiner Augen aus der Augenhöhle. Crow's Rücken war von oben bis unten der Länge nach aufgeschlitzt und an einigen Stellen konnte man seine Wirbelsäule sehen. Arkhan hielt sich den stark blutenden Mund. Einer seiner Feinde hatte das sein Schwert in den weit aufgerissenen Rachen gesteckt und erst als Crow dem Mann sein Schwert von hinten in den Schädel rammte, hatte Arkhan sich befreien können.
Jetzt hatten sie erst einmal Schutz in einem kleinem Haus gesucht und versuchten sich zu heilen. Doch allen war klar, diese Wunden würden für ein Leben bleiben. Lächelnd sah Crow auf Arkhan und meinte mit schmerz verzerrtem Gesicht,
"Ich schätze mal, das niemand auf dieser ganzen Welt jemals so breit grinsen wird wie Du Arkhan!"
Belgos sackte an der Wand des Raumes zusammen und hockte teilnahmslos auf der Erde. Sein zerstörtes Auge hing an einem dünnem Nervenstrang aus der Augenhöhle heraus. Ständig schüttelte er den Kopf und sein heiles Auge zuckte wild hin und her. Blut und Schweiß eines nahenden Wundfiebers tropfte vor ihm auf den Fußboden. Er schien zu phantasieren, denn manchmal lachte er wie ein Irrer auf, nur um sofort wieder zu verstummen und sich ängstlich umzuschauen.
Crow versuchte vergeblich ihn anzusprechen, doch Belgos reagierte nicht.
Crow packte die Wut über ihre scheinbare Unterlegenheit. Sicher sie hatten zu viert zwanzig Krieger getötet, aber würden sie es noch einmal schaffen? Wo war seine Mutter? Wo war Viconia seine Tochter?
Er zog sein Messer und kniete sich zu Belgos hinab. Mit einem geschicktem Schnitt trennte er das heraus hängende Auge ab und legte vorsichtig eine Bandage auf die stark blutende Wunde. Gleichzeitig fing die riesige Wunde auf seinem Rücken an wie wild zu pochen und er stöhnte schmerzvoll auf.
Arkhan hielt sich den blutenden Mund, doch irgendwie schaffte er es, trotz der wahnsinnigen Schmerzen bei Bewußtsein zu bleiben. Ohnmächtig wäre er Lloth kein Nutzen. Langsam kniete er sich neben Crow und tippte ihm auf die Schulter. Crow blickte auf.
Arkhan versuchte ihm mit Händen und Füßen klar zu machen, das sie hier nicht untätig herum sitzen durften. Sie mußten wieder raus. Die Hauptschlacht war nicht weit entfernt und wenn schon sterben, dann lieber im Kampf als in diesem Haus!
Crow nickte mühsam und erhob sich mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht,
"Laßt uns gehen, sterben wir für Lloth..." in Gedanken setzte er hinzu < Viconia ich hole Dich da raus und Daemona ich komme wieder > dann schrie er laut aus, "Lloth tlu malla; jal ultrinnan zhah xundus"
Er sprang auf die Tür zu, riß sie auf und stürmte nach draußen, direkt in eine golden glänzende Lichtkugel hinein, die ihn für Sekunden einhüllte. Er spürte wie sich seine Wunde schloß und neue Kraft durch seine Muskeln strömte. Schließlich verblasste die Kugel wieder.
Er wußte nicht, wem er diese seltsame Heilung zu verdanken hatte, aber das war ihm in diesem Moment auch egal, in unbändiger Wut stürmte er die Straße hinab, dicht gefolgt von dem schwer verletztem Arkhan und Tsabrak.
Selbst Belgos, dessen Geist vernebelt und dem Wahnsinn nahe schien, folgte den dreien eine Weile, seltsame Laute von sich gebend.
Schließlich erreichten sie den riesigen Platz vor den Mauern zum Gelände des Palastes. Tausende Drow hatten sich versammelt und drängten gegen den Wall. Crow erkannte, das in der Mauer ein riesiges Loch klaffte und das es einige wenige waren, die sich dieser Macht entgegen stellten. Er vernahm die Rufe der Angreifer und sie schrien immer wieder den Namen Raynor's.
Sein Blut begann zu kochen und ohne einen Gedanken an seinen Tot zu verlieren, stürzte er sich auf die überraschten Drow, die ihn nicht hatten kommen sehen.
Vier, Fünf, Zehn Drow fielen, bevor ihn jemand bemerkte. Arkhan und Tsabrak töteten nicht weniger und plötzlich kam Bewegung in die Menge. Sie spürten die Gefahr, die von hinten nahte und wichen zurück. Tsabrak und Arkhan boten einen unheimlichen Anblick. Über und über mit Blut beschmiert, aus zahlreichen Wunden Blut verlierend, schlugen sie einen Gegner nach dem anderen nieder. Panik machte sich breit.
Und zwischen den beiden stand Crow und schrie seinen Schmerz über die verhaßten Raynoranhänger in die riesige Höhle.
Plötzlich zuckten Blitze und fuhren in der Nähe des riesigen Durchbruches, in der Wand, in die Menge. Crow fuhr herum und suchte die Gegend nach dem Magier ab, der das Leben seiner eigenen Leute auf das Spiel setzte und entdeckte eine Magierin, die ein paar Häuser entfernt auf einem Dach stand. In aller Eile griff er einen der Bogen, die vor ihm auf der Erde lagen und einem seiner Opfer gehörtem, nahm einen Pfeil und legte an. Über die Pfeilspitze hinweg visierte er die Frau an und plötzlich erblaßte er.
Da oben auf dem Dach stand Viconia Hun'ett, seine Tochter!
In diesem Moment hatten sich die Drow wieder gefasst, die in unmittelbarer Nähe der drei standen und schrien haßerfüllt auf. Ihre Panik war verflogen und nun setzten sie zum Angriff an.
Vierna ließ sich nach hinten fallen und stürzte ins Leere. Viconia? Wo war Viconia?
Sie fing sich geschickt auf und wehrte einen Schwerthieb ab, so daß die Angreiferin an ihr vorbei in das Schwert einer anderen Angreiferin fiel. Hecktisch blickte sie sich um. Längst war ihr Kopfschutz unter den Schlägen der feindlichen Schwerter zersprungen und ihre langen weißen Haare waren blutverkrustet.
Sie sah Viconia ein paar Schritte von sich entfernt auf diese Magierin zurennen, die auf dem Dach stand und Blitze schleuderte. Und in diesem Moment rammte einer der Angreifer Viconia ein Schwert in die Seite und sie stürzte zu Boden. Dann wurde Vierna ebenfalls wieder angegriffen und sie verlor ihre Enkeltochter aus den Augen!
Dan'tra stand immer noch neben der Valharess und beschützte Laele und die seltsame fremde Magierin mit ihrem Leben. Zum hundertsten mal sah sie sich kurz um und registrierte das die beiden noch am Leben waren.
Vielleicht war es Zufall, vielleicht aber auch Eingebung, denn als sie sich wieder umsah, streift ihr Blick die hohe Mauer und sie sah Belgos, der wankend auf der Mauer stand. Im ersten Moment durchzuckte ein Freudengefühl ihren Körper doch dann sah sie das kurze aufblitzen eines Dolches und bevor sie reagieren konnte, flog der Dolch in ihre Richtung.
Wie in Zeitlupe verfolgte sie die Flugbahn und wehrte dabei zwei, drei Angriffe ab. Es dauerte nur Sekunden, aber dann traf der Dolch sein Ziel.
Er blieb mitten im Rücken der Valharess stecken. Dan'tra schrie auf und ließ ihr Schwert fallen und warf sich schützend über die Valharess. Fußtritte und Schwerthiebe trafen sie überall.
Und plötzlich ertönte ein gewaltiger Kriegsruf aus Tausenden von Kehlen vom Eingang zur Höhle,
"FÜR LLOTH! LLOTH TLU MALLA; JAL ULTRINNAN ZHAH XUNDUS"
Alle Kämpfer warfen die Köpfe herum und sahen sich verständnislos an. Für einen kurzen Augenblick herrschte Totenstille in der riesigen Höhle und nur hier und da erklang ein leises Stöhnen.
Die Frau auf Laele's Schultern stieß als erste einen gellenden Schrei aus, so daß alle zum zweitenmal zusammen zuckten. Die Magierin auf dem Dach antwortete ihr und im gleichen Moment erklang auch ein dritter Schrei, der sich dem riesigem Platz näherte.
Talice sah als erste in den Augen einer Feindin die aufkeimende Panik. Bis vor wenigen Sekunden noch war der Ausgang des Kampfes sicher gewesen. Über die Hälfte der Lloth Anhänger war gefallen, die Valharess tot und jetzt?
In diesem Moment stürmten aus allen Straßen, die auf den Platz führten, hunderte und Tausende von Drow. Innerhalb weniger Minuten hatten sie die ehemaligen Angreifer eingekesselt, es gab kein Entkommen mehr.
Crow sah sich nach Viconia um und er sah seine Tochter immer noch auf dem Dach stehen. Breitbeinig und die Hände in die Hüften gestützt stand sie da und sah auf die neuen Drow hinab. Irgendetwas störte ihn an seiner Tochter, doch noch vermochte er nicht zu sagen was es war.
Tsabrak legte ihm die Hand auf die Schulter und stützte sich bei ihm ab. Als Crow ihm einen kurzen Blick zu warf, nickte er in Richtung der Mauer. Crow verstand und gemeinsam halfen sie Arkhan auf die Beine, der neben ihnen kniete und kaum noch einen Tropfen Blut im Körper hatte, dann schritten sie langsam in die Richtung, wo sie ihre Familienangehörigen vermuteten.
Die Anhänger Raynor's machten ihnen Platz und so entstand eine immer länger werdende Gasse. Keiner der drei begriff wirklich, was in den Köpfen ihrer Feinde vor sich ging. Wieso griffen sie nicht an?
Arkhan, der mit seiner riesigen Wunde im Gesicht aussah wie der lächelnde Teufel höchstpersönlich musterte im vorbeigehen die Feinde. Jeder senkte den Blick vor ihm, wenn seine Augen ihn trafen. Verständnislos schüttelte er den Kopf. Wie zufällig blickte er dabei auf ein paar Tote, die vor ihm auf der Erde lagen und ein Gesicht fiel ihm sofort auf. Heftig zerrte er an Crow's Schulter, der fast gestürzt wäre,
"WAS...???" schrie Crow, aber sein Blick folgte dem Finger mit dem Arkhan auf die Toten wies.
Crow wurde leichenblaß. Alles Blut schien aus seinem Kopf zu weichen. Gewaltsam stieß er Arkhan und Tsabrak von sich und riß den Bogen, den er sich um die Schulter gehängt hatte, herunter. Bis zu dem Moment, als er den Pfeil auf die Sehne gelegt hatte, sich um 180° Grad herum geworfen hatte, anlegt und den Pfeil von der Sehne schnellen lies, waren nicht einmal 2 Sekunden vergangen. Tsabrak war noch nicht einmal auf dem Boden aufgeschlagen, nachdem Crow ihn zur Seite gestoßen hatte.
Die Frau auf dem Dach sah im gleichen Moment in seine Richtung und riß entsetzt die Augen auf. Sie schrie die magischen Worte und ihre Hände fuhren in die Höhe, doch mitten im Satz traf sie der Pfeil in ihrem linken Auge und trat am Hinterkopf wieder aus.
Wie in Zeitlupe kippte sie langsam vom Dach und als ihr Körper auf dem Boden aufschlug, schien dies das Angriffssignal für die Retter zu sein. Von allen Seiten stießen sie mit lautem Kampfgeschrei auf die Drow zu, die sich jetzt in ihrer Mitte befanden und dort brach das Chaos aus.
Crow jedoch kroch auf allen Vieren auf den Leichenberg zu und zog seine Tochter Viconia darunter hervor. Niemand schien sich um ihn zu kümmern. Sein Herz wollte zerspringen vor Trauer um seine getötete Tochter. Wie ein kleines Kind nahm er sie in den Arm und drückte sie an seine Brust. Tränen liefen ihm über die vom Blut verkrusteten Wangen. In dem Moment sagte Viconia leise,
"Mir würde es schon langen, wenn du mich heilst, Vater!"
Es war vorbei!
Fast 10.000 Drow hatten in dieser Schlacht den Tod gefunden. Ganze Häuser waren vernichtend geschlagen worden. Die wenigen Raynor Anhänger, die überlebt hatten, waren in die tiefen dunklen Gänge der Unterwelt geflohen. Doch sie wurden verfolgt und niemand würde sie jemals lebend wieder sehen.
Die Valharess war Tod. Niemand außer Dan'tra hatte gesehen, wer den verhängnisvollen Dolch geworfen hatte und sie schwor sich, dies auch niemals jemandem zu erzählen.
Die Drow der Oberwelt standen verbunden und geheilt vor der riesigen Treppe, die zum Palast hoch führte. Ihre Schmerzen waren vorbei, doch die Wunden waren nur vernarbt. So mußte Belgos aus dem Hause Noquar nun bis an den Rest seines Lebens mit einem Auge auskommen, Talice würde wegen dem fehlendem Ohr in Zukunft etwas schlechter hören und alle andern trugen ebenfalls Narben, die sie auf Ewig an diesen Kampf erinnern würden.
War es wirklich erst fünf oder sechs Tage her, das die Schlacht um Vesper verloren gegangen war? Die Zeit hier unten schien in anderen Intervallen zu laufen. Alle Drow der Oberwelt fühlten sich um Jahre gealtert.
Und jetzt standen sie hier und erwarteten den Segen der neuen Valharess. Keiner von ihnen wußte wer diese Frau sein konnte. Hinter ihnen füllten Tausende treue Lloth Anhänger den riesigen Platz und als sich weit oben die riesigen Türen öffneten brach ein gewaltiger Jubel aus.
Vierna und Viconia sahen sich eine Weile nachdenklich an und ihnen viel es schwer in den Jubel einzustimmen, als sie die erste Frau erkannten, die langsam die Treppe zu ihnen hinab stieg. Es war diese seltsame Rothaut, die sie während des Kampfes immer wieder geheilt hatte. Nur wenige Schritte blieb sie von der kleinen Gruppe entfernt stehen und lächelte ihnen zu, dann wandte sie sich ebenfalls um und sah nach oben.
Aus dem Dunkel des Saales trat eine stolze Frau, Ihre langen weißen Haare wehten wie nie zuvor, obwohl es nicht einen Lufthauch gab. Entsetzt stöhnte Dan'tra auf und blickte Belgos fragend an, doch er verzog keine Mine und starrte stumm auf den Boden vor sich. Er hatte es nicht gewagt seiner Ilharess von Triel Dro'Olathurl zu erzählen und jetzt stieg sie im Gewand der Valharess langsam die Stufen hinab.
Es wurde still, selbst das leiseste Gemurmel setzte aus. Jeder wollte hören, was die neue Valharess zu sagen hatte. Mit hoch erhobenem Haupt ging sie an der rothäutigen Frau vorbei und blieb direkt vor Belgos stehen. Fast spöttisch lächelte sie ihn an, als sie seinen Kopf langsam mit einem Zeigefinger anhob, so daß er ihr mit seinem einem Auge direkt ins Gesicht sehen mußte.
So leise, das es tatsächlich nur die Drow der Oberwelt verstehen konnten sagte sie zu ihm,
"Deine Tochter wird in ein paar Jahren meinen Platz einnehmen. So war es vorherbestimmt und bis dahin werde ich ihren Platz besetzen."
Ihre Stimme klang rauh und roh. Belgos Auge suchte die Narben an ihrem Hals, doch ein dickes Tuch verbarg die Spuren ihres Todes. Er schluckte und warf seiner Ilharess einen ängstlichen Blick zu, doch sie sah ihn nur verständnislos an. Viconia konnte jedoch ihre Gefühle dieser Frau gegenüber kaum verbergen und ein tiefes knurren kam aus ihrer Richtung. Vierna starrte sie nur seltsam an, sagte aber keinen Ton.
Triel Dro'Olathurl wandte sich um und stieg die paar Treppen zu der Frau hinauf, die ihr lächelnd entgegen sah. Als sie bei ihr angekommen war, nickte sie ihr zu und die Frau hob beschwörend die Arme in die Höhe. Tausende von Drow blickten auf die Frau als diese anfing mit lauter Stimme zu sprechen,
"Vom heutigen Tage an, gibt es nur noch fünf Häuser unter den Drow! NIEMALS mehr wird es ein anderes Haus geben als die Fünf, die jetzt hier versammelt sind."
Es herrschte Totenstille und nach einer Weile fuhr sie fort,
"Das Haus Dro'Olathurl, aus dem die Valharess stammt. Das Haus Baenre, dessen Treue wir uns immer versichern können und die drei Häuser der Oberwelt, Do'Urden, Hun'ett und Noquar!"
Ein riesiger Jubel brach aus, der den von vor einigen Minuten um ein weites übertraf. Als sich der Lärm legte sprach sie weiter,
"Heute gewannen wir für Lloth eine Schlacht UND MORGEN EINEN KRIEG!"
Und wieder tobten die Zuhörer. Die rothäutige Frau zeigte auf die kleine Gruppe der Oberweltdrow und schrie so laut, das sie sogar die jubelnde Menge übertönte,
"UND DIESE DREI HÄUSER HIER WERDEN DER ANFANG VOM ENDE RAYNOR'S AUF DER OBERWELT SEIN!"
Jetzt fielen sogar Noquar, Hun'ett und Do'Urden in den Schlachtruf mit ein, der die riesige Höhle tief unter der Erde erzittern lies,
"LLOTH TLU MALLA; JAL ULTRINNAN ZHAH XUNDUS"
Ein paar Stunden später verabschiedeten sich die Männer und Frauen von der neuen Ilharess und Belgos blickte Triel lange und nachdenklich an. Lächelnd trat sie auf ihn zu und nahm ihn ein Stück beiseite,
"Ich weiß das du mich trotzdem noch haßt. Aber nicht ich bin die Mutter deines Kindes, Lloth höchstpersönlich ist es. Ich trage ihre Tochter nur aus."
Belgos sah ihr fassungslos ins Gesicht und dann tat er etwas, das ihn selbst überraschte. Er gab Triel die Hand!
Vierna stand mit Crow und Viconia etwas abseits und beobachtete die beiden mißtrauisch, als Triel sich jedoch ihnen zuwandte und aus sie zu kam, lächelte sie freundlich.
Triel gab auch ihr die Hand und sagte mit einem kaltem Klang in der Stimme,
"Wir werden uns nie wieder sehen Vierna Do'Urden, du brauchst als keine Angst zu haben, das wir uns in die Quere kommen werden. Spätestens wenn meine Tochter den Thron besteigt werde ich sterben. So ist es Lloth's Wille."
Vierna nickte leicht. Triel aber fuhr fort,
"Die Männer und Frauen die euch jetzt begleiten werden um endlich Vesper ins Reich zurück zu holen gehören dem Haus Baenre und dem Haus Dro'Olathurl an. Du hast den Befehl über sie. Enttäusch mich nicht, sie haben den Befehl euch zu töten, wenn ihr eine Hinterlist plant."
Crow sah vergnügt von Vierna zu Triel und dann zu Viconia. Mit einem breitem Grinsen im Gesicht sagte er vergnügt,
"Was für ein Glück, das sich einige Dinge nie ändern!" dann wandte er sich um und trat zu Tsabrak, Laele und Talice.
Triel aber wendete sich ab und verschwand zusammen mit der seltsamen rothäutigen Frau aus dem Raum. Viconia sah ihnen hinterher und fragte schließlich,
"Wer ist diese Frau?"
Dan'tra, die heran getreten war, sah in die Richtung und meinte trocken,
"Ich kenne nur einen mit roter Haut..." ihr Blick fiel auf Vierna und sie erkannte in deren Blick, daß auch sie erst jetzt auf den Gedanken kam...
Vier Tage später fiel Vesper in die Hand der Drow.
Es war ein Überraschungsangriff gewesen, wie er nicht besser geplant sein konnte. Die Stadt war sowieso leer und nur ein paar Räuber hatten die Straßen bevölkert. Innerhalb einer einzigen Stunde war die Stadt in der Hand der Drow und von jenem Tage an, gab es im Krieg zwischen Lloth und Raynor eine weitere Front!